Abschätzungsrichtlinien des Deutschen Fernschachbundes (BdF)
(Für ab dem 01.01.2007 gestartete Turniere)
Präambel
Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass alle im Spiel- und Turnierbetrieb des Deutschen Fernschachbundes (BdF) gespielten Partien aus den im Regelwerk vorgesehenen Gründen beendet werden (Matt, Patt, Remisvereinbarung, Zeitüberschreitung, Wertung bei Rücktritten). Wenn es aus bestimmten Gründen zur Wertung einer Partie durch Abschätzung kommen muss, werden die folgenden Grundsätze für das Verfahren bei der Abschätzung unbeendeter Partien (Abschätzungsrichtlinien) angewendet.
Alle Personen bezeichnenden Angaben sind in geschlechtsneutraler Form zu verstehen.
- Anwendungsbereich
Bei terminabhängigen Wettbewerben (Meisterschaften, Pokalturniere), die
- in Etappen (Vor-, Zwischen- und Endrunde) ausgetragen werden oder
- für die feste Spielzeiten (Spielklassen der Mannschaftsmeisterschaft festgelegt sind,
werden die Ergebnisse noch nicht beendeter Partien durch deren Abschätzung ermittelt; grundsätzlich soll bereits in den Turnierbedingungen (Ausschreibungstext, Startschreiben) vor Turnierbeginn auf das vorgesehene Verfahren hingewiesen worden sein. Das Fehlen eines solchen Hinweises schließt die Wertung von Partien durch Abschätzung und die Anwendung dieser Abschätzungsrichtlinien nicht aus.
In besonderen Einzelfällen (Tod, schwere Erkrankung) können Partieergebnisse durch sinngemäße Anwendung der nachstehenden Regelungen ermittelt werden. - Einleitung des Verfahrens, Zuständigkeiten
Für die Durchführung des Verfahrens besteht eine besondere Abschätzungszentrale, die aus einem Leiter und den Abschätzern besteht. Die Abschätzungszentrale hat die ausschließliche Aufgabe, über die zu den Abbruchstellungen unbeendeter Partien gestellten Wertungsanträge beider Spielpartner zu entscheiden, wenn diese Anträge im Ergebnis auseinander fallen. Hiervon unberührt bleibt die Zuständigkeit der Turnierleitung für alle Entscheidungen aufgrund des Regelwerks (SpO/TO/MTO) sowie in den Fällen der Nr. 4 dieser Richtlinien.
Über die Notwendigkeit, das Abschätzungsverfahren durchzuführen, entscheidet die Turnierleitung, indem sie nach Klärung aller regeltechnischen Fragen den Abbruch der Partien anordnet und
- in Einzelturnieren die betroffenen Spieler,
- in Mannschaftsturnieren die betroffenen Mannschaftsführer
auffordert, bis zu einem bestimmten Termin die Unterlagen für die unbeendeten Partien an die Turnierleitung einzusenden. - Anforderungen an die Einsendungen
Die Einsendungen an die Turnierleitung können grundsätzlich per Post, E-Mail und Fax erfolgen, aus Gründen der Vereinfachung soll nach Möglichkeit die Übermittlung per E-Mail gewählt werden.
Die Einsendungen müssen die Ausführungen in doppelter Ausfertigung (je einmal mit und ohne Namensnennung) und nachstehende Angaben enthalten:
a) die Turnierkennziffer,
b) die Partieniederschrift bis zum Abbruch,
c) die danach entstandene Abbruchstellung (weiße und schwarze Figuren),
d) einen verbindlichen Antrag (Gewinn oder Remis) zur Wertung der Partie,
e) geordnete Analysen zur Unterstützung des Antrags. - Ausschluss der Abschätzung
Die Abschätzung entfällt
a) bei übereinstimmenden Anträgen beider Spielpartner; das beiderseitig beantragte Ergebnis wird vom Turnierleiter gewertet;
b) wenn nur ein Spielpartner die vollständigen Unterlagen (Nr. 3) einsendet; das von ihm beantragte Ergebnis wird vom Turnierleiter gewertet;
c) wenn beide Spielpartner die Unterlagen (Nr. 3) gar nicht, verspätet oder unvollständig/grob fehlerhaft einsenden; die betroffene Partie wird für alle turnierrechtlichen Folgerungen (Qualifikationen, Aufstiege, Klassenerhalte, Mannschaftswettkämpfe, Fernschachwertungszahlen usw.) vom Turnierleiter mit 0:0 gewertet.
Der Turnierleiter teilt den Einsendern das gewertete Ergebnis mit; ein Reklamationsrecht ist in diesen Fällen nicht gegeben. - Frist bis zur Abschätzung, Vorprüfung durch die Turnierleitung
Die Abschätzung soll innerhalb eines Monats nach Einsendung der Unterlagen durchgeführt werden, wenn bis zum Einsendetermin von beiden Spielpartnern vollständige Unterlagen (Nr. 3) eingereicht und nicht übereinstimmende Anträge gestellt worden sind. Der Turnierleiter prüft die Unterlagen daraufhin und übersendet die entscheidungsfähigen Unterlagen an den Leiter der Abschätzungszentrale, der die ohne Namensnennung vorgelegten Unterlagen an die Abschätzer weiterleitet. - Ablauf der Abschätzung
Ein anonymer Abschätzer prüft die Anträge/Analysen der Spielpartner und trifft seine Entscheidung im subjektiven Abschätzungsverfahren
a) nach der seiner Meinung nach richtigen Analyse oder
b) bei fehlenden/fehlerhaften (Teilen der) Analysen nach seinem Ermessen, indem er ohne tiefgründige eigene Analysen auf allgemeine Prinzipien wie Plusmaterial ohne ersichtliche Kompensation für die andere Seite, theoretische Gewinn- oder Remis-Stellungen zurückgreift.
Der Abschätzer legt das von ihm ermittelte Ergebnis fest und fügt seiner Nachricht an den Leiter der Abschätzungszentrale eine kurze Begründung hinzu, die zumindest den abweichenden Zug benennen soll, der zu einer anderen als der beantragten Partiewertung geführt hat. Der Abschätzer darf dabei nicht über die vorliegenden Anträge hinausgehen (Antragsmaxime).
Der Leiter der Abschätzungszentrale teilt beiden Spielpartnern das Abschätzungsergebnis mit der kurzen Begründung mit. - Berufung
Innerhalb von 8 Tagen nach dem Versanddatum des Abschätzungsergebnisses kann von dem Spielpartner, dessen Antrag nicht zum Erfolg geführt hat, beim Leiter der Abschätzungszentrale Berufung eingelegt werden; die Einhaltung der Frist bestimmt sich beim Postversand durch den Poststempel. Die Berufung darf nur durch Analysen unterstützt werden, die sich ausschließlich auf die kurze Begründung des Abschätzungsergebnisses beziehen; neue Analysen zur Abbruchstellung bleiben ohne Beachtung.
Der Leiter der Abschätzungszentrale unterrichtet unverzüglich den Spielpartner, dass das Abschätzungsergebnis durch Berufung angefochten wurde. Dabei gibt er ihm Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von 8 Tagen aus Anlass der Berufung; die Einhaltung der Frist bestimmt sich beim Postversand auch hier durch den Poststempel. - Entscheidung über die Berufung
Die Berufung und ggf. die Stellungnahme des Spielpartners werden durch einen anonymen Abschätzer überprüft, der an der ersten Abschätzung nicht beteiligt war. Der im Berufungsverfahren tätige Abschätzer kann
a) der Berufung stattgeben und anderweitig entscheiden oder
b) durch Zurückweisung der Berufung die Entscheidung des ersten Abschätzers bestätigen.
Das Ergebnis seiner Abschätzung teilt der Abschätzer dem Leiter der Abschätzungszentrale mit, der dann die beiden Spielpartner unterrichtet.
Das Urteil des zweiten Abschätzers gilt abschließend, ein weiteres Reklamationsrecht ist nicht gegeben. - Abschluss des Verfahrens
Das Abschätzungsverfahren wird dadurch abgeschlossen, dass der Leiter der Abschätzungszentrale alle rechtskräftigen Abschätzungsergebnisse der Turnierleitung mitteilt, die sodann die abschließenden Maßnahmen für die Ermittlung der Turnierendstände durchführt.
Diese Abschätzungsrichtlinien treten mit Wirkung vom 01.01.2007 in Kraft und gelten für alle ab diesem Datum durchzuführenden Abschätzungen.
12.12.2006, Dr. Fritz Baumbach (Präsident) - Günter Henrich (Geschäftsführer)