Rezensionen - Einstellungsjahr 2012

Verfasser: Uwe Bekemann (sofern nicht jeweils ein anderer Verfasser genannt ist)

Amateur to IM

Jonathan Hawkins
Amateur to IM
369 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-936277-40-7
22,95 Euro




Amateur to IM
Unter dem Titel "Amateur to IM" mit dem Untertitel "Proven Ideas and Training Methods" ist eine Neuerscheinung auf den Schachbuchmarkt gekommen, die sich diejenigen Spieler einmal genauer ansehen sollten, die bereits ein gewisses Niveau in ihrer Spielstärke erreicht haben, aber systematisch nach Höherem streben wollen. Es gibt schon einige Bücher, die nach den Prinzipien "vom Amateur zum Meister" oder "vom Anfänger zum Fortgeschrittenen" geschrieben worden sind, dieses Werk hebt sich aber von anderen ab. Im Zuge dieser Rezension werde ich auch auf diejenigen spezifischen Inhalte eingehen, die mich zu dieser Einschätzung veranlassen.
"Amateur to IM" ist genau das richtige Buch für den bereits fortgeschrittenen Spieler, der bereit ist, mittels eines praktischen Studiums und eines logisch und zielbewusst aufgebauten Trainings intensiv an sich zu arbeiten.

Der Autor Jonathan Hawkins ist IM und hatte zum Zeitpunkt der Drucklegung auch bereits zwei Großmeisternormen in der Tasche.
Bemerkenswert ist, dass Hawkins nach dem Klappentext ein Spätstarter in Sachen Schach ist, der zunächst wohl recht passabel gespielt hat, in seinen letzten Teenagerjahren dann aber sehr ambitioniert sein Können ausgebaut hat. Die Folge davon waren ein Ranking-Höhenflug, Titel und dann auch die GM-Normen. So ist die Folgerung, dass sein Buch "Amateur to IM" seine Reifeprüfung bereits bestanden hat, sicher zutreffend. Es wird deutlich, dass Hawkins auf der Basis der darin dargestellten Gedanken und Methoden in die Erfolgsspur gekommen ist. Diese Nähe des Autors in seinem eigenen Werdegang zu den Inhalten des Werkes ist einer jener Unterschiede zu anderen Büchern zum Thema, wie man als Leser gezielt höhere Ebenen der Spielstärke erreichen kann.

"Amateur to IM" ist sehr logisch aufgebaut. Zunächst einmal gliedert es sich in drei übergeordnete Teile mit den, in sinngemäßer Übersetzung, folgenden Überschriften: Denktechniken, Prinzipien und Basistheorie sowie Erfassung/Ausarbeitung von Endspielen. In jedem Teil findet sich dann eine Reihe von Kapiteln, unter deren Ebene sich dann noch die einzelnen Themen befinden.
Es würde den Rahmen dieser Rezension sprengen, hier quasi das Inhaltsverzeichnis abzubilden; schon im Werk selbst erstreckt es sich über mehr als vier Seiten. Ich gebe mich deshalb mit der Abbildung je eines Kapitels aus jedem Teil des Buches zufrieden, um zumindest einen Eindruck von den Themen und der Detaillierung der Buchinhalte vermitteln zu können. Das Werk ist in Englisch geschrieben, bei den folgenden Angaben handelt es sich also um sinngemäße Übersetzungen.

Teil 1
3. Kapitel: Lektion 3
- Planung und Berechnung kombinieren
- Schlüsselstellungen meistern/beherrschen
- Blöcke bilden
(Anmerkung: Damit ist eine Sammlung von Stellungen gemeint, die aus einer gegebenen, einer aktuellen Stellung heraus erreicht werden können.)
- Reservetempi
- Kritische Felder
- Drei Trainingspartien
- Zusammenfassung der Ideen
- Theoretische Anmerkungen

Teil 2
2. Kapitel: Läufer- und Bauernverbindungen - Dynamische Verteidigung
- T+B vs. L+B mit blockierten Bauern
- Festungen
- Positionelle Ideen
- Vereinfachung in ein bekanntes Remis-Endspiel
- Illustrationspartie Sasikiran - Carlsen
- Zusammenfassung der Ideen: "solide" und "passiv"; Festung

Teil 3
5. Kapitel: Mehrbauer am Damenflügel, Teil 2 - Entlang der Grenzlinie
- Steckner-Stellung
- Dautov-Stellung
- Unzicker-Stellung
- Dvoretsky-Stellung
- Zugzwang-Stellung
- Ungewöhnliche Dautov-Stellung
- Zusammenfassung der Ideen
- Theoretische Anmerkungen: Mehr zur Steckner-Stellung.

Auch innerhalb der einzelnen Themen ist das Werk sehr logisch aufgebaut. Soweit es konkret definierte Lern- und Trainingsziele gibt, werden diese zu Beginn summarisch aufgeführt. Dem folgen je nachdem theoretische Einführungen, an Stellungs- oder Partiebeispielen orientierte Erläuterungen sowie die ganz konkrete Erörterung des Themas. In Kapiteln, deren Inhalte sich dafür eignen, bildet eine Zusammenstellung der wesentlichen Ergebnisse zum gerade behandelten Stoff den Abschluss.

Hawkins arbeitet sehr textbasiert, was mir als sehr positiv auffällt. Zumeist heftet er seine Ausführungen "Einlinien-Varianten" an, die er eher zurückhaltend in die Richtung von Analysen verlässt. So sind in die Tiefe gehende Varianten eher eine glatte Ausnahme. Sie würden der Intention eines Werkes wie "Amateur to IM" auch nicht entsprechen. So ist es für mich ein Plus an Qualität, dass derartige Varianten in diesem Werk fehlen. Der Autor wusste genau, was er wollte; er wusste, was er dazu brauchte und was nicht, und er wusste, was womöglich sogar von seinen Zielen ablenken könnte.

Höhepunkte im Werk sind immer auch dann erreicht, wenn Hawkins eine Stellung auf ihre prägenden Merkmale hin untersucht, um aus dieser Bestandsaufnahme die Planung und die Berechnung zu entwickeln. So ähnlich stellt man sich die Arbeit eines Mediziners vor, der über ein Sezieren zu Schlüssen kommen will. Hawkins geht dabei so sicher vor und stellt seine Einschätzungen so nachvollziehbar dar, dass man als Leser das Gefühl bekommt, die Sache könne doch gar nicht so schwer sein. Ich behaupte, dass allein die x-fache Nachahmung dieser Demonstration den Leser in der Praxis besser stellt. Im Zuge der Vorbereitung dieser Rezension habe ich mich natürlich nur mit einzelnen Passagen besonders intensiv befassen können. Obwohl dies, bezogen auf das vollständige Werk, nur ein Ausschnitt war, traue ich mir zu, in der eigenen Praxis bewusst auf die Systematik und das Beispiel von Hawkins zurückzugreifen. Man merkt, dass Hawkins nicht irgendeinen Retortenkurs zusammengestellt hat, sondern quasi aufgearbeitet hat und preisgibt, wie er selbst zu einem immer besseren Spieler geworden ist.

"Amateur to IM" ist nicht nur hochinformativ, es ist auch sehr unterhaltsam geschrieben. Das Studium und das Training machen Spaß, eine gelungene Kombination, die den Leser bei der Stange hält.

Einige Übungen, die dem Leser an bereiten Stellen aufgegeben werden, dienen der Vertiefung und der Überprüfung der Studienfortschritte. Sie sind aber spärlich genug eingesetzt, um dem Urteil vorzubeugen, "Amateur to IM" sei ein weiterer Tropfen im Meer der "Puzzle-Bücher". Die Übungen sind vielmehr der Tropfen im Meer der schulenden und trainierenden Inhalte im Werk. Mir sagt der den Aufgaben im Buch zugebilligte Raum zu, der Anteil ist ohne Zweifel angemessen.

Wie schon am Rande erwähnt: "Amateur to IM" ist in englischer Sprache geschrieben. Wer mit seinen Fremdsprachkenntnissen aber einigermaßen gut zu Fuß ist, kommt problemlos zurecht.

Fazit: "Amateur to IM" ist das Werk, das den Gesellen zum Meister machen kann. So kann ich es dem Spieler, der schon vor dem Kauf über die Phase des Anfängers hinaus ist, sehr zum Kauf empfehlen.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

Die große Schachschule

Jonathan Carlstedt
Die große Schachschule
272 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-3-86910-197-2
19,95 Euro




Die große Schachschule
Es gibt mehrere gute Methoden, das Schachspiel zu erlernen und auf ein erstes ansprechendes Niveau zu heben. Ein guter Spieler, der sein Wissen verständlich und systematisch sinnvoll zu vermitteln vermag, kann dem Neuling ein guter Lehrer sein. Nicht jeder aber, der sich für das Schachspiel interessiert, hat jemanden in seinem persönlichen Umfeld, der diese Aufgabe übernehmen könnte. Auch hat nicht jeder Verein einen Spieler in seinen Reihen, der Schach lehren will und kann, wenn denn der Neuling überhaupt den Weg in einen Verein wagt.
Eine andere und auch gute Alternative liegt darin, das Schachspiel autodidaktisch auf der Basis eines Lehrbuches zu erlernen. Aber auch dieser "Lehrer aus Papier und Druckerschwärze" muss sein Knowhow verständlich und systematisch sinnvoll an den lernenden Leser bringen.

"Die große Schachschule" aus der Feder von Jonathan Carlstedt und unter dem "humboldt"-Label erschienen, einer Marke der Schlüterschen Verlagsgesellschaft aus Hannover, erfüllt diese hohen Anforderungen. Das zu Recht von der Schach-Zeitung empfohlene Werk folgt dem eigenen Anspruch, den Leser in 10 Lektionen vom Anfänger zum Turnierspieler zu machen. Ein Lehrbuch mit einem so ehrgeizigen Ziel muss bei "Adam und Eva" anfangen und das Wissen des Lesers dann kontinuierlich bis in solche grundlegenden Details führen, die der Turnierspieler braucht. Dies beinhaltet auch ein Basiswissen zur Eröffnungstheorie, zur Strategie und Taktik sowie zu Hilfsmitteln des Spielers, insbesondere zur Partiendatenbank und zu Engines. Es muss logisch, gewissermaßen im Sinne eines Marketinggedankens aufgebaut sein - was der Leser an einer bestimmten Station seiner Entwicklung erfahren muss und sucht, muss an der geeigneten Stelle im Buch eingebunden sein. Dabei sollte das Werk angenehm zu lesen sein und Spaß machen, damit der neu gewonnene Schachjünger dem Spiel die Stange hält und das Buch auch als Gegenstand guter Unterhaltung immer wieder gerne zur Hand nimmt.

"Die große Schachschule" holt den Novizen dort ab, wo er sich unmittelbar nach dem Kauf des Brettes und der Figuren befindet, bei "Adam und Eva" eben. Carlstedt erklärt, wie das Schachbrett beschaffen ist, worum es sich bei Linien und Reihen handelt, wie sich die Figuren bewegen dürfen usw. Zu allen Inhalten findet der Leser sehr hilfreiche Illustrationen vor, er lernt in Wort und Bild. Die Reise endet in der Behandlung maßgeblicher Eröffnungen und ganz konkreter Varianten sowie in einem Taktiktraining. So drängt es sich auf, das Werk über seine schon erwähnten 10 Lektionen hinweg als "Komplettkurs in Sachen Schach" zu bezeichnen.

Die einzelnen Kapitel, eben als "Lektionen" bezeichnet, widmen sich den folgenden Inhalten:

Lektion 1
Wir lernen Schach: Das Schachbrett, Grundlagen des Schachs und Sonderregeln, Matt und Patt, Grundlagen des Schachs / Übersicht, Das Bauerndiplom
Lektion 2
Material gewinnen, Material verteidigen, Materialgewinn forcieren, Der Beginn einer Schachpartie, Matt in 2 Zügen!
Lektion 3
Doppelangriff, Doppelschach und Abzugsschach, Wann stehen Figuren schlecht, wann gut?, Die Lenkung, Das Dauerschach, Das Endspiel, Bauern- und Turmendspiele, Das Grundreihenmatt, Das Turmdiplom
Lektion 4
Überblick der Eröffnungen, Offene Spiele, Halboffene Spiele, Geschlossene Spiele
Lektion 5
Weitere Endspiele, Noch mehr Taktik, Strategie 1 - 2, Strategie und Endspiel, Erste Partieanalyse, Taktik, Taktik und Endspiele
Lektion 6
Chessbase, Endspiel, Figurenopfer, Mattangriff und Kombinationen, Eröffnungen, Taktik, Das Königsdiplom
Lektion 7
1.e4-Eröffnungen, Ruy-Lopez-Theorie 1 - 4, Caro-Kann-Nebenvarianten 1 - 2, Caro-Kann-Hauptvariante, Skandinavisch, 1…d6 Pirc, Aljechin-Verteidigung, Französische Verteidigung 1 -4, Sizilianische Verteidigung, Nebenvarianten, 2…e6 im Sizilianer, Taimanov/Paulsen-Sizilianer, Sweshnikov-Variante, Nebenvariante, Sweshnikov-Hauptvariante, Beschleunigter Drache, Drachenvariante, Nebenvariante, Drachenvariante, Hauptvarianten, Najdorf-Variante, Teil 1 - 2
Lektion 8
1.d4-Eröffnungen, Katalanisch - 1 - 6, Slawische Verteidigung - 1 - 3, Damengambit, Nebenvarianten, Angenommenes Damengambit, Königsindisch 1 - 4
Lektion 9
1.c4-Eröffnungen, Symmetrievariante, Rubinsteinvariante, Keres-System, c6 d5 e6, e6 d5 c5, dxc4, Dragon reversed, c6 Lf5/Lg4, 1.c4 e5 … Lc5/Lb4, 1.c4 e5 ohne f5, 1.c4 e5 mit f5, 1.c4 c5 ohne e5, 1.c4 c5 mit e5, 1…b6
Lektion 10
Taktikstellungen

Carlstedt lehrt den Leser aber nicht nur zu allem, was auf dem Brett stattfindet, er gibt ihm allerhand weitere Tipps und Hinweise. So weiht er den Leser in Maßgaben zum Fairplay ein, weist ihm den Weg zu den Diplomen des Deutschen Schachbundes und gibt dabei Ratschläge, wie der Leser die Übungen zu deren Erlangen unter "Aufsicht" ablegen sollte, informiert den Leser über Internetadressen und über zahlreiche weitere Belange, die der Turnierspieler wissen sollte.
Die Diplome des Deutschen Schachbundes bestätigen dem Leser, dass er sich nun tatsächlich als Schachspieler bezeichnen darf, von "regelkundig" bis "fortgeschritten". Auf das erfolgreiche Lösen der Übungen hierzu bereitet Carlstedt den Leser auch fortlaufend vor, indem er ihm eigene Aufgaben stellt. So gewinnt der Leser kontinuierlich an Übung und wird zugleich zu den verschiedensten Aspekten des Schachspiels auch praktisch gefordert.

Carlstedt schreibt recht erfrischend, man meint sein noch junges Alter zu spüren. So dürfte er mit seinem Stil und seiner Ausdrucksweise besonders auch bei seinen jüngeren Lesern gut ankommen. Es wird nie langweilig.

Das Werk ist nicht nur für den Autodidakten geeignet, es kann auch dem Schachlehrer als gute Grundlage dienen. Er erhält quasi einen komplett ausgearbeiteten Plan für seinen Schachunterricht an die Hand.

Fazit: "Die große Schachschule" von Jonathan Carlstedt ist ein sehr gelungenes Lehrbuch für denjenigen, der das Schachspiel von Grund auf erlernen möchte, aber auch Ambition hat, den Einstieg in höhere Ebenen aufzusteigen. Es ist ein Werk, das es selbst dem bisher noch völlig unkundigen Leser die Möglichkeit gibt, autodidaktisch zum Schachspieler zu werden. Auch und vielleicht sogar gerade auch dem jüngeren Interessenten ist es ein sehr qualifizierter Lehrer, ohne aber jemals schulmeisterlich zu wirken.
Zudem ist das Werk ein Gewinn für den Schachlehrer.

Ich kann "Die große Schachschule" uneingeschränkt zum Kauf empfehlen. Und wem noch ein Geschenk fehlt - auch hierzu ist das Werk geeignet.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Schlüterschen Verlagsgesellschaft (http://schluetersche.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

Opening for White according to Anand 1.e4 Vol. 14

Alexander Khalifman
Opening for White according to Anand 1.e4 Vol. 14
272 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-954-8782-91-3
24,95 Euro




Opening for White according to Anand 1.e4 Vol. 14
Der 14. Band aus der Serie "Opening for White according to Anand 1.e4" ist nicht nur deren jüngster Spross, sondern zugleich auch der letzte. Damit ist dieses beeindruckende Projekt aus dem bulgarischen Chess Stars-Verlag abgeschlossen.

"Opening for White according to Anand 1.e4 Vol. 14" widmet sich der Najdorf-Variante in der Sizilianischen Verteidigung, und zwar jeweils mit 6.Le3. Behandelt werden die Springervariante (1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sf3 Sf6 5.Sc3 a6 6.Le3 Sg4 7.Lg5) und der Englische Angriff (… 6.Le3 e5 7.Sb3). Der Autor Alexander Khalifman und sein Team, dem der 14. Schachweltmeister ausdrücklich dankt, schenken der Springervariante insgesamt 36 Seiten und dem Englischen Angriff weitere 222 Seiten, der damit das thematische Schwergewicht ausmacht.

Viel Neues lässt sich, abgesehen natürlich vom thematischen Inhalt, zu diesem 14. Band der Serie im Vergleich zu seinen Vorgängern nicht bemerken. Vor allem ist die hohe Qualität der Äußerungen zur Theorie erhalten geblieben.

Der Band ist aufgrund seiner Breite und Tiefe des behandelten Materials nicht nur fernschachtauglich, er ist auch in einem hohen Maße von der Fernschachpraxis geprägt. Eine sehr stattliche Anzahl der Partiefragmente stammt aus dem Fernschach, zumeist als "Email" bezeichnet. In vielen Fällen konnte ich auch deutsche Spieler auf einer der beiden Seiten des Brettes identifizieren. In mehr als 40 Fällen gelang mir dies zweifelsfrei, auch anhand der genannten Paarungen. Zusammen mit den "Verdachtsfällen" liegt die Zahl der deutschen Spieler eindeutig erheblich darüber.

Der Buchaufbau ist klassisch. Eine Hauptvariante bildet das Rückgrat der Betrachtung, sie ordnet auch die Behandlung der Nebenvarianten. Khalifman führt die Varianten bis in eine abschließende Abschätzung zu den weiteren Aussichten, wobei er diese überwiegend ausformuliert, sich also nicht allein mit einem schachlichen Zeichen begnügt. Dabei begründet er seine Einschätzung automatisch. Zudem erhält der Leser dabei oft auch Hinweise zu den strategischen Aussichten und Möglichkeiten. Diese können die Planung des Lesers in seiner eigenen Partie leiten.

Zum Vorgängerband konnte ich damals schreiben, dass er für mich das Zeug zum Referenzwerk für den von ihm abgedeckten Theoriezweig hat. Das Gleiche gilt für "Opening for White according to Anand 1.e4 Vol. 14".
Auch er enthält "Theorie pur", es gibt keine Beispielpartien. Die gut sortierte Partiendatenbank des Lesers wird angesichts der behandelten Systeme gewiss genügend Beispielpartien enthalten, sodass ich persönlich im Verzicht des Autors auf eben die Partien sogar einen Vorteil sehe. So bleibt mehr Raum für die Darstellung der Theorie bzw. bleibt der Seitenumfang des Werkes im Griff, was nicht ohne Auswirkung auf den Preis bleibt.
Mit 24,95 Euro ist "Opening for White according to Anand 1.e4 Vol. 14" für einen angemessenen Betrag zu haben.

Am Ende des Werkes ist ein ausreichend differenziertes Variantenverzeichnis zu finden, das eine gute Orientierung über alle Bereiche hinweg erlaubt. Die Art der Darstellung erleichtert auch die Auflösung von Zugumstellungen, was wiederum den Fernschachspieler erfreuen dürfte.
Ein Quellenverzeichnis fehlt. Somit lässt sich zumindest auf diese einfache Weise auch kein Theoriestand ermitteln, der sonst über die Erscheinungsdaten der jüngsten Quellen erkennbar würde. Aus den Angaben zu den Partiefragmenten ergibt sich aber, dass das verwendete Material "up to date" ist.
Und wenn wir gerade bei einem englischen Ausdruck sind: Die Buchsprache ist Englisch. Fremdsprachkenntnisse auf Schulniveau reichen aber völlig aus, um das Werk gut zu verstehen. Es dürfte sich ohnehin um eine Übersetzung ins Englische handeln, was auch eine kleine Notiz oben auf Seite 241 verrät; hier ist ein Spielername im ursprünglichen Zeichensatz erhalten geblieben.

Fazit: Auch dieser Band gefällt mir persönlich ganz ausgezeichnet. So ist "Opening for White according to Anand 1.e4 Vol. 14" für mich eine klare Kaufempfehlung.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

The Greatest Ever chess strategies

Sam Collins
The Greatest Ever chess strategies
176 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-85744-676-0
17,50 Euro




The Greatest Ever chess strategies
Der Titel "The Greatest Ever chess strategies" verleitet zu der Annahme, dass der Leser mit dem so bezeichneten Werk eine Sammlung von Partien an die Hand bekommt, die als Allzeit-Juwelen zur Schachstrategie gelten können. Dies ist aber nicht der Fall. Der Autor Sam Collins, IM aus Irland, hat vielmehr die wichtigsten strategischen Elemente selbst zum Thema gemacht. Das jüngst bei Everyman Chess erschienene Werk widmet sich damit Dingen wie dem mobilen Bauernzentrum, dem doppelten Läuferopfer usw.
Um einen frühen Überblick über die Kerninhalte zu ermöglichen, führe ich nachfolgend und sinngemäß ins Deutsche übersetzt die Kerninhalte entsprechend des Inhaltsverzeichnisses auf. Dieses enthält:

Einführung
- Spielen über Analogien

Bauern
- Symmetrie
- Offene Linien
- Der Bauer e6
- Mobiles Bauernzentrum
- Raumvorteil am Damenflügel
- Die c6!?-Neuerung
- Der Vorstoß b4
- Nutzung des Turmbauern
- Vorposten

Läufer
- Läufertäusche
- Neue Handlungsfelder
- Ungleichfarbige Läufer
- Zwei Läufer in der Spanischen Partie
- Doppeltes Läuferopfer

Material
- Neueinschätzung

Dynamische Faktoren
- Zeit
- Ruhe!
- Initiative in damenlosen Mittelspielen
- Angriff

Für mich ist "The Greatest Ever chess strategies" kein Buch für den Anfänger, es ist vielmehr ein Werkzeug für den schon spielstarken Leser. Es erlaubt ein gezieltes Training wie auch die Vervollkommnung der strategischen Fähigkeiten. Dies ergibt sich für mich nicht nur aus dem Niveau des Anspruchs an den Leser, sondern auch aus dem Wirkansatz des Werkes. Dieser fußt auch auf der Suche nach dem besten Zug in der Partie auf der Basis von Analogien, also die Suche nach und die Entscheidung für einen Zug mehr unter dem Einfluss einer Portion Intuition. So wie der geübte Autofahrer in bestimmten Verkehrssituationen automatisch die richtige Fahrentscheidung trifft, wird nach dieser Vorstellung der mit bestimmten strategischen Elementen vertraute Spieler dann intuitiv die richtige strategische Entscheidung treffen, sofern die zugrundeliegenden Elemente quasi bereits in Fleisch und Blut übergegangen sind.

Collins arbeitet nicht mit meisterhaft gespielten Partien, sondern mit solchen, die seine Aussage- und Darstellungsabsichten unterstützen. In zahlreichen Fällen hat er selbst am Brett gesessen, kann also im Guten wie im Schlechten authentisch aus Spielersicht schreiben.
Es gibt insgesamt 75 vollständig abgebildete Partien im Werk. Diese sind allesamt kommentiert, wobei sich die Anmerkungen auf das jeweilige strategische Thema konzentrieren, sich aber nicht darauf beschränken.

Ich stelle mir einen aussichtsreichen Umgang mit dem Werk beispielsweise wie folgt vor, sofern der Leser nicht allein Unterhaltung über die Partien sucht:
1. Er nimmt sich ein strategisches Element im Buch vor und arbeitet intensiv die entsprechenden Inhalte durch. Damit rückt dieses Element ins Bewusstsein, es verankert sich (neu) im Gedächtnis.
2. Der Leser klärt für sich, ob er aufgrund eventueller Vorkenntnisse wieder auf Stand ist oder ob er noch Lernbedarf hat.
3. Fehlen ihm ausreichende Vorkenntnisse, so sollte er sich weiteres thematisches Rüstzeug verschaffen. Ein Lehrbuch im herkömmlichen Sinn ist "The Greatest Ever chess strategies" nicht, ein strategisches Element im wahrsten Sinn erlernen kann der Spieler hiermit nicht. Hier sollte er sich ggf. Grundlagenliteratur beschaffen.
4. Andernfalls stehen dem Spieler verschiedene sich anschließende Methoden offen, um die Thematik mit Praxisbezug zu vertiefen und zu trainieren, u.a. in der Analyse eigener oder auch fremder Partien. Zu den meisten strategischen Elementen werden die Suchfunktionen der Partiendatenbanken nach Material, Manöver etc. hilfreiche Dienste leisten können.

Ein Eröffnungsverzeichnis sowie ein Partienverzeichnis schließen das Werk ab. Die Buchsprache ist Englisch, die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse sind moderat. Ich musste die Bedeutung von einigen Vokabeln nachschlagen, der verwendete Wortschatz geht in Einzelfällen über "den Alltagsbedarf" hinaus.

Fazit: "The Greatest Ever chess strategies" ist dem schon starken Spieler als Trainingswerk und als Hilfsmittel zur gezielten Vervollkommnung bestimmter strategischer Fertigkeiten zu empfehlen. Da das Werk auch einen Unterhaltungswert hat, kann es auch insoweit Freude bereiten.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

The Sharpest Sicilian 2012

Kiril Georgiev und Atanas Kolev
The Sharpest Sicilian 2012
332 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-954-8782-90-6
24,95 Euro




The Sharpest Sicilian 2012
"The Sharpest Sicilian 2012", sinngemäß übersetzbar mit "das Schärfste in der Sizilianischen Verteidigung 2012" vom großmeisterlichen Autorenduo Kiril Georgiev und Atanas Kolev ist zweierlei in einem, also sowohl Neuerscheinung als auch Neuauflage eines Werkes aus 2007. Dieses jüngst im bulgarischen Chess Stars-Verlag erschienene Buch basiert auf einer vorherigen Veröffentlichung des Jahres 2007, wurde aber in weiten Teilen praktisch neu geschrieben. Damit ist unter anderem der Effekt verbunden, dass der Leser ein top-aktuelles Eröffnungswerk in die Hand bekommt, dessen Struktur sich bereits bewährt hat.

"The Sharpest Sicilian 2012" beinhaltet 11 Kapitel, deren Gegenstand der theoretischen Behandlung ich über die jeweiligen Initialzüge bezeichne. So kann jeder Leser dieser Rezension ermessen, inwieweit diese Zugfolgen für sein Repertoire relevant sind, andererseits umgehe ich so das Problem unterschiedlicher Namensgebungen in der Literatur für jeweils identische Systeme.
Das vorliegende Werk widmet sich dem Sizilianer über die folgenden Anfänge:

Kap. 1: 1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.Lg5 e6
Kap. 2: 1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.Lc4
Kap. 3: 1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.Le2 e5
Kap. 4: 1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.a4
Kap. 5: 1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.Le3 e5
Kap. 6: 1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.Le3 e5 7.Sb3 Le6
Kap. 7: 1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.f4
Kap. 8: 1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.g3
Kap. 9: 1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 (seltene Varianten)
Kap. 10: 1.e4 c5 2.Sf3 d6 (frühe Abweichungen für Weiß)
Kap. 11: 1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.Lb5+.

"The Sharpest Sicilian 2012" ist ein Repertoirebuch, also keine Monografie. Die behandelten Varianten folgen also Einschätzungen und Empfehlungen der Autoren, die somit eine Auswahl getroffen und zwangsläufig auch auf Linien verzichtet haben, die ihnen als weniger bedeutungsvoll oder nicht gleichwertig erscheinen. Geschrieben ist das Werk aus der Sicht von Schwarz, sodass die Weiß eröffneten Möglichkeiten behandelt werden, auch wenn sie aus der Sicht der Autoren nicht die besten Alternativen sind. Dieses Vorgehen ist notwendig, wenn das Repertoire rund sein soll, Schwarz also nicht schnell aus den ihm bekannten Linien gedrängt werden können soll. Hinsichtlich der Weichenstellungen im Bereich der nach Einschätzung der Autoren vollwertigen Linien hat Schwarz den Hut auf.
"The Sharpest Sicilian 2012" ist sehr gründlich aufgemacht, sodass es teilweise wie eine Monografie, wie eine umfassende Erörterung wirkt. Auch erinnert es passagenweise an eine Anleitung nach dem Prinzip "wie spielt man …". Für meinen Geschmack haben die beiden Autoren eine wunderbare Mischung aus den genannten Stilvarianten gefunden. "The Sharpest Sicilian 2012" ist ein sehr überzeugendes Buch, welches ich auf jeden Fall zu den wichtigsten Neuerscheinungen 2012 im Bereich der Sizilianischen Verteidigung zähle.

Das Werk folgt den für Eröffnungsbücher aus dem Verlag Chess Stars typischen Aufbau. Zunächst wird die besprochene Variante in "Quick Repertoire" theoretisch eingeführt. Und dabei so weit dargestellt, dass der Leser sie im Clubspiel anwenden können soll. Die Autoren gehen davon aus, dass 90% der gespielten Clubpartien auf der Basis der hier behandelten Linien gespielt werden und die meisten Leser nicht mehr als diesen Teil der Darstellungen brauchen. Durch die Brille des Fernschachspielers ist die sich anschließende Vertiefung in "Step by Step" unverzichtbar. Hier wird die Besprechung vertieft und auch ins Detail bzw. in seltene Verzweigungen geführt. Dieser Abschnitt macht aus dem VW Golf einen geländegängigen VW Tiguan, um mal ein Bild zu benutzen.
Ergänzt werden die theoretischen Erörterungen um Partien aus der Praxis, die allesamt instruktiv und am Ziel ausgerichtet kommentiert sind, dem Leser neben dem Praxiseinsatz auch noch weitere theoretische Details zu vermitteln. Nach den Worten der Autoren haben sie ihre Partien so ausgewählt, dass der Leser sie möglichst noch nicht zig Mal nachgespielt haben kann.

"The Sharpest Sicilian 2012" ist sehr gut zu lesen. Die Sprache ist erfrischend und vermittelt das Gefühl, von einem Bekannten in eine Sache eingeweiht zu werden. Verfasst ist das Werk in Englisch, die Fremdsprachkenntnisse werden aber nicht besonders gefordert. Vielleicht ist auch gerade die Besinnung auf einfache und verständliche Formulierungen ein Grund für die gute Lesbarkeit.
"Wer a sagt, muss auch b sagen" - getreu diesem Motto und dabei auch im Stil einer Anleitung "wie spielt man …" weist "The Sharpest Sicilian 2012" auf Gesetzmäßigkeiten in Spielaufbauen hin, die für den Leser ungemein wichtig sein können. Diese sehen in einem abstrahierten Beispiel wie folgt aus: "Wenn Weiß den Aufbau mit xy wählt, dann gehört der schwarze Läufer auf yz. In der Folge muss Schwarz vermeiden, seinen z-Bauern auf das Feld xy vorzuziehen, weil …". Dies ist angewandte Schachstrategie pur. Ähnliche Beispiele gibt es oft genug auch für die Taktik.

Ausweislich der Bibliografie haben die Autoren eine Auswahl der wichtigsten aktuellen Werke zum Thema berücksichtigt, eine vollständige Liste des "Who-Is-Who" der Literatur ist dies nicht. Mir sind aber keine Stellen aufgefallen, wo sich dies verkürzend hinsichtlich des theoretischen Materials ausgewirkt haben könnte. Zudem dürften weitere Quellen genutzt worden sein, vielleicht nicht in einem Umfang, dass eine Aufnahme in die Bibliografie geboten gewesen wäre. Dies ergibt sich aus verschiedenen Textpassagen.
Genutzt haben die Autoren auch Material aus dem Fernschach. Aufgefallen ist mir, dass bisweilen auch Unterschiede zwischen Turnierschach und Fernschach angesprochen werden, beispielsweise zum Vorkommen bestimmter Varianten.

Das Variantenverzeichnis am Ende des Werkes ist erfreulich detailliert und ermöglicht eine gute Orientierung, auch im Sprung zu ganz bestimmten Abspielen.

Noch ein Wort zur Verarbeitung: Diese ist insgesamt als gut zu bezeichnen. Mir gefällt nur der für Chess Stars-Bücher nicht ungewöhnliche dünne Umschlagskarton nicht. Es ist vermutlich leichter einen Pudding an die Wand zu nageln als diesen dünnen Umschlag. Hier könnte Chess Stars mal etwas nachlegen.

Fazit: "The Sharpest Sicilian 2012" ist ein sehr zu empfehlendes Werk. Für denjenigen, der die Najdorf-Variante schon im Repertoire hat, ist es ein hervorragendes Werk zur Ergänzung.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

Lessons with a Grandmaster II

Boris Gulko & Dr. Joel R. Sneed
Lessons with a Grandmaster II
301 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-85744-697-5
19,65 Euro




Lessons with a Grandmaster II
Mit "Lessons with a Grandmaster II" haben die Autoren Boris Gulko und Dr. Joel R. Sneed die Fortsetzung und zugleich den Abschluss ihres zweibändigen Lehrwerks vorgelegt. Und wie schon der erste Teil ist auch dieser, der auch wieder von Everyman Chess herausgegeben worden ist, eindeutig eine Bereicherung der Schachliteratur.
Eine kurze Vorstellung von GM Gulkos Autorenpartner: Dr. Joel R. Sneed ist Psychologie-Professor und Amateurschachspieler mit einer inzwischen schon beachtlichen Spielstärke.
Die Autoren sind ihrem Konzept treu geblieben. Gemeinsam und quasi im Smalltalk am Brett gehen beide von Boris Gulko gespielte Partien durch, diesmal beträgt deren Zahl 30.

Wenn sich Band II auch in vielem an seinen "zweieiigen Zwilling" anlehnt, so ist aber doch nicht alles gleich geblieben. Am wichtigsten ist, dass sich der Gegenstand der Betrachtung geändert hat. Während im 1. Band das Positionsspiel behandelt wurde, geht es nun um insbesondere die folgenden Themen:
- dynamisches Schach,
- Förderung des Vorstellungsvermögens allgemein,
- das Eingehen von Risiken,
- die Fähigkeit zum gleichzeitigen Spiel auf Angriff und zur Verteidigung,
- das Berechnen von Kombinationen in scharfen Stellungen und die Förderung der dazu erforderlichen Vorstellungskraft.

Weiter geändert hat sich auch die Skala der Schwierigkeitsgrade für die eingearbeiteten Aufgaben und Übungen. Diese ist um eine Stufe, die Spitzenstufe Nummer 6, erweitert worden. Bei diesen Aufgaben und Übungen handelt es sich wie im 1. Band um Stationen während der Besprechung der Partie, an denen Dr. Sneed - und an seiner Stelle natürlich auch der Leser - Varianten zu berechnen hat, Züge vorschlagen und seine Wahl begründen muss, Stellungseinschätzungen vornehmen muss usw. Die jeweilige Angabe zum Schwierigkeitsgrad zeigt an, auf was sich Dr. Sneed und Leser einstellen müssen. Die weitere Besprechung der Partie nimmt dann sofort die Ergebnisse auf, bestätigt Lösungen bzw. verändert oder verwirft sie.
Der Schwierigkeitsgrad der Aufgaben soll von Partie 1 bis zu Partie 30 steigen. Dies spiegelt sich in den Angaben in den Übungen auch tatsächlich wider.

Die Partien werden oft auch in einen situativen Kontext gesetzt. So erfährt der Leser beispielsweise, wenn die Partie im letzten Turnier vor seiner Emigration gespielt worden ist, sie nach langer Zeit einer (politisch motivierten) Turniersperre stattfand, der Gegner der aktuell Führende im Turnier war usw. So gehen die Autoren auch in diesem Band wieder in einem erkennbaren Maß auf psychologische Aspekte ein, die bei der Partiebetrachtung wohl nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Und weil Dr. Sneed ein Psychologie-Professor ist, befindet er sich hier in seiner Domäne.

Eine interessante Passage habe ich auf Seite 45 gefunden. Diese Seite des Profischachs ist mir bisher nicht begegnet, die Problematik war mir unbekannt. In der Einführung einer Partie gegen P. Poutiainen erfährt der Leser, dass sein Gegner später Selbstmord begangen hat und damit kein Einzelfall im Profischach ist. Gulko erklärt, dass das Leben eines Schachprofis sehr stressvoll ist und manche in den Selbstmord führt, während andere "verrückt geworden" sind. Interessant ist dann die Erklärung zur Natur dieses Stresses. In Übersetzung möchte ich hierzu ein kurzes Zitat einfügen:
"Boris: Du musst fortlaufend Entscheidungen treffen, ohne über gute Informationen zu verfügen. Üblicherweise bevorzugen wir es, wenn wir wichtige Entscheidungen auf der Basis von so vielen Informationen wie möglich treffen, aber im Schach fehlt uns die volle Informationsbreite. So wissen wir nicht, ob unser nächster Zug vielleicht ein schrecklicher Fehler ist. Du befindest dich permanent auf des Messers Schneide. Dies ist auch der Grund dafür, dass manche Spieler schreckliche Probleme mit Zeitnot haben."
Dies ist nicht die einzige Stelle im Buch, an der ich Dinge und Betrachtungen aufgenommen waren, die neu für mich sind. "Lessons with a Grandmaster II" hat auch einen erkennbaren Wert als Informationsquelle zu Aspekten, die nicht zu den regelmäßigen Inhalten von Schachbüchern zählen.

Über das Werk hinweg gibt es im vorliegenden Band etwas weniger Plaudereien als im Band 1. Dennoch ist es erneut höchst kurzweilig, auch in Sachen Unterhaltung ist es hohes Kino.

Wie schon Band 1 bietet "Lessons with a Grandmaster II" auf rd. 300 Seiten "angewandte Schachtheorie", ist unterhaltsam und fordert zum begleitenden Lösen von Schachübungen auf.
Das Werk ist in Englisch verfasst, mit Fremdsprachkenntnissen auf Schulniveau und einem Wörterbuch für den gelegentlichen Einsatz an der Hand sollte es aber gut aufgenommen werden können.

Denjenigen unter den Lesern dieser Rezension, die weitere Details zum Konzept des Werkes erfahren möchten, rate ich zu meiner Rezension zum 1. Band, erschienen im Jahre 2011. Die dort zu findenden Ausführungen passen im Großen und Ganzen auch hier.

Fazit: "Lessons with a Grandmaster II" ist wie Band 1 ein praxisorientiertes Lehrbuch mit einem klaren Potenzial zum Heben der Spielstärke des - durchaus auch schon deutlich fortgeschrittenen - Clubspielers. Es ist unterhaltsam geschrieben und bietet auch Informationen an, die gemeinhin so nicht in Schachbüchern zu finden sind.
"Lessons with a Grandmaster II" ist auch von demjenigen zu nutzen, der den 1. Band nicht hat. Ratsam ist aber, sich beide Bände anzuschaffen.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

Attack with Black

Valery Aveskulov
Attack with Black
224 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-906454-39-5
18,70 Euro




Attack with Black
Der Buchtitel "Attack with Black" sagt mehr über die Marschroute, die Devise aus, unter der GM Valery Aveskulov sein Werk verfasst hat, als über dessen konkreten Inhalt und das Genre, dem es zuzuordnen ist. Es handelt sich um ein Eröffnungsbuch, das 2012 bei Gambit Publications Ltd. erschienen ist und Schwarz ein Repertoire gegen 1.d4 anbietet. Genauer betrachtet ist "Attack with Black" ein aus der Sicht von Schwarz geschriebenes und eher einer Monografie ähnelndes Werk zum Wolga-Benkö-Gambit und zum Blumenfeld-Gambit, das um weitere Linien ergänzt worden ist, um weiße Vermeidungswege gegen die Ausgangsstellungen der genannten Gambits aufzufangen. Dies soll nicht heißen, dass die weiteren Inhalte nur als Beiwerk zu betrachten sind, denn das würde zumindest mehrere Linien unzureichend beachten.
Das Werk ist auch für Weiß ein Gewinn, allerdings hat hinsichtlich der Variantenwahl in erster Linie der Nachziehende die Zügel in der Hand.

Das Inhaltsverzeichnis, das ich übersetze und um die Initialzüge ergänze, hat folgendes Gesicht:

Weiß geht dem Wolga-Benkö-Gambit aus dem Weg
1 Diemer, Veresov und Trompowsky (1.d4 Sf6 2.Sc3/Lg5)
2 Colle-, Zuckertort-, Londoner und Torre-System (ohne konkrete Zugfolgen)
3 Anti-Benoni 4 Sc3 (1.d4 Sf6 2.Sf3 c5 3.d5)
4 Blumenfeld-Gambit (1.d4 Sf6 2.Sf3 c5 3.d5 e6 4.c4 b5)
5 Blumenfeld-Gambit: 5.Lg5 (1.d4 Sf6 2.Sf3 c5 3.d5 e6 4.c4 b5)
6 1.d4 Sf6 2.e4 c5 3.e3/dxc5
7 Waganian-Gambit (Anmerkung: auch über die "Englische Symmetrievariante bekannt) (1.d4 Sf6 2.c4 c5 3.Sf3 cxd4 4.Sxd4)
8 Waganian-Gambit: 7.e3 (1.d4 Sf6 2.c4 c5 3.Sf3 cxd4 4.Sxd4 e5 5.Sb5 d5 6.cxd5 Lc5 7.e3)

Das Wolga-Benkö-Gambit (WBG)
9 Das abgelehnte WBG (1.d4 Sf6 2.c4 c5 3.d5 b5)
10 WBG: Zaitsev, Dlugy und moderne Linien (1.d4 Sf6 2.c4 c5 3.d5 b5 4.cxb5 a6)
11 WBG: 5.b6 (1.d4 Sf6 2.c4 c5 3.d5 b5 4.cxb5 a6)
12 Angenommenes WBG: Einführung und seltene Linien (1.d4 Sf6 2.c4 c5 3.d5 b5 4.cxb5 a6 5.bxa6)
13 Angenommenes WBG: Königswanderung (1.d4 Sf6 2.c4 c5 3.d5 b5 4.cxb5 a6 5.bxa6 g6 6.Sc3 Lxa6)
14 Angenommenes WBG: Linien mit Fianchetto (1.d4 Sf6 2.c4 c5 3.d5 b5 4.cxb5 a6 5.bxa6 g6 6.Sc3 Lxa6 7.g3)
15 WBG-Hauptlinie mit 10.Tb1 (1.d4 Sf6 2.c4 c5 3.d5 b5 4.cxb5 a6 5.bxa6 g6 6.Sc3 Lxa6 7.Sf3 d6 8.g3 Lg7 9.Lg2 Sbd7)

Das Wolga-Benkö-Gambit verstehen
16 Traumstellungen für Schwarz
17 Zu vermeidende Stellungen
18 Taktische Übungen und deren Lösungen

Die beiden Eingangskapitel stellen gewissermaßen eine "Notversorgung" des Spielers sicher, indem sie gesammelt ein Schwarzrepertoire gegen verschiedene sehr spezifische Eröffnungswege des Anziehenden anbieten. So wird das Repertoire "rund", ohne aber bemerkenswert in die Seitenverzweigungen einzusteigen. Dies ändert sich in der Folge aber grundlegend, spätestens ab dem 4. Kapitel, und zwar zum Blumenfeld-Gambit. In den Kernkapiteln und ganz besonders zum Wolga-Benkö-Gambit kann ich "Attack with Black", gemessen an der Breite und der Tiefe der Betrachtungen, auf jeden Fall "Fernschachtauglichkeit" attestieren.

Das Werk ist eher taktisch als strategisch geprägt. So gibt Aveskulov, zu dessen Erfolgen auch der Gewinn der ukrainischen Landesmeisterschaft zählt, nach dem Prinzip "für jede Spielsituation einen Ratschlag" dem Leser an die Hand, welchen konkreten Zug er in einer jeweiligen Stellung spielen sollte und welchen nicht, begründet dies auch regelmäßig, befasst sich aber nur zurückhaltend mit Konzepten und Plänen in Varianten.

Ich habe einige Analysepassagen gefunden, die offenkundig vom Autor selbst stammen, in Haupt- und in Nebenvarianten. Hier ist einiges an Material zu finden, das keine Partiendatenbank zu bieten hat. Mir sind mehrere Vorschläge aufgefallen, die ich für Neuerungen halte, die der Autor aber erstaunlicherweise nicht als solche deklariert. Bisweilen ergibt sich dann aus dem Begleittext, dass es sich tatsächlich um eine Neuerung handelt. Hier hätte Aveskulov mit Fug und Recht mehr mit seinen Pfründen wuchern können.

Keine besondere Beziehung scheint Aveskulov übrigens zum Fernschach zu haben. Es kann zwar sein, dass wenige Hinweise auf Fernschachquellen in Randbemerkungen versteckt sind, ich habe aber nichts Entsprechendes gefunden, als ich das Werk auf der Suche speziell nach ihnen durchgeblättert habe.

Bemerkenswert ist der dritte und damit letzte Teil des Buches. Hier hat der Autor einige Traumstellungen, zu vermeidende Stellungen und taktische Übungen zum Wolga-Benkö-Gambit zusammengestellt. Hier wird das Auge des Spielers geschult und ein Brückenschlag zwischen Theorie und Praxis vorgenommen. Insbesondere für den Leser ohne besondere Vorkenntnisse zum Wolga-Benkö-Gambit ist dies ganz sicher ein sehr hilfreicher Ansatz.

Noch ein Wort zum Aufbau: "Attack with Black" folgt der klassischen Struktur von Eröffnungsbüchern, die sich auf jeweilige Leitvarianten stützt und über diese auch die Abzweigungen ordnet. Vollständige Beispielpartien enthält das Werk nicht, es enthält "Theorie pur".

Das Buch ist in Englisch geschrieben, stellt aber nur geringe Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse.
Das abschließende Variantenverzeichnis ist ausführlich genug, um auch spezifische Varianten im Buch gezielt ansteuern zu können.

Fazit: Ich zähle "Attack with Black" zu den wichtigen Neuerscheinungen 2012. Für mich ist das Werk eine Empfehlung für den Leser, der sich mit Schwarz insbesondere auf der Basis des Wolga-Benkö-Gambits, den Blumenfeld-Gambits und des Waganian-Gambits gegen 1.d4 rüsten möchte.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

New in Chess Yearbook 104

Genna Sosonko (Editor)
New in Chess Yearbook 104
246 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-393-9
29,95 Euro




New in Chess Yearbook 104
Zu den hervorzuhebenden Merkmalen der Jahrbücher von New In Chess (NIC Yearbooks, NIC-Jahrbücher) zählt die Vielseitigkeit im Bereich der Eröffnungsartikel, den sogenannten "Surveys". Im neuen Jahrbuch 104 ist dies ebenso der Fall wie in seinen Vorgängern. Die zahlenmäßig thematische Oberhand behalten die "üblichen Verdächtigen" wie die Sizilianische Verteidigung (fünf Beiträge), die Spanische Partie (drei Beiträge) und die Slawische Verteidigung (vier Beiträge), die in der Summe also schon fast die Hälfte der insgesamt 27 Eröffnungsartikel für sich reklamieren. Die Indischen Systeme, Benoni, die Englische Partie sind mit mehr als je einem Artikel vertreten, aber auch seltener gespielte Systeme kommen zu Wort, beispielsweise die Sokolsky-Eröffnung, auch Orang Utan-Eröffnung genannt.
Es gibt insgesamt vier Ausgaben des NIC-Jahrbuchs je Kalenderjahr. Der regelmäßige Bezieher wird eröffnungstheoretisch gut versorgt. Über die Ausgaben hinweg erhält er wichtige Entwicklungen in der Eröffnungstheorie mitgeteilt, Neuerungen, neue Einschätzungen und Ideen, somit alles, was für ihn und sein eigenes Eröffnungsrepertoire wichtig sein kann. Die "Boliden" unter den Eröffnungen werden in einer stattlichen Anzahl von Einzelbeiträgen behandelt, aber auch die seltenen Gäste auf der Turnierbühne finden sich in so gut wieder jeder Ausgabe mit dem einen oder anderer Vertreter ihrer Art wieder.

Mein ganz persönlicher Favorit unter allen Buchbeiträgen ist diesmal aber nicht unter den Eröffnungsartikeln zu finden, sondern bereits vorn im "Forum". Die NIC-Jahrbücher werden redaktionell regelmäßig mit dem Forum eröffnet, also jenem Teil der Bände, der sich den Leserbeiträgen auf frühere Artikel widmet und der Diskussion von eröffnungstheoretischen Ideen dient. Hier geht es also weniger um die systematische Aufarbeitung einer Variante als um das Setzen eines Schlaglichts auf eine sehr konkrete Idee oder Zugfolge.
Und im Forum des Jahrbuchs 104 schlägt gewissermaßen auch eine große Stunde des Fernschachs, denn im Beitrag "The Strategic Sacrifice", übersetzt also "Das Strategische Opfer", geht es um ein Springeropfer in der Najdorf-Variante der Sizilianischen Verteidigung (ECO B90), für das es nur wenige Praxisbeispiele gibt, die zudem allesamt im Fernschach gespielt worden sind (die Autoren sprechen von fünf Partien, ich selbst verfüge ebenfalls nur über fünf). Die Autoren P. Bennett und K. Maack verstehen es, in einem Beitrag mit gerade passendem Umfang sowohl eine interessante scharfe Eröffnungsidee zu thematisieren und zu erörtern als auch zugleich generelle Aspekte von Nahschach und Fernschach hinsichtlich des Findens und der Anwendung von Neuerungen anzusprechen.
Wie einem Drehbucheintrag folgend schließt sich ein Forumsbeitrag an, der sich dem Marshall-Angriff in der Spanischen Partie widmet und allein auf zwei Fernschachpartien basiert.

Von den Surveys möchte ich Beiträge von J. Vilela (a. Sizilianisch [ECO B90]), V. Ikonnikov (b. Sizilianisch [ECO B30]), S. Tiviakov (c. Jänisch-Gambit [ECO C63]) und E. Vegh (d. Grünfeld-Indisch [ECO D90]) besonders erwähnen. Dabei lasse ich mich von den folgenden Besonderheiten leiten:
a. In der behandelten Linie kristallisiert sich eine neue Hauptvariante heraus, der Beitrag fußt auf u.a. mehreren Fernschachpartien.
b. Der Autor stellt einen interessanten Weg vor, um die Standard-Linie in der Rossolimo-Variante zu vermeiden.
c. Der Artikel könnte zu einer Wiederbelebung des Jänisch-Gambits beitragen. Er greift u.a. auf neue Ideen des Top-Angriffsspielers Radjabov zurück und bietet eine ansprechende Aufarbeitung zu einer Weichenstellung im 9. Zug.
d. Die im Artikel behandelte Variante aus Grünfeld-Indisch nimmt eine Idee auf, die mit früher unumstößlichen "Gesetzen" im Schach bricht. Bereits im 5. Zug wird die weiße Dame ins Gefecht geführt. Dieses Vorgehen ist gewissermaßen auch ein Synonym für eine moderne Art der Eröffnungsbehandlung und insofern auch allgemein interessant. Mir persönlich sind mehr als 300 Partien bekannt, die mit dieser Zugfolge eröffnet worden sind. Zumeist sind diese in der jüngsten Vergangenheit gespielt worden.

Natürlich handelt es sich hier um eine Auswahl nach meinen ganz persönlichen Kriterien. Dem interessierten Leser ist zu raten, sich einen inhaltlichen Überblick über alle 27 Theorieartikel zu verschaffen, um die Relevanz einzelner Surveys für sich selbst festzustellen. Möglichkeiten hierzu bieten u.a. verschiedene Internetseiten, beispielsweise jene von New In Chess selbst bzw. die Website der Firma Niggemann, die auch das Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat.

Komplettiert wird das Jahrbuch 104 mit "Benjamin´s Opening Takes", einem Beitrag von Joel Benjamin zum Wolga-Benkö-Gambit, "Kuzmin´s Harvest", ein Scheinwerfer von Alexey Kuzmin auf mehr oder weniger gelungene und erstaunliche Eröffnungsversuche aus der Weltspitze sowie einer Literaturvorschau und vier Rezensionen über aktuelle Neuerscheinungen der Schachliteratur aus der Feder von Glenn Flear.

Die NIC-Jahrbücher sind in Englisch verfasst, die Partiekommentare sind überwiegend im NIC-Code-System gehalten, können dann also ganz ohne Fremdsprachkenntnisse aufgenommen werden. Im Übrigen kann der Leser, der Englisch auf Schulniveau beherrscht, gut mit dem Werk arbeiten.

Fazit: Das NIC Yearbook 104 ist die übliche Kaufempfehlung für den ambitionierten Spieler.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

Playing 1.d4 - The Indian Defences

Lars Schandorff
Playing 1.d4 - The Indian Defences
245 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-907982-17-0
24,99 Euro




Playing 1.d4 - The Indian Defences
"Playing 1.d4 - The Indian Defences" ist der zweite und zugleich abschließende Band, mit dem Autor Lars Schandorff sein Repertoire für Weiß auf der Basis von 1.d4 komplettiert. Mit "Playing 1.d4 - The Queen´s Gambit" hatte er den Anfang hierzu gemacht. Erschienen ist dieses doppelbändige Werk bei Quality Chess.

Der vorliegende Band widmet sich jenen Zweigen, in denen Schwarz auf den Aufschlag 1.d4 nicht mit 1…d5 antwortet. Dabei behandelt Schandorff nicht nur Indische Verteidigungen, wie der Buchtitel Glauben macht, sondern auch weitere Systeme. Zu Unrecht stellt das Werk seine Inhalte damit etwas unter den Scheffel.

Seine Repertoireempfehlungen erstreckt Schandorff über insgesamt acht Kapitel. Von mir um die Schlüsselzüge ergänzt weist das Werk folgende Inhalte auf:
Kap. 1: Nimzoindisch (1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sc3 Lb4 4.e3)
Kap. 2: Königsindisch (1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 Lg7 4.e4 d6 [4…0-0] 5.f3)
Kap. 3: Grünfeld-Indisch: (1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 d5 4.Sf3 Lg7 5.Db3)
Kap. 4: Modernes Benoni (1.d4 Sf6 2.c4 c5 3.d5 e6 4.Sc3 exd5 5.cxd5 d6 6.e4 g6 7.Sge2)
Kap. 5: Wolga-Benkö-Gambit (1.d4 Sf6 2.c4 c5 3.d5 b5 4.cxb5 a6 5.f3)
Kap. 6: Altindisch (1.d4 Sf6 2.c4 d6 3.Sc3)
Kap. 7: Holländisch (1.d4 f5 2.Lg5)
Kap. 8: Seltene frühe Abweichungen.
Das achte Kapitel dient nur der Abrundung und Absicherung des weißen Repertoires, damit der Anziehende nicht früh von Schwarz komplett aus dem Buch gehebelt werden kann. Es enthält neben durchaus gängigen Spielweisen wie das Budapester Gambit, das Fajarowicz-Gambit und die Moderne Verteidigung auch, und dies dann angemessen kurz, nicht als vollwertig anzuerkennende Alternativen.

"Playing 1.d4 - The Indian Defences" findet seine innere Struktur in 78 Partien, an denen Schandorff seine Darstellungen ordnet. Wesentliche Alternativen zu einem Partiezug behandelt er regelmäßig in einer folgenden Partie, weniger bedeutende Abzweigungen dagegen sofort im gegenwärtigen Spiel. Als Leser, der auf der Grundlage einer bestimmten Ausgangszugfolge die Buchempfehlungen sucht, geht man so die Partien eines Kapitels von vorne nach hinten durch, bis diese Ausgangszugfolge komplett gelaufen ist. Bei der Suche hilft aber auch das sehr gute Variantenverzeichnis am Ende des Werkes, über das sich ganz gezielt bestimmte Theoriedarstellungen ansteuern lassen.
Die Frage nach der Orientierung ist beispielsweise bedeutsam für den Fernschachspieler, für den die og. Ausgangszugfolge der bisherige Verlauf seiner noch nicht beendeten Partie sein kann, wie auch für denjenigen, der seine eigene Repertoire-Nische anhand von Schandorffs Empfehlungen überprüfen, erweitern oder aktualisieren möchte.

Schandorff beweist einen interessanten Stil, mit dem er seine Favoriten auswählt. Er bevorzugt Varianten, die Weiß ein aktives Spiel versprechen, um sich auf diesem Weg einen zumindest kleinen Eröffnungsvorteil zu sichern. Dabei orientiert er sich an Hauptlinien, die Weiß ein starkes Zentrum, vor allem ein starkes Bauernzentrum versprechen.

Jedes Kapitel wird zunächst kurz eingeführt, jede Partie wird mit einem kurzen Resümee zur Bedeutung eines Zuges, zu einem auffälligen Manöver etc. abgeschlossen.

Schandorff schreibt informativ und unterhaltsam zugleich. Die Kommentierung beinhaltet sowohl textliche Komponenten als auch Analysen. Diese sind m.E. für ein Buch dieser Art angemessen tief. Der Fernschachspieler wird nicht jede in der Praxis anzutreffende Variante darin finden. Dies aber dürfte wohl völlig klar sein, denn von einem Werk mit insgesamt 245 Seiten, in dem u.a. der "indische Dschungel", Holländisch und mehr dargestellt wird, kann man keine Komplettdarstellung erwarten. Die Ergänzungen aus der Praxis muss die gut sortierte Partiendatenbank bringen oder auch das eine oder andere Spezialwerk. In dieser Symbiose von "Playing 1.d4 - The Indian Defences" und Partiendatenbank hält der Fernschachspieler ein mächtiges Hilfsmittel in der Hand, dem das Eröffnungsbuch Struktur verleiht.

"Playing 1.d4 - The Indian Defences" ist Teil 2 der zweibändigen Gesamtausgabe zum d4-Repertoire, aber auch ganz für sich allein nutzbar. Wer also schon gut zum Damengambit mit Literatur bestückt ist, kann grundsätzlich auf den Kauf von Schandorffs Band 1 verzichten und trotzdem den vollen Nutzen aus dem vorliegenden Werk ziehen. Richtig "rund" wird Schandorffs Repertoire allerdings nur beim Kauf seiner beiden Bände.

Die Buchsprache ist Englisch, besondere Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers stellt das Werk nicht.

Fazit: "Playing 1.d4 - The Indian Defences" kann ich sowohl dem Leser zum Kauf empfehlen, der sich zusammen mit Band 1 ein Komplettrepertoire auf der Basis von 1.d4 verschaffen will, als auch demjenigen, der sich allein gegen die Indischen Eröffnungen, Holländisch und Benoni wappnen möchte.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

Dismantling the Dutch Defense with the Dangerfield Attack

David Rudel
Dismantling the Dutch Defense with the Dangerfield Attack
167 Seiten, kartoniert
ISBN: 1-888710-59-4
14,99 Euro




Dismantling the Dutch Defense with the Dangerfield Attack
Der Buchtitel "Dismantling the Dutch Defense with the Dangerfield Attack" legt die Überlegung nahe, dass ein Schachspieler mit dem Nachnamen Dangerfield eine Angriffsweise gegen die Holländische Verteidigung entwickelt hat und diese Gegenstand des Werkes ist oder der Name von einer Art Felderstrategie abgeleitet ist. Die zweitgenannte Erklärung scheitert schon daran, dass "dangerfield" im Schach nicht mit "Gefahrenfeld" übersetzt werden kann, denn das Feld auf dem Schachbrett wird als "square" und nicht als "field" bezeichnet). Aber auch der Herleitungsversuch über den Namen eines Schachspielers geht fehl, es gibt ihn nicht, zumindest ist niemand mit ihm hervorgetreten.
Der Autor David Rudel hat sich Rodney Dangerfield als Namenspaten ausgesucht, einen verstorbenen US-amerikanischen Komiker und Entertainer. Zu dessen Markenzeichen zählte wohl auch ein Spruch mit dem Inhalt, dass man ihm keinen Respekt entgegenbringe. Dies war Rudels Brückenschlag zu 2.Lf4, auf dem das von ihm vorgestellte Repertoire gegen Holländisch in "Dismantling the Dutch Defense with the Dangerfield Attack" basiert. Auch seinem Initialzug begegnet die Schachwelt mit wenig Respekt, wie er feststellt, sodass seine Namensgebung "von hinten durch die Brust ins Auge" ihre Begründung findet.

Bei dem Werk handelt es sich übrigens um das wortgleiche Kapitel 4 seines umfassenden Eröffnungsbuches "Fight the King´s Indian, Grünfeld, and Dutch Defenses with ZUKA" (siehe hierzu auch meine spezifische Rezension). Wer also dieses große Werk schon besitzt oder aber mit dessen Kauf liebäugelt, sollte auf den Kauf des in dieser Rezension behandelten Buches verzichten, denn er erhielte nur eine Dublette.
Die Ausgliederung aus dem Gesamtwerk und damit das separate Angebot mit "Dismantling the Dutch Defense with the Dangerfield Attack" begründet Rudel für meinen Geschmack gut und nachvollziehbar. Alle seine Eröffnungsvorschläge für Weiß basieren auf dem Colle-System. So mancher Spieler mag aber mit seinem Repertoire gegen insbesondere Königs- und gegen Grünfeldindisch, mit denen sich Rudel besonders in "ZUKA" beschäftigt, recht zufrieden sein und keine Erweiterung in Richtung Colle-System suchen. "Dismantling the Dutch Defense with the Dangerfield Attack" ist genau für denjenigen Spieler das Richtige, der allein gegen die Holländische Verteidigung etwas Neues sucht, ansonsten aber mit "ZUKA" überversorgt wäre. Für "Dismantling the Dutch Defense with the Dangerfield Attack" muss der Käufer viel weniger auf den Ladentisch legen, der auf neue Theorie gegen Holländisch fixierte Spieler erhält die Inhalte seiner Wahl.

Wie schon kurz erwähnt, breitet Rudel ein Repertoire vor dem Leser aus, das auf 1.d4 f5 2.Lf4 aufbaut. Mit den Vor- und Nachteilen dieser Entwicklung beschäftigt er sich intensiv. Er ist für eine Darstellung der jeweiligen Materie quasi in einem Erörterungsstil bekannt, und auch angesehen. Diesen Ruf bestätigt er mit dem vorliegenden Werk. Wer "Dismantling the Dutch Defense with the Dangerfield Attack" durchgearbeitet hat, dürfte sich so fühlen wie jemand, der ein neue erbautes Haus gekauft hat und vom Erbauer in alle Ecken und Winkel geführt worden ist, sodass er sich bestens in ihm zurechtfindet. Der Vergleich mit diesem Neubau erscheint auch insoweit treffend, als Rudel Theorie nicht einfach nur darstellt, er sie nicht nur transportiert, er schafft auch Theorie. Der Leser wird für wesentliche Inhalte keine Beispiele finden, Rudel bestreicht auch Neuland.

Das Werk ist logisch aufgebaut. Zunächst führt Rudel sein Thema allgemein ein und setzt sich mit Referenzwerken zur Holländischen Verteidigung auseinander, die allesamt nicht oder nur sehr am Rande auf 2.Lf4 eingehen. Er erörtert das Für und Wider des Aufbaus, vielleicht ein wenig subjektiv geprägt, auf jeden Fall aber auch in einem kritischen Dialog mit den Aussagen anderer Buchautoren. Er spricht deren Meinungen aus und bewertet sie anhand seiner Thesen. Soweit er fremde Argumente zu entkräften versucht, geht er begründet und recht detailbezogen vor. Dies macht seine Ausführungen verständlich und weckt in gewisser Weise auch zusätzliches Vertrauen in deren Stichhaltigkeit.
Nachdem er den Leser mit der Aussage verblüfft hat, dass dieser schon nach 120 Minuten "Arbeit" mit dem System in den Anfängen einsatzbereit ist, zeigt er ihm die wichtigsten Stellungsbilder des Nachziehenden - insbesondere auch hinsichtlich der aus den unterschiedlichen schwarzen Antworten entstehenden Bauernformationen - und zieht so den Bogen von 2.Lf4 zu den einzelnen Spielsystemen, vom Stonewall bis zum Fianchetto. In der Folge macht sich Rudel dann an die Erörterung der Grundprinzipien im Vorgehen gegen die einzelnen Systeme, steigt also "richtig in die Theorie ein".
Dieser Teil ist eine Pflichtlektüre für jeden Leser, hier erhält er sowohl das Grundverständnis für alle Spielweisen wie auch theoretische Details. Er bekommt auch das Auge für die Kriterien, die alle gegnerischen Systeme voneinander abgrenzen.

Ab dem 3. Kapitel spezialisiert sich das Werk auf die Theorie zu den verschiedenen von Schwarz gewählten Aufbauten, beginnend mit dem Stonewall. Kapitel 8 geht kurz auf Seitenwege und weniger empfohlene Linien ein, Kapitel 9 auf die Fortsetzung 1.d4 e6 2.c4. Positionstraining und die Antworten auf darin gestellte Aufgaben finden sich in den Kapiteln 10 und 11. Das Variantenverzeichnis, die Bibliografie sowie ein paar Abschlussbemerkungen und Danksagungen nehmen die letzten Seiten ein.

Ein paar allgemeine Bemerkungen, die ich schon zu "Fight the King´s Indian, Grünfeld, and Dutch Defenses with ZUKA" in die Rezension genommen habe, kann ich hier wiederholen. So ist die Buchsprache Englisch, die Ansprüche an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers sind höher als üblich. Bald an das Niveau gewöhnt und ein Wörterbuch zur Hand müssten die denkbaren ersten Schwierigkeiten schnell überwunden sein. Schulenglisch wird dann zur Nutzung des Werkes ausreichen.
Die Schriftgröße und der Zeilenabstand sind ungewöhnlich groß. Die Seitenzahl des Werkes hätte sich bei einer üblichen Schriftgröße etwa halbieren lassen.

Fazit: "Dismantling the Dutch Defense with the Dangerfield Attack" ist ein frisches Werk. Es gibt Weiß eine Spezialspielweise gegen die Holländische Verteidigung des Gegners an die Hand. Einerseits wird er sehr gut in das System eingeführt, das Buch bietet beste Voraussetzungen, um es zu verstehen und zu verinnerlichen.
Da die im Buch vorgestellten Spielweisen keine Hauptlinien sind und es kaum Theorie zu ihnen gibt, kann sich Weiß mit dem Kauf dieses Werkes gegenüber so manchem Verfechter der Holländischen Verteidigung einen Wissensvorsprung verschaffen - und dies in dessen "thematischem Wohnzimmer".


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

Fight the King´s Indian, Grünfeld, and Dutch Defenses with ZUKA

David Rudel
Fight the King´s Indian, Grünfeld, and Dutch Defenses with ZUKA
441 Seiten, kartoniert
ISBN: 1-888710-63-2
28,95 Euro




Fight the King´s Indian, Grünfeld, and Dutch Defenses with ZUKA
"Fight the King´s Indian, Grünfeld, and Dutch Defenses with ZUKA" (ab hier von mir mit "ZUKA" abgekürzt) von David Rudel, 2012 erschienen bei "Thinkers´ Press", zählt zu jenen Büchern, bei denen mir die Arbeit im Zuge der Vorbereitung der Rezension am schwersten gefallen ist. Das liegt besonders auch daran, dass dieses Werk einerseits inhaltlich nur schwer mit anderen verglichen werden kann, selbst wenn diese thematisch ähnlich sind. Andererseits aber verzahnt es sich aber doch wieder mit anderen Eröffnungswerken. Es ist so ähnlich wie bei der Karte von einer Schatzinsel, von der ein Stück abgerissen worden ist. ZUKA ist dieses abgerissene Stück; vielleicht aber ist genau auf ihm ein sehr guter Weg zum Schatz beschrieben. Wer den großen Teil der Schatzkarte nicht kennt oder wem das darauf abgebildete Areal zu weitläufig ist, für den ist vielleicht ZUKA genau die richtige Beschreibung zum Schatz, für uns also das Universalrepertoire insbesondere gegen Königsindisch, Grünfeldindisch und Holländisch. Aber auch derjenige, dem die "große Karte" zur Verfügung steht, könnte an einer Alternativstrecke interessiert sein. Also auch der ausgewiesene Kenner der genannten Eröffnungen kann von ZUKA angesprochen werden. Und wie ist es mit dem Schatzwächter, hier also Schwarz? Er sollte gegen alle Schatzsucher gewappnet sein, egal ob sie sich mit der Hauptkarte oder einem alternativen Fragment nähern. ZUKA ist aus der Sicht des Weißspielers geschrieben und bietet ihm ein Repertoire an. Wenn dieser mit diesem "Fragment der Schatzkarte" daherkommt, kann sich Schwarz auf alle Schritte einstellen, wenn er ebenfalls darüber verfügt. Das Zepter hinsichtlich der Variantenwahl hat zwar Weiß in der Hand, auf den entsprechend bestimmten Wegen ist ZUKA aber auch in gleicher Weise für Schwarz geeignet.

David Rudel geht einen sehr eigenständigen Weg, um dem Anziehenden eine Eröffnungsmethode an die Hand zu geben, mit der er nach dem eigenen 1. Zug d4 gegen schwarze Aufbauten spielen kann, die auf das Fianchetto am Königsflügel bauen. So konzentriert sich der Inhalt auf ein Repertoire gegen die oben schon genannten Systeme, reduziert sich aber nicht darauf. Es stützt sich auf Prinzipien des Colle-Systems.

Das in diesem Buch erarbeitete Repertoire soll sich in jedes auf 1.d4 basierendes Gesamtrepertoire integrieren lassen, unabhängig davon, ob Weiß in der Folge 2.c4 oder 2.Sf3 spielen will.

Rudel erinnert ein wenig an einen Missionar, dem viel daran liegt, das von ihm vorgestellte System nachvollziehbar, logisch und erstrebenswert darzustellen. So stechen weniger konkrete Varianten, sich einzuprägende Zugfolgen etc. ins Auge, sondern sehr ausführliche Beschreibungen und Erklärungen. Welches sind die Kerngedanken einer Variante, auf welche Konstanten stützt sie sich, wie reagiert der Spieler tendenziell am aussichtsreichsten auf bestimmte Fortsetzungen und Entwicklungen, welche Vor- und Nachteile haben konkrete Züge usw.? Diese Fragen erörtert und beantwortet Rudel sehr ausführlich. Er breitet quasi seine Gedanken vor dem Leser aus. Im Stil erinnert ZUKA bisweilen an eine Erörterung. Rudel möchte den Leser mitnehmen, sein Prinzip ist "Ausbreitung aller Erwägungen vor dem Leser, um diesen teilhaben und verstehen zu lassen".

Weil das Werk sehr schwer hinsichtlich einer ganz konkreten Empfehlung für bestimmte Spielerkreise eingeschätzt werden kann, mein Urteil deshalb je nach subjektiver Sicht des Lesers völlig zutreffend bis total abwegig sein könnte, verzichte ich darauf und gebe dem Leser lieber Anhaltspunkte zugunsten einer fundierten Selbsteinschätzung an die Hand, das Variantenverzeichnis, hier "Variation Navigator" genannt. Auf dieser Basis kann jeder, ob mit Weiß oder Schwarz, die Relevanz des Werkes für sich selbst beurteilen. ZUKA richtet sich eröffnungstheoretisch wie folgt aus:

1.d4 Sf6
(1…f5; 1…e6 2.Sf3 f5; 1…e6 2.Sf3 d5; 1…e6 2.c4; 1…g6 (sollte übergehen in den Bereich nach c4 von Weiß; 1…d6)
2.Sf3 g6
(2…d6; 2…d5)
3.c4 Lg7 4.e3
(4.Sc3 0-0 4.e4 d6 5.h3!?; 4.Sc3 d5)
4…0-0
(4…c5; 4…d5)
5.Le2
(5.h3!?)
5…d6
(5…c5; 5…d5)
6.Sc3 Sbd7
(6…c5; 6…Lf5)
7.0-0 e5
(7…c5)
8.Dc2 Te8
(8…c6; 8…De7)
9.dxe5 dxe5
(9…Sxe5)
10.e4 c6 11.Le3
(11…De7; 11…Dc7).

Die beeindruckende Zahl von 441 Buchseiten mag auf den einen oder anderen Interessierten abschreckend wirken, diese aber kann ich relativieren. Es kommt auf den Leser keine Mammutaufgabe in der Gestalt zu, die ihn Monate lang zur Erarbeitung des Systems zeitlich binden würde. Rudel arbeitet, wie schon angedeutet, sehr textbasiert; einmal gelesen und verstanden ist ein Bereich oft schon erledigt. Zudem hätte man das Werk locker auf weniger als die Hälfte der tatsächlichen Seiten bringen können. Die Schriftgröße und der Zeilenabstand sind ungewöhnlich groß, sie sind sehr leserfreundlich. In der Optik habe ich mich ein wenig an ein Kinderbuch erinnert gefühlt.
Der Leser mit nicht mehr ganz so guten Augen wird es danken!

Noch ein Wort zur Buchsprache: ZUKA ist in Englisch geschrieben und stellt auch durchaus Ansprüche an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers. Wenn man sich aber etwas in dieses Niveau eingefunden hat und ein Wörterbuch bereit hält, zu dem die meisten Leser wohl häufiger werden greifen müssen, dürfte Schulenglisch ausreichen, um das Werk gut nutzen zu können.

Es gibt eine weitere Besonderheit, die es kurz zu erwähnen gilt: Teil 4 des Buches behandelt die "Dangerfield Attack", wie Rudel die Spielweise nennt, ein System gegen die Holländische Verteidigung. Seine Inhalte gibt es ausgegliedert auch in einem eigenständigen Werk mit dem Titel "Dismantle the Dutch Defense with the Dangerfield Attack". Wer ZUKA erwirbt, kann auf den Kauf von "Dismantle the Dutch Defense with the Dangerfield Attack" verzichten, so wie umgekehrt derjenige, der sich allein für das genannte System gegen Holländisch interessiert, zugunsten von "Dismantle the Dutch Defense with the Dangerfield Attack" auf den Kauf von ZUKA verzichten kann.

Wenn man ZUKA in die Hand nimmt, fühlt man sich beim Betrachten der Coverbilder an die Hülle eines Computer-Rollenspiels erinnert. Die Optik ist wie immer bei Rudels Werken sehr ungewöhnlich für ein Schachbuch. Innerhalb des Einbandes aber beschränken sich die Kampfszenen auf das Schachspiel!

Fazit: ZUKA ist ein sehr instruktives Werk, das ein Generalsystem besonders gegen Königsindisch, Grünfeldindisch und Holländisch vermitteln soll. Meine Kaufempfehlung richtet sich an die Spieler mit Weiß und mit Schwarz, soweit sie die Relevanz des Buches anhand des Variantenverzeichnisses für sich feststellen. Ob ZUKA also genau der richtige Teil der "Repertoire-Schatzkarte" ist, lässt sich leichter mittels eines Blickes genau dort hinein einschätzen.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

Study Chess with Mathew Sadler

Mathew Sadler
Study Chess with Mathew Sadler
140 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-85744-990-7
21,90 Euro




Study Chess with Mathew Sadler
"Study Chess with Mathew Sadler" ("Study Chess") aus der Feder des schon im Titel genannten GM Sadler ist ein Buch, das in keine Kategorie und zugleich in mehrere passt. Während der Arbeit zur Vorbereitung dieser Rezension habe ich mehrfach eine Zuordnung gefunden und auch gleich wieder verwerfen müssen. Es war so wie bei einem Badenden, dem die Seife ins Badewasser entgleitet. Wenn er das Stück zu fassen bekommt, entflutscht es seiner Hand wieder, um irgendwo anders wieder zu liegen zu kommen.

Dieses 2012 bei Everyman Chess erschienene Büchlein ist nicht …
- ein klassisches Lehrbuch, um das Schachspiel zu erlernen, zu studieren,
- eine Sammlung von Studien.

"Study Chess" ist …
- ein gehaltvolles Buch nach der Laune des Autors, ein Buch mit und zur Inspiration,
- die Darstellung ausgewählter Themen aus den drei Phasen der Schachpartie (Eröffnung, Mittelspiel und Endspiel),
- Reflektion persönlicher Erfahrungen des Verfassers, gelegentlich mit einem ganz leichten Hauch von autobiografischen Zügen,
- angewandte Schachtheorie,
- eine Sammlung interessanter kommentierter Partien, wobei sich der Stil und der Inhalt der Kommentierung nach dem Thema des jeweiligen Kapitels richten,
- unterhaltsam und zwanglos,
- vollständig für das Nahschach und teilweise für die Verbesserung der Spielstärke im Fernschach einsetzbar.

Ich möchte diese abstrakte Beschreibung konkretisieren, einleitend mit der Inhaltsangabe. "Study Chess" ist in sechs Kapitel eingeteilt, die - sinngemäß ins Deutsche übersetzt - die folgenden Überschriften tragen:

1. Neue Ideen in der Eröffnung entdecken.
2. Neue Ideen auf einfache Weise in das eigene Eröffnungsrepertoire übernehmen.
3. Unorthodoxe Eröffnungen spielen.
4. Arten des Denkens im Mittelspiel.
5. Das hat nicht so recht funktioniert.
6. Das Denken im Endspiel.

"Study Chess" ist von einem erfahrenen Profi geschrieben, der heute nicht mehr dem Druck des Berufsspielers unterliegt. GM Sadler zählt zu den stärksten Großmeistern in der Geschichte des britischen Schachs. Er hat seine Erfahrungen als Profi wie auch als Wiedereinsteiger in das ambitionierte Amateurschachspiel ausgewertet und aufbereitet. Diese nutzt er, um dem Leser Inspiration für die eigene Vorbereitung und das eigene Training zu geben, wobei er überwiegend sehr konkret darstellt, was er meint. Seine Erklärungen und Vorschläge sind offenkundig unter einem stetigen Besinnen auf die Praxis entstanden. Zumindest in einigen Teilen kann man gewissermaßen von einer Anleitung zum praktischen Lernen sprechen.

Die innere Ordnung bildet die Orientierung an den Phasen der Schachpartie. Sadler widmet sich zunächst Aspekten der Eröffnung, um sich dann den unterschiedlichen Arten des Denkens im Mittelspiel sowie den Problemen zuzuwenden, warum es manchmal doch ganz anders als vorgesehen kommt. Den Abschluss bildet eine kurze Fokussierung auf das Endspiel, wobei ich persönlich diesen Teil des Werkes als etwas schwächer gegenüber den übrigen ansehe. Ganz anders als zuvor fehlt mir hier der eine oder andere neue Hinweis, der "letzte Pfiff".

Sadler hat sich einige Punkte, die die Spielstärke beeinflussen, herausgesucht und widmet sich ihnen nicht "gutachterlich" durch breite Ausarbeitung der theoretischen Basis und Anwendung auf konkrete Partiesituationen und Stellungen, sondern eher in der Weise eines Vortrags. Dieses Vorgehen sagt mir persönlich zu, zumal das Werk an keiner Stelle auch nur entfernt den Anspruch auf eine umfassende theoretische Aufarbeitung erhebt.
Um ein Bild für Sadlers Prinzip zu bekommen, kann man sich beispielsweise den Vortrag eines Architekten vorstellen, der sich einzelnen wichtigen Themen zum Hausbau widmet. "Wenn Sie den Rohbau planen, dann können Sie die spätere Wärmedämmung wie folgt vorsehen" und "die Haustechnik installieren Sie am besten so, dass …" könnten vergleichbare Aussagen eines solchen Architekten sein.

Wie schon kurz vorangestellt, kann der Leser nach meiner Einschätzung für das Nahschach umfassend und für das Fernschach teilweise von "Study Chess" profitieren.
Die Kapitel 1, 2 und 4 sind ganz oder teilweise "fernschachtauglich". Sehr interessant ist eine von Sadler detailliert dargestellte Methode, unter Einsatz von Kopf und Rechner neue Eröffnungsideen zu finden. Er baut dabei auf die Datenbankfunktion wie auch auf die Engine. Diese Methode bietet sich besonders sogar für das Fernschachspiel an, da sie auch die Partie begleitend einsetzbar ist.
In den beiden ersten Kapiteln wird vielleicht nicht jeder, aber sicher doch so mancher Fernschachspieler einen Schlüssel finden, den Gegner mit etwas Neuem zu überraschen und das eigene Repertoire entsprechend zu erweitern.

Im vierten Kapitel geht es um die aktive, die reagierende und die prophylaktische Art des Denkens. Hervorzuheben ist, dass es dabei nicht nur um isoliert diese Methoden geht, sondern auch um die Übergänge von einer zur anderen, um den Wechsel zwischen ihnen. Hier lässt Sadler den Leser nicht einfach eine "Wohlstandsbrühe" konsumieren, er fordert ihn durch eingestreute Übungen, den oben angesprochenen "Vortragsstil" gewissermaßen durchbrechend. Welche Denkmethode ist in einer gegebenen Situation geboten, welcher Zug ist hier der Beste? Fragen dieser Natur muss der Leser konkret beantworten, die Lösung/Erklärung und Begründung folgen sofort. Dieser Teil des Buches ist besonders locker aufgemacht, er wirkt wie ein "Lese- und Spielvergnügen mit Lerneffekt".

"Study Chess" ist in Englisch verfasst und man spürt, dass dies die Muttersprache des Autors ist. Das eine oder andere Mal wird der fremdsprachliche Leser eine Vokabel nachschlagen müssen, ansonsten aber keine Probleme mit dem Verstehen haben.
Ein Eröffnungs- sowie ein Partienverzeichnis schließen das Werk ab.

Fazit: "Study Chess" ist ein smartes Büchlein, dass ich, auch wenn es mit einem Preis von 21,90 Euro nicht ganz billig ist, zum Kauf empfehlen kann.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

The English - move by move

Steve Giddins
The English - move by move
270 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-85744-699-9
23,95 Euro




The English - move by move
"The English" aus der Feder von FM Steve Giddins ist ein neuer Spross der "move by move"-Serie von Everyman Chess. Das Werk behandelt die Englische Eröffnung, die üblicherweise mit 1.c4 eingeleitet wird, was schon der Buchtitel unschwer erahnen lässt.

An diesem Buch wird besonders deutlich, worin der eigentliche, der erstrangige Wert der ganzen Serie liegt, soweit es sich um Eröffnungsbücher daraus handelt. Sie vermittelt ein Grundverständnis von der Eröffnung, und zwar in deren wesentlichen Zweigen. Hierzu möchte ich einen Vergleich mit dem Erlernen einer Fremdsprache ziehen, mit einem Sprachschüler, der als Autodidakt und mit qualifiziertem Lernmaterial arbeitet. Ein solcher Schüler ist gut beraten, sich zunächst eine sichere Kenntnis des Grundwortschatzes zu verschaffen. Es gilt aber nicht nur Vokabeln zu büffeln, auch die Grammatik muss behandelt werden. Sinnvoller Weise beginnt er auch hier mit den grundlegenden Elementen, mit dem Satzbau, mit der Konjugation der Verben usw. Geht es dann um höhere Weihen, über das Erlernen aller Zeitformen bis hin zum Verständnis landeseigener Literatur, wird das Ausgangslehrwerk erweitert. Auf dem Weg zur tadellosen Fremdsprache wird die Grenze des grundlegenden Lehrmaterials überschritten, es wird um weiterführende Literatur und Spezialwerke ergänzt.

Zurück zum Schachspiel, zur Englischen Eröffnung und "The English" von Steve Giddins: Dieses Werk vermittelt den "Grundwortschatz" und die "Basis-Grammatik" zu Englisch, hier aber nicht zur englischen Sprache, sondern zur Englischen Eröffnung.
Gibbins gibt dem Leser über das vorliegende Buch einen guten Einstieg zu einer Eröffnung an die Hand, für die GM Mihail Marin drei Bände brauchte, um ein hoch qualifiziertes Repertoire anzubieten (Großmeister-Repertoire, Die Englische Eröffnung, erschienen bei Quality Chess). Dies mag veranschaulichen, wie konzentriert und ausgewählt Giddins vorgehen musste.

Die "move by move"-Serie von Everyman Chess setzt auf die Simulation eines Lerngespräches zwischen dem die Englische Eröffnung lernenden Schüler und seinem Schachlehrer. Dies passiert auf der Basis von 26 ausführlich kommentierten Partien, die ganz überwiegend aus der modernen Meisterpraxis stammen. Die herkömmliche Kommentierung wird aber ergänzt um zahlreiche Einschübe, die textlich deutlich hervorgehoben sind. Diese kennzeichnen Verständnisfragen, die dem virtuellen Schüler in den Mund gelegt werden, oder auch an ihn gerichtete Aufgabenstellungen. Die Beantwortung bzw. Lösung schließt sich postwendend an.
Der Wert dieser Methode für den Leser hängt davon ab, wie fundiert und gut platziert sich die Fragen und Aufgaben zeigen. Die Partie mit ihrer üblichen Kommentierung und die Einschübe mit den Antworten darauf müssen ein harmonisches Ganzes ergeben. Dies ist in "The English" sehr gut erreicht. Über alle Partien hinweg und intensiv an zwei ausgewählten Beispielen bin ich der von der Methodik geprägten Kommentierung gefolgt. In einer Vielzahl der Fälle habe ich mich in der jeweiligen Fragestellung wiedergefunden. Die Fragen sind zumindest überwiegend nachvollziehbar und somit treffend gesetzt, sie sprechen die richtigen Punkte an. Die Antwort bzw. Lösung führt dann zur Vertiefung gerade solcher Aspekte, die von einem allgemeinen Interesse sind oder auch spezifisch vom Leser aufgenommen werden sollten. Dies ist die Konsequenz der Methodik, die solche Aspekte herausstellt. Insoweit übersteigt der Lernerfolg nach meiner Einschätzung jenen, den ein klassisches Eröffnungsbuch verspricht.
Eine Kleinigkeit, nicht mehr als nur eine Nebensächlichkeit, gefällt mir zu den Fragen des "virtuellen Schülers" nicht. Einige von ihnen beginnen mit Ausrufen wie wie "Eh", "Oh", "Ah" oder "Huh" - dies ist nun doch etwas übertrieben und mindert gefühlt die Sachlichkeit. Auch ohne diese Ausrufe bliebe eine aufgeweckte Simulation des Schüler-Lehrers-Gespräches erhalten, diese wirken auf mich nur etwas albern. Der Leser mag dies aber anders sehen.

"The English" ist in die folgenden Kapitel gegliedert (Überschriften in sinngemäßer deutscher Übersetzung):
- Linien mit …e5
- Linien mit …c5
- Mikenas-System - Linien aus dem Bereich des Abgelehnten Damengambits, Slawisch und dem Igel-System
- Linien aus dem Bereich-Anti-Grünfeld, Königsindisch und Holländisch
- Aufbau eines Repertoires.

Noch etwas hervorheben möchte ich das 6. Kapitel zum Aufbau eines Repertoires. Es gibt dem Leser wertvolle Hinweise, die sich verschiedenen Problemstellungen widmen. So werden Übergänge aus anderen Eröffnungen thematisiert, vorteilhafte Zugfolgen, auch um bestimmte Eröffnungsfelder möglichst zu vermeiden, wie auch "angehaucht" psychologische Aspekte.
"The English" ist kein Repertoirebuch, es kann dem Leser also kein abgesichertes und in sich stimmiges Repertoire anbieten. Als Grundlage aber für den Aufbau eines solchen Englisch-Repertoires ist das Werk sehr gut geeignet. So bin ich etwas geneigt, dem Leser dieses Buch als Basiszugang zur Englischen Eröffnung zu empfehlen, um dann mit bereits viel Knowhow die Arbeit am eigenen Repertoire aufzunehmen (hierzu dann meine Empfehlung der og. drei Bände von Mihail Marin).

Kehren wir noch einmal kurz zurück zu unserem Sprachschüler eingangs dieser Rezension: Mit "The English" erlernt der Leser den "Grundwortschatz" und die "Basis-Grammatik", mit weiterführender Repertoire-Literatur macht er das Diplom.

"The English" ist nicht nur der Englischen Eröffnung gewidmet, es ist auch in der englischen Sprache geschrieben. Die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse sind aber keine nennenswerte Herausforderung.
Abgeschlossen wird das Werk von einem ordentlichen Variantenverzeichnis und einem Partienverzeichnis.

Fazit: "The English" ist ein gelungenes Werk und damit eine gute Kaufempfehlung. Besonders profitieren wird derjenige, der die Englische Eröffnung erlernen im Sinne von verstehen möchte. Darüber hinaus empfehle ich das Buch demjenigen Spieler als Basis, der sich ein qualifiziertes Repertoire unter Mithilfe von Spezialliteratur aufbauen möchte. "The English" nimmt für ihn den Rang eines sehr gesunden Unterbaus ein.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

Chess Developments: the Pirc

James Vigus
Chess Developments: the Pirc
252 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-85744-695-1
19,95 Euro




Chess Developments: the Pirc
"Chess Developments" ist der Name einer jungen Buchserie von Everyman Chess, in der vor wenigen Wochen "the Pirc" von James Vigus erschienen ist. Sie versteht sich als ein an Spieler jeder Spielstärke gerichtetes Medium, das ihnen helfen soll, ihr Eröffnungswissen zu erweitern. Der Fokus soll dabei besonders auf kritische Linien, aktuelle Trends, neue Ideen und auf Theorie auf dem neuesten Stand gerichtet werden.

Vigus hat in "the Pirc" 50 Partien zur Pirc-Ufimzew-Verteidigung (ECO B07 bis B09) aufgenommen, über die er die Ziele der Serie verfolgt. Zugeordnet sind diese insgesamt sechs Kapiteln mit den, in Übersetzung, folgenden Überschriften:

- Österreichischer Angriff (Dreibauern-Angriff) mit 5…c5
- Österreichischer Angriff (Dreibauern-Angriff) mit 5…0-0
- Klassische Variante
- Weiß spielt 4. Le3
- Byrne-Variante
- Fianchetto-Variante.

Von einer Ausnahme abgesehen stammen die Partien aus den Jahren 2007 bis 2011, das Buch ist also insoweit sehr aktuell.

Rein optisch erinnert "the Pirc" an Werke aus der "Dangerous Weapons"-Serie von Everyman Chess. Ein markantes Element dieser Ähnlichkeit sind kleine Symbole, die dem Leser Textstellen anzeigen, in denen Vigus einen Tipp gibt, auf Schlüsselzüge und -ideen hinweist, vor Gefahren warnt oder einfach eine Anmerkung gibt.
Diese jeweils hervorgehobenen Passagen sind für mich auch ein Indiz für die Beantwortung der Frage, wo Vigus die Spielstärke der von ihm in erster Linie angesprochenen Leser selbst verortet. Und hier möchte ich Differenzierungen vornehmen. Wie schon erwähnt richtet sich die Serie "Chess Developments" an Spieler jeder Stärke, "the Pirc" als ein Element daraus muss aber auch für sich allein entsprechend bewertet werden.
Die Tipps, Gefahrenhinweise und Anmerkungen sehe ich, gemessen an ihrem Aussageniveau, eher als für den noch aufstrebenden Spieler hilfreich an, sie dürften dem starken Spieler eher ausnahmsweise etwas Neues vermitteln, was dann auch für die Passagen gilt, in denen die genannten Hervorhebungen zu finden sind. So möchte ich den Adressatenkreis von "the Pirc" vor allem in der Gruppe der noch weniger erfahrenen Clubspieler ansiedeln. Hinweise auf neue Entwicklungen, auch in Schlüsselstellungen, können dagegen auch starke Spieler ansprechen. Wer als solcher die Pirc-Ufimzw-Verteidigung im Repertoire hat und sich einen Überblick über Neuentwicklungen verschaffen möchte, die dann möglichst vertiefend dargestellt werden, kann sein Ziel über "the Pirc" erreichen. Analysen und Partiefragmente bringen dann zusätzlich "Butter bei die Fische".

Die Bücher von Everyman Chess sind auch als eBooks erhältlich, können so auch im Chessbase-Format genutzt werden. Ich erwähne dies zum vorliegenden Werk, weil es für die Pirc-Ufimzew-Anwender auch einen Zugang zu 50 ausgewählten und kommentierten Partien bedeutet.

Recht häufig weist Vigus auf sein Buch "The Pirc in Black and White", Everyman Chess 2007, hin (im Werk verwendetes Kürzel: TPIBAW). So steht dieses Buch auch mit in der Bibliografie. "the Pirc" kann in Teilen auch als Update und als Erweiterung zum genannten Buch fungieren. Erwähnenswert ist, dass Vigus nach seinen Worten Augenmerk darauf gerichtet hat, Wiederholungen/Doppelbehandlungen zu vermeiden.

Ein paar Worte zur Verarbeitung: "the Pirc" entspricht in allem der für Everyman Chess bekannten Qualität (Einband, Papier, Druck etc.). In einem Punkt aber muss der Rezensent eine Anmerkung machen - zum Rückentext. Hier ist es zu einem Fehler gekommen, der aber außerhalb des Einflusses des Autors liegt. Everyman Chess hat versehentlich den Rückentext eines anderen Werkes verwendet, der deshalb nur in Teilen auf "the Pirc" zutrifft. Als Spieler und Kaufinteressent aber kann man diesen Fehler ohne Aufgeregtheit zur Kenntnis nehmen und dann auch wieder vergessen. Das Missgeschick schränkt den Nutzungswert des Buches nicht ein. Auch kann es kein schlechtes Licht auf die Sorgfalt des Autors werfen und so Zweifel an der Verlässlichkeit seiner Ausführungen auslösen, da es mit seiner Arbeit nichts zu tun hat.

Ein ordentliches Variantenverzeichnis sowie ein Partienverzeichnis schließen das Werk ab. Die Buchsprache ist Englisch, Fremdsprachkenntnisse auf Schulniveau reichen für ein Verstehen aus.

Fazit: "the Pirc" ist ein Buch, dass ich in erster Linie dem noch aufstrebenden Spieler empfehlen kann. Mit Vorkenntnissen und vielleicht sogar schon mit einem eigenen Repertoire ausgestattet kann dieser Spieler mehr als starke und erfahrene Konkurrenten vom Werk profitieren. Starke Spieler können eher von der Darstellung neuer Entwicklungen und deren weiterer Aufbereitung profitieren. Angesichts des moderaten Preises von 19,95 Euro kann ich somit auch eine Empfehlung für den starken Spieler aussprechen, die sich nicht auf alle Inhalte, sondern auf ausgewählte Teile erstreckt.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

Capablanca - move by move

Cyrus Lakdawala
Capablanca - move by move
365 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-85744-698-2
24,95 Euro




Capablanca - move by move
"Capablanca" ist der kurze Titel eines "etwas anderen Buches" aus der Reihe "move by move" von Everyman Chess. Autor ist Cyrus Lakdawala, der in den letzten Jahren häufiger mit neuen Werken in Erscheinung getreten ist.
Bisher habe ich ausschließlich Eröffnungsbücher aus der "move by move"- Serie in der Hand gehalten, diesmal bekommt der Leser eine Mischung aus mehreren Genres für sein Geld, von Biografie bis Taktikwerk.

"Capablanca" ist, im Anschluss an Vorwort, Bibliografie und Einführung, in fünf Kapitel untergliedert, die, ins Deutsche übersetzt, die folgenden Überschriften tragen:

Capa beim Angriff
Capa bei der Verteidigung
Capa beim Ausnutzen aus der Balance geratener Strukturen
Capa beim Sammeln und beim Ausbau von Vorteilen
Capa beim Endspiel.

Die oben schon angesprochene Mischung aus verschiedenen Arten von Büchern zeigt sich auch im Inhaltsverzeichnis, in dem über den Buchtitel hinaus auch hier die Person Capablancas hervorgehoben wird. "Capa" ist der Spitzname, den seine Freunde verwendeten, seine Anhänger tun es diesen auch heute noch gleich. Es geht darum, die Behandlung der Partie in verschiedenen Phasen und hinsichtlich bestimmter Fähigkeiten durch Capablanca darzustellen, einerseits aus einem Hauch von Verehrung durch den Autor heraus und andererseits mit dem Ziel, den Leser seine eigenen Fähigkeiten im Schach am Beispiel Capablancas vervollkommnen zu lassen. Lakdawala bekennt sich ausdrücklich dazu, in seiner Jugend Capablanca als Vorbild oder Idol gehabt zu haben.

Es gibt 59 vollständige und kommentierte Partien des dritten Schach-Weltmeisters im Buch. Die Kommentierung ist textlich geprägt, auf Analysen setzt Lakdawala nur zurückhaltend und verzichtet beinahe vollständig auf längere Ketten. Dies macht auch durchaus Sinn, wenn man den schon erwähnten Zweck des Werkes im Auge behält.

Wie auch für die Eröffnungswerke aus der Reihe "move by move" typisch sind in den Kommentierungen Einschübe eingebaut, die einen Dialog zwischen Schach-Schüler und Lehrer simulieren sollen. So werden dem Schüler Verständnisfragen u.ä. in den Mund gelegt, die dieser stellvertretend für den Leser anbringt, oder es richten sich auch Aufgabenstellungen an ihn, die er an Ort und Stelle lösen soll.
Im Zuge der Arbeit an dem Werk ist mir aufgefallen, dass sich die ganz große Mehrheit aller dieser Einschübe vor einem taktischen Hintergrund abspielt. Dies gilt auch unabhängig von der Partiephase, der sich das jeweils aktuelle Kapitel widmet. So ist "Capablanca" auch ein Werk, das ich als Praxisbuch zur Schachtaktik bezeichnen möchte. Vielleicht wäre auch "angewandte Schachtaktik" ein geeigneter Untertitel gewesen.

Soweit es um die Freude an gut kommentierten Capablanca-Partien geht, ist "Capablanca" sicher für den Spieler jeder Spielstärke geeignet. Allerdings sind Capablancas Partien inzwischen unzählige Male in dieser oder jener Kommentierung veröffentlicht worden, sodass der Rahmen für wirklich Neues beschränkt ist und dies potenzielle Käufer vermutlich auch im Kopf haben werden. Neu ist deshalb vor allem die Art der Kommentierung, die Mischung aus herkömmlichen Anmerkungen und den oben erwähnten Einschüben.

In erster Linie ist "Capablanca" ein Buch, das sich an den noch nicht allzu weit fortgeschrittenen Spieler richtet. Die Art der Fragen und der Schwierigkeitsgrad der zu lösenden Aufgaben liegen in aller Regel erheblich unter dem Leistungsvermögen des erfahrenen Spielers. Es ist nicht leicht, eine konkrete Einordnung für den Fernschachspieler nach der Fernschach-Wertungszahl vorzunehmen. Ich denke aber, dass die Grenze von ca. 1700 bis 1800 nach oben recht zutreffend gesetzt sein dürfte.

Wer sich oben meine Angaben zum Inhalt des Werkes genauer angeschaut hat, wird festgestellt haben, dass es nichts wie "Capa in der Eröffnung" gibt. Capablanca war schon damals dafür bekannt, dass er nicht gerade ein "Eröffnungs-Bolide" war. So kam er oft mit einem Nachteil aus der Anfangsphase der Partie heraus und musste das Ruder in deren weiterem Verlauf herumreißen.
"Capablanca" ist kein Werk, das seine Stärken in Fragen der Eröffnungsbehandlung hat. Dies darf nicht verwundern, wenn Capablanca die Eröffnung selbst oft nicht optimal gespielt hat. Hinzu kommt, dass sich die Theorie natürlich seit seiner Schaffenszeit bis heute explosionsartig entwickelt hat und sich in unseren Tagen auf einem ganz anderen Niveau als damals befindet. Lakdawala trägt dem in einem gewissen Rahmen Rechnung, indem er bei erheblichen Abweichungen in Capablancas Spiel von heute empfohlenen Linien die moderne Folge im Rahmen der Kommentierung mit abbildet. Insgesamt aber sollte den lernenden Spieler die Eröffnungsphase in den kommentierten Partien weniger beeindrucken als der Rest.

Fazit: "Capablanca" ist vor allem dem noch aufstrebenden Spieler zu empfehlen, der die englische Sprache mindestens auf Schulniveau beherrscht. Er wird insbesondere seine taktischen Fähigkeiten verbessern können. Zudem erfährt er viel von einem der größten Spieler aller Zeiten.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

Move First, Think Later

Willy Hendriks
Move First, Think Later
254 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-398-4
21,95 Euro




Move First, Think Later
Das Buch "Move First, Think Later", geschrieben von IM Willy Hendriks und vor wenigen Wochen erschienen bei New In Chess, ist eine jener seltenen Neuerscheinungen, zu denen ich zunächst keinen Zugang gefunden habe. Ich habe das Buch mehrfach in die Hand genommen, um es zu rezensieren, und ebenso oft habe ich es wieder beiseite gelegt, weil ich es einfach nicht wirklich verstand. Jetzt, wo ich diese Rezension als Ergebnis meiner Arbeit vorlegen kann, ist mir in der Nachbetrachtung auch klar geworden, woran meine anfänglichen Schwierigkeiten gelegen haben: Ich bin mit völlig falschen Grundvorstellungen und damit auch falschen Erwartungen ans Werk gegangen. Auch hierfür meine ich den Grund gefunden zu haben: Es muss am provokanten und von mir falsch ausgelegten Titel gelegen haben wie auch an der Einführung des Werkes durch den Autor.

Sinngemäß übersetzt ist "Move First, Think Later" die Aufforderung an den schachinteressierten Leser, zunächst seinen Zug auszuführen und dann erst zu überlegen. Als "herkömmlich auf Schachprinzipien sozialisierter" Spieler musste ich damit meine Probleme haben, die sich beim Einlesen in das Werk eher bestätigten als auflösten. Hendriks vertritt die These, dass der Spieler zumeist in seiner Partie nicht nach den hergebrachten Prinzipien handelt, nicht die Charakteristika einer Stellung ermittelt, einen Plan entwickelt und nach seinen Kandidatenzügen Ausschau hält. Für Hendriks hat das Spiel in der Praxis mehr mit "Versuch und Irrtum" zu tun. Danach checkt der Spieler im Prinzip eher die einzelnen Züge auf ihre Tauglichkeit durch. Erweist sich die erste positive Einschätzung, die eben zu seiner genaueren Prüfung geführt hat, als Fehler, so wird der Zug verworfen, andernfalls bleibt er als spielbare Möglichkeit erhalten.

"Move First, Think Later" ist aber gar kein revolutionäres Werk, das sich anschickt, die Theorie neu zu schreiben, es ist vielmehr sehr auf die Praxis ausgerichtet, und zwar die herkömmlichen Prinzipien beachtend. Allein die Methode, wie der Spieler die besten Züge in einer Stellung ermittelt, sieht Hendriks anders.
Dabei kommt er in einem fortgeschrittenen Teil des Buches zu einem interessanten Vergleich: Engines ermitteln auch nicht erst die Charakteristika einer Stellung, fassen nicht einen Plan, vielmehr arbeiten sie nach der Methode "Move First, Think Later" - jeder mögliche Zug wird zunächst zumindest kurz angefasst, und weiter geht es dann nach dem Prinzip "Versuch und Irrtum" nach den Rechenergebnissen.

Aber was ist "Move First, Think Later" denn nun? Bisher habe ich erst die Frage klären können, was es nicht ist. Es ist eine Anleitung zum praktischen Schachtraining, und eine richtig gute sogar. Hätte Hendriks sich mit dem Vorhaben, die Schachtheorie - zumindest partiell - auf den Kopf zu stellen, vermutlich verhoben, so ist er als Autor zum Schachtraining voll in seinem Element. Er ist ein Praktiker mit einer Jahrzehnte langen Erfahrung, die sich über das ganze Buch hinweg immer wieder zeigt.
Die Palette dessen, was er behandelt, dürfte das widerspiegeln, was er als Manko in den Fähigkeiten der von ihm trainierten Spieler erkannt hat. Er geht Fragen nach, warum der Trainingserfolg sich nicht in den Partien des Spielers bestätigt, leitet zur Ausräumung der Gründe an, gibt Hinweise auf Trainingsmethoden, beschreibt diese, und dies alles als gefühltes Praxisseminar.

Ich möchte die allgemeine Beschreibung des Inhalts von "Move First, Think Later" um ein paar ganz konkrete Beispiele ergänzen.
1. Warum findet ein Spieler, der zuhause Schachaufgaben aus Zeitschriften und Büchern sehr gut zu lesen versteht, nicht auch ihm damit thematisch geläufige Züge in der eigenen Partie? In der Aufgabe weiß der Spieler, dass er eine Stellung vor sich hat, in der er nach einem bestimmten Motiv suchen muss oder zumindest irgendetwas für eine Partei gehen wird. Seine Aufmerksamkeit ist erregt, er sucht gezielt. In der Partie ist dies anders, der Spieler muss erst selbst ihre Reife für ein Motiv o.ä. erkennen. Und das klappt eben oft nicht. Hendriks arbeitet darauf hin, diese Schere zwischen Theorie und Praxis zu entschärfen, sehr verständlich und nachvollziehbar.
2. Nicht neu ist die Aussage, dass die Analyse der eigenen Partien die Spielstärke hebt. Neu ist auch nicht, dass der Einsatz von Engines vorteilhaft ist. Noch nirgendwo gelesen habe ich aber die folgende konkrete Anleitung hierzu. Hier arbeitet Hendriks mit einem anschaulichen Beispiel: Wirft der Computer für 17.Se4 einen Vorteil für Weiß von 0.42 aus, dann sollte sich der Spieler damit nicht zufrieden geben und den Zug somit nicht "abhaken". Wenn der Spieler meint, er müsse sich gegen 17…Txb2 verteidigen, und nicht sieht, wie dies mit 17.Se4 gelingen soll, dann soll er 17…Txb2 ausführen und den Computer die Arbeit erledigen lassen.
3. Im netten Kapitel mit dem ins Deutsche übersetzten Titel "Das sadistische Examen" vergleicht Hendriks die Schachpartie mit einem Examen, in dem der Student alle ihm gestellten Fragen korrekt beantwortet und nur einen einzigen Fehler macht, er deshalb aber durchfällt. Maßnahmen gegen den Zeitdruck in der Partie sollen "das sadistische Examen" entschärfen.

"Move First, Think Later" enthält insgesamt 27 Kapitel, die im doppelten Sinn ein Praxiskurs sind. Die inhaltliche Auswahl und das Heben der Spielstärke des Leser sind konsequent praxisorientiert, zugleich wird er über praktische Übungen gefordert. Sehr angenehm fällt mir hierbei die maßvolle Zahl der Übungen auf. Diese Beschränkung hält die Motivation aufrecht, es wird nicht langweilig.

Das Buch ist sehr locker geschrieben, sodass es auch einen netten Unterhaltungswert hat. Wenn man sich nicht so dumm anstellt, wie es mir wie oben beschrieben passiert ist, als ich "Move First, Think Later" noch nicht genügend kannte, macht es sicher von Beginn an Spaß, mit ihm zu arbeiten.
Die Buchsprache ist Englisch, Sprachkenntnisse auf Schulniveau reichen auf jeden Fall zum Verstehen aus.

Bemerkenswert ist noch der Umfang der Bibliografie. Es fehlen eigentlich nur das Schachbuch von Lucena aus dem Jahre 1497 und die Neuerscheinungen des kommenden Jahres, ansonsten ist alles mit Rang und Namen verzeichnet. Hendriks wird nicht alles nur für "Move First, Think Later" durchgearbeitet haben, sondern eben sehr gut seine immense Trainererfahrung genutzt haben. Mit seinem Werk hat er auf jeden Fall auch eine Fleißarbeit abgeschlossen, selbst wenn sich diese auf viele Jahre verteilt haben dürfte.

Fazit: "Move First, Think Later" ist ein sehr empfehlenswertes Buch für ein qualifiziertes Schachtraining. Auf der Basis verständlicher und logisch dargelegter Gründe gibt es zahlreiche Empfehlungen und konkrete Methoden an die Hand, die der Leser im lockeren Heimtraining zur Hebung seiner Spielstärke nutzen kann.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

Mayhem in the Morra

Marc Esserman
Mayhem in the Morra
359 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-907982-20-0
24,99 Euro




Mayhem in the Morra
Für das englische Wort "mayhem" gibt es mehrere Übersetzungsmöglichkeiten. Der Buchtitel "Mayhem in the Morra" ist wohl sinngemäß am besten mit "Mord und Totschlag im Morra-Gambit" zu übersetzen, zumal der Umschlag einer Zeitungsmeldung nachempfunden ist und der Buchtitel die Schlagzeile bildet.
"Mayhem in the Morra" von Marc Esserman, jüngst erschienen bei Quality Chess, ist aber, um dies gleich vorwegzunehmen, kein reißerisch aufgemachtes 0815-Werk; es ist ein Werk, das eine besondere Beachtung verdient.

Das Morra-Gambit, im englischen Sprachraum auch als Smith-Morra Gambit bezeichnet, ist ein weißes Gambit und entsteht im Original über die Zugfolge 1.e4 c5 2.d4 cxd4 3.c3, weiß spielt es also gegen den schwarzen sizilianischen Aufbau. Der Name Morra-Gambit geht auf den Franzosen Pierre Morra zurück, der die Eröffnung Mitte des vergangenen Jahrhunderts analysierte. Anders als beispielsweise das Königsgambit oder das Evansgambit hat das Morra-Gambit keine tiefen historischen Wurzeln, ein Hoch in der Blütezeit des "Hurrastils" hat es nicht erlebt. Dies kann durchaus ein wenig verwundern.
Der Ruf des Morra-Gambits ist wie jener des Aprilwetters, also weder ganz schlecht noch wirklich gut.
Esserman ist angetreten, den Ruf des Gambits zu bessern, und er macht dies mit Fleiß, Enthusiasmus, Fakten und einem gewissen Maß an Sendungsbewusstsein, das man für ein solches Vorhaben auch braucht. Er selbst ist ein großer Kenner des Gambits, er spielt es und analysiert es beinahe "lebenslänglich", wie es heißt. Als amerikanischer IM hatte er die Gelegenheit, "sein" Gambit auch in bedeutenden Turnieren und gegen sehr starke Gegner zu spielen, und dies mit großem Erfolg. Ob man dies immer nur mit seinem Wissensvorsprung begründen darf, sei dahingestellt, ich habe da aber so meine Zweifel. Auf jeden Fall beweist Esserman, dass der gut präparierte Spieler mit dem Morra-Gambit "richtig etwas reißen kann", tatsächlich auch Mord und Totschlag auf das Brett bringen kann, ohne den auf dem Buchrücken abgebildeten Revolver einsetzen zu müssen.

"Mayhem in the Morra" ist ein Theoriewerk mit bemerkenswertem Tiefgang. Esserman füllt rund 350 Seiten mit Theorie zu einer Eröffnung, die sich hinsichtlich ihrer Breite des Systems mit vielen Spezialvarianten nicht messen kann. Schon dies ist ein Fingerzeig auf den Detaillierungsgrad, mit dem er das Gambit behandelt.

Seine Ausführungen zur Theorie nimmt Esserman in 14 Kapiteln vor, von denen 11 im ersten Teil des Werkes zu finden sind, der das angenommene Morra-Gambit behandelt, und 3 im zweiten Teil, eben die Gambitablehnung. Dem Werk Struktur geben Partien aus der Praxis, oft von Esserman selbst gespielt. Einige Partien sind im Blitzschach bzw. über das Internet gespielt worden, was ihren Wert, als Basis für theoretische Erörterungen zu fungieren, nicht schmälert.
"Mayhem in the Morra" wartet mit einigen Neuerungen auf, die auch für den erfahrenen Anwender des Morra-Gambits ein Gewinn sein dürften.

Das Werk ist aus meiner Sicht sehr gut geeignet, um sich das Morra-Gambit von Grund auf anzueignen, es zu verstehen und sich für den Turniereinsatz zu präparieren. Es ist ein vollständiges Werk mit Antworten auf ganz viele Zweige, die das Spiel in der Themaeröffnung bis in kleine Verästelungen hinein nehmen kann. So ist für mich "Mayhem in the Morra" auch ein voll und ganz "fernschachtaugliches" Werk.

Derjenige, für den Englisch eine Fremdsprache ist, sieht sich einer nennenswerten Herausforderung gegenüber, wenn er denn alles verstehen möchte. Das Werk setzt auf einen sehr breiten Wortschatz, der mich im Zuge der Vorbereitung dieser Rezension oft zwang, einen Blick in das Wörterbuch zu nehmen. Der Lohn des Lesers für diesen Einsatz ist aber sowohl der Nutzen des vielleicht vollständigsten Werkes zum Morra-Gambit als auch Unterhaltung, die Esserman ebenfalls bietet. Anleihen aus der Welt des Films, Zitate etc. sind Elemente, die Esserman zur Auflockerung einsetzt. Am Ende des Werkes findet der Leser ein Verzeichnis der Fußnoteninhalte im Text. Ebenfalls erwarten ihn dort ein Partienverzeichnis und ein sehr ausführliches Variantenverzeichnis.
Der "Appendix" aus einigen Ergänzungspartien zu jenen im Rahmen der theoretischen Darstellungen führt den Übergang von der Theorie in die Verzeichnisse.

Fazit: "Mayhem in the Morra" hat das Zeug zum Referenzwerk Nr. 1 zum Morra-Gambit. Es ist ein sehr vollständiges Werk, es stellt die Theorie des Gambits ausführlich und systematisch klug dar und entwickelt sie an etlichen Stellen auch weiter.
Für den Spieler mit ausreichenden Englischkenntnissen ist "Mayhem in the Morra" eine ganz klare Kaufempfehlung.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

Break the Rules

Neil McDonald
Break the Rules
160 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-85744-673-9
19,95 Euro




Break the Rules
Auf die Behauptung "die Nadel des Magnetkompasses zeigt zum (magnetischen) Nordpol" werden Sie "stimmt!" denken. Aber Moment mal! Was ist, wenn ich mit meinem Kompass am Nordpol stehe? Dann stimmt sie nicht, diese tolle Regel, die Sie gerade erst bestätigt haben!
Was hat dies mit dem Buch "Break the Rules, a modern look at chess strategy" von Neil McDonald zu tun, das bei Everyman Chess erschienen ist und seit wenigen Tagen in den Regalen des Schachhandels steht? Sehr viel!

"Springer am Rand bereitet Kummer und Schand´!" Diese Gesetzmäßigkeit im Schach, gewissermaßen Regel also, hat jeder Spieler irgendwann gehört, regelmäßig in seiner ersten Lernphase. Sie hat natürlich ihren Sinn, denn am Brettrand ist der Aktionsradius des Springers halbiert, auf einem Eckfeld sogar geviertelt. Und trotzdem - es gibt auch Situationen, in denen der beste Platz für einen Springer gerade am Rand zu finden ist. Dann ist es schade für den Spieler, der den Zug auf ein Randfeld nicht sieht, weil er ihn wegen einer Dominanz der genannten Regel überhaupt nicht ins Kalkül zieht. Gesetzmäßigkeiten wie "Springer am Rand …" haben ihre Berechtigung, dürfen aber nicht zu Denksperren führen, nicht zu stereotypem Handeln und zum Verwerfen guter Züge, weil der Spieler nicht über den Tellerrand allgemeiner Gesetzmäßigkeiten im Spiel hinaus zu denken vermag.
Dies ist GM McDonalds Ansatz für sein unterhaltsames und die Augen öffnendes Büchlein. Er hat Gesetzmäßigkeiten von solchen zur Positionierung von Steinen über die Entwicklung von Bauern und Figuren bis hin zur Rolle des Königs unter die Lupe genommen und insbesondere auch nach Ausnahmen zu ihrer Gültigkeit geforscht.
Mir gefällt besonders, dass er diese Ausnahmen nicht an sehr konkreten und deshalb kaum allgemeingültigen Stellungsbesonderheiten erklärt, was den Horizont gleich wieder einengen würde, sondern in einer allgemeinen Form. So macht er den Leser stärker darauf aufmerksam, dass er selbst in seiner Partie nie Möglichkeiten ausschließen oder gar verwerfen soll, nur weil sie nicht konform zu einer Gesetzmäßigkeit stehen. Seine Logik ist dabei sehr überzeugend, man hat immer das Gefühl, ihm tatsächlich nur zustimmen zu können.
Zu den Gegenständen seiner Erörterungen zwei Beispiele:
Im 4. Kapitel zeigt McDonald, dass der König auch im Mittelspiel eine tatkräftig agierende Figur sein kann. Auch wenn das Risiko, selbst zum Opfer zu werden, für ihn höher ist als wenn er geschützt und passiv in einer Ecke auf das Endspiel wartet, wird es in passenden Situationen kalkulierbar sein und der König einbezogen werden können. Es kommt eben auf die Situation, auf die Stellung an. Ist sie reif für eine Beteiligung des Königs, dann soll dieser auch tatsächlich einbezogen und nicht stereotyp mit dem Ziel seiner Sicherheit vom Kampfplatz entfernt werden, nur weil dies einer allgemeinen Verhaltensregel für den Spieler entspricht.
Der kalkuliert ins Spiel einbezogene König kann Aufgaben eines Bauern oder auch einer Figur übernehmen und so quasi zu einer Überzahl für den aktiven Spieler führen. Ein sehr schönes Beispiel hierzu hat Magnus Carlsen geliefert, als er in einer Partie gegen Huzman, Kallithea 2008, im Dameninder mit schwarz 17…Kd7! spielte, auf die Rochade verzichtete und seinen König zum Kämpfer machte. Er gewann diese Partie mit dem 42. Zug, insbesondere auch wegen der Folgen seines Geniestreichs im 17. Zug.
Anhand einer Partie Navara gegen Shimanov, Vilnius 2010, schaut McDonald auf die Vereinbarkeit eines Abspiels in der Vorstoßvariante von Caro-Kann mit für die Eröffnung formulierten Gesetzmäßigkeiten. 4.h4, 5.g4 und 6.h5 scheinen gar nicht so recht zu herkömmlichen und allgemeinen Empfehlungen zur Eröffnungsbehandlung zu passen. Hier aber stehen diese Züge für beste Möglichkeiten des Anziehenden. Wenn man - und dies selbst als erfahrener Spieler - die von McDonald beschriebenen Erwägungen liest, fragt man sich, warum einem diese Erwägungen als solche nicht auch selbst schon in den Kopf gekommen sind. Man spult in der eigenen Partie das zugbasierte Wissen ab und denkt nicht mehr über die Hintergründe nach. An diesem Beispiel macht McDonald deutlich, dass anerkanntermaßen gute Züge in bestimmten Eröffnungssystemen gegen allgemeine Empfehlungen zur Eröffnungsbehandlung verstoßen, was eben auch das stereotype Anwenden solcher Empfehlungen infrage stellt.

Um es zusammenzufassen: Es sind vor allem drei Dinge, die McDonald mit "Break the Rules" erreicht:
1. Er hält den Spieler an, fortwährend auch über den Tellerrand von Gesetzmäßigkeiten hinaus zu schauen.
2. Er schärft die strategische und taktische Urteils- und Entscheidungsfähigkeit.
3. Als Leser fühlt man sich gut unterhalten.

Das Buch beinhaltet sieben Kapitel mit Darstellungen zum Thema, die ergänzt werden um zwei Kapitel mit an den Leser gerichteten Testaufgaben und deren Lösungen.

Exakt 50 Partien sind als Beispiele für die "positiven Regelverstöße" im Buch zu finden. Diese sind zumeist im neuen Jahrtausend gespielt worden, vereinzelt hat McDonald aber auch ältere Begegnungen aufgenommen.

Das Werk ist in Englisch, der Muttersprache des Autors, erschienen. Ein Wörterbuch sollte der über Sprachkenntnisse auf Schulniveau verfügende Leser an der Hand haben, denn das verwendete Vokabular beschränkt sich nicht auf einen erweiterten Grundwortschatz.

Fazit: "Break the Rules" ist ein empfehlenswertes Büchlein, das mit einem Preis von 19,95 Euro nicht unbedingt billig ist, dem Käufer aber einen anständigen Gegenwert gibt.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

move by move - The Sicilian Taimanov

John Emms
move by move - The Sicilian Taimanov
368 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-85744-682-1
20,95 Euro




move by move - The Sicilian Taimanov
"The Sicilian Taimanov" von John Emms ist inzwischen das fünfte Buch aus der "move by move"- Serie von Everyman Chess, das ich rezensiere. Nachdem ich mir einen ersten Überblick verschafft und sich dadurch der Eindruck bei mir eingestellt hatte, dass dieses Werk besonders auch strategisch ausgerichtet ist, habe ich mich entschlossen, die Rezension aus einer besonderen Warte heraus zu verfassen. So habe ich das Werk mit den Augen eines Schachspielers zu begutachten versucht, der eine durchschnittliche Spielstärke erreicht hat (sprechen wir mal von Clubniveau), die Taimanov-Variante von der Pike auf erlernen will, um sie zum festen Bestandteil seines Repertoires zu machen, und nur begrenzt Zeit für das Studium einsetzen kann oder will.
Dieser Spieler hat mit "The Sicilian Taimanov" einen guten Griff getan.

1. Die Wahl der Taimanov-Variante ist an sich schon ein guter Griff. Sie ist ein etabliertes System mit guten schwarzen Chancen auf initiatives und freies Spiel. Sie ist, was wesentliche Prinzipien betrifft, recht leicht zu erlernen und zu verinnerlichen. Die theoretische Fülle kommt nicht an jene vieler anderer Sizilianisch-Varianten heran, von Najdorf bis zum Drachen. Hinzu kommt, dass die Taimanov-Variante leicht auch in andere Varianten überführt werden kann, beispielsweise in Najdorf oder Scheveningen, was ihren flexiblen Einsatz begünstigt. Das kann besonders für den Spieler interessant sein, der die Taimanov-Variante als weitere Option neben ihm schon geläufigen anderen Systemen einsetzen möchte.
2. Einem Spieler mit der oben skizzierten Interessenlage muss es daran liegen, nicht nur Varianten auswendig zu lernen, sondern die Eröffnung wirklich zu verstehen. Hierfür braucht er die Kenntnis von den strategischen Grundgedanken der Eröffnung, den wesentlichen Plänen und Standardmotiven, ohne dabei aber stereotyp zu reagieren oder dogmatisch eingeschränkt zu werden.
Er profitiert besonders von einem Buch wie diesem, das ihm die Eröffnung insoweit auch ganzheitlich vermittelt, sodass ihre Zusammenhänge mit dem Mittelspiel und die Weichenstellungen in ein späteres Endspiel deutlich werden.
3. "Unser" Spieler braucht zur Begrenzung seines Zeitaufwandes ein Werk, das sich auf das Wesentliche konzentriert. Mit sehr weit verzweigten Varianten, die eher nur dann wertvoll für ihn sind, wenn er sie sich tatsächlich einprägt, ist ihm eher nachrangig geholfen. Es sei denn, dass er auch eine zusätzliche Lernstrategie entwickelt, nämlich über das Fernschachspiel die Taimanov-Variante erlernen möchte. Dazu später noch etwas mehr.

"The Sicilian Taimanov" enthält acht Kapitel mit den folgenden, hier ins Deutsche übersetzten Überschriften:

1. Weiß spielt Le2: Hauptlinien
2. Weiß spielt Le2: Alternative Linien
3. Weiß spielt Le3 und Ld3
4. Der Englische Angriff
5. Weiß spielt f4
6. Die Fianchetto-Variante
7. Weiß spielt 5. Sb5
8. Andere Linien.

Inwieweit das Werk die oben formulierten Ansprüche des definierten "Referenzlesers" erfüllt, möchte ich am Beispiel des 1. Kapitels verfolgen. Die hier behandelte Linie läuft über die Eingangszüge 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sc6 5.Sc3 Dc7 6.Le2. Sie zählt zu den wichtigsten und populärsten Linien überhaupt in der Taimanov-Variante. In meiner allgemeinen Partiendatenbank ist sie mit mehr als 5600 Partien vertreten. Die Theorie hierzu stellt Emms auf rund 67 Seiten dar, wobei der großzügige Einsatz von Diagrammen bereits einen erheblichen Anteil ausmacht. Grob geschätzt dürfte das Verhältnis von Diagrammen und Text zwischen 1:3 bis 1:2 liegen. Das übersichtliche und deshalb angenehme Druckbild reduziert den Platz für die inhaltlichen Ausführungen ebenfalls noch ein wenig. 67 für das 1. Kapitel reservierte Seiten umfassen grob geschätzt rund 40 bis 45 Seiten reinen Textes. Diese rein formale Betrachtung würde aber kaum einen Sinn machen, wenn der fachliche Inhalt zu schmal wäre. Gerade hierfür aber habe ich in "The Sicilian Taimanov" kein Indiz gefunden. M.E. hat Emms die wesentlichen Linien der Taimanov-Variante behandelt, wobei allerdings zu bedenken ist, dass dieses Werk nicht an den Ansprüchen gemessen werden darf, die sich an ein Repertoirebuch richten. Wenn ich es mal so bezeichnen darf, dann ist "The Sicilian Taimanov" ein "Eröffnungslehrbuch mit Repertoirebuchmerkmalen".

"The Sicilian Taimanov" erlaubt dem Leser unter einem gemäßigten Zeiteinsatz die Taimanov-Variante so gut zu erlernen, dass er sie in einer Clubpartie mit Selbstvertrauen einsetzen kann.

Die Stärke des Werkes liegt besonders auch darin, dass es den Leser die Eröffnung verstehen lässt. Und hierbei möchte ich den Schwerpunkt dieser Qualität besonders auf seine Inhalte zur Strategie in der Themaeröffnung konzentrieren. Emms sorgt dafür, dass der Leser immer das große Ganze im Auge behält, also auch taktische Problemstellungen vor dem Hintergrund der strategischen Logik sieht. Die wesentlichen Pläne, Standardmotive, Formationen etc. müssen einem Spieler bekannt bzw. verdeutlicht werden, wenn er eine Eröffnung in sein Repertoire aufnehmen möchte. Dafür sorgt Emms wirklich nachhaltig. Ich möchte dies an einem Beispiel unterstreichen:
Das Feld c7 ist ein "geborenes" Damenfeld in der Taimanov-Variante. Warum dies so ist, warum die Dame auch schon früh in der Partie diesen Schritt vollzieht, in welchen Formationen sie sich dann auf dem Brett wiederfinden kann etc. ist eines von Emms´ Schlüsselthemen gleich zu Beginn des Werkes, im 1. Kapitel. Der Clubspieler weiß aber auch um die alte Regel, dass eine früh auf Ausflug gehende Dame vom Gegner unter Tempogewinn angegriffen werden kann, was man grundsätzlich vermeiden sollte. Die Symbiose von Strategie und Taktik stellt Emms in dieser Frage her, indem er auch auf die Möglichkeit eingeht, dass der Gegner im Besinnen auf die genannte Regel tatsächlich die Dame mit dem Springer attackiert. Die taktische Antwort mit …Db8 lässt den Gegner ins Leere laufen, ein gegnerischer dogmatischer Springerangriff erschüttert das gerade eingeleitete strategische Verstehen des Lesers nicht. Dieses sehr schöne Verbinden von Strategie und Taktik lässt sich durchgängig im gesamten Buch finden.

"The Sicilian Taimanov" folgt dem diese Reihe kennzeichnenden Prinzip der Simulation einer Präsenzlehrstunde im Schach. Ein Trainer bringt seinem Schüler die Eröffnung bei, wobei der Schüler ebenso gezielte Fragen stellen wie der Lehrer von sich aus Aufgaben und Übungen stellen kann. Es ergibt sich dabei ein gewisses "Betreuungsfeeling". Dieses Prinzip ist allgemein so gut umgesetzt, wie den dem Schüler in den Mund gelegten Fragen eine Praxisnähe bescheinigt werden kann. Und dies hat Emms, selbst auch ein erfahrener Trainer, gut hinbekommen. In den Beispielen, die ich mir gezielt unter diesem Aspekt angeschaut habe, habe ich auch meine eigenen Fragen zumindest ganz überwiegend tatsächlich auch abgebildet gefunden.

Noch einmal zur Möglichkeit einer Zeit sparenden Strategie des Spielers zum Erlernen der Taimanov-Variante: Sizilianisch kommt in der Turnierpraxis häufiger als andere Eröffnungen auf das Brett. Schwarz hat es in weitem Rahmen in der Hand, nach 1.e4 die Taimanov-Variante entstehen zu lassen. Dies gilt auch für das Fernschach. Gerade das Fernschachspiel ist dafür geeignet, diese Eröffnung zu studieren. Mit "The Sicilian Taimanov" an der Hand und ergänzend ein auf Varianten spezialisiertes Buch sowie eine gut sortierte Partiendatenbank kann die Taimanov-Variante im wahrsten Sinne spielend erlernt werden. Für eine Eröffnung wie diese im Sizilianer gilt dies mehr als für viele andere Eröffnungen, die seltener gespielt werden, vom Schwarzspieler weniger beeinflusst werden können oder als nicht vollwertig gelten.

Es sind insgesamt 39 vollständige Partien, die als Träger der Erörterungen fungieren, im Buch verarbeitet worden, von denen zwei im Fernschach gespielt worden sind.

Ein Variantenverzeichnis und ein Spielerverzeichnis schließen das Werk ab.
Die Buchsprache ist Englisch, das Vokabular ist moderat.

Fazit: "The Sicilian Taimanov" ist nicht nur ein hervorzuhebendes Werk innerhalb der "move by move"- Reihe des Verlags, sondern auch allgemein ein rundum empfehlenswertes Lehrbuch für zukünftige "Taimanov-Anhänger".


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

New in Chess Yearbook 103

Genna Sosonko (Editor)
New in Chess Yearbook 103
246 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-391-5
29,95 Euro




New in Chess Yearbook 103
Der Schwerpunkt der Eröffnungsbeiträge im New In Chess (NIC) - Yearbook 103 liegt - so wie regelmäßig in dieser Reihe - auf der Sizilianischen Verteidigung., 9 der insgesamt 28 "Essays" entfallen auf den Doppelschritt des schwarzen c-Bauern im 1. Zug. Das Abgelehnte Damengambit liegt an zweiter Stelle des "Häufigkeitsrankings" mit drei ihm gewidmeten Beiträgen, die weiteren 17 Titel verteilen sich über die weite Landschaft der Schacheröffnungen.

Die folgende Aufstellung gibt einen Überblick über die Inhalte der einzelnen Beiträge, jeweils inklusive der einleitenden Zugfolgen.

Eröffnung Variante Zugfolge
Sizilianisch Rauser-Variante (hier mit 6.Sb3 und Prins-Variante genannt) 1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.f3 e5 6.Sb3 Le6
Sizilianisch Najdorf-Variante 1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.Lg5 e6 7.f4 Le7 8.Df3 Dc7 9.0-0-0 Sbd7 10.g4 b5
Sizilianisch Drachenvariante 1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 g6 6.Le2 Lg7 7.Le3 Sc6 8.Sb3 0-0 9.f4 e5
Sizilianisch Drachenvariante 1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 g6 6.Le3 Lg7 7.f3 Sc6 8.Dd2 0-0 9.0-0-0 d5 10.exd5 Sxd5 11.Sxc6 bxc6 12.Ld4 Lxd4 13.Dxd4 Db6
Sizilianisch Rossolimo-Variante 1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 g6 4.Lxc6 dxc6 5.d3 Lg7 6.h3 Sf6 7.Sc3 0-0 8.Le3 b6 9.Dd2 e5 10.Lh6 Dd6 11.0-0-0 a5
Sizilianisch Taimanov-Variante 1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 e6 5.Sc3 a6 6.Le2 Sge7
Sizilianisch Paulsen-Variante 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.g3
Sizilianisch Paulsen-Variante 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 a6 5.c4 Sf6 6.Sc3 Dc7
Sizilianisch Grand-Prix-Angriff 1.e4 c5 2.Sc3 d6 3.f4 g6 4.Sf3 Lg7 5.Lc4 Sc6 6.d3 Sf6 7.0-0 0-0 8.De1 e6
Französisch Winawer-Variante 1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 Lb4 4.e5 c5 5.Dg4
Französisch Tarrasch-Variante 1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sd2 c5 4.exd5 Dxd5 5.Sgf3 cxd4 6.Lc4 Dd7
Caro-Kann Fantasievariante 1.e4 c6 2.d4 d5 3.f3 e5
Caro-Kann Vorstoßvariante 1.e4 c6 2.d4 d5 3.e5 Lf5 4.Sf3 e6 5.Le2 Se7 6.0-0 c5 7.Sa3
Spanisch Breyer-Variante 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0-0 Le7 6.Te1 b5 7.Lb3 d6 8.c3 0-0 9.h3 Sb8 10.d4 Sbd7 11.Sbd2 Lb7 12.Lc2 Te8 13.Sf1 Lf8 14.Sg3 g6 15.b3
Schottisch Steinitz-Variante 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.d4 exd4 4.Sxd4 Dh4 5.Sc3 Lb4 6.Le2 De4 7.Sb5
Zweispringerspiel   1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Sf6 4.Sg5 d5 5.exd5 Sd4 6.c3 b5 7.Lf1 Sxd5
Abgelehntes Damengambit Blackburne-Variante 1.d4 d5 2.c4 e6 3.Sc3 Le7 4.Sf3 Sf6 5.Lf4 0-0 6.e3 Sbd7 7.Le2
Abgelehntes Damengambit Lasker-Variante 1.d4 d5 2.c4 e6 3.Sc3 Sf6 4.Lg5 Le7 5.Sf3 h6 6.Lh4 0-0 7.e3 Se4 8.Lg3
Abgelehntes Damengambit Lasker-Variante 1.d4 d5 2.c4 e6 3.Sf3 Sf6 4.Sc3 Le7 5.Lg5 h6 6.Lh4 0-0 7.e3 Se4 8.Lxe7 Dxe7 9.Tc1 c6
Slawisch Chebanenko-Variante 1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sf3 Sf6 4.Sc3 a6 5.a4 e6 6.Lg5 Sbd7 7.e3 Da5
Slawisch Slawisches Gambit 1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sf3 Sf6 4.Sc3 dxc4 5.a4 e6 6.e4 Lb4 7.e5 Sd5 8.Ld2 b5 9.axb5 Lxc3 10.bxc3 cxb5 11.Sg5
Nimzo-Indisch Rubinstein-Variante 1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sc3 Lb4 4.e3 0-0 5.Se2 c6 6.a3 La5
Königsindisch Panno-Variante 1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sf3 Lg7 4.g3 0-0 5.Lg2 d6 6.0-0 Sc6 7.Sc3 a6 8.Dd3
Benoni Snake-Variante 1.d4 Sf6 2.c4 c5 3.d5 e6 4.Sc3 exd5 5.cxd5 Ld6 6.Sf3
Wolga-Benkö-Gambit   1.d4 Sf6 2.c4 c5 3.d5 b5 4.Lg5 Se4
Trompowsky-Angriff   1.d4 Sf6 2.Lg5 Se4 3.Lf4 e5
Holländisch   1.d4 f5 2.c4 Sf6 3.Sc3 e6 4.Sf3 Lb4
Englisch Symmetrie-Variante 1.c4 c5 2.Sf3 Sf6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sc6 5.g3 e5

Die Verfasser sind überwiegend als Spieler und teilweise auch als Buchautoren bekannt und geschätzt. So findet man hier Namen von Tiviakov bis Raetsky und Gutman bis hin zu Scherbakov. In diese prominente Reihe hat sich auch Panu Laine eingefunden, als starker Fernschachspieler und den Leserinnen und Lesern der Fernschachpost als Partiekommentator bekannt.

Die Essays sind regelmäßig so aufgebaut, dass zunächst ein - zumeist sehr konkretes und auf einen bestimmten Initialzug abgestimmtes - Thema kurz eingeführt und dann theoretisch erörtert wird, gefolgt von jeweils unterschiedlich vielen und im NIC-Stil kommentierten Partien. Diese dienen sowohl der Veranschaulichung des Themas als auch der theoretischen Ergänzung und Fortführung.

22 der Partien entstammen diesmal der Fernschachpraxis. Alphabetisch nach dem Weißspieler sortiert enthält die folgende Tabelle alle in der Jahrbuchausgabe 103 enthaltenen Fernpartien; aufgelistet sind dabei auch jene Partien, die nicht in den Essays zu finden sind, sondern im Forum.

Spieler Turnier Jahr ECO
Agostini, Valerio - Cecchelli, Enrico ch-ITA-11tt 2009 D17
Bocanegra Moreno, Rufino - Bendig, Frank Wch-32sf 2009 C57
Cleto jr., Dirceu - Moreira, Jose   1999 C45
Coffield, Alan - Saleh, Khaled   1997 C45
Conde Ponderoso, Jose Antonio - Collier, Robert   1998 C45
Cruzado Duenyas, Carlos - Winckelmann, Thomas   2010 E63
Dahlström, Richard - Marquardt, Günter   2004 D15
Dantas, Roberto - Dard, Michael   2008 C95
Ehrlich, Stefan - Grott, Peter   2000 C57
Essegern, Kurt - Sobeck, Günter DDR Cup-3 final 1975 C57
Hegoburu, Pedro Federico - Kroll, Ove   1999 B46
Ivanov, Valery - Podvoysky, Evgeny   2010 C57
Juárez de Vena, Antonio - Uberos Fernández, Antonio AEAC WICI 014 2009 B99
Kronberg, Sven - Kögler, Klaus   2000 C45
Kulling, Winfried - Freeman, Michael W-ch 16 sf-6 1985 B99
Mujica, Hector - Santo, Moises   2010 E99
Nisula, Timo - Siikaluoma, Auno ch-FIN 2007 D16
Novikovas, Anatolijus - Peli, Giora ol-17 prelim 2006 C57
Rasmussen, Erik - Lykke, Hans Christian ch-DEN 2000 C45
Tanis, Kees - Van Tienhoven, Richard WS/M/304 2011 E99
Tomazini, Aljosa - Rihtaric, Ivan   2005 C45
Unander, Matts - Laane, Einar   2008 C95
Zavrazhanov, Andrej - Ould Ahmed, Samy   2011 E99

Das Forum ist ein weiterer Dauerinhalt der NIC-Jahrbücher. Diese Rubrik findet sich jeweils am Anfang der Ausgabe, sie enthält Leserreaktionen auf Inhalte früherer Ausgaben. Hierbei aber handelt es sich nicht um schlichte Leserbriefe, wie man vorschnell meinen könnte, sondern um Analysen, eigene Partiebeispiele etc. Nicht selten findet man hier interessante Erfahrungen, die Leser in Anwendung früherer Empfehlungen gemacht haben. Sie sorgen für eine lebendige dynamische Betrachtung und sind oft auch analytische Weiterentwicklungen der Theorie.

In "Benjamin´s Opening Takes", ein weiterer wesentlicher Jahrbuchinhalt, widmet sich Joel Benjamin der Vorbereitung des Spielers im Schach. Die Überschrift "The New Way to Prepare" zeigt schon an, dass er sich damit beschäftigt, wie sich die Art und Weise der Vorbereitung entwickelt hat, wie eine moderne Vorbereitung aussieht. Er beschreibt seine Feststellung an Partien von Magnus Carlsen, welche er speziell entsprechend der Themastellung und auch der Farbverteilung kommentiert hat.
Benjamins Rubrik schließt sich Kuzmin´s Harvest" an, Alexey Kuzmins eröffnungstheoretische Betrachtung zu Eröffnungen der Europameisterschaft ("Openings from the European Championship").

Eine Vorschau auf das Buch "The Modern French" von D. Antic und B. Maksimovic sowie vier Rezensionen aus der Feder von Glenn Flear ("The Strategic Nimzo-Indian" von I. Sokolov, "The Kaufman Repertoire for Black & White" von L. Kaufman, "The Modern Reti" von A. Delchev und "the triangle system" von R. Scherbakov) runden das NIC Yearbook 103 redaktionell ab.

Demjenigen gegenüber, der die NIC Jahrbücher schon kennt, muss man nicht erwähnen, dass diese ein wichtiges Instrument sind, um eröffnungstheoretisch hart am Wind zu segeln. Wer noch keine Erfahrung mit dieser Reihe gesammelt hat und in der obenstehenden Tabelle der Inhalte des Jahrbuchs 103 eine Eröffnung bzw. Variante seines Interesses findet, sollte vielleicht mal einen Versuch mit der aktuellen Ausgabe starten.
Das Gleiche gilt für denjenigen, der insbesondere Fernschachpartien sucht, Varianten auf "Fernschachtauglichkeit" prüfen möchte und "seine" Eröffnung in der obenstehenden Tabelle mit den Fernschachpartien findet.

Fazit: Das NIC Yearbook 103 ist die übliche Kaufempfehlung für den ambitionierten Spieler. Das Werk enthält facettenreiches Spezialwissen, sodass es einen breiten Streuungsgrad nach den Interessen der Leser aufweist.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

Calculation

Jacob Aagaard
Calculation
304 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-907982-31-6
29,99 Euro




Calculation
"Calculation" ist der Titel eines neuen Werkes von Jacob Aagaard aus der Serie "Grandmaster Preparation" von Quality Chess. In erster Linie handelt es sich dabei um ein Trainingsbuch zur Schachtaktik, zur Schulung der "Rechenkunst" im Schach. Das Niveau des Buches ist in jeder Beziehung hoch, angefangen beim Anspruch an sich selbst, Training auf Großmeisterniveau zu vermitteln, über seine Verarbeitung bis hin zur Herausforderung an den Leser sowohl hinsichtlich dessen Fähigkeiten im Schach als auch seiner Englischkenntnisse.

Aagaard geht in acht der insgesamt zehn Kapitel des Werkes auf Techniken bzw. Hilfsmittel zur Schachtaktik ein, zwei besonders geprägte Kapitel bilden den Abschluss. Das Inhaltsverzeichnis enthält, hier in deutscher Übersetzung und in der Reihe der Kapitel, die folgenden Kapitelüberschriften: Kandidatenzüge, Kombinatorische Vision, Prophylaxe, Vergleich, Entfernen, Zwischenzüge, Vorstellungskraft, Fallen, Tests, Schwierige Stellungen.

Der Aufbau der ersten acht Kapitel ist identisch, er soll am Beispiel des Kapitels 5 (Elemination / = Entfernen) veranschaulicht werden.

Die Technik des Entfernens ist besonders nützlich in sehr schwierig einzuschätzenden Stellungen. Sie funktioniert wie folgt: Wenn es in einer Stellung mehrere Kandidatenzüge gibt, unter denen der Spieler jenen mit dem größten Nutzen zu finden Schwierigkeiten hat, so lässt sich die Denkweise quasi umkehren. Man sucht jenen Zug, der die geringsten Nachteile mit sich bringt, um diesen dann auszuführen. Die Technik des Entfernens bezieht sich also nicht, wie man vorschnell annehmen könnte, auf Figuren, sondern auf Züge als solche.

In unserem Beispielkapitel 5 stellt Aagaard die Technik zunächst vor, um sie dann über rund 7,5 Seiten hinweg intensiv anhand von Beispielen aus der Turnierpraxis zu besprechen. Hierbei arbeitet er mit Fragmenten, die er über Diagramme einführt.
Die Besprechung ist anspruchsvoll und setzt m.E. eine schon beachtliche Spielstärke voraus. Dieses hohe Niveau wird noch deutlicher, sobald es im Anschluss an das Lösen von dem Leser gestellten Aufgaben geht. Nicht minder anspruchsvoll ist die sich wiederum anschließende Besprechung der Lösungen.
Im Kapitel 9 legt Aagaard eine Lösungsschwelle für den Leser fest, die er nach ELO differenziert. Dabei gibt es auch eine Eingangsgruppe bis ELO 2000, was zeigt, dass Aagaard auch unterhalb dieser Zahl Leser im Adressatenkreis seines Werkes sieht. Ich möchte mich nicht auf eine exakte Schwelle festlegen, da auch diese subjektiv wäre, sehe aber, dass die Anforderungen an den Leser tatsächlich hoch sind, sodass sich Anfänger im Schach sicher würden überfordert fühlen.

Zurück zu unserem Beispielkapitel 5: Der Leser weiß natürlich, dass alle an ihn gerichteten Lösungsaufgaben mit der Technik des Entfernens zu tun haben. Er erfährt auch, welche Seite am Zug ist, für wen also es die Lösung zu finden gilt. Dann ist er selbst am Zug.
Jeweils nach einer Gruppe von Aufgaben werden diese auf den Folgeseiten besprochen. Die Lösungen muten überwiegend wie ein Ausschnitt aus anspruchsvollen Partiekommentierungen an, unterstreichen also, was grundsätzlich vom Leser erwartet wird und wie hoch dieses Niveau ist. Neben dem Lösungsweg - in der Regel ein Mehr- bis Vielzeiler - werden auch die nicht funktionierenden Versuche dargestellt.
Um etwas leisten zu können, das zumindest annähernd die Qualität der Lösung hat, muss der Leser selbst "schon richtig etwas auf der Pfanne haben" und sich Zeit für jede Aufgabe nehmen. Hopplahopp dürften die Aufgaben für die wenigsten Spieler lösbar sein.

"Calculation" ist ein anspruchsvolles Buch, das sich an den schon ordentlich spielstarken Schachfreund richtet. Der wird dann aber auch ordentlich gefordert, er wird die Techniken eindeutig intensiver und gekonnter anzuwenden lernen, soweit sie ihm schon bekannt waren. Ich denke, dass der Leser nach dem Durcharbeiten des Werkes eine Klasse besser geworden sein wird und auch ein paar Monate älter.

Das Kapitel 9 ist ein Selbsttest für den Leser, anhand einer Tabelle mit erreichten Lösungspunkten kann er sich einer Spielstärkestufe zuordnen. Das Kapitel 10 widmet sich besonders schwierigen, vor allem auch komplexen Stellungen.

Ein Spielerindex schließt das Buch ab.

Zur Rezension lag ein gebundenes Werk vor ("Hardcover"), das 29,99 Euro kostet. Es gibt "Calculation" aber auch kartoniert ("Paperback").

Fazit: "Calculation" ist dem schon starken Spieler sehr zu empfehlen. Er erhält ein Trainingsbuch der Spitzenklasse. Der noch weniger erfahrene Spieler muss, wenn er mit dem Werk arbeiten möchte, die Herausforderung annehmen, gegen einen "elomäßig" deutlich stärkeren Gegner anzutreten. Vielleicht ist es für ihn eine Option, mit Rechnerunterstützung an den Lösungen zu arbeiten und diese zu verstehen zu versuchen.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

The Open Games for Black

Igor Lysyj, Roman Ovetchkin
The Open Games for Black
144 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-954-8782-88-3
21,95 Euro




The Open Games for Black
Mit "The Open Games for Black" verfolgen die Autoren Igor Lysyj und Roman Ovetchkin das Ziel, dem Nachziehenden ein komplettes Repertoire gegen 1.e4 über 1…e5 an die Hand zu geben, allein die Spanische Partie ausgenommen. Genau dies sagt auch der Untertitel dieses vor wenigen Wochen im bulgarischen Chess Stars-Verlag erschienenen Werkes aus, "A complete black repertoire with 1.e4 e5 against everything except Ruy Lopez".

Für den Nutzer eines Repertoirebuches zählt es zu den wichtigsten Erwartungen, dass er vom Gegner nicht aus seinem Repertoire gehoben werden kann. Hier also muss Schwarz, aus dessen Perspektive das Werk geschrieben worden ist, darauf vertrauen können, nicht von vollwertigen Zügen des Anziehenden aus seinem "Eröffnungswohnzimmer" gedrängt werden zu können.
Die Prüfung, ob "The Open Games for Black" Schwarz dieses Vertrauen geben kann, besteht das Werk ohne Blessuren. Es ist zwar möglich, schon im zweiten Zug so zu spielen, dass der Nachziehende keine Fortsetzung mehr im Buch findet, dann aber muss Weiß doch schon recht tief in die Kiste mit der Aufschrift "Exotisches" greifen, verbunden mit der Konsequenz, selbst nicht das Beste in der Stellung zu spielen. Auch im Folgenden gibt es reichlich solche Möglichkeiten, gefunden habe ich aber nur solche der dritten, vielleicht manchmal auch der zweiten Wahl. Eine solche Erkenntnis ist für Repertoirebücher dieser Art völlig normal, denn hier verhält es sich so wie bei einem Navigationsgerät, das man leicht zur "Off Road"-Anzeige bringen kann, wenn man seinen Wagen in die Pampa lenkt. Aber wer sich so verhält, muss sich schon sicher sein, im Anschluss eine ordentliche Straße zu finden.
"The Open Games for Black" ist zudem, was die Breite des Spektrums betrifft, durchaus ehrgeizig angelegt. Immerhin geht es um den Zug 1.e4 und dies ist im besten Wortsinn keine Eröffnung am Rand, sondern im Schachspiel das, was China für die Weltbevölkerung ist.

Der Käufer eines Werkes wie diesem muss sich im Klaren sein, dass ein so breit angelegtes einbändiges Werk nicht "durch die Bank" in die Tiefe gehen kann, sondern sich überwiegend auf der Ebene der Hauptlinien und der wichtigsten Abweichungen bewegt. Das ist auch bei "The Open Games for Black" so und insoweit bietet das Werk ein rundes und gesundes Repertoire an.

"The Open Games for Black" ist in zwei Hauptteile gegliedert, die insgesamt 20 Kapitel enthalten. So ergibt sich, in Übersetzung, der folgende Inhalt:

Teil 1. Alle weißen Linien ohne 2.Sf3
1.e4 e5 Seltene Züge
1. Mittelgambit 2.d4 exd4
2. Königsgambit 2.f4 d5
3. Wiener Partie 2.Sc3 Sf6
4. Läuferspiel 2.Lc4 Sf6

Teil 2. Alle weißen Linien ohne 3.Lb5
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 Seltene Züge
5. Ponziani-Eröffnung 3.c3 d5
6. Belgrader Gambit 3.Sc3 Sf6 4.d4 exd4 5.Sd5 Le7
7. Glek-Variante 3.Sc3 Sf6 4.g3 d5
8. Vierspringerspiel 3.Sc3 Sf6 4.Lb5 Lb4

Schottische Partie
3.d4 exd4
9. Göring-Gambit und Schottisches Gambit 4.c3 d5; 4.Lc4 Lc5
10. 4.Sxd4 Sf6 ohne 5.Sxc6; 5.Sxc6 bxc6 ohne 6.e5
11. 4.Sxd4 Sf6 5.Sxc6 bxc6 6.e5 De7 7.De2 Sd5 ohne 8.c4
12. 4.Sxd4 Sf6 5.Sxc6 bxc6 6.e5 De7 7.De2 Sd5 8.c4 La6

Italienische Partie
3.Bc4 Bc5
13. Evans-Gambit 4.b4 Lxb4
14. 4.d3 Sf6 verschieden; 5.Lb3 0-0
15. 4.Sc3 Sf6 5.d3 h6
16. 4.0-0 Sf6 5.d4 Lxd4
17. 4.0-0 Sf6 5.d3 0-0
18. 4.c3 Sf6 verschieden; 5.d4 exd4
19. 4.c3 Sf6 5.d3 0-0 ohne 6.0-0
20. 4.c3 Sf6 5.d3 0-0 6.0-0 d5

Wie man sieht, basiert das Repertoire zu einem wesentlichen Teil auf der Schottischen und der Italienischen Partie.

Es gibt mehrere Neuerungen für Schwarz, wobei mir als frühester Partiezeitpunkt der 6. Zug aufgefallen ist. Sie basieren, wie auch die weiteren Analysen, soweit sie noch nicht anderswo erschienen sind, überwiegend auf der Arbeit von GM Lysyj. Der Co-Autor Ovetchkin hat Anmerkungen beigesteuert und den Part der Erklärungen übernommen.

Der Käufer erhält neben einem gut strukturierten Repertoire auch einiges an neuem Material. Das Werk ist damit auch eine Fundstelle für neue Ideen und den zukünftigen Gegner in der Partie überraschende Wendungen.

Aus der Warte des Fernschachspielers ist "The Open Games for Black" in Abhängigkeit von der eigenen erreichten Spielstärke unterschiedlich wertvoll. Der Spitzenspieler, der auf der Suche nach neuen Ideen, nach unverbrauchtem Material ist, wird fündig werden, das als solches angebotene Repertoire aber vermutlich nicht benötigen. Anders sieht es für den aufstrebenden Spieler aus, der eine Erstausstattung in Sachen Repertoire braucht. Er wird besonders von den dargestellten Hauptlinien und der Struktur der Inhalte profitieren.
In beiden Fällen sollte eine gut sortierte Partiendatenbank die Buchinhalte ergänzen. Die Chancen des Gegners, das eigene Spiel über Abweichungen aus den Angeln zu heben, minimieren sich dadurch weiter. Der erfahrene Spieler wird in vielen Fällen ohnehin schon mit Büchern ausgestattet sein, die sich als Spezialwerke ganz jeweils einer bestimmten Eröffnung widmen, die in "The Open Games for Black" nur eine von mehreren ist. Dies unterstreicht den Wert des Werkes aufgrund Lysyjs Analysen für den Könner.

"The Open Games for Black" enthält "Theorie pur", auf illustrierende Beispielpartien wird verzichtet. Basis der Betrachtungen ist jeweils eine Hauptvariante, die aus einer Referenzpartie oder auch aus Analysen stammen kann. Es handelt sich damit um ein klassisches Eröffnungswerk, im Stil einer Monografie durchaus ähnlich.

Das Variantenverzeichnis am Ende ist erfreulich ausführlich. Der für den Einband verwendete Karton hätte etwas fester sein dürfen.

Bei "The Open Games for Black" handelt es sich um eine Übersetzung ins Englische. Die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des deutschsprachigen Lesers sind moderat.

Fazit: "The Open Games for Black" ist - mit unterschiedlichen Begründungen - eine Empfehlung für den noch auf der Suche nach einem Grundrepertoire befindlichen Spieler wie für den erfahrenen Könner, der frische Ideen und Analysen erhält.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

1001 Chess Exercises for Beginners

Franco Masetti, Roberto Messa
1001 Chess Exercises for Beginners
144 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-397-7
15,95 Euro




1001 Chess Exercises for Beginners
Einen sehr treffenden Titel trägt ein neues Arbeitsbuch zur Schachtaktik von New In Chess, nämlich "1001 Chess Exercises for Beginners", also "1001 Schachübungen für Anfänger". Autoren des Werkes sind die Italiener Franco Masetti und Roberto Messa. Es handelt sich dabei um die Übersetzung eines ursprünglich italienischen Werkes, das schon länger auf dem Markt ist. Die Verzögerung bis zum Erscheinen in Englisch ist völlig bedeutungslos, weil das Werk keinerlei zeitkritische Elemente enthält.

"1001 Chess Exercises for Beginners" ist dem Titel nach klar auf den Anfänger ausgerichtet, die Schwierigkeitsstufe der im Buch enthaltenen Übungen bestätigt dies voll und ganz. Es gibt aber auch eine Verwendung für den fortgeschrittenen Spieler, die ich gezielt für die Vorbereitung dieser Rezension erprobt habe. Dazu später mehr.

Das Werk enthält 18 Kapitel, die mit insgesamt 1001 Übungen bestückt sind. Alle Übungen werden über ein Diagramm gestellt, von denen jeweils 12 auf eine Seite passen. Ein kurzer Hinweis, der zumeist nicht zu viel verrät, soll die Aufmerksamkeit des Lesers in die Richtung der korrekten Lösung lenken.

Der Anfängercharakter des Werkes wird auch darin deutlich, dass die einzelnen Kapitel, beispielsweise mit den Überschriften (in Übersetzung) "Matt in zwei", "Fesselung" oder "vermischte Motive für Weiß", jeweils eingangs erklären, worum es sich beim jeweiligen Motiv handelt. So wird beispielsweise erläutert und illustriert, was eine Fesselung ist - für den Anfänger hilfreich, für den Fortgeschrittenen entbehrlich. An den Letztgenannten richtet sich das Werk aber auch nicht, "1001 Chess Exercises for Beginners" ist gut auf den Adressatenkreis abgestimmt.

Die Lösungen für die einzelnen Aufgaben sind gemeinsam für alle Kapitel unmittelbar im Anschluss die die letzte Aufgabenstellung abgebildet. Sehr gut gefällt mir die Navigation im Buch. Schon im Kopfbereich jedes Kapitels ist angegeben, ab welcher Seite die jeweiligen Lösungen zu finden sind. Da die Diagrammnummerierung und die Lösungsnummerierung logischerweise übereinstimmen, kann der Leser ruckzuck zu jeder absolvierten Übung die Lösung aufsuchen.

Der Leser sollte nicht darüber nachdenken, warum nun gerade 1001 Aufgaben im Werk gestellt werden, mit Märchen aus 1001 Nächten haben sie nämlich nichts zu tun. Auch reicht der Stoff nicht für 1001 Tage, denn dafür sind die Übungen nicht komplex genug. Die Wahl einer Zahl von 1001 sollte sicher nur den Buchtitel interessanter machen, das ist wohl auch gelungen.

Auch wenn sich "1001 Chess Exercises for Beginners" an den Anfänger richtet, ist es meines Erachtens zudem ein gutes Trainingsbuch für den fortgeschrittenen Spieler. Es muss nur ein Faktor vom Leser hinzugefügt werden: Zeit. Nehmen Sie sich die Übungen vor und setzen Sie sich ein eigenes Zeitlimit für die Lösung! Ich selbst habe es so gehandhabt, es hat Spaß gemacht und vermutlich hat es mein Auge auch wieder ein wenig geschult.
Ich habe etwa 50 Übungen absolviert und mir dabei jeweils ein Limit von maximal drei Minuten gesetzt. Nach Ablauf dieser Frist musste die Lösung komplett stehen, also auch eine eventuell geforderte Zugfolge. Mit meiner rund 40jährigen Spielerfahrung habe ich bis auf zwei Übungen alle korrekt gelöst, in den beiden nicht geschafften Beispielen habe ich jeweils die Idee des Lösungsansatzes nicht gefunden. In einem Fall habe ich eine alternative Lösung erreicht, die zwar zwei Züge länger dauerte, aber auch zum Ziel führte.

Zumindest der erfahrene Spieler braucht kein Brett für das Lösen der Übungen. So eignet sich das Buch auch ideal für das Überbrücken einer Wartezeit, im Zug, für etwas Schach in der Mittagspause usw.
"1001 Chess Exercises for Beginners" hat also auch seinen Wert für den fortgeschrittenen Spieler, wenn er eine "Vorgabepartie" daraus macht und nur einen kurzen Zeitkorridor für seinen Lösungsversuch zulässt.

Die letzte Seite des Buches ist einem Glossar vorbehalten, der eine Beschreibung der taktischen Elemente im Lexikonstil enthält.

Die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers sind moderat, die Buchsprache Englisch sollte kaum eine Barriere für denjenigen sein, der die Sprache auf Schulniveau beherrscht.

Fazit: Ich empfehle das Werk, und zwar als genau das, was es sein will: ein Arbeitsbuch. Der Anfänger wird von "1001 Chess Exercises for Beginners" hinsichtlich der Entwicklung seiner Spielstärke profitieren, ohne dass er sich an einer Stelle wird überfordert fühlen können.
Für den fortgeschrittenen Spieler empfehle ich es zusätzlich vor allem zur "Unterhaltung mit Trainingseffekt" - so wie das Anschauen einer Dokumentation im Fernsehen, "Unterhaltung mit Lerneffekt". Anders aber als beim Dokumentarfilm ist der Leser bei "1001 Chess Exercises for Beginners" nicht nur Konsument, er ist Mitwirkender.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

The Torre attack

Richard Palliser
The Torre attack
302 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-85744-686-9
23,75 Euro




The Torre attack
"The Torre attack" ist ein neues Glied in der Kette der "move by move"- Bücher von Everyman Chess, oder besser aus der "Everyman Chess"- Serie des Londoner Verlags Gloucester Publishers Limited. Der Autor des Werkes ist IM Richard Palliser.
Der Torre-Angriff ist durch die Eingangszüge 1.d4 Sf6 2.Sf3 e6 oder g6 3.Lg5 charakterisiert. Er geht auf GM Carlos Torre aus Mexiko zurück, der ihn vor rund 100 Jahren im damaligen Spitzenschach einsetzte und etablierte. Der Eröffnung haftet der Ruf an, eher etwas langweilig und aus weißer Sicht nicht allzu ambitioniert zu sein. Aber auch die Weltelite greift ab und zu darauf zurück, früher beispielsweise Spassky, Yussupow, Larsen und Dreev, heute Harikrishna, Larsen u.w. Der Torre-Angriff ist also auch in den Augen von Spitzenspielern eine wählbare Alternative, besonders auch als Spezialwaffe.

"The Torre attack" enthält 25 kommentierte Partien, die ganz im Stil der "move by move"- Serie einem Lehrer-Schüler-Dialog folgen. An markanten Stellen finden sich in Textboxen "Questions", Fragen also, mit denen der - den Leser vertretende - imaginäre Schüler das Wissen des Lehrers anzapft, einfache Fragen stellt, um eine Begründung für einen Zug mitsamt Analyse bittet usw. Der Autor, IM Palliser, kommt den Bitten in seinen "Answers", Antworten also, nach. Auch stellt er dem Schüler Aufgaben (Bewertungen, Einschätzungen, Analysen etc.), die dieser unter Anleitung und Kontrolle durch den "Lehrer" zu erfüllen hat.
Diese Art der Theorielehre ist aus meiner Sicht didaktisch gut und Erfolg versprechend. Wichtig ist, dass dem Leser die richtigen Fragen an den Stellen, wo sie gestellt werden müssen, tatsächlich auch gestellt werden. Ich habe keinen Grund, bei "The Torre attack" daran zu zweifeln, auch wenn ich diese Prüfung nur ziemlich oberflächlich durchführen konnte.

Eine Eröffnung wie den Torre-Angriff halte ich übrigens für ein besonders gutes Thema für ein Buch aus der "move by move"- Serie. Sie ist aufgrund ihres Spezialcharakters mit einem Band ausreichend behandelt und zudem ist sie nicht so weit "bis in die Haarspitzen" ausanalysiert. In Eröffnungen, in denen die Theorie zu beinahe festen Zugfolgen geführt hat, von denen ein Abweichen mit allergrößter Wahrscheinlichkeit nicht vorteilhaft wäre, läuft man immer Gefahr, einem Gegner mit einem kolossalen Zuggedächtnis oder im Fernschach der aktuellen Theorie zur Hand unterlegen zu sein. Diese Gefahr droht im Nahschach beim Torre-Angriff kaum und im Fernschach mit einer guten Datenbank neben "The Torre attack" eben auch nicht. "The Torre attack" ist gerade nicht unter dem Ansatz konzipiert worden, dem Leser die Theorie des Torre-Angriffs zu vermitteln, wobei dieser nachher Varianten Zug um Zug reproduzieren, sich also entsprechend erinnern kann. Vielmehr verfolgt Palliser den Anspruch, den Leser die Eröffnung verstehen zu lassen. Im späteren Idealfall soll er in seiner Partie die richtigen Züge im Geiste der Eröffnung finden, weil er eben "ganzheitlich" weiß, was er tut und tun sollte.

Ich attestiere "The Torre attack" auch die "Fernschach-Eignung". Grundlegende Varianten sind abgebildet und gehen auch bisweilen in eine dem Fernschachspieler helfende Tiefe. Dies aber ist nicht der Hauptgrund für meine Einschätzung. Den nämlich sehe ich eher darin, dass das Werk den roten Faden in die eigene Fernpartie bringen kann, wobei zusätzlich die gut sortierte Partiendatenbank für "Fleisch an die Knochen" sorgt.
Palliser gibt übrigens an, dass er mehr als 50.000 Partien mit dem Torre-Angriff vorliegen hat. Dies ist eine Zahl, die meine eigene Datenbank nicht annähernd zu bieten hat. Ich möchte bald vermuten, dass er auch viele Partien vorliegen hat, die in schnellen Partien auf Servern gespielt worden sind. Diese dürften dann zwar vermutlich recht fehlergeneigt sein, was aber von Vorteil sein kann, weil eben hierdurch auch eine Analyse häufiger Fehler möglich würde. Und immerhin hat Palliser, worauf er ausdrücklich hinweist, Unterschiede hinsichtlich der Präferenzen bei der Variantenwahl von Spielern aus der Spitze und solchen auf Clubniveau erkannt. Hier eröffnet sich demnach viel Raum für den Fernschachspieler nach den Gründen zu forschen und daraus Nutzen zu ziehen.

Die schon erwähnten 25 Partien sind den folgenden Kapiteln zugeordnet:

1. Torre-Angriff mit ...g6: Linien mit ...d5
2. Torre-Angriff mit ...g6: Linien mit ...d6
3. Torre-Angriff mit ...g6: Andere Ansätze
4. Torre-Angriff mit ...e6: Verteidigungen mit ...d5
5. Torre-Angriff mit ...e6: Schwarze Fianchettos
6. Torre-Angriff mit ...e6: Zwei zwingende Linien
7. Andere Versionen des Torre-Angriffs.

Ganz überwiegend stammen die Partien aus den vergangenen rund 20 Jahren, in wenigen Ausnahmen sind sie älter. Von Carlos Torre ist nichts dabei, das Fernschachspiel ist mit einer Partie vertreten.

Aufgefallen ist mir, dass in mehreren Fällen Schwarz die Partie letztendlich aufgrund von teilweise auch recht deutlichen Fehlern verloren hat. Palliser lässt diese aber regelmäßig nicht unkommentiert stehen, sondern gibt zumindest kurz Verbesserungen an. An dieser Stelle kann dann auch wieder eine qualifizierte Partiendatenbank einspringen und dem Fernschachspieler eine zusätzliche Hilfe leisten.

"The Torre attack" ist in Englisch geschrieben und mit Fremdsprachkenntnissen auf einem ordentlichen Schulniveau zu verstehen, ein Wörterbuch sollte aber greifbar sein.
Ein Variantenverzeichnis mit Diagrammunterstützung und ein Partienverzeichnis schließen das Werk ab.

Fazit: "The Torre attack" ist ein gelungenes Werk über eine Spezialeröffnung, den Torre-Angriff, das ich zum Kauf empfehlen kann.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

Vishy Anand: World Chess Champion

Vishy Anand / John Nunn
Vishy Anand: World Chess Champion
542 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-906454-32-6
22,95 Euro




Vishy Anand: World Chess Champion
Nach seinem frischen WM-Erfolg gegen Boris Gelfand ist Vishy Anand in der Schachwelt zurzeit in aller Munde. Es ist sicher eine fundierte marktstrategische Entscheidung und nicht etwa nur eine glückliche Fügung, dass gerade erst vor wenigen Wochen "Vishy Anand: World Chess Champion, Life and Games" als neue und erweitere Auflage von ursprünglich "Vishy Anand: My best Games of Chess" aus dem Jahre 1998 erschienen ist.
Es gibt nicht nur 30 zusätzliche Partien in dieser neuen Auflage, sondern auch eine konzeptionelle Ergänzung. Dazu gleich mehr.

"Vishy Anand: World Chess Champion, Life and Games" ist eine Sammlung kommentierter Partien aus der Karriere des alten und neuen Weltmeisters. Insgesamt sind 87 Begegnungen enthalten, die Partien 58 bis 87 sind neu aufgenommen worden. Sie stammen aus den Jahren 2001 bis 2011, umfassen also auch Anands bisher erfolgreichsten Jahre inklusive seiner Zeit als Weltmeister. Genau diese Partien sind es auch, die für die og. konzeptionelle Ergänzung stehen. Das Werk, das übrigens aus dem britischen Gambit-Verlag kommt, hat zwei Autoren, Anand und John Nunn. Diese haben ihre Rollen aus der Zeit der Arbeit am ursprünglichen Teil getauscht. Während die Kommentare der Partien 1 bis 57 von Anand stammen und von Nunn geprüft wurden, ist es bei den Partien 58 bis 87 umgekehrt. Die Auswahl der neu abgebildeten Partien wurde aber von Anand vorgenommen.

In erster Linie sind die Partien eine 1a-Unterhaltung. Die Kommentierung besteht aus einer gesunden Mischung von Textkommentaren und Analysen. Diese beschränken sich auf das Wesentliche, nur selten gehen sie sehr in die Tiefe. Für meinen Geschmack ist die Tiefe ausreichend, ich halte sie für angemessen.
Bei der Vorbereitung dieser Rezension habe ich ein paar Partien am herkömmlichen Brett und ein paar Partien am PC nachgespielt, am Rechner mit einer im Hintergrund laufenden Engine. Der Nostalgiker wird am Brett völlig auf seinen Geschmack kommen, am PC aber kann man ergänzend auch selbst zum Akteur werden. Wenn mir ein Zug nicht so ganz einsichtig war oder mir eine nicht behandelte Alternative in den Sinn kam, konnte ich schnell mit der Engine als Partner - benutzt habe ich hier Critter, weil sie schnell und nach meiner Wahrnehmung mit einem relativ schmalen Baum in die Tiefe geht - meine eigene Kommentierung schaffen. Diese Methode ermöglicht zugleich einen zusätzlichen Trainingseffekt. Für sie sind die Partien im Buch geradezu ideal geeignet, was sich mit der oben schon erwähnten Tiefe der gegebenen Analysen begründet.
Ein paar zusätzliche Informationen am Ende der Partien, mal recht kurz und dann wieder etwas länger, mal zur Partie selbst oder zur Turniersituation, dann wieder mit einem Blick auf Anands Karrierestand, erhöhen den Lese- und Unterhaltungswert des Buches.

"Vishy Anand: World Chess Champion, Life and Games" ist ohnehin auch recht unterhaltsam geschrieben, bisweilen auch humorvoll. Eine recht witzige Beschreibung habe ich beispielsweise auf Seite 89 in der Partie 15, Anand gegen Hübner, Dortmund 1992, gefunden. Hier steht, sinngemäß übersetzt, zu 9… g6: "Ein unüblicher Zug anstelle des üblichen 9…g5. Hübner hatte ihn zuvor nur ein Mal gespielt, in 1983, ich hatte ihn aber nie zuvor ernsthaft in Erwägung gezogen. Ein Grund hierfür war, dass Hübner selbst diese Partie im Informator kommentiert hat und dabei etwa zwei Seiten aufgewendet hat, um zu erklären, warum der Zug wirklich richtig lausig ist."
Sein Gegner, Jahre lang Deutschlands Nummer 1, hatte ihm also einen Zug vorgesetzt, den er selbst früher "aus der Theoriegeputzt hatte", woraufhin Anand ihm gefolgt war! Hatte Hübner seine Meinung geändert, hatte er eine Gedächtnislücke oder war es ein taktischer Streich, den Hübner im Informator gespielt hat? Vielleicht mit dem Kalkül, dass sich irgendwann mal eine Gelegenheit würde bieten können, in der die Zeit für eine "Hübnervariante anderer Art" gekommen war? Man weiß es nicht, eine humorvolle Episode ist es auf jeden Fall.

Abgeschlossen wird das Werk von zwei mit Anand geführten Interviews, Interviewer war Sean Marsh, und einem nach Jahren gegliederten Karrierereport sowie verschiedenen Verzeichnissen, u.a. zu den Eröffnungen der im Buch abgebildeten Partien sowie der Spieler.

Fazit: "Vishy Anand: World Chess Champion, Life and Games" bietet auf 542 Seiten interessante und spannende Anandpartien, die sehr gekonnt kommentiert worden sind. Anands impulsive Art, Schach zu spielen, kommt auf diese Weise sehr gut beim Leser an.
Ein gutes und deshalb empfehlenswertes Werk, das sehr treffend zeitlich platziert worden ist.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

The Modern Reti

Alexander Delchev
The Modern Reti
212 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-954-8782-87-6
21,95 Euro




The Modern Reti
Ein überaus selbstbewusstes Eröffnungsbuch, nämlich ein Repertoirebuch gegen Slawisch über moderne Reti-Linien, steht hinter dem Titel "The Modern Reti, An Anti-Slav Repertoire", von Alexander Delchev. Erschienen ist das Werk 2012 im bulgarischen Chess Stars Verlag.
Aber wie kann ein Rezensent über ein Schachbuch zu der Aussage kommen, dieses sei selbstbewusst? Ich werde diese Frage im weiteren Verlauf an verschiedenen Stellen beantworten, meine Einschätzung auch begründen. Aber schon an dieser Stelle möchte ich feststellen, dass ich den Begriff "selbstbewusst" als klares Qualitätsmerkmal verstanden wissen möchte.

"The Modern Reti" beinhaltet acht Kapitel, in denen die nachfolgend aufgeführten Systeme behandelt werden (Angaben entsprechend dem Inhaltsverzeichnis).

1.: Anti-QGA: 1.Sf3 d5 2.c4 dxc4
2.: Reversed Benoni: 1.Sf3 d5 2.c4 d4
3.: Anti-Slav und Anti-Chebanenko: 1.Sf3 d5 2.c4 c6 3.e3! seltene 3. Züge, ...Lf5, ...Lg4, ...a6 Aufbauten
4.: Anti-Meran I: 1.Sf3 d5 2.c4 c6 3.e3! Sf6 4.Sc3 e6
5.: Anti-Meran II: 4.Sc3 e6 5.b3 Sbd7 6.Dc2 Ld6 7.Lb2 mit Tg1
6.: Anti-Meran III: 4.Sc3 e6 5.b3 Sbd7 6.Dc2 Ld6 7.Lb2 0-0 8.Le2
7.: Anti-Queen's Gambit I: 1.Sf3 d5 2.c4 e6 3.g3 seltene Systeme; 3...dxc4 4.Da4+
8.: Anti-Queen's Gambit II: 1.Sf3 d5 2.c4 e6 3.g3 Sf6 4.Lg2 Le7 5.0-0 0-0 6.b3

Innerhalb der Kapitel folgt Delchev dem für Repertoirebücher von Chess Stars typischen Aufbau. Unter der Überschrift "Main Ideas", sinngemäß übersetzt also "Wichtigste Ideen", führt er das jeweilige Abspiel ein, wobei seine Ausführungen jeweils einen eher strategischen Charakter zeigen. Schon hier greift er eine Grundidee seines generellen Konzeptes für sein Buch auf, die er schon im Vorwort beschrieben hat. Statt eines Werkes, das auf eine Erinnerung Zug um Zug baut, wollte er "The Modern Reti" nach dem Prinzip des "planorientierten Denkens" schreiben. In der og. Einführung eines Kapitels unterstreicht er diesen Ansatz, u.a. auch indem er einen umrahmten Text, eine Merkbox, mit der sinngemäß übersetzten Überschrift "sich einzuprägende Eckpunkte" einfügt, die seine wichtigsten jeweiligen Ideen zum Aufbau des weißen Spiels zusammenstellt. Am Beispiel des 1. Kapitels sieht dies in Übersetzung wie folgt aus:
"Sich einzuprägende Eckpunke
- Weiß spielt Td1, bevor er seinen d-Bauern zieht.
- Auf …Sc6 spielt Weiß d4 und schlägt mit dem Springer auf d4 zurück.
- Wenn Schwarz früh a6 und b5 spielt, versucht Weiß …b4 zu provozieren und stellt seine Zentralbauern auf d3 und e4."
Diese Kernaussagen leitet er zuvor her, und dies in einer logischen und selbstbewussten Weise.
Dem Teil "Main Ideas" folgt "Step by Step", also die theoretische Darstellung Schritt um Schritt. Dies ist der Hauptteil jedes Kapitels. "Complete Games", angemessen kommentierte Partien, bilden den Schlussteil jedes Kapitels.

Im Abschnitt "Step by Step" gibt es jeweils - im Vergleich zu anderen Werken - sehr viele Zugfolgen, bei denen es sich nicht um Fragmente schon gespielter Partien handelt. Ebenfalls schon im Vorwort bemerkt Delchev, dass das meiste im Buch zu findende Material frisch ist und noch nirgendwo abgebildet worden ist. Diese Aussage korrespondiert mit einer weiteren, nämlich jener, dass "The Modern Reti" zunächst für Antoneta Stefanova ausgearbeitet worden ist, um sie für den FIDE-Grand Prix vorzubereiten, und er sich erst etwa ein Jahr nach diesem Anlass entschlossen hat, seine Analysen zu veröffentlichen, von denen viele bisherige "weiße Flecken" in der Eröffnungstheorie füllen.
Auch in diesem Punkt nehme ich "The Modern Reti" als sehr selbstbewusst wahr. Es schafft aber tatsächlich erkennbar Theorie und stellt diese nicht nur dar, womit Delchev ihm ein Alleinstellungsmerkmal verschafft. Delchev vertritt seine Ansätze mit einer ausgeprägten Selbstverständlichkeit, selbstbewusst eben.
Es wäre unmöglich gewesen, mit einem angemessenen Zeitaufwand in größerer Zahl - in Nebenvarianten - abgebildete Zugfolgen daraufhin zu überprüfen, ob sie tatsächlich nicht aus Partien stammen. So habe ich mich mit einigen Beispielen begnügt. In keinem einzigen Fall habe ich eine "undeklarierte" Zugfolge gefunden, für die es dann doch eine Referenzpartie in meiner Datenbank gibt. Delchev scheint tatsächlich seinen Analysetresor sehr weit geöffnet zu haben.

Delchev setzt sich auch kritisch mit Empfehlungen anderer auseinander. So schreibt er selbstbewusst im 8. Kapitel zu Mihail Marin und dessen Buch "The English Opening, Volume 2", erschienen bei Quality Chess, hier auch wieder sinngemäß übersetzt:
"Diese Variante ist bisher in den Eröffnungsbüchern unzureichend behandelt worden. Es ist richtig, dass Mihail Marin literweise Tinte dafür verbraucht hat, wahr ist aber, dass er damit die Theorie kaum weitergebracht hat. Im Abschnitt Step by Step werden wir sehen, dass der von ihm in der Hauptvariante empfohlene Plan nicht funktioniert."
Selbstbewusster kann man eigene Ideen und Analysen im Schach kaum vertreten.
Aber bevor ein falscher Eindruck entsteht: Delchev tritt nicht etwa marktschreierisch auf oder besserwisserisch und er verspricht auch keine Dinge, die er nachher nicht halten kann. Seine Ansätze belegt er analytisch. Inwieweit er jeweils richtig liegt, wird sich auch in der Praxis erweisen müssen. Auf jeden Fall beinhaltet das Werk eine Fülle von Ideen, die Raum für praktische Versuche, weitere Forschungen sowie frisches und fantasievolles Spielen bieten.

"The Modern Reti" ist in Englisch geschrieben, stellt aber keine bemerkenswerten Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers. Die Verarbeitung ist, den für den Einband zu dünn gewählten Karton ausgenommen, gut. Es gibt ein Variantenverzeichnis, das meinen Anforderungen daran entspricht.

Fazit: "The Modern Reti" ist ein Repertoirebuch für Weiß, das ein Konzept gegen die Slawische Verteidigung des Nachziehenden anbietet. Es enthält einiges an neuem Material, das bisher noch nicht veröffentlicht worden ist, zugleich bietet es Neubewertungen für schon bekannte Varianten an. Das Werk ist auch für Schwarz ein Gewinn, soweit er sich weißen Umgehungsversuchen zur Slawischen Verteidigung ausgesetzt sieht. "The Modern Reti" ist ein rundum zu empfehlendes Werk zu einem angemessenen Preis von 21,95 Euro.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

Tactimania

Glenn Flear
Tactimania
264 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-906552-98-5
21,99 Euro




Tactimania
"Tactimania", Untertitel "find the winning combination" ist ein Buch, das sein Verfasser GM Glenn Flear vor allem für den Spieler mit einer Vorliebe für die Taktik im Schach geschrieben hat, was er schon zu Anfang seines Vorwortes erwähnt. Es beinhaltet in großer Zahl Schachaufgaben, die mittels eines Diagramms eröffnet werden und dann vom Leser gelöst werden sollen, bevor Flear abschließend seine Lösung vorstellt.
Ich habe mir Zeit bei der Vorbereitung dieser Rezension gelassen, denn ich wollte gern aus allen Kapiteln und innerhalb dieser allen Schwierigkeitsgraden eine Reihe von Aufgaben lösen, um mir ein verlässliches Bild von deren Wesen machen zu können.

Bevor ich meine Erkenntnisse detailliert darstelle, möchte ich zwei Besonderheiten beschreiben:
1. Die im Werk verwendeten Schachaufgaben sind für jeden Leser neu; es muss also niemand befürchten, die eine oder andere Stellung schon einmal in einem anderen Werk vorgesetzt bekommen zu haben. Dies erreicht Flear dadurch, dass er allein Beispiele aus seinen eigenen Partien sowie jenen seiner Frau verwendet, eine mehrfache französische Meisterin.
2. "Tactimania" fällt durch seine ausgefallene Optik auf. Cover- und Rückenbild sowie fortlaufend im Werk zur Illustration verwendete Bilder sind absolut untypisch für Schachbücher, zumindest für solche, deren Zielgruppe nicht ausschließlich Kinder sind. Sie stammen von Flears ältestem Sohn, einem Computerkünstler, der sie im Mangastil erschaffen hat. Unter Mangas versteht man japanische Comics, die mit für dieses Genre typischen Stilelementen arbeiten. Wer die überdimensionierten Augen aus japanischen Zeichentrickserien kennt, die sich vor allem an Kinder richten, kann sich schon ein erstes Bild von Mangas machen.
Ich persönlich kann mich ehrlicherweise nicht für eine Comicillustration in einem Schachbuch außerhalb des Kinderbuchsektors erwärmen. Allerdings ist dies natürlich eine rein subjektive Einschätzung, sie muss nicht gleichermaßen für andere gelten. Die Bilder sind, wie das gesamte Buch hinsichtlich des Satzes, Schriftbildes etc. auch, ansehnlich, allein die Kombination gefällt mir nicht. Ich sehe darin auch die Gefahr, dass die Comicbilder dem Buch zumindest unterbewusst den Charakter zuschreiben, etwas oberflächlich zu sein. Genau dieser Eindruck aber wäre falsch, denn oberflächlich ist "Tactimania" ganz sicher nicht. Auch richtet sich das Werk nicht etwa nur an junge Spieler, denen man eher eine Vorliebe für Comics zuschreibt, sondern an Leser jedes Alters.
Schlussstrich unter die Optik: Derjenige, dem Mangas gefallen, bekommt beim Erwerb von "Tactimania" noch einen optischen Zuschlag, und die anderen müssen sich halt nicht um sie kümmern.

Flear hat sein Werk in insgesamt 13 Kapitel eingeteilt, wobei das letzte dem "Tactimania Test", also dem Ablegen eines "Reifezeugnisses", vorbehalten ist.
Die einzelnen Kapitel 1 bis 12 tragen die in der nachfolgenden Übersicht aufgeführten Überschriften. Ich übersetze diese bewusst nicht, denn an deren Verstehen kann der Leser festmachen, ob er das in Englisch geschriebene Werk insgesamt gut wird aufnehmen können.

1. Mate is in the Air!
2. Tactics for Tyros
3. Deviate to Dominate
4. On the Attack!
5. Pinching Pieces and Pawns
6. Punishing Precariously Placed Pieces
7. Blunder-bashing
8. Decisive Defence
9. Excel in the Endgame!
10. Until the Bitter End!
11. Tricky Decisions
12. Chess is not an Easy Game

In einer kurzen Einführung beschreibt Flear zunächst, worum es in den folgenden Aufgaben eines Kapitels geht. Am Beispiel des 6. Kapitels, das sich dem Thema widmet, Nutzen aus schlecht platzierten gegnerischen Figuren zu ziehen, sieht dies so aus, dass Flear zunächst aufzeigt, was überhaupt unter schlecht platzierten Figuren zu verstehen ist, bevor er kurz auf Folgen für das Spiel und Pläne eingeht.
An ein paar Beispielen veranschaulicht er sodann den aktuellen Gegenstand des Interesses, indem er die Ausgangsstellung jeweils über ein Diagramm vermittelt und die Partiesequenz dann abbildet, Partiezüge mit knapper Kommentierung.
Dem schließen sich die einzelnen Aufgaben an, die sich nun an den Leser richten und die Flear als "Exercises", also "Übungen" bezeichnet. Im seitenweisen Wechsel bietet er die Aufgaben und deren Lösungen an, die Aufgaben auf der Vorderseite (mit ungeraden Seitenzahlen) und die Lösungen auf der Rückseite (also mit geraden Seitenzahlen).

An den Lösungen gefällt mir, dass Flear nicht allein die nackten Zugfolgen angibt, sondern die Sequenz oft auch hilf- und lehrreich kommentiert. Dies dürfte einen zusätzlichen Lerneffekt beim Leser erzielen.

Die Aufgaben in den einzelnen Kapiteln sind drei Schwierigkeitsstufen zugeordnet, die von Sternchen symbolisiert werden. Ein einzelner Stern steht für die Anfängerstufe, drei Sterne vertreten die Expertenstufe, dies ist die Spannweite.
Wenn sich ein Beispiel an den Anfänger richtet, dann ist es auch tatsächlich einfach; für den geübten Spieler ergibt sich die Lösung oft auf den allerersten Blick. Die gehobenen Beispiele können es aber auch tatsächlich in sich haben. So ist wirklich für Spieler so gut wie aller Leistungsklassen etwas dabei. Ich denke auch, dass sich der noch recht ungeübte Leser während des Studiums des Werkes entwickeln wird, also an Spielstärke zulegen wird.

Im schon kurz erwähnten Abschlusskapitel kann der Leser im "Tactimania Test" zeigen, wie stark er ist. Je nach erreichter Punktzahl zeigt man sich als Anfänger bis hin zum Vertreter des Großmeister-Levels, es gibt sieben Abstufungen.
Wie oben bereits kurz angesprochen ist "Tactimania" in Englisch geschrieben. Wer dort die Überschriften der einzelnen Kapitel versteht, wird auch mit dem Rest des Werkes keine besondere Mühe haben.
Erschienen ist das Werk 2011 bei Quality Chess. Bücher dieses Genres verlieren kaum an Aktualität. "Tactimania" ist heute so aktuell wie vor wenigen Monaten bei seinem Erscheinen.

Fazit: "Tactimania" ist ein empfehlenswertes Buch mit Schachaufgaben mit Originalitätsgarantie und für (beinahe) alle Leistungsklassen. Es ist unterhaltsam und zugleich Studien- bzw. Trainingsmaterial. Die Illustration ist ungewöhnlich, für sich genommen sehenswert und nur in der Kombination mit einem (Senioren-) Schachbuch Geschmacksache.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

The Enigma of Chess Intuition

Valeri Beim
The Enigma of Chess Intuition
268 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-379-3
24,95 Euro




The Enigma of Chess Intuition
Intuition ist ein Phänomen des menschlichen Entscheidens, das alle Lebensbereiche kennen und auch im Schach zu faszinierenden Ergebnissen führen kann. Aber was ist Intuition? Man versteht darunter die Fähigkeit, quasi aus dem Stehgreif eine richtige Entscheidung treffen zu können, ohne alle Zusammenhänge bis in deren Tiefe durchblicken und alle Schlussfolgerungen ziehen zu können. Der intuitiv entscheidende Mensch erkennt in einer Situation Gesetzmäßigkeiten, Logik in subjektiven Erwägungen zur Situation und mehr und leitet daraus eine Entscheidung ab, die der konkreten Situation angemessen und gut ist, ohne dies an den konkreten Elementen der Situation in allen Einzelheiten überprüft zu haben.
Mal an einem Beispiel: Stellen Sie sich bitte mal vor, Sie hätten eine Veranstaltung besucht, die am späten Abend zu Ende gegangen ist. Bis auf die Straßenbeleuchtung ist es dunkel, Sie sind allein. Sie haben eine SMS von dem Bekannten, der Sie abholen wollte, erhalten, wodurch Sie erfahren haben, dass er verhindert ist. Ein Fremder hält mit seinem Fahrzeug neben Ihnen an und fragt, wohin Sie wollen. Zugleich bietet er Ihnen an, Sie nach Hause zu fahren. Sie rufen sich lieber ein Taxi. Warum?
Sie entscheiden sich für das Taxi, weil die Situation, geprägt durch die Nacht, Ihr Alleinsein und die Tatsache, dass Ihnen der Haltende fremd ist, Ihnen diese Entscheidung als richtig erscheinen lässt. Sie treffen diese Entscheidung gegen den Fremden, der ein ehrlicher und freundlicher Helfer sein könnte, ohne eine Notwendigkeit zu sehen, dessen Integrität vielleicht noch irgendwie weiter prüfen zu müssen. Wenn Sie am nächsten Tag erfahren, dass es einem anderen Menschen nicht gut ergangen ist, nachdem er das fremde Fahrzeug bestiegen hat, wissen Sie, dass Ihre Entscheidung richtig war.

Und was ist Intuition im Schach? Sie hat damit zu tun, dass der Spieler in einer bestimmten Stellung die richtige Fortsetzung findet, ohne dass er deren Folgen - in komplexen Situationen auch nur annähernd - durch Berechnen der Varianten absehen könnte. Er erkennt die Reife der Stellung für eine bestimmte Fortsetzung anhand deren allgemeiner Merkmale, anhand einer Logik jenseits der Variantenberechnung.

"The Enigma of Chess Intuition", ins Deutsche übersetzt "Das Rätsel der Intuition im Schach" von Valeri Beim setzt sich auf 268 Seiten mit dem Phänomen der Intuition auseinander. Erschienen ist das Werk 2012 bei New in Chess und zwar in englischer Sprache, wie schon sein Titel belegen dürfte.

Das Rätsel um die Intuition im Schach vermag "The Enigma of Chess Intuition" nicht zu lösen, um dies frühzeitig festzuhalten. Aber schafft es das, wozu es nach dem Rückentext bestimmt ist? Es soll den Leser lernen lassen, wie er die Fähigkeit zur Intuition trainieren und entwickeln kann. Ob "The Enigma of Chess Intuition" dies tatsächlich auch schaffen kann, vermag ich nur - und dies ganz im Sinne des Werkes - intuitiv zu beantworten. Ja.

Beim hat das Buch in drei Kapitel unterteilt. Diese sind:

Kapitel 1: First Explorations
Kapitel 2: Successful Use of Intuition
Kapitel 3: The Elements of Chess Intuition

Vor dem Hintergrund des selbst gesteckten Anspruchs ist das dritte Kapitel das wichtigste. Ich verstehe es als Anleitung zum systematischen und strukturierten Denken. Es enthält keine bahnbrechenden neuen Erkenntnisse, als erfahrener Spieler hat man eigentlich so gut wie alles schon einmal gehört. Die Zusammenstellung ist in meinen Augen die besondere Leistung des Autors, das Verweben einzelner bekannter Elemente, Gedanken etc. zu einem logischen Gefüge.
Beim verbindet textliche Ausführungen mit Partien aus der Praxis, die er spezifisch zum Aspekt der Intuition kommentiert hat. Diese Partien stammen aus allen Epochen, sie unterstreichen, dass Intuition schon immer eine gewichtige Rolle gespielt hat und gerade auch heute noch wichtig ist, obwohl die Rechenleistung moderner Computer eigentlich eher eine Richtung der "brutalen" Variantenberechnung vorzugeben scheint.
Jeder erfahrene Fernschachspieler weiß, dass nicht alle Varianten mit ihren Untervarianten, nicht alle Untervarianten wieder bis in ihre eigenen Untervarianten bis in eine Tiefe berechnet werden können, die keine Bewertungsfragen mehr offen lässt, längst nicht. Welche Perspektive bildet unter diesem Ansatz die Intuition? Intuition lässt den (Fern-) Schachspieler auch jene Fortsetzungen in den Kandidatenkreis erheben, die der Computer nicht auf seiner Liste hat, eben weil er die Fähigkeit zur Intuition nicht besitzt und sein Rechenhorizont irgendwo eine Demarkationslinie zur Blindheit entstehen lässt. Intuitive Kandidatenzüge und intuitive Präferenzen zwischen Kandidatenzügen sind Sache des Spielers.

Markante Eckpunkte, Erkenntnisse, Regeln etc. hebt Beim textlich hervor. Dies unterstützt den Leser dabei, seine Fähigkeiten zu trainieren und zu entwickeln.

Auch wenn ich das dritte Kapitel als das wichtigste zur Hebung der Spielstärke ansehe, sind die beiden Kapitel davor nicht etwa unwichtig. Das Buch sollte auch in seiner chronologischen Reihenfolge durchgearbeitet werden, da die Inhalte der beiden Eingangskapitel für das Verständnis des dritten Kapitels gebraucht werden, nicht zuletzt die allgemeinen Ausführungen gleich im ersten Kapitel.

Fazit: "The Enigma of Chess Intuition" ist ein empfehlenswertes Werk, besonders für den Spieler deutlich jenseits der Anfangsgründe im Schach. Der Leser sollte über sichere Englischkenntnisse verfügen, denn so ganz anspruchslos sind die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse nicht.
Ich halte das Werk für grundsätzlich geeignet, getreu seinem Untertitel "Can you mobilize hidden forces in your chess?", also "können Sie versteckte Fähigkeiten in Ihrem Schachspiel mobilisieren?" die Fähigkeit zu intuitiv richtigen Entscheidungen im Schach zu fördern.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

The Sicilian Scheveningen - move by move

Lorin D´Costa
The Sicilian Scheveningen - move by move
271 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-85744-690-6
22,95 Euro




The Sicilian Scheveningen - move by move
Aus der noch jungen Serie "move by move" ist bei Everyman Chess jüngst "The Sicilian Scheveningen" erschienen. Autor des Werks ist IM Lorin D´Costa, erfahrener Schachtrainer und Betreuer englischer Nachwuchs-Teams. Das Scheveninger System wird durch den schwarzen Bauernzug …e6 charakterisiert, "im Original" nach 1.e4 c5 2.Sf3. D´Costa konzentriert sich auf Abspiele, in denen früh der Bauernzug …a6 folgt, sodass die Partie dem Najdorf-System ähnliche Strukturen annimmt.

Typisch für die "move by move"-Serie ist der Aufbau, der einem Schulungsdialog zwischen einem Schachtrainer und seinem Schüler nachempfunden ist. Für mich ist dieser strategische Ansatz absolut überzeugend, wie ich schon zu anderen Werken aus dieser Serie gesagt habe.
Die Möglichkeiten eines solchen Vorgehens werden von D´Costa gut genutzt. Hierzu zählen für mich:
1. Den Leser an Stellen einzubinden und dadurch zu fordern, wo es geboten und wert ist.
2. Den Leser zu "zwingen", nicht nur zu konsumieren, sondern auch eigenständig etwas zu entwickeln, was dann sofort "besprochen" wird.
3. Den Leser dadurch, dass er auch Ideen erkennen und Pläne entwickeln soll, auf dem Weg in das System "an die Hand zu nehmen". Dieser muss sich mental ins System einfinden und sich damit arrangieren.
4. Den Leser taktische Möglichkeiten, Gelegenheit und Finessen finden und prüfen zu lassen, mit einem besonderen Wert insbesondere dann, wenn diese eine typische Bedeutung haben.
5. Den Leser Fehler machen zu lassen, um aus diesen zu lernen.

Um mal ein Gefühl dafür zu vermitteln, was man sich unter den Aufgaben vorstellen muss, die D´Costa an den Leser richtet, hier mal drei Beispiele (sinngemäß übersetzt):
- "Welches sind die Kandidatenzüge an dieser Stelle für Schwarz? Vor der Entscheidung für einen Zug empfehle ich die Suche nach drei Alternativen."
- "Warum mag Weiß diesen Zug gespielt haben? Welchen Plan hat er?"
- "Entscheiden Sie sich für 9…Db6 oder 9…Dc7!"

Das Rückgrat des Werks bilden insgesamt 42 Partien aus der Praxis, anhand derer D´Costa die Theorie behandelt und in die er dabei die Aufgaben und Übungen eingearbeitet hat.

"The Sicilian Scheveningen" ist auch ein Repertoirebuch aus der Sicht von Schwarz, das aber auch von Weiß gut genutzt werden kann.

Das Werk enthält die folgenden, in die Theorie führenden Kapitel (sinngemäß nach dem Inhaltsverzeichnis übersetzt und um die Initialzugfolgen erweitert):

Kapitel 1: Kasparow und das Scheveninger System (Anmerkung: Schon mit ersten theoretischen Elementen)
Kapitel 2: Klassische Variante: 6.Le2 (1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 d6 6.Le2)
Kapitel 3: Keres-Angriff: 6.g4 (1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 d6 6.g4)
Kapitel 4: Englischer Angriff: 6.Le3 (1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 d6 6.Le3)
Kapitel 5: Variante mit 6.Lc4 (1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 d6 6.Lc4)
Kapitel 6: Fianchetto-Variante: 6.g3 (1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 d6 6.g3)
Kapitel 7: 6.f4 und Suetin-Angriff (1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 d6 6.f4)
Kapitel 8: Andere sechste Züge (1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 d6 …).

Ergänzende Kapitel sind
Kapitel 9: Ergänzende Übungen
Kapitel 10: Lösungen der ergänzenden Übungen.

Interessant ist ein Hinweis von D´Costa in den einleitenden Sätzen zum Kapitel 9. Die darin abgebildeten Übungen sind den zentralen Aspekten des Scheveninger Systems gewidmet. Dem Turnierspieler empfiehlt D´Costa, diese Übungen auch noch einmal vor einem Turnier durchzugehen. Sich ein System über spezifische Übungen effektiv wieder ins Gedächtnis zu rufen, ist sicher ein praxistauglicher Tipp, der zudem unterstreicht, welches Vertrauen D´Costa in seine Übungen setzt, mit welchem Ansatz er sie als nachstehendes Kapitel ins Werk eingebracht hat.

"The Sicilian Scheveningen - move by move" ist in Englisch geschrieben. Es ist ihm anzumerken, dass es in der Originalsprache des Manuskriptes und nicht in einer Übersetzung erschienen ist, denn das verwendete Vokabular ist teilweise recht anspruchsvoll.

Die Bibliografie ist übersichtlich, enthält aber die wichtigsten aktuellen Werke. Ein qualifiziertes und mit Diagrammen bereichertes Variantenverzeichnis sowie ein Verzeichnis der im Werk zu findenden vollständigen Partien schließen "The Sicilian Scheveningen" ab.

Noch ein kleines Appetithäppchen für den interessierten Leser: Als Erwiderung auf 6.g4 im von vielen gefürchteten Keres-Angriff empfiehlt D´Costa 6…h6. Nach der Arbeit mit "The Sicilian Scheveningen" ist der Leser gegen diese Attacke auf das Scheveninger System gewappnet und kann seinen Gegner getrost kommen lassen!

Fazit: "The Sicilian Scheveningen - move by move" ist ein vorbehaltlos empfehlenswertes Werk.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

Positional Chess Sacrifices

Mihai Suba
Positional Chess Sacrifices
373 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-906552-86-2
25,99 Euro




Positional Chess Sacrifices
Bei der Arbeit mit "Positional Chess Sacrifices" von Mihai Suba kam mir unvermittelt die Wendung "Wanderer zwischen den Welten" in den Kopf, versteht man doch darunter jemanden, der danach strebt, in zwei Welten zuhause zu sein, vielleicht auch nicht weiß, wohin er gehört. Denken musste ich auch an den Märchentitel zum Prinzen, der kein König werden wollte.

Warum diese lange und bis hier sicherlich nicht so recht verständliche Einleitung? Weil "Positional Chess Sacrifices" sich als Spezialwerk irgendwo zwischen der Aufarbeitung positioneller, sprich intuitiver Opfer und einem Eröffnungswerk befindet, eben weil es "gefühlt" wie ein solches daherkommt, aber keines sein will und auch dieses Genre keinesfalls exakt trifft.

"Positional Chess Sacrifices", jüngst bei Quality Chess erschienen, will dem Leser veranschaulichen, wie positionell-intuitive Opfer gespielt werden, also solche, bei denen das gute Gefühl einem Spieler sagt, dass es gut ist, er aber keinen konkreten Vorteil errechnen kann. Oder um ein Bild zu bemühen: Der ein solches Opfer ausführende Spieler handelt wie ein Wanderer, der seinen Rucksack über die hohe Mauer wirft, ohne genau zu wissen, ob er selbst hinterherkommt, aber darauf vertraut, dass er auf die andere Seite gelangen wird.
Der Autor, der rumänische GM Mihai Suba, erklärt im Vorwort seinen Anspruch, anstelle einer Klassifizierung der verschiedenen Opfer dem Leser die Inhalte an vollständigen praktischen Partien aufzuzeigen, weil er sich davon dessen größten Nutzen verspricht, insbesondere wenn eine Partie einen logischen Verlauf nimmt. Er organisiert die Inhalte nach Eröffnungen, mit denen die Opfer enthaltenden Partien gespielt worden sind. Dies erklärt den gewissen Eindruck, dass "Positional Chess Sacrifices" auch irgendwie ein Eröffnungsbuch ist. Und dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass Suba die intensive Besprechung dann abbricht, wenn in Sachen Opfer - in recht frühem Partiestadium - alles gelaufen ist, um die betroffene Partie weiter hinten im Werk wieder aufzugreifen und fortzusetzen.
Einen wichtigen Hinweis zu seinem Grundkonzept gibt Suba auf Seite 117 im Anschluss an eine Partie Ivantschuk gegen Beljawski, indem er, sinngemäß übersetzt, schreibt: "Auch wenn ich es generell zu vermeiden versucht habe, eröffnungstheoretisch bekannte Opfer zu behandeln, war dieses Beispiel doch zu gut, als dass ich es hätte ignorieren können."
Es liegt auf der Hand, dass die von Suba behandelten Opferwendungen von den jeweiligen Stellungsbildern abhängen, in denen sie in den Bereich des Möglichen treten. Diese wiederum sind besonders auch von der Wahl der Eröffnung geprägt, selbst wenn diese Phase schon "im Grenzgebiet" zum Mittelspiel angelangt ist.
Vermutlich war dies der Hauptgrund für Suba, sein Werk nach den in den Partien gespielten Eröffnungen zu gliedern.

Zwischenfazit: In meine Augen ist "Positional Chess Sacrifices" sowohl ein Spezialwerk, das sich mit dem Wesen und der Technik des positionellen, intuitiven Opfers befasst als auch spezielle Eigenheiten und Linien in verschiedenen Eröffnungen behandelt.

"Positional Chess Sacrifices" ist kein "technisches" Werk nach dem Prinzip "wie spielt man …". Suba will den Leser offenkundig ein eigenes Gefühl dafür entwickeln lassen, wann ein intuitives Opfer spielbar ist und wann nicht. Er geht dabei regelmäßig wie folgt vor: Der Notation der Partie vorangestellt findet der Leser eine kurze Punktaufzählung von Besonderheiten, auf die er im Partieverlauf achten soll ("Points to look for in this game:"). Es folgt die kommentierte Partie, wobei sich die Kommentierung natürlicherweise besonders auf das Thema des intuitiven Opfers konzentriert, wichtige andere Aspekte aber nicht außer Acht lässt.
In einer Nachbetrachtung ("Post-game reflections") fasst Suba zusammen, welchen Lern- und Erkenntniswert die Partie bietet, und streut auch schon mal die eine oder andere Randinformation mit ein.

In einem kleineren zweiten Teil des Werkes, der mit dem Kapitel 14 beginnt, ändert Suba dessen innere Organisation. Gegenstand seiner Betrachtungen sind hier ganz überwiegend klar dem Mittelspiel zugeordnete Opfersituationen. Diese werden anhand von Partiefragmenten behandelt, geordnet sind die Beispiele nach dem geopferten Material. Die für den ersten Teil schon angesprochenen Nachbetrachtungen hat Suba auch für die "Mittelspielopfer" beibehalten.

"Positional Chess Sacrifices" umfasst die folgenden insgesamt 19 Kapitel:

Kap. 1: Offene Spiele
Kap. 2: Spanisch
Kap. 3: Halb-offene Spiele
Kap. 4: Aljechin-Verteidigung
Kap. 5: Französisch
Kap. 6: Caro-Kann
Kap. 7: Sizilianisch
Kap. 8: Geschlossene Spiele
Kap. 9: Halb-geschlossene Spiele
Kap. 10: Modernes Benoni
Kap. 11: Nimzo-Indisch
Kap. 12: Damenindisch
Kap. 13: Flankeneröffnungen

Kap. 14: Bauernopfer
Kap. 15: Qualitätsopfer
Kap. 16: Leichtfiguren-Opfer
Kap. 17: Damenopfer
Kap. 18: Andere Opfer
Kap. 19: Endspielopfer

Verzeichnisse zu den abgebildeten Partien, Fragmenten und Spielern schließen das Werk ab.
Geschrieben ist es in Englisch, es stellt aber keine nennenswerten Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers.

Fazit: "Positional Chess Sacrifices" ist eine Empfehlung für den Leser, der schon eine gewisse Spielstärke erreicht hat. Er wird von dem Werk profitieren können, weniger hinsichtlich der Entwicklung technischer Fertigkeiten, aber zum intuitiven Umfeld positioneller Opfer. Der noch weniger geübte Spieler ist m.E. gut beraten, zunächst eine Basis über ein eher "technisch" geprägtes Buch zum Opfer zu schaffen.
Für den erfahrenen Spieler ist "Positional Chess Sacrifices" zudem ein Instrument, ganz gezielt bestimmte eigene Eröffnungslinien zu schärfen.
Insgesamt ist "Positional Chess Sacrifices" eine Bereicherung des Schachbuchmarktes.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

The Berlin Defence

Igor Lysyj, Roman Ovetchkin
The Berlin Defence
276 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-954-8782-89-0
21,95 Euro




The Berlin Defence
Nach "The Berlin Wall" von John Cox gibt es nun ein weiteres Spezialwerk, das sich der durch den WM-Kampf 2000 zwischen Kasparow und Kramnik in London wieder ins Blickfeld gelangten Berliner Verteidigung in der Spanischen Partie widmet. Unter dem Titel "The Berlin Defence" hat der bulgarische Verlag Chess Stars ein Werk zum Thema auf den Markt gebracht, das von den beiden Großmeistern Igor Lysyj und Roman Ovetchkin geschrieben worden ist.
Bei "The Berlin Defence" handelt es sich um ein Repertoirebuch aus der Sicht von Schwarz. Natürlich kann es auch von Weiß genutzt werden, nur ist der Anziehende deutlich mehr darauf angewiesen, dass sein Gegner sich an die Repertoireempfehlungen hält, um nicht "aus der Spur" zu geraten. Dies begründet sich damit, dass sich die Autoren bisweilen auf schwarze Linien festlegen, für die es nach der Stellungsbeurteilung ebenbürtige Alternativen gibt. Diese werden aber nicht behandelt, auch wenn sie in der Praxis nicht selten gespielt werden. Womit Schwarz rechnen muss, wird dem hingegen umfassend dargestellt. Der Anziehende kann seinen Gegner nur mit Abweichungen "im zweiten Glied" überraschen, wobei die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass diese dann nicht optimal sind. Dies einmal an einem Beispiel: Nach den Initialzügen 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 Sf6 4.0-0 Sxe4 5.d4 Sd6 6.Lxc6 dxc6 7.dxe5 Sf5 8.Dxd8+ Kxd8 und dann 9.Sc3 legt sich "The Berlin Defence" auf 9…Ke8 fest. Damit wird beispielsweise 9…Se7 komplett ausgeblendet, Schwarz muss sich im Vorhinein nicht mit dessen Folgen befassen, soweit er sich auf die Repertoireempfehlungen beschränkt. Weiß aber muss bis zur Abzweigung mit 9…Se7 rechnen, das eine ebenfalls gute Wahl wäre. Ich selbst habe in den vergangenen Monaten drei Mal als Schwarzer zur Themaeröffnung gegriffen, zwei Mal kam es zu 9.Sc3, worauf ich mit 9…Se7 erwidert habe. In beiden Fällen waren die Gegner Titelträger (GM und WM-Endrundenteilnehmer, IM) und ich der nominell deutlich unterlegene Spieler (in einer Partie um rund 300 Elopunkte niedriger eingestuft). Alle Partien konnte ich recht gefahrlos remis halten, zwei Mal eben über 9…Se7.
Weiß kann also nicht damit rechnen, dass sich Schwarz an die Buchempfehlung hält, und im Falle des Abweichens braucht er plötzlich ggf. eine weitere Quelle für Theorieeinschätzungen, während Schwarz sich in diesem Szenario sicher bereits darauf stützt.
Die Autoren lassen 9…Se7 außen vor, obwohl sie die bis dahin gegebene Springerstellung auf f5 als nachteilig bestätigen, weil er die Wirkung des eigenen Läufers schmälert und über ein gelegentliches g2-g4 angegriffen werden kann.
John Cox behandelt 9…Se7. Schließt Schwarz von vornherein aus, diesen Zug zu spielen, braucht er insofern dessen Ausführungen nicht. Weiß muss sich aber auch dafür wappnen, dass es zur nicht in "The Berlin Defence" behandelten Abzweigung kommt, denn ob Schwarz sich auf dieses Werk stützt, kann er nicht wissen.

Als Zwischenfazit kann ich feststellen, dass sich "The Berlin Defence" hinsichtlich der Repertoirebreite merklich beschränkt, die Grenzen dieses Repertoires aus schwarzer Sicht aber abgesichert sind, er also nicht ohne Weiteres durch eine weiße Abweichung herausgehebelt werden kann.

Anders verhält es sich mit der Tiefe der Behandlung, die aus meiner Sicht uneingeschränkt "Fernschachtauglichkeit" besitzt. Lysyj und Ovetchkin haben mit Partiefragmenten und Analysen eine angemessene, von mir als angenehm empfundene Serviceleistung erbracht. Einerseits sind die wesentlichen Zugfolgen dargestellt, andererseits wird man als Nutzer nicht erdrückt. Über "The Berlin Defence" mit den wesentlichen Informationen versorgt verrichtet den Rest die eigene Partiendatenbank.
Partiefragmente stammen aus dem gesamten Zeitraum, über den die Themaeröffnung bereits ihre praktische Bedeutung hat, sie können also auch - in Schachdimensionen gesprochen - ein biblisches Alter haben. Damit belegen die Verfasser, dass sie ihren Nutzen auch aus anerkannten historischen Quellen ziehen. Der Schwerpunkt liegt allerdings ganz klar auf der Moderne, das Material ist absolut aktuell.
Spärlich sind auch Fragmente aus dem Fernschach zu finden, so wird gleich auf Seite 20 eine Partie zwischen Oechslein und Rau referenziert, zwei starke Spieler des Deutschen Fernschachbundes e.V. Dabei scheinen die Autoren die Bezeichnung "email" als Synonym für "Fernschach" zu verwenden.

"The Berlin Defence" folgt dem für derartige Bücher aus dem Chess Stars-Verlag typischen Aufbau. In einem ersten Schritt, "Quick Repertoire" genannt, erhält der Leser eine Übersicht über den folgenden Stoff, verbunden mit einer thematischen Einführung. Es folgt der Abschnitt "Step by Step", der die tiefe Erörterung enthält. Dem schließt sich "Complete Games" an, also ein Bereich mit Partien aus der Praxis. Diese sind knapp kommentiert und dienen im Wesentlichen der Veranschaulichung des Stoffes im Praxiseinsatz.
Die Partien sind fast alle sehr jungen Datums, aus dem Fernschach ist nichts dabei. Interessant ist, dass die Paarung Naiditsch gegen Efimenko doppelt vorkommt (auf den Seiten 211 und 212). Es handelt sich aber um zwei unterschiedliche Begegnungen.

"The Berlin Defence" ist in zwei große Teile gegliedert. Diese sind "Anti-Berlin" (mit zehn Kapiteln) und "The Berlin Endgame" (mit weiteren sieben Kapiteln).
Die einzelnen Kapitel bieten den folgenden Stoff:

Teil 1: Anti-Berlin
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 Sf6
1. Seltene Züge; 4.Lxc6; 4.De2; 4.d4
2. 4.Sc3
3. 4.d3 Lc5. Seltene Züge; 5.Sc3
4. 4.d3 Lc5 5.Lxc6
5. 4.d3 Lc5 5.0-0; 5.c3 0-0. Seltene Züge; 6.De2; 6.Lxc6
6. 4.d3 Lc5 5.c3 0-0 6.0-0 d6. Seltene Züge; 7.Lg5
7. 4.d3 Lc5 5.c3 0-0 6.0-0 d6 7.Sbd2
8. 4.0-0 Sxe4. Seltene Züge; 5.De2; 5.Te1
9. 4.0-0 Sxe4 5.d4 Sd6. Seltene Züge; 6.Lg5; 6.dxe5
10. 4.0-0 Sxe4 5.d4 Sd6 6.Lxc6 dxc6 7.dxe5 Sf5. Seltene Züge; 8.De2

Teil 2: Das Berliner Endspiel
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 Sf6 4.0-0 Sxe4 5.d4 Sd6 6.Lxc6 dxc6 7.dxe5 Sf5 8.Dxd8+ Kxd8
11. Seltene Züge; 9.Lg5; 9.h3; 9.Td1; 9.Sbd2
12. 9.Sc3 Ke8 mit 10.Td1 und 10.h3
13. 9.Sc3 Ke8 10.Td1
14. 9.Sc3 Ke8 10.h3 h5. Seltene Züge; 11.L3; 11.Se2
15. 9.Sc3 Ke8 10.h3 h5 11.Td1 Le7 12.g3; 12.Se4; 12.Se2
16. 9.Sc3 Ke8 10.h3 h5 11.Lg5
17. 9.Sc3 Ke8 10.h3 h5 11.Lf4

Der Leser muss über Englischkenntnisse verfügen, bei "The Berlin Defence" handelt es sich um ein ins Englische übersetztes Werk. Kenntnisse auf Schulniveau reichen aus. Vermutlich liegt ein russisches Original zugrunde, da Russisch die Muttersprache der Autoren ist und ich auf Seite 257 im Namen eines Spielers in einer Fernschachbegegnung einen kyrillischen Buchstaben gefunden habe.

Ein Spieler- und ein Partienverzeichnis enthält das Werk nicht. Dies gilt auch für ein Variantenverzeichnis, allerdings wird dessen übliche Funktion auch schon recht ordentlich vom Inhaltsverzeichnis wahrgenommen, das die wesentlichen Zugfolgen eines Kapitels ausweist.
Die Verarbeitung des Buches ist gut, der für Chess Stars-Bücher bekannte zu dünne Karton des Einbandes ist der übliche Wermutstropfen.

Fazit: "The Berlin Defence" ist ein gelungenes Repertoirebuch, das ich zum Kauf empfehlen kann. Besonders der Weißspieler sollte erwägen, "The Berlin Wall" von John Cox gleich mitzukaufen. Schwarz kann sich mit "The Berlin Defence" auf ein Repertoire festlegen und grundsätzlich auf den Kauf des genannten zweiten Werkes verzichten. Breiter über seine eigenen Möglichkeiten informiert ist aber auch er, wenn er über beide Werke verfügt.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

slay the Sicilian!

Timothy Taylor
slay the Sicilian!
287 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-85744-684-5
21,80 Euro




slay the Sicilian!
Ein neues Repertoirebuch für Weiß gegen die Sizilianische Verteidigung ist "slay the Sicilian!" von Timothy Taylor, was in etwa mit "Die Sizilianische Verteidigung erschlagen!" übersetzt werden kann. Das Buch ist vor kurzem bei Everyman Chess erschienen.

Ich war zunächst skeptisch, ob dieses Werk mit seinen insgesamt 287 Seiten, auf denen mittels 70 Partien ein Komplettrepertoire für Weiß gegen den Sizilianer angeboten werden soll, eine eigene sinnvolle Nische in der umfangreichen Sizilianisch-Literatur würde finden können. Angesichts der vom Autor sich selbst gestellten Aufgabe ging mein erster Gedanke dahin, es könne in die Richtung von "ich spiele gegen die Sizilianische Verteidigung - muss ich dabei etwas beachten?" gehen, was so ähnlich klingen würde wie "ich will ein Haus bauen, muss ich da etwas beachten?". Ich habe mich über die Arbeit an dem Werk aber überzeugen können, dass es mit gutem Grund die zum Abschluss dieser Rezension gegebene Kaufempfehlung verdient.

Ich sehe die Stärke von "slay the Sicilian!" weniger in der Tiefe der Betrachtung, wobei ich allerdings die Brille des Fernschachspielers aufhabe. Es gibt deutlich umfangreichere Werke, die sich nur einem kleinen Ausschnitt des Sizilianers widmen. Diesen Maßstab angewendet gibt es Besseres. Für denjenigen aber, der sich für seine Nahschachpartien aufstellen möchte, ist "slay the Sicilian!" vielleicht genau passend detailliert. Hier kommt es auf Zeit und Anspruch des Spielers an sowie auf seine Bereitschaft und Fähigkeit, Varianten zu lernen, sie sich also auch einzuprägen. Das Werk passt für denjenigen, der die grobe Linie innerhalb eines in sich stimmigen Repertoires erhalten möchte, die zudem profund dargestellt, erklärt und begründet wird.

Der im Buch abgebildete Variantenrahmen beschränkt sich also auf das Wesentliche. Taylor orientiert sich bei seinen Empfehlungen an der Praxis von Karpov, dem es auf ein gesundes Positionsspiel ankam, auch wenn die Herausbildung eines Eröffnungsvorteils auf kleine Schritte verlegt wird.

"slay the Sicilian!" gibt dem Leser aber mehr als das Vorstehende an die Hand, das Buch spielt ihm einen ganz besonderen Triumph zu. Diesen möchte ich als "strategische Repertoireplanung" bezeichnen. So bin ich davon beeindruckt, wie Taylor die groben Linien seines Repertoires bestimmt und wie er die Wahl begründet. Hier fließen zudem Gesichtspunkte aus verschiedenen Ebenen ein, von Stellungsbewertung über Statistik und Anleihen aus der Psychologie bis dahin, Schwarz den Eintritt in bestimmte Linien zu verwehren.
Ich möchte dies an einem Beispiel schildern. Hierzu wähle ich das 6. Kapitel, in dem Taylor zu vermeiden sucht, dass Schwarz die Sweschnikow-Verteidigung spielt. Diese ist, nicht zuletzt auch in Fernschachkreisen, bekannt dafür, dass Schwarz, wenn er will, sicher zumindest auf ein Remis zusteuern kann.
Zur Vermeidung empfiehlt Taylor nach 1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 nun 3.Sc3 zu spielen. Er legt dar, dass ein unbeeindrucktes Spielen auf Sweschnikow Schwarz positionellen Nachteil bringt. Wenn Schwarz mit 3…Sf6 fortsetzt, ist Weiß die Überleitung per 4.Lb5 in eine aussichtsreiche Linie der Rossolimo-Variante möglich. Nach 3…e5 empfiehlt er 4.Lc4 mit beginnendem Vorteil. Mit 3.Sc3 gerät der Sweschnikow-Anhänger früh mehr oder weniger komplett aus seinem Repertoire. In Taylors Praxis geschah immer 3…g6 mit Entstehen der Drachen-Formation. Interessanterweise ist mir in meiner eigenen Praxis jüngst ein Mal 3.Sc3 begegnet, ich habe ebenfalls zu 3…g6 gegriffen.
In ähnlicher Weise arbeitet Taylor auch seine anderen Repertoireempfehlungen aus. Die Einführung eines Kapitels zeigt jeweils wieder die Züge einer "strategischen Repertoireplanung", bevor die Partien den Gegenstand der theoretischen Darstellungen bilden. Taylor kommentiert die Partien bis zum Ende durch, sodass sich in Passagen eine gewisse Ähnlichkeit zu einer Partiensammlung ergibt. Auf der anderen Seite kann der Leser die Folgen und Ergebnisse des Eröffnungsspiels an eben besonders ausgewählten Partien nachvollziehen.

"slay the Sicilian!" enthält sieben Kapitel mit folgenden Überschriften (sinngemäß ins Deutsche übersetzt):

1. Die klassische Variante mit 1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 d6 6.Le2
2. Die Najdorf-Variante
3. Die Drachenvariante
4. Die Scheveninger Variante
5. Taimanov/Kan-System
6. Anti-Sweschnikow
7. Seltene zweite schwarze Züge.

Die Bibliografie ist sehr umfangreich und umfasst neben einer Vielzahl aktueller Werke auch solche mit leicht historischem Hintergrund. Ein qualifiziertes Variantenverzeichnis und ein Partienverzeichnis schließen das Werk ab. Vollständige Fernschachpartien enthält es leider nicht.

Der Leser sollte schon gesicherte Englischkenntnisse haben, um "slay the Sicilian!" problemlos erfassen zu können. Der verwendete Wortschatz hat mich einige Male gezwungen, die Bedeutung eines Wortes nachzuschlagen.

Fazit: "slay the Sicilian!" bietet ein systematisch begründetes Repertoire an, das eine qualifizierte Struktur in die weißen Möglichkeiten gegen Sizilianisch bringt. Zur strategischen Planung des eigenen Repertoires sowie als Basis für eine fernschachtaugliche Tiefe des Materials ist "slay the Sicilian!" eine klare Kaufempfehlung. Gleiches gilt für den Aufbau eines Repertoires gegen Sizilianisch im Nahschach, das sich auf das Wesentliche beschränkt.
Daneben ist "slay the Sicilian!" eine Empfehlung als Ergänzungswerk.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

the triangle system

Ruslan Scherbakov
the triangle system
448 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-85744-644-9
24,95 Euro




the triangle system
Der Buchtitel "the triangle system" basiert auf der Dreiecksformation der auf c6, d5 und e6 postierten schwarzen Bauern in der Semi-Slawischen Verteidigung. Der Autor des bei Everyman Chess erschienenen Werkes, der russische GM Ruslan Scherbakov, behandelt dabei das Noteboom-System, das semi-slawische Marshall-Gambit (auch als "Slawisches Gambit" oder als "Bronstein-Gambit" bekannt) und weitere Linien mit der genannten speziellen Bauernformation.
Manchen Schachfreunden ist die Unterscheidung zwischen Slawisch und Semi-Slawisch (oder auch Halbslawisch genannt) nicht so ganz geläufig. Beiden gemein ist der Zug …c6 gegen das Damengambit. Folgt dem bald darauf auch …e6, so entsteht eine semi-slawische Stellung auf dem Brett, andernfalls bleibt es bei Slawisch.

Gattungsmäßig ist das Werk nicht ganz eindeutig zuzuordnen. Dabei überwiegt für mich das Merkmal des Repertoirebuches, als was der Autor sein Werk auch bezeichnet, auch wenn es bisweilen wie eine Monografie wirkt.

Ausweislich des Rückentextes war es Scherbakovs Ziel, dem Schwarzen ein ambitioniertes System an die Hand zu geben, der Eröffnung gegen das Damengambit den eigenen Stempel aufzudrücken.
Mit einem von vornherein aktiven Vorgehen soll Weiß unter Druck gesetzt werden, um nicht in aller Ruhe bekannt komfortable weiße Linien spielen zu können. Der universelle strategische Leitfaden liegt darin, dass Schwarz den weißen Bauern auf c4 schlägt und den dann dort postierten eigenen mit b5 stützt. Dann wird auf den Vorstoß c6-c5 gespielt, um den weißfeldrigen Läufer aus der Isolation zu holen und den Doppelbauern auf der c-Linie aufzulösen.

"the triangle system" ist aus der Sicht von Schwarz geschrieben, in gleicher Weise aber auch vom Weißspieler zu nutzen. Scherbakov nimmt für sich in Anspruch, sich sehr um Objektivität bei Stellungsbewertungen etc. bemüht zu haben, was m.E. auch deutlich wird. Zumindest ist mir keine zu optimistische Einschätzung zugunsten von Schwarz aufgefallen, geprüft habe ich dies an den im Buch vorgestellten Hauptlinien unter Verwendung meiner Partiendatenbank.
Einen besonderen Hinweis auf das Streben nach möglichst realistischen Einschätzungen habe ich zum Marshall-Gambit gefunden. Hierzu später mehr.

"the triangle system" ist in drei große Teile gegliedert, und zwar in …

Teil 1: Die Noteboom-Variante (1.d4 d5 2.c4 e6 3.Sc3 c6 4.Sf3 dxc4),
Teil 2: Das Marshall-Gambit (1.d4 d5 2.c4 e6 3.Sc3 c6 4.e4) und
Teil 3: Systeme gegen das System mit dem Bauerndreieck.

Den breitesten Raum der insgesamt 448 Seiten nimmt die Noteboom-Variante ein (185 Seiten), gefolgt vom Marshall-Gambit (134 Seiten), der Rest entfällt neben den Anti-Dreicks-Systemen auf die obligatorischen Eingangsseiten inkl. Inhaltsverzeichnis, Bibliografie sowie Vorwort und ein Variantenverzeichnis am Ende des Buches.

"the triangle system" ist ein Eröffnungswerk im klassischen Stil, seine innere Organisation folgt Variantenbäumen, nicht also Referenzpartien aus der Praxis. Auf Partien verzichtet Scherbakov komplett, das Werk ist also "Theorie pur".
Scherbakovs Stil gefällt mir sehr gut. Er bemüht sich um aussagekräftige Bemerkungen und gibt ganz überwiegend den Grund für die Tendenz einer Stellungseinschätzung an. Die Kommentierung ist ein Mix aus Text und Analysen bzw. Partiefragmenten. Die dabei erreichte Tiefe der Betrachtung erlaubt den qualifizierten Einsatz des Werkes auch im Fernschach. "the triangle system" und eine gut sortierte Partiendatenbank ergeben gemeinsam ein mächtiges Werkzeug.
Die einzelnen Abschnitte und Kapitel schließt Scherbakov mit einer wertenden Zusammenfassung ab. Dem sich neu mit den Systemen befassenden Spieler könnte es helfen, gerade dort den ersten Blick hineinzuwerfen, bevor es dann an den jeweiligen Theorieteil geht.

Beeindruckt hat mich eine Passage zu Beginn des Teils zum Marshall-Gambit. Scherbakov macht darauf aufmerksam, dass Weiß einige Vorteile aufzuweisen hat. So sind Verbesserungen für Schwarz "lebenswichtig". Hier sieht er neben dem Bedarf aber auch viele Möglichkeiten für Schwarz, das eigene Spiel zu verbessern, auch über den Einsatz von Computern. Dieser Hinweis ist ein Hingucker besonders auch für den Fernschachspieler!
Zudem weist die bisherige Theorie nach Scherbakov eine Menge falscher Schlüsse auf und auch weiße Flecken, ein weiterer Grund für die Hinwendung zur Dreiecks-Bauernstruktur in der semi-slawischen Verteidigung ohne Angst vor dem Marshall-Gambit.
Die Einführung zum Marshall-Gambit gefällt mir inhaltlich übrigens besonders gut. Ich habe alles vorgefunden, was ich an dieser Stelle erwartet habe, dabei auch einen Ausblick auf die Anforderungen, welche die folgenden theoretischen Betrachtungen zu erfüllen haben.

Eine einzige negative Feststellung muss ich treffen, sie ist aber nicht mehr als nur ein kleiner Schönheitsfehler. Die Einleitung des 7. Kapitels auf Seite 101 zeigt die einleitende Zugfolge erst ab dem 5. Zug von Schwarz. Hier scheint der Lektor ein - allerdings verdientes, weil er sonst sehr korrekt gearbeitet hat - Nickerchen gemacht zu haben. "Peanuts" zwar, angemerkt werden aber muss dies hier, denn sonst könnte der Leser meinen, auch der Rezensent habe an der genannten Stelle die berühmten Tomaten auf den Augen gehabt.

"the triangle system" ist in Englisch geschrieben, kann aber mit Schulenglisch problemlos genutzt werden.

Fazit: Ein gelungenes Werk, das ich vorbehaltlos zum Kauf empfehlen kann.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

Garry Kasparov on Garry Kasparov Part I: 1973-1985

Garry Kasparow
Garry Kasparov on Garry Kasparov Part I: 1973-1985
520 Seiten, gebunden, Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 978-185744-672-2
26,90 Euro




Garry Kasparov on Garry Kasparov Part I: 1973-1985
"Garry Kasparov on Garry Kasparov Part I: 1973-1985" zählt zu jenen Büchern, bei denen ich den Grund dafür, dass ich sie in die Hand genommen habe, nämlich die Vorbereitung einer Rezension, schon nach einem kurzen Anlesen vergessen hatte. Es ist so fesselnd, dass ich die Arbeit damit teilweise nicht gern unterbrechen mochte, wozu es aber zwangsläufig etliche Male kommen musste. Mit 520 Seiten, gefüllt mit viel Lesestoff und 100 kommentierten Partien, ist es schon "ein ordentliches Pfund".

Garry Kasparow schreibt über sich selbst und breitet die besagten 100 Partien aus der Zeit von 1973 bis 1985 vor dem Leser aus. So ergibt sich ein in sich geschlossenes Werk, eine unterhaltsame und informative Symbiose aus historischen Beschreibungen und auch eine Art Selbstreflektion des Autors auf der einen und meisterhaft kommentierten Partien auf der anderen Seite. Um diese Wertungen nachvollziehbar zu machen, muss ich weiter ins Detail gehen.

Was es zu den Texten zu sagen gibt …
Besonders zu Beginn trägt das Werk autobiografische Züge. Kasparow schildert private Dinge wie auch Aspekte, die ihm zu seinem Werdegang als Schachspieler wichtig erscheinen. So erfährt der Leser auch, dass sein Vater eine entscheidende Rolle dabei gespielt hat, den jungen Garry auf das Schachspiel zu konzentrieren, ihn Schach studieren zu lassen. Sein Nachname lautete zu dieser Zeit noch auf Weinstein. Sein Vater starb dann allerdings sehr früh infolge einer Erkrankung.
Für seine persönliche Entdeckung des Schachspiels sowie seine Entdeckung als Schachspieler waren auch die damaligen Verhältnisse in seiner Heimatstadt Baku sowie der Sowjetunion insgesamt von Bedeutung. Kasparow lässt seine Erinnerungen daran nicht aus und beschreibt sie nach meiner Wahrnehmung eher nüchtern bis analytisch.

Die im Buch aufgenommenen Partien haben ihre eigene Geschichte. Kasparow erzählt sie jeweils und ordnet sie bei Bedarf auch in die "große Schachgeschichte" ein. Auch wenn dies regelmäßig ebenso nüchtern bis analytisch passiert, so zeigen seine Ausführungen zum 1985 abgebrochenen WM-Kampf gegen Karpov doch, dass es hierzu auch heute noch in ihm brodelt. Hier sind auch die wenigen Stellen zu finden, in denen er den Pfad des berichtenden Schreibens verlässt und sich in Deutungen, Schlussfolgerungen und für ihn auf der Hand liegenden Erklärungen versucht. Für mich als unbefangenem Leser klingt es schlüssig und überzeugend, was er ausführt, es ist auf jeden Fall logisch und gut nachvollziehbar.

"Garry Kasparov on Garry Kasparov Part I: 1973-1985" hat seinen "zweiten" Wert als wirklich fesselndes Lesebuch.

Nun aber zu seinem erstrangigen Wert: Was es zu den Partien zu sagen gibt …

Es klingt alles so einfach und so logisch, wenn man Kasparows Partiekommentaren folgt!
Wie startete Lehrer Brömmel im Film "Die Feuerzangenbowle" seine Ansprache an die Schulklasse? "Wat is en Dampfmaschin? Da stelle mer uns janz dumm. Und da sage mer so: En Dampfmaschin, dat is ene jroße schwarze Raum, der hat hinten un vorn e Loch. Dat ene Loch, das is de Feuerung. Und dat andere Loch, dat krieje mer später."
Lehrer Brömmel war ganz sicher nicht Kasparows Vorbild! In "Garry Kasparov on Garry Kasparov Part I: 1973-1985" geht es nach der Devise: "Wat is en Schachpartie? Da stelle mer uns überhaupt nich dumm. Und da sage mer so: En Schachpartie, dat is ene jeschlossene Einheit aus Eröffnung, Mittelspiel und Endspiel. Se bejinnt mit de Eröffnung und schließt mit de Endspiel. Un wie dat allet funscheniert, dat gucke we uns jetzt allet janz jenau an und verschiebe nix auf später."
Kasparow kommentiert inhaltlich sehr verständlich, er setzt ganz überwiegend auf die textliche Darstellung. Analysen reduziert er auf das Wichtigste. Dabei macht er keinen systematischen Unterschied zwischen Eröffnung, Mittelspiel und Endspiel, alle Partiephasen werden beleuchtet. Ein Reiz der Kommentierung liegt auch darin, dass man als Leser das Gefühl bekommt, in bisher verborgene Geheimnisse eingeweiht zu werden. Wer sollte diese Partien besser vor dem Leser ausbreiten können als Kasparow, der sie selbst gespielt hat?
Von vielen Partien weiß ich es, von den anderen nehme ich es an: Es sind Schätzchen, aber keine, die der Öffentlichkeit bisher verborgen gewesen sind. Schön früher und wiederholt sind sie kommentiert erschienen, zumindest zum Teil auch von Kasparow selbst. In dieser Überarbeitung aber sind sie erstmals zu finden, die Kommentierung hat sich entwickelt, so wie sich auch Kasparow selbst entwickelt hat. So bewertet er etliches anders, als er es früher, als junger und aktiver Spieler, getan hat.
Er geht auch auf die Analysen anderer Kommentatoren ein; was zeitgenössisch Rang und Namen hat, ist an Kasparows Partien nicht vorbeigekommen. Viel davon hat in der Vergangenheit die Öffentlichkeit erreicht.

Das intensive Studium der 100 im Werk behandelten Partien unterhält nicht nur, es hebt das Schachverständnis und damit die Spielstärke.

"Garry Kasparov on Garry Kasparov Part I: 1973-1985" ist Band 1 einer auf drei Bände angelegten Reihe. Erschienen ist er bei Everyman Chess, in englischer Sprache. Die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse sind nach meiner Einschätzung durchaus als gehoben einzuschätzen.
Die Verarbeitung des Buches ist ausgezeichnet. Ausgeliefert wird es gebunden, mit Hardcover im Schutzumschlag. Der Druck ist sehr sauber, das verwendete Papier ist angemessen.

Fazit: "Garry Kasparov on Garry Kasparov Part I: 1973-1985" ist ein großartiges Werk, das ich ohne jede Einschränkung zum Kauf empfehlen und dem Buchliebhaber besonders ans Herz legen kann.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

The French Defence Reloaded

Nikita Vitiugov
The French Defence Reloaded
360 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-954-8782-86-9
22,95 Euro




The French Defence Reloaded
Zur Französischen Verteidigung hat es in der jüngsten Vergangenheit einiges an neuen Theoriewerken gegeben. In das lange Spalier aus Jung und Alt reiht sich "The French Defence Reloaded" von GM Nikita Vitiugov (2726) ein, 2012 erschienen im bulgarischen Chess Stars-Verlag.

Der Titel korrespondiert mit einer Aussage des Autors im Vorwort, die sinngemäß wie folgt übersetzt werden kann: "Der Autor erlaubt sich, einige Varianten neu zu bewerten und sie um neue und aktuelle Informationen zu bereichern". Ich denke, dass sie eine größere Bedeutung hat, als man auf den flüchtigen Blick erkennen mag, denn nach meiner Wahrnehmung hat sie auch einen erheblichen Einfluss auf die Wahl der dargestellten Inhalte gehabt. Hierzu aber in der Folge mehr.

"The French Defence Reloaded" ist ein klassisches Eröffnungswerk aus dem Genre der Repertoirebücher. Sein Gerüst wird von Ausgangsvarianten gebildet, die in einzelnen Kapiteln, insgesamt 40 an der Zahl, behandelt werden. In den Kapiteln dringt Vitiugov zum Teil sehr tief in die Variantenebenen ein, was nicht zuletzt dem an bewertetem Material interessierten Fernschachspieler gelegen kommen wird.
Bei der Auswahl der Abspiele waren erkennbar Konzessionsentscheidungen zu treffen. Ein Repertoirebuch hat irgendwo seine Grenze in der Anzahl der Seiten. Wenn es aber für ein komplettes und so komplexes System wie die Französische Verteidigung wappnen soll und Abweichungen in einer besonderen Tiefe abgebildet werden sollen, geht dies nur über eine Reduzierung der aufgenommenen Varianten. Und diesem Prinzip ist Vitiugov eindeutig gefolgt. Er hat seine Empfehlungen festgelegt und ist diesen gefolgt, wobei er auch dann alternative Varianten nicht erwähnt, wenn ihnen in der Praxis mehr als nur eine nachrangige Bedeutung zukommt. In der Sache bedeutet dies eine klare Betonung des Werkes als Repertoirebuch; wer ihm folgt, legt sich fest und schaut auch dann nicht nach links oder rechts, wenn eine Alternative oft gespielt wird.
Zu bedenken ist dabei, dass "The French Defence Reloaded" aus der Sicht von Schwarz geschrieben ist. Ich halte es deshalb für wichtig, dass ich keine Stelle gefunden habe, an der aufgrund des Fehlens einer bedeutenden weißen Abweichung der Nachziehende aus dem Repertoire gehebelt werden kann. Wer die strenge Konzentration auf Varianten nach der Wahl Vitiugovs nicht will und stattdessen immer dort, wo es alternative spielbare/gute Möglichkeiten gibt, zwischen diesen angeleitet auswählen möchte, sollte "The French Defence Reloaded" als - detailliertes - Ergänzungswerk betrachten oder sich eben gleich einer Monografie und nicht eines Repertoirebuches bedienen.

Zurück zur "Technik" des Aufbaus: Das Werk folgt nicht dem für viele Bücher von Chess Stars üblichen Aufbau mit "Quick Repertoire", "Step by Step" usw. Ein Kapitel wird über die Initialzugfolge und ein Anfangsdiagramm eingeleitet, die theoretische Behandlung schließt sich sofort an, ohne dass es Abstufungen nach der Tiefe der Betrachtung gibt. Zumeist endet ein Kapitel ohne ein Resümee oder ähnlich, in wenigen Ausnahmefällen aber erlaubt sich Vitiugov eine abschließende Bewertung, die auch darin bestehen kann, dass er zur Spielbarkeit einer Variante eine Verbesserung an einer Stelle für erforderlich hält.

Die schon erwähnten 40 Kapitel sind folgenden Abschnitten zugeordnet (hier jeweils entsprechend der englischen Originalüberschrift und mit den deutschen Figurensymbolen):

Part 1. White avoids the main lines 1.e4 e6
Part 2. The Chigorin Vaiation & The King's Indian Attack 1.e4 e6 2.De2; 2.d3
Part 3. The Advance Variation 1.e4 e6 2.d4 d5 3.e5 c5 4.c3 Db6 5.Sf3 Sc6
Part 4. The Rubinstein Variation 1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sd2 dxe4 4.Sxe4 Sd7
Part 5. The Morozevich Variation 1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sd2 Le7
Part 6. The Tarrasch Variation with 3...c5 1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sd2 c5
Part 7. The Winawer Variation 1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 Lb4
Part 8. The MacCutcheon Variation 1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 Sf6 4.Lg5 Lb4
Part 9. The Steinitz Variation 1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 Sf6.

Anders als die einzelnen Kapitel werden die Abschnitte von Vitiugov zunächst mit ein paar hinführenden Sätzen eingeleitet.

Beim Blick in die Bibliografie fällt auf, dass der Autor nur sehr wenige Werke referenziert und nur eines davon in den vergangenen fünf Jahren auf den Markt gekommen ist (2008). Der sich deshalb anschließende kritische Blick in die theoretischen Inhalte selbst bestätigt aber, dass "The French Defence Reloaded" bei dem, worauf es sich konzentriert, absolut "up to date" ist. Ich interpretiere dies so, dass Vitiugov einerseits besonders auch auf Partienmaterial/Datenbanken zurückgegriffen hat, und andererseits mehr als vielleicht üblich eigenes Gedankengut bei Bewertungen etc. hat einfließen lassen. Dies würde wieder mit der schon zitierten Aussage im Vorwort korrespondieren wie auch mit einer bemerkenswerten zweiten Stelle im Nachwort, die in Übersetzung etwa den folgenden Inhalt hat: "In meinem Buch habe ich generelle Prinzipien, typische Manöver, Abtäusche, Pläne und taktische Ressourcen zu demonstrieren versucht, die der Französischen Verteidigung unabhängig davon innewohnen, dass sich in unserer Zeit die Bewertung konkreter Stellungen dramatisch ändern kann." Daran knüpft Vitiugov die Aussage, dass ein Buch dieser Art immer nützlich bleiben wird, auch wenn sich die Einschätzung von Varianten etc. ändern kann.
"The French Defence Reloaded" folgt danach auch dem Anspruch, ein Repertoire anzubieten, das die Anwendung der erwähnten allgemeinen Potenziale fördert, was vielleicht auch die eine oder andere Entscheidung für und gegen bestimmte alternative Theoriestränge erklären mag.

"The French Defence Reloaded" ist auf mehr als 350 Seiten eine "geballte Ladung" an Theorie zur Französischen Verteidigung. Es ist - in Übersetzung - in Englisch verfasst, kann aber mit Schulenglisch völlig problemlos genutzt werden.
Es gibt ein Variantenverzeichnis, das aber im Wesentlichen auf dem schon zugorientiert erstellten Inhaltsverzeichnis basiert.
In meinen Augen einzig negativ anzumerken ist, dass auch dieses Werk von Chess Stars in einen zu dünnen Karton gefasst ist, es diesem deshalb etwas an Stabilität mangelt. Die Haltbarkeit des Buches sollte dies aber nicht beeinträchtigen.

Fazit: In meinen Augen ist "The French Defence Reloaded" ein wichtiges neues Werk und als solches eine klare Kaufempfehlung.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

A Guide To Chess Improvement

Dan Heisman
A Guide To Chess Improvement
381, kartoniert
ISBN: 978-185744-649-4
22,95 Euro




A Guide To Chess Improvement
"A Guide To Chess Improvement" von Dan Heisman ist ein Werk, das ich zum Zweck der Rezension ausnahmsweise von der ersten bis zur letzten Seite gelesen habe, wobei ich mir auch alle an den Leser gerichteten Aufgaben bzw. an ihn gerichteten Fragen mit Verstand angesehen habe. Dies ist auch der Grund dafür, dass es einige Zeit gedauert hat, bis ich meine Besprechung abschließen konnte (erschienen ist das Werk 2010 bei Everyman Chess). 381 Seiten in Englisch geschrieben, nehmen Zeit in Anspruch, zumal man nicht "in einem Rutsch" schnell mal so durch die Kapitel galoppieren kann. Ich denke aber, dass sich die Arbeit gelohnt hat, sowohl mit dem Blick auf die Rezension als auch für mich persönlich.

"A Guide To Chess Improvement" ist ein zeitloses Buch. Ob es im Erscheinungsjahr gekauft worden ist, dies aktuell passiert oder erst in vielleicht zwei Jahren, ist völlig egal. Es lebt nicht von Varianten, widmet sich nicht der Mode im Schach, es geht in dem Werk um den Umgang mit dem Schachspiel als solchem und den Spieler, der Voraussetzungen erfüllen muss, um das Spiel gut und zunehmend besser zu beherrschen. Ich möchte dies an einem Beispiel außerhalb des Schachspiels verdeutlichen, aus dem allgemeinen Leben.
Denken Sie mal an einen jungen Menschen in der Phase des Übergangs zur Volljährigkeit. Er besucht eine Fahrschule, um das theoretische Rüstzeug zu bekommen, ein Auto selbstständig führen zu können, und nimmt praktische Fahrstunden, um das Umsetzen des neuen Wissens sowie die Bedienung des Fahrzeugs zu erlernen. Er erfährt die Kupplung zu bedienen, wie man einen Gang einlegt, und er erlernt auch, wie man das Auto in Abhängigkeit zur Situation, zu anderen Verkehrsteilnehmern usw. sicher führt. Hinzu kommen Dinge wie das Wissen, dass der Motor genügend Schmiermittel braucht, wenn er denn nicht kaputtgehen soll, Frostschutz ins Kühlwasser gehört, damit auch der Winter keinen Schaden anrichten kann usw. Mit diesen Bordmitteln wird der junge Mensch dann für die Teilnahme am Straßenverkehr zugelassen. Die Voraussetzungen sind erfüllt, dass er in der Praxis bestehen kann, zumindest auf einem zunächst ausreichendem Niveau. Seine Fähigkeiten kann er dann gezielt erweitern, z.B. über ein Fahrsicherheitstraining. Immer geht es um den Menschen, der die Maschine Auto möglichst perfekt einsetzen (können) soll.
Nun können wir den Schwenk zurück zu "A Guide To Chess Improvement" machen. Für die Teilnahme am Schachspiel bedarf es natürlich keiner Zulassung, im besprochenen Werk geht es aber auch immer um den Menschen, der das Schachspiel möglichst perfekt spielen (lernen) soll. Dem Spieler werden Zusammenhänge erklärt, Methoden aufgezeigt, ganz konkrete Hinweise und Ratschläge - auch zum Verhalten - gegeben und mehr. Dabei ist "A Guide To Chess Improvement" ein bemerkenswert vollständiges Buch.

Es ist eine Anleitung dazu, wie der Spieler systematisch seine Spielstärke heben kann, und eine Anleitung zum planvollen Training. Der Trainingsplan vermittelt zugleich auch einen strategisch angelegten Zeitplan.
Wenn die Grenzen des Anspruchs, den das Werk erfüllen soll, überschritten werden, übernimmt es auch schon mal eine Brückenfunktion zu weiterführenden Möglichkeiten. Ganz konkret wird es dabei beispielsweise im Rahmen von Literaturempfehlungen für den Leser. Dieser bekommt Basiswerke benannt, die jeweils Zielen zugeordnet werden, die mit dem Studium dieses oder jenes Werkes verfolgt werden können.

Bemerkenswert sind auch die oft eingestreuten Praxistipps, von einfachen Hinweisen bis hin zum "Rat eines Insiders".

Das Werk ist hinsichtlich seiner Kerninhalte in die folgenden Kapitel unterteilt (die Kapitelüberschriften ergänze ich um die sinngemäße deutsche Übersetzung, die Unterrubriken nicht. Wer das Werk einsetzen möchte, sollte schon mal diese kurzen englischen Passagen bestens verstehen können):

General Improvement (Allgemeines zur Hebung der Spielstärke)
The Theory of Chess Improvement
An Improvement Plan
Practice (The Road to Carnegie Hall)
Theory
Chess Books and Prerequisites
Reviewing Chess Games
The Big Five
Getting the Edge
Finding a Good Instructor

Thought Process (Denkprozess)
Making Chess Simple
The Goal Each Move
Real Chess, Time Management, and Care
Analysis and Evaluation
Improving Analysis Skills
The Principle of Tactical Dominance
The Fun of Pros and Cons
Ask the Right Questions

Time Management (Zeit-Management)
The Case for Time Management
The Two Move Triggers

Skills and Psychology (Fähigkeiten und Psychologie)
Traits of a Good Chess Player
Chess, Learning, and Fun
Breaking Down Barriers
The Three Types of Chess Vision

Tactics and Safety (Taktik und Sicherheit)
A Different Approach to Studying Tactics
When is a King Safe?
Is it Safe?
Is it Safe? Quiz
The Two Types of Counting Problems

Openings (Eröffnungen)
Learning Opening Lines and Ideas

Endgames and Technique (Endspiele und Technik)
Trading Pawns When Ahead
The Endgame Bind
When You're Winning, It's a Whole Different Game
The Margin for Error

Strategy and Positional Play (Strategie und Positionsspiel)
Strong Principles vs. Important Principles
The Most Important Strategic Decisions
The Six Common Chess States
Break Moves: Opening Lines to Create Mobility
It's Not Really Winning a Tempo!
The Principle of Symmetry

Shorter, Lesson Material (Verschiedenes, Unterrichtsmaterial)
A Fistful of Lessons
Examples of Chess Logic
Odds and Ends


"A Guide To Chess Improvement" basiert auf Lektionen, die Heisman als bekannter Autor und Trainer im Internet veröffentlicht hat (ChessCafe). Diese hat er allerdings überarbeitet und um neue Inhalte ergänzt.
Was im Internet mit großem Erfolg publiziert worden ist, kann in Buchform ebenfalls nichts anderes als gut sein. Für mich habe ich bei der intensiven Begutachtung dies als bewiesen empfunden.

Einen Aspekt möchte ich auf jeden Fall nicht unerwähnt lassen. Bei allen Schulungsqualitäten ist "A Guide To Chess Improvement" auch ein Medium zur Selbsterkenntnis, dies zwar nicht als Mensch, aber als Spieler. Indem dem Spieler durch Fragen bzw. die Darstellung von Typen etc. auch Spiegel vorgehalten werden, in denen er sich wiedererkennen kann, wird ihm die Möglichkeit gegeben, noch gezielter die eigenen Fähigkeiten zu vervollkommnen.

Das Werk soll grundsätzlich für Spieler jeder Spielstärke geeignet sein. In diesem Punkt habe ich so gewisse Zweifel. Ich denke, dass "A Guide To Chess Improvement" eher für Spieler ein Gewinn ist, die noch unterhalb der höchsten Weihen spielen, ohne mich auf eine Grenze z.B. nach der Elozahl festlegen zu wollen. Dies heißt natürlich nicht, dass Meisterspieler mit keinem Inhalt etwas anfangen können. Sie dürften nur vom Gros des Buches nicht wie noch weniger starke Spieler profitieren. Am Beispiel der schon erwähnten Literaturempfehlungen: Diese braucht der Meister nicht mehr.

"A Guide To Chess Improvement" ist in Englisch verfasst. Nach meiner eigenen Bewertung stellt es insgesamt durchaus qualifizierte Anforderungen an die Sprachkenntnisse des Lesers.

Fazit: "A Guide To Chess Improvement" ist als Anleitung und Hilfsmittel zur systematischen und nachhaltigen Steigerung der Spielstärke sowie fundierter Trainingsplan eine Kaufempfehlung für den noch aufstrebenden Spieler mit gesicherten Englischkenntnissen.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

The Greatest Ever chess Endings

Steve Giddins
The Greatest Ever chess Endings
234, kartoniert
ISBN: 978-1-85744-694-4
20,95 Euro




The Greatest Ever chess Endings
"The Greatest Ever chess endgames" aus dem Hause Everyman Chess und geschrieben von FM Steve Giddins soll den Leser in erster Linie unterhalten, ihn aber auch bei der Verfeinerung seiner Endspielfähigkeiten unterstützen. Sinngemäß ins Deutsche übersetzt widmet sich das Werk den besten Endspielen aller Zeiten, 50 an der Zahl werden behandelt.
Das Konzept für das Buch bedingt, dass die meisten der Partieendspiele aus vergangenen Jahrzehnten stammen, nicht wenige auch aus den frühen Zeiten Schachspiels, wie wir es heute kennen. So ist "The Greatest Ever chess endgames" auch eine Reminiszenz an die Endspielvirtuosen aller Epochen bis in unsere Tage hinein.

Der Inhalt ist in acht Kapitel gegliedert, in denen die folgenden Endspielarten behandelt werden:

Kapitel 1: Bauernendspiele (3 Beispiele)
Kapitel 2: Springerendspiele (4 Beispiele)
Kapitel 3: Läuferendspiele (5 Beispiele)
Kapitel 4: Endspiele mit Läufer gegen Springer (11 Beispiele)
Kapitel 5: Turmendspiele (9 Beispiele)
Kapitel 6: Damenendspiele (6 Beispiele)
Kapitel 7: Endspiele mit Turm gegen Leichtfigur (4 Beispiele)
Kapitel 8: Endspiele mit verschiedenen Figuren (8 Beispiele)

Giddins, der übrigens früher für das British Chess Magazine gearbeitet hat und Autor schon mehrerer Bücher ist, beschränkt sich in den Analysen auf das wirklich Wichtigste. Persönlich empfinde ich dies in einem Werk wie "The Greatest Ever chess endgames" als positiv. Zusammen mit der überzeugenden textlichen Kommentierung wird der Leser auf Prinzipien und Initialzüge bzw. die "Super-Einfälle" konzentriert. So hat das Werk absolut überhaupt nichts mit Endspielstudien gemein, es ist eher wie eine Dokumentation mit Unterhaltungsanspruch zu sehen. Capablanca und Aljechin, Botvinnik und Fischer, Carlsen, Kramnik, Kasparow und Karpov - das Who-is-Who des Schachspiels kommt in diesem Werk zu Wort.

Abgebildet werden jeweils die vollständigen Partien, bis zum Erreichen der Endspielstellung bleiben die Züge aber unkommentiert. Eine Diagrammstellung schließt die Eröffnungs- und Mittelspielphase ab, sodass der allein am Endspiel interessierte Leser sich nicht dorthin durchspielen muss. Er kann sich die Ausgangsstellung entsprechend der Diagrammstellung auf das Brett holen. Persönlich könnte ich gut auf die Partiezüge bis zum Endspiel verzichten, aber dies mag der Leser jeweils für sich beurteilen.

Die Bibliografie zeigt, dass Giddins die wichtigsten Endspielwerke der Vergangenheit wie auch unserer Tage zu Rate gezogen hat. So ist beispielsweise auch "der Cheron" vertreten.
Abgeschlossen wird das in Englisch geschriebene Werk von einem Partienverzeichnis. Dem Leser mit Fremdsprachkenntnissen auf Schulniveau sollte es keine Verständnisprobleme bereiten.

Fazit: Ein unterhaltsames Werk zum Endspiel mit einem zusätzlichen Schulungspotenzial.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

The Kaufman Repertoire for Black & White

Larry Kaufman
The Kaufman Repertoire for Black & White
266 + 229 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-371-7
24,95 Euro




The Kaufman Repertoire for Black & White
"The Kaufman Repertoire for Black & White" von GM und Engine-Experte Larry Kaufman ist schon in der Handhabung ein bemerkenswertes Buch. Es enthält ein Komplettrepertoire sowohl für Weiß als auch für Schwarz, man wechselt zwischen beiden Bereichen, indem man das Werk einfach über seine kurze Seite wendet.

Das Repertoire für Weiß basiert vollständig auf dem Eröffnungszug mit dem Damenbauern. Damit weicht Kaufman von seinen Empfehlungen in einem 2003 erschienenen Werk ab, zu dem "The Kaufman Repertoire for Black & White" zunächst nur ein Update bringen sollte. Er begründet seine Neuorientierung mit den folgenden Vorteilen von 1.d4 für Weiß:
1. Es verbleibt ein weiterer Bauer im Zentrum.
2. Raumvorteil, z.B. in indischen Systemen.
3. Es bleibt mehr Material erhalten, auch das Läuferpaar, beispielsweise gegen das Benkö-Gambit oder das Budapester Gambit.
4. Entwicklungsvorteil, z.B. teilweise in Holländisch oder Halbslawisch.
Eine Rolle spielen diese Aspekte auch hinsichtlich seiner Erwägungen zur Rolle der Engines. Kaufman strebt Stellungen an, in denen die Engines weniger als in anderen dominieren können, u.a. da länger angelegte Pläne zu entwickeln sind, die in das "Ressort" des Spielers fallen. Dieser Aspekt ist ganz sicher auch für den Fernschachspieler von Bedeutung.

Das für Weiß zusammengestellte Repertoire umfasst die folgenden Eröffnungen bzw. Varianten:
Kapitel 1: Tschigorin und weitere,
Kapitel 2: Erwiderungen auf schwarze Gambits (z.B. Albins Gegengambit),
Kapitel 3: Holländisch,
Kapitel 4: Pirc, Moderne Verteidigung und Philidor-Verteidigung,
Kapitel 5: Benoni,
Kapitel 6: Altindisch,
Kapitel 7: Angenommenes Damengambit,
Kapitel 8: Abgelehntes Damengambit,
Kapitel 9: Slawisch,
Kapitel 10: Halbslawisch,
Kapitel 11: Russisches System gegen Grünfeld,
Kapitel 12: Königsindisch,
Kapitel 13: Vermeidung der nimzoindischen Verteidigung
Kapitel 14: Nimzoindisch
Kapitel 15: Mittels Sf3 starten.

Das Repertoire ist absolut "rund", zumindest konnte ich keine Lücken entdecken. Der Leser und dabei insbesondere der Fernschachspieler sollte aber nicht davon ausgehen, dass ihn hinsichtlich der Tiefe des Materials mit "The Kaufman Repertoire for Black & White" ein "Rundum-sorglos-Paket" an die Hand gegeben wird, was einsichtig sein dürfte. Das Werk stellt Weiß in dem ihm gewidmeten Bereich ein qualifiziertes Gerüst für sein Repertoire zur Verfügung, aber es kann nicht alle Zweige aufführen. Optimal dürfte der Spieler ausgestattet sein, der Monografien und Partiendatenbanken zusätzlich einsetzt, um auf der von Kaufman angebotenen Repertoirebasis und so einem mit Sinn und Verstand angelegten Gerüst Detailinformationen zur Theorie und aus der Praxis zu bekommen. Ohne diese weiteren Hilfsmittel kann Weiß durch die schwarze Wahl von vielleicht aus der Sicht von Kaufman zweitbesten Alternativen allzu leicht über die Grenzen des eigenen Materials gehievt werden.

Da Schwarz in der Partie eben immer erst als Zweiter zum Zuge kommt und so bei der Eröffnungswahl hinsichtlich der groben Richtung nicht den Faden in der Hand hält, muss Kaufman für ihn für alle weißen Anfangszüge ein stimmiges Repertoire bereit halten, was er auch erreicht. Dabei berücksichtigt er die folgenden Systeme, wobei er sich besonders auch an Vorlieben Magnus Carlsens orientiert:
Kapitel 1: Seltene und ungewöhnliche Systeme,
Kapitel 2: Englische Eröffnung,
Kapitel 3: Damenindisch gegen Reti
Kapitel 4: Anti-Grünfeld
Kapitel 5: Damenbauernspiele,
Kapitel 6: Neu-Grünfeld (Anmerkung: Grünfeld-Aufbau ohne weißes Sc3)
Kapitel 7: Grünfeld, Linien ohne Abtausch
Kapitel 8: Grünfeld, Abtauschvariante
Kapitel 9: Mittelgambit und Ponziani-Eröffnung
Kapitel 10: Läuferspiel und Wiener Partie
Kapitel 11: Gambits
Kapitel 12: Schottisch und Vierspringerspiel
Kapitel 13: Italienisch
Kapitel 14: Spanische Nebenwege
Kapitel 15: Spanisch, Breyer-Verteidigung.

Ansonsten gelten die für Weiß oben zu lesenden Ausführungen auch für Schwarz, was die Tiefe und die Struktur des Repertoires betrifft.

Kaufman macht darauf aufmerksam, dass er zwar GM ist, aber nicht zu den größten seiner Zunft zählt, er aber als einziger GM zugleich auch Miterschaffer einer superstarken Engine ist (Komodo) und auch bei der Entwicklung von Rybka 3 mitgewirkt hat. So kann er diese speziellen Kenntnisse, für ihn also ein Alleinstellungsmerkmal, sowohl bei der Zusammenstellung des Repertoires nutzen als auch bei der Überprüfung der Zugmöglichkeiten. Seine Empfehlungen sind aufwändig und sehr qualifiziert rechnergestützt überprüft, wobei er ganz überwiegend Komodo eingesetzt hat. Komodo kennt er in jeder Beziehung aus dem Effeff, kann somit ganz gezielt gerade auf ihre Stärken setzen.

Früh im Buch geht Kaufman auf die Werte der einzelnen Steine ein, die für eine Bewertung der materiellen Situation überschlägig herangezogen werden können. Hier weicht er etwas von den bekannten Standardwerten ab und unterscheidet zudem zwischen dem Spieler und dem Computer. Ferner geht er auf Sondersituationen ein. Nicht zuletzt sind diese Angaben auch hilfreich für den Fernschachspieler, der während der Partie die Bewertungen der Engines mit seinen eigenen in Beziehung setzt und die Bewertungen der Maschine deshalb genauer "lesen" können sollte.

"The Kaufman Repertoire for Black & White" enthält nicht nur ein "rundes" Repertoire, auch als Buch selbst ist es "rund". Die Bibliografie enthält die wichtigsten aktuellen Werke und Datenbanken. Qualifizierte und um Diagramme ergänzte Variantenverzeichnisse sowie Spielerverzeichnisse schließen die Darstellungen beider Bereiche ab.

Fazit: Ein clever gemachtes Werk, das ein solides Basisrepertoire sowohl für Weiß als auch für Schwarz anbietet. Nicht zuletzt als Kompass und Wegweiser eine klare Kaufempfehlung!


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

The Gambit Book of Instructive Chess Puzzles

Graham Burgess
The Gambit Book of Instructive Chess Puzzles
160 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-906454-28-9
10,95 Euro




The Gambit Book of Instructive Chess Puzzles
"The Gambit Book of Instructive Chess Puzzles" ist der lange Titel für ein kleines Büchlein. Der Begriff "Gambit" hat nichts zu tun mit dem Gambit auf dem Brett, er besagt nur, dass dieses Buch aus dem englischen Gambit-Verlag kommt. Erschienen ist es 2011, sein Autor ist FM Graham Burgess.

Anders als gewöhnlich habe ich dieses Buch zum Zweck der Rezension komplett, also von der ersten bis zur letzten Seite durchgearbeitet, ganz so wie der Leser dies kann. So hat es ein paar Wochen bis zur Veröffentlichung dieser Rezension gedauert, die Beschäftigung mit dem Werk aber hat sich richtig gelohnt.

Ich fange mal mit ein paar formalen Gedanken an. "The Gambit Book of Instructive Chess Puzzles" ist kleinformatig und nicht schwer, es passt in jede Büroaktentasche, auch noch in den eigentlich schon vollen Reisekoffer usw. Mit kurzen Worten: Das Buch kann man als interessanten Begleiter für "Schach zwischendurch" wunderbar verwenden. Ich habe mich damit auch in der im Büro verbrachten Mittagspause beschäftigt, habe im Urlaub auf dem Hotelbalkon darauf zurückgegriffen und auch einmal eine Wartezeit im Auto damit überbrückt.
Man kann ein Schachbrett dabei einsetzen, aber auch auf dieses verzichten. Ohne ein Brett wird die "Arbeit" damit etwas schwerer, aber dafür profitieren die eigene Vorstellungskraft, das Rechenvermögen und mehr gerade dann besonders.

Aber worum geht es in "The Gambit Book of Instructive Chess Puzzles", was bietet das Werk?
Es enthält 300 Schachaufgaben, nach Themenkreisen und Schwierigkeitsgrad unterteilt. Aber Vorsicht vor falschen Schlüssen! Ich kenne einen Gedankengang wie "eine Schachaufgabe! Wie und wo muss ich irgendetwas opfern, um zur Lösung zu kommen?" "The Gambit Book of Instructive Chess Puzzles" ist anders! Das Werk zielt nicht auf unerwartete und effektvolle Züge ab, vielmehr verlangt es dem Leser jeweils eine Entscheidung ab, wie er sie auch in der eigenen Partie treffen muss. Die Beispiele sind interessant, aber nicht so etwas wie eine Rummelplatzattraktion. Ich behaupte schlicht: Wer dieses Werk konsequent und diszipliniert durcharbeitet (eigentlich müsste ich "durchspielt" sagen), wird in der Folge besser Schach spielen können. Dies gilt für den Anfänger wie für den schon starken Spieler. Der Anfänger wird viele Lösungen nicht finden; frustrieren muss ihn dies nicht, es ist wie in der eigenen praktischen Partie. Und dann gibt es doch auch noch die Lösungen, die zusammengefasst im Anschluss an den Aufgabenteil abgebildet werden. Die Auseinandersetzung mit Aufgabe und Lösung wird klar einen Lernerfolg bringen. Und es gibt auch noch einen Trost: Selbst der sehr starke Spieler wird nicht alle Nüsse knacken!

Burgess nutzt den Ehrgeiz des Lesers als Motivationsmotor. Er vergibt Punkte für richtige Ideen, Initialzüge oder Komplettlösungen. Diese können am Ende des Buches in einer Tabelle zusammengefasst werden, die dann eine Spielstärke zuordnet. Als so ganz jedem Zweifel enthoben muss man diese Klassifizierung nicht ansehen, sie erfüllt aber auf jeden Fall einen ordentlichen Zweck.

Die Aufgaben sind acht Kapiteln mit den folgenden Überschriften zugeordnet:

- Not Just for Beating Your Dad!
- Putting Your Knowledge to Work
- Endgame Skills
- Creativity
- Attack, Defence and Counterattack
- Vision
- Leaving the Comfort Zone Behind
- A Tough Day at the Office

Zwei Beispiele möchte ich herausziehen, um an ihnen zumindest andeuten zu können, was den Leser mit "The Gambit Book of Instructive Chess Puzzles" erwartet, auch wenn dies nur für so etwas wie ein "Gefühl" dessen reichen kann. Zunächst eine Aufgabe von minderer Schwierigkeit, deren Lösung mich fasziniert. Zu finden ist sie im Kapitel 4 (Creativity), trägt die Nummer 103 und gibt die folgende ausführliche Anweisung (manchmal gibt Burgess auch nur an, wer am Zug ist): "Black is an exchange down, and achieved a draw after 41…Sd4 42.Tf8 Se2 43.Tf3 Sd4 44.Tf8 ½-½. This seems a success, but could he have done any better?"
Sinngemäß übersetzt heißt dies: Schwarz liegt materiell zurück und erreichte ein Remis nach 41…Sd4 42.Tf8 Se2 43.Tf3 Sd4 44.Tf8 ½-½. Dies sieht nach einem Erfolg aus, aber war vielleicht mehr für ihn drin?

Diagramm 1



Die folgende "Hammeraufgabe" ist in Kapitel 8 zu finden (Aufgabe 294). Die Anweisung lautet: "Black must coordinate his rook and pawns." Auch hier wieder die Übersetzung: Schwarz muss seinen Turm und die Bauern koordinieren.
Und nun finden Sie mal heraus, warum …Tf2 der einzige Gewinnzug ist!

Diagramm 2



"The Gambit Book of Instructive Chess Puzzles" ist Schachtraining und -unterhaltung zugleich. Die Anforderungen an die Englischkenntnisse des Lesers sind durchschnittlich.

Fazit: Ich empfehle dieses Werk jedem, der für wenig Geld (10,95 Euro) seine Fähigkeiten schulen und dabei unterhalten werden will.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

the Caro-Kann, move by move

Cyrus Lakdawala
the Caro-Kann, move by move
432 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-85744-687-6
24,95 Euro




the Caro-Kann, move by move
"the Caro-Kann, move by move" von Cyrus Lakdawala ist der nächste Spross der noch jungen "move by move"-Serie von Everyman Chess. Diese Serie folgt dem anspruchsvollen Ansatz, das Studium einer Eröffnung über die Simulation einer Schulung zwischen Lehrer und Schüler zu ermöglichen. In die Darstellung der Theorie sind Fragen und Übungen eingebettet, die sich unmittelbar an den Leser richten und von diesem an exakt dieser Stelle beantwortet bzw. ausgeführt werden sollen. Die Antwort oder Lösung gibt das Werk sofort im Anschluss. Der Inhalt einer Frage kann von einer schlichten Klärung des "Warum" einer Buchaussage bis hin zu einer umfassenden Einschätzung ragen. So ähnlich verhält es sich auch mit den Übungen. Sie können recht offen gestaltet sein, sodass beispielsweise eine eigene Stellungsanalyse vorzunehmen ist, aber auch sehr konkret, beispielsweise mit dem Inhalt, wie eine Seite nach einem bestimmten gegnerischen Zug einen Bauern gewinnen könnte. Diese Struktur des Werkes führt bei der Arbeit mit ihm tatsächlich zu dem Eindruck des geführten Lernens, nur dass eben die Anleitung des Lehrers nicht mündlich erfolgt sondern textlich eingebunden.
Vorbehaltlich dessen, dass ich richtig gezählt habe, enthält "the Caro-Kann, move by move" insgesamt 548 Fragen und Übungen, was einem Schnitt von rd. 1,25 je Seite entspricht. Es wird dem Leser also einiges an eigener Denkleistung abverlangt, wenn er konzentriert und diszipliniert mit diesem Werk arbeitet.

Ein anderer Aspekt: "the Caro-Kann, move by move" will den Leser "Caro-Kann" zum um Zug erlernen lassen. Caro-Kann ist aber nicht irgendein schmales System, dessen Theorie umfassend in einem einzigen Buch wie diesem dargestellt werden könnte, sondern ein Meer an Systemen, Varianten und Zügen. Das vorliegende Werk hat 432 Seiten, nach dem ersten Eindruck also ordentlich viel Raum für die Darstellungen. Erneut mein richtiges Zählen vorausgesetzt sind insgesamt 565 Diagramme integriert, jeweils auf der Seite zentriert. Es passen ca. drei Diagramme auf eine Seite, sodass rund 190 Seiten durch Diagramme gebunden sind. Zieht man vom Gesamtumfang neben diesen Seiten auch noch den Raum für die Beschreibung der Fragestellungen und Übungen sowie für die Bezeichnung der Partien, auf deren Basis die theoretischen Erörterungen erfolgen, ab, so dürfte grob überschlägig "für die Theorie" Platz auf etwas mehr als 200 Seiten verbleiben. Dies unterstreicht, dass "the Caro-Kann, move by move" "nur" Ausschnitte von Caro-Kann berücksichtigen kann, der Titel also nicht als eine umfassende Darstellung interpretiert werden darf.
Das Werk ist auch ein Repertoirebuch. Es schult den Leser, das von ihm abgedeckte Repertoire zu erlernen, zumindest in erster Linie. Daneben schult es auch des Lesers allgemeine Fähigkeiten im Spiel, besonders mit Bezug auf die Eröffnungsphase und dabei wiederum besonders für Stellungsbilder aus Caro-Kann (mit einem Lernerfolg auch für im Werk nicht konkret behandelte Abspiele).
Es ist deshalb m.E. wichtig, dem Interessenten anzuzeigen, aus welchen Initialzugfolgen sich das Repertoire ableitet. Für diesen Zweck mache ich eine Anleihe beim Variantenverzeichnis. Lakdawala deckt ab:

  • 1.e4 c6 2.d4 d5 3.Sc3 dxe4 4.Sxe4 Sd7 5.Sf3 Sf6 6.Sxf6 (6.Sg3 e6 7.Ld3 Le7; 7…c5) 6…Sxf6 7.Lc4; 7.Se5
  • 1.e4 c6 2.d4 d5 3.Sc3 dxe4 4.Sxe4 Sd7 5.Lc4 Sgf6 6.Sg5 e6 7.De2 Sb6 8.Ld3 (8.Lb3 h6 9.S5f3 c5 10.Lf4; 10.dxc5; 10.Le3) 8…h6 9.S5f3 c5 10.dxc5 (10.Le3) 10…Lxc5 11.Se5 Sbd7 12.Sgf3 Dc7 13.0-0; 13.Lf4
  • 1.e4 c6 2.d4 d5 3.Sc3 dxe4 4.Sxe4 Sd7 5.Sg5 Sgf6 6.Ld3 e6 7.S1f3 (7.De2) 7…Ld6 8.De2 h6 9.Se4 Sxe4 10.Dxe4 Dc7 11.Dg4 (11.Ld2; 11.0-0 b6 12.Dg4 Kf8) 11…Kf8 12.0-0 b6 (12…c5 13.Dh4; 13.b3) 13.b3 Lb7 14.Lb2 Sf6 15.Dh3; 15.Dh4
  • 1.e4 c6 2.d4 d5 3.e5 Lf5 4.Sc3 e6 5.g4 Lg6 6.Sge2 c5 7.Le3 (7.h4 h5 8.Sf4 Lh7 9.Sxh5 Sc6 10.dxc5 Lxc5 11.Lg2; 11.Lb5) 7…Sc6 8.dxc5 Sxe5 9.Sf4; 9.Sd4
  • 1.e4 c6 2.d4 d5 3.e5 Lf5 4.Sf3 e6 5.Le2 Sd7 6.0-0 (6.Le3) 6…Lg6 7.Sbd2 (7.b3 Sh6 8.c4 Sf5 9.Sc3 [9.Te1]; 7.c3) 7…Sh6 8.Sb3 Sf5 9.g4; 9.h3
  • 1.e4 c6 2.d4 d5 3.e5 Lf5 4.Ld3 (4.g4; 4.c4; 4.h4; 4.Le3) 4…Lxd3 5.Dxd3 e6 6.Se2; 6.Sc3
  • 1.e4 c6 2.d4 d5 3.exd5 cxd5 4.c4 Sf6 5.Sc3 (5.Sf3) 5…e6 6.Sf3 Lb4 7.cxd5 (7.Ld3 dxc4 8.Lxc4 0-0 9.0-0 b6 10.Lg5; 10.De2) 7…Sxd5 8.Ld2 (8.Dc2) 8…Sc6 9.Ld3 Le7 10.0-0 0-0 11.De2; 11.a3
  • 1.e4 c6 2.c4 d5 3.cxd5 cxd5 4.exd5 Sf6 5.Lb5 +; 5.Da4+; 5.Sc3
  • 1.e4 c6 2.d4 d5 3.exd5 cxd5 4.Ld3 Sc6 5.c3 Dc7 6.Se2; 6.h3; 6.Sf3
  • 1.e4 c6 2.Sc3 d5 3.Sf3 Lg4 4.h3 Lxf3 5.Dxf3 Sf6 6.d3; 6.d4; 6.g3
  • 1.e4.c6 2.d4 d5 3.f3 Db6 4.Sc3 (4.a4) 4…dxe4 5.fxe4; 5.Sxe4
  • 1.e4 c6 2.d3 (2.Se2; 2.Sf3) 2…d5 3.Sd2 e5 4.Sgf3 Ld6 5.g3 Sf6 6.Lg2 0-0 7.0-0 Sbd7 8.De2; 8.b3

Lakdawala hat dem vorgeschlagenen Repertoire einen deutlichen eigenen Anstrich gegeben, was allzu natürlich ist. Dabei folgt er nicht einfach Modelinien, lässt solche bisweilen sogar bewusst aus. Hierauf macht er beispielsweise auf den Seiten 18 und 19 aufmerksam, als er nach 1.e4 c6 2.d4 d5 3.Sc3 dxe4 4.Sxe4 "nur" 4…Sd7 berücksichtigt und nicht auch 4…Lf5. Wie bei jedem Repertoirebuch sollte sich also der Interessent, der sich bereits auf einen bestimmten Repertoirezweig festgelegt hat, vergewissern, ob dieser auch tatsächlich in "the Caro-Kann, move by move" behandelt wird.

Das Werk führt die behandelte Variante zu Beginn eines Kapitels jeweils kurz ein und behandelt sie dann weiter anhand von Partien aus der Praxis, von denen eine im Fernschach gespielt worden ist. Lakdawala versteht sich gut darauf, den Leser in die grundsätzlichen Prinzipien eines Abspiels einzuweihen und auch den Sinn und Zweck einzelner Züge zu erklären. Also im Klartext: Lakdawala erklärt gut! Der Leser erfährt die Theorie und auch den Grund, warum dieses oder jenes so ist, er erlernt das planvolle Spielen unter Berücksichtigung der Anforderungen der von ihm gewählten Eröffnung Caro-Kann.
Das Repertoire ist aus der Sicht von Schwarz geschrieben, das Buch ist aber auch von Weiß gut zu nutzen.

Das Werk kann besonders auch ein Gewinn für den Fernschachspieler sein. Dieser kann seine praktische Partie mit "the Caro-Kann, move by move" an der Hand führen und so im wahrsten Sinne des Wortes Buchvarianten spielend erlernen.

"the Caro-Kann, move by move" ist in Englisch verfasst, mit schulenglischen Sprachkenntnissen aber gut aufzunehmen. Die eine oder andere Vokabel war mir unbekannt, mit einem Wörterbuch zur Hand können solche Problemchen sofort ausgeräumt werden.

Fazit: Mit "the Caro-Kann, move by move" habe ich das zweite Buch aus der "move by move"-Serie von Everyman Chess kennen gelernt. Es bestätigt den schon gefundenen guten ersten Eindruck, es ist ein überzeugendes Werk. Für den Spieler mit Interesse am abgedeckten Repertoire und dem Ziel, Caro-Kann in diesen Gefilden wie unter der Betreuung eines Schachtrainers zu erlernen, ist das Werk eine klare Kaufempfehlung.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

Das Alterman Gambit-Handbuch, Gambits mit Weiß

Boris Alterman
Das Alterman Gambit-Handbuch, Gambits mit Weiß
456 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-3-942383-75-2
21,99 Euro




Das Alterman Gambit-Handbuch, Gambits mit Weiß
"Das Alterman Gambit-Handbuch - Gambits mit Weiß" ist der wortgleich übersetzte Titel einer Neuerscheinung in englischer Sprache aus 2010; die deutsche Ausgabe ist Ende 2011 auf den Markt gekommen. Boris Alterman, starker Großmeister und Gambit-Spezialist aus Israel, widmet sich den folgenden Gambits (oder Eröffnungen mit "Gambit-Charakter" bzw. Gambit-Abspielen daraus), alle mit dem Anzug des weißen Königsbauern beginnend:

Nordisches Gambit (1.e4 e5 2.d4 exd4 3.c3 dxc3 4.Lc4)
Urusow-Gambit (1.e4 e5 2.Lc4 Sf6 3.d4 exd4 4.Sf3 Sxe4 5.Dxd4)
Philidor-Verteidigung (1.e4 e5 2.Sf3 d6 3.d4)
Cochrane-Gambit (1.e4 e5 2.Sf3 Sf6 3.Sxe5 d6 4.Sxf7)
Morphy-Angriff (1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Sf6 4.d4) Max-Lange-Angriff (1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Sf6 4.d4 exd4 5.0-0 Lc5)
Evans-Gambit (1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Lc5 4.b4)
Panow-Angriff (1.e4 c6 2.d4 d5 3.exd5 cxd5 4.c4) - der Panow-Angriff nimmt in dieser Sammlung eine gewisse Sonderstellung ein, weil er in seinen Hauptlinien keine Gambiteröffnung ist)
Morra-Gambit (1.e4 c5 2.d4 cxd4 3.c3)
Milner-Barry-Gambit (1.e4 e6 2.d4 d5 3.e5 c5 4.c3 Sc6 5.Sf3 Db6 6.Ld3 cxd4 7.cxd4 Ld7 8.0-0).

Alterman verfolgt weder den Zweck, im Stile einer Monografie alle Facetten dieser Eröffnungen darzustellen, noch will er jeweils ein vollständiges Repertoire anbieten. Seine Motivation deutet er in der Einführung an, als er zunächst die große Bedeutung der Taktik für das Gelingen der Partie herausstellt und dann weiter ausführt: "Warum empfehle ich dem Leser, aggressive und angriffsorientierte Eröffnungen zu studieren? (…) Wenn man Gambiteröffnungen spielt, lernt man schnell die wichtigsten Prinzipien der Eröffnungsstrategie: die Bedeutung der Entwicklung, kombinatorische Motive, die Kraft der Initiative, das Ausnutzen eines Entwicklungsvorsprungs und andere nützliche Dinge."
Alterman will dem Spieler unterhalb des meisterlichen Niveaus quasi einen Trainingskurs anbieten, mit dem dieser zugleich den Grundstock für ein eigenes Repertoire aufbauen kann und erlernt, wie man im flexiblen Umgang mit den Werten Material, Raum, Entwicklung etc. allgemein gut die Eröffnung spielt. Dabei baut er auf einem Kurs auf, der seinen Ursprung im Internet gefunden hat. Als erfahrener Schachtrainer versucht er u.a. gezielt dort anzusetzen, wo er über - auch im Internet - selbst geführte Partien Defizite erlebt hat.

Die Auswahl der behandelten Gambits unterstreicht, dass Alterman nicht einfach ein grundsolides Repertoire vorstellen will, denn nicht alle dieser Eröffnungen gelten nach dem Stand der Theorie als vollwertig. Abgesehen vom Spaß, den das Spiel mit den vorgestellten Gambits bringt, hängt er den damit verbundenen Lernerfolg für den Spieler, den Zuwachs an allgemeinem Spielverständnis hoch. Beispiele wie das Nordische Gambit und das Cochrane-Gambit sind hochinteressant und verlangen einen beherzten Umgang mit dem Material und insbesondere der Entwicklung, um die Verteidigung des Gegners vor große Probleme zu stellen, tragen dabei aber das hohe Risiko in sich, den Anwender auf die Verliererstraße zu bringen, wenn Schwarz keine bedeutenden Fehler macht.

Die einzelnen Kapitel sind ähnlich, wenn auch nicht identisch aufgebaut. Zunächst wird das behandelte Gambit vorgestellt bzw. eingeführt, wobei der Umfang natürlicherweise davon abhängt, was es hierfür selbst hergibt. Die typischen Ideen und die Hauptaspekte in der Anwendung werden in der Folge anhand von Partien erörtert. Hervorzuheben ist eine "Merkbox", die Alterman im Anschluss an einzelne Abschnitte anhängt. Sie ist mit "Was wir gelernt haben:" überschrieben und enthält in prägnanter Form zusammenfassende Feststellungen, Merk- und Leitsätze. Diese Box und ihre Gestaltung unterstreichen den Schulungsanspruch von "Das Alterman Gambit-Handbuch - Gambits mit Weiß" und auch die Adressierung an den Spieler im Anfangs- und Fortgeschrittenenstadium unterhalb des Niveaus des schon besonders erfahrenen Schachfreundes.
Auch der Abschluss der einzelnen Kapitel differiert. Mal setzt ein umfassendes Fazit den Schlusspunkt, mal sind es auch an den Leser gerichtete Übungen und die Lösungen dazu.

Ein Variantenverzeichnis am Ende unterstützt den Leser bei der Orientierung im Buch.

In der Gesamtbetrachtung möchte ich "Das Alterman Gambit-Handbuch - Gambits mit Weiß" nicht allein unter "Eröffnungswerk" einordnen, auch wenn es fast nur um Gambitspiele und so um die Eröffnung geht. Da Alterman viel Wert auf allgemeine Prinzipien legt und deren Behandlung auch die einzelnen Gambits übergreifend im Auge hat, ragt es zumindest auch ein wenig in die Sparte der Taktikbücher hinein. Ich denke, dass der Leser allgemein von diesem Werk profitieren wird, auch hinsichtlich des Schachverständnisses und seiner taktischen Fähigkeiten.
Mit 456 Seiten, die der Käufer für den Betrag von 21,99 Euro erhält, ist "Das Alterman Gambit-Handbuch - Gambits mit Weiß" ein ehrliches Angebot.

Fazit: "Das Alterman Gambit-Handbuch - Gambits mit Weiß" ist ein empfehlenswertes Werk vor allem für den Spieler unterhalb des meisterlichen Niveaus.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

SOS - Secrets of Opening Surprises

Jeroen Bosch u.a.
SOS - Secrets of Opening Surprises
143 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-366-3
17,95 Euro




SOS - Secrets of Opening Surprises
Aus der Serie "SOS - Secrets of Opening Surprises" ist vor wenigen Tagen der Band 14 erschienen. Damit hat sich die Serie, die unter der Betreuung von IM Jeroen Bosch von New in Chess herausgegeben wird, längst einen festen Platz in der Schachliteratur gesichert. Sie folgt dem roten Faden, ungewöhnliche, von den Hauptlinien abweichende Eröffnungsideen an den Leser zu bringen. Die Abweichungen sollen ordentlich spielbar sein und liegen oft im Verlauf der ersten sechs Züge der Partie.
Der Band 14 enthält 17 Kapitel, von denen sich 16 jeweils einer bestimmten Idee widmen. Das erste Kapitel hält den Blick auf Varianten aufrecht, die in früheren Bänden vorgestellt worden sind, indem es vor allem auf neue und in praktischen Partien gemachte Erfahrungen eingeht. Für den Leser bringt dies den Vorteil, dass er durch "SOS - Secrets of Opening Surprises" auf einem aktuellen Stand bleibt, sofern er frühere Vorstellungen aufgegriffen oder zumindest in seine Betrachtung gezogen hat.

Die folgende Tabelle gibt Auskunft über die Neuvorstellungen im Band 14, die Bearbeiter der Kapitel sowie über die konkreten Zugfolgen bis hin zum jeweiligen Schlüsselzug.

Kap. 2 Jeroen Bosch SOS in the Lasker Defence 1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 d5 4.Sc3 Le7 5.Lg5 h6 6.Lh4 0-0 7.e3 Se4 8.Lxe7 Dxe7 9.Tc1 c6 10.h4
Kap. 3 Simon Williams King´s Gambit Tartakower Variation 1.e4 e5 2.f4 exf4 3.Le2
Kap. 4 Alexander Finkel An Opening Bomb in the Slav 1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sf3 Sf6 4.e3 Lf5 5.Sc3 e6 6.Sh4 Le4 7.f3 Lg6 8.Db3 b5
Kap. 5 Dimitri Reinderman Sicilian Najdorf: the "Mejvik Variation" 1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.Sb3
Kap. 6 Sinisa Drazic A King´s Indian Surprise 1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 Lg7 4.e4 0-0 5.Sf3 d6 6.Le2 e5 7.0-0 h6
Kap. 7 Igor Lysyj Queen´s Indian: Chernyshov´s Line 1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 b6 4.a3 Lb7 5.Sc3 Se4
Kap. 8 Jeroen Bosch An Unusual Taimanov 1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 e6 5.Sc3 Dc7 6.g3 a6 7.Lg2 h5
Kap. 9 Maurits Wind The Mayet Defence 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 Ld6
Kap. 10 Arthur Kogan English Opening: Early Inspiration 1.c4 e5 2.a3
Kap. 11 Alexander Finkel Caro-Kann Advanced: an SOS Trend 1.e4 c6 2.d4 d5 3.e5 Lf5 4.Sd2 e6 5.g4
Kap. 12 Matthieu Cornette Grünfeld Fianchetto: a New Idea 1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sf3 Lg7 4.g3 0-0 5.Lg2 d5 6.cxd5 Sxd5 7.0-0 Sc6 8.Sc3 Lf5
Kap. 13 Max Illingworth Sicilian: the Illingworth Gambit 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 a6 5.c4 Sf6 6.Sc3 Lb4 7.Ld3 Sc6 8.0-0
Kap. 14 Jeroen Bosch Avoiding the King´s Indian Sämisch 1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.f3 Sc6
Kap. 15 Sinisa Drazic Sicilian: the Bücker-Welling Variation 1.e4 c5 2.Sf3 h6
Kap. 16 Jeroen Bosch Fianchetto in the Alekhine Four Pawns 1.e4 Sf6 2.e5 Sd5 3.c4 Sb6 4.d4 d6 5.f4 g6
Kap. 17 Arthur Kogan King´s Gambit - a Patzer Check 1.e4 e5 2.f4 Dh4+

Oft zielen die vorgestellten Varianten auch darauf ab, den Gegner zu überraschen. Damit wird auch der Effekt verfolgt, dass der Gegner ganz früh in der Partie sein festes Variantenwissen verlassen und eigenständig seine Partie spielen muss. Dies macht "SOS - Secrets of Opening Surprises" besonders für den Nahschachspieler interessant, dessen Gegner, anders als jener im Fernschach, in kurzer Zeit am Brett und ohne Computerhilfe seine Züge finden muss. Aber auch im Fernschach sollten zumindest einige Abspiele Aussicht auf Erfolg in sich tragen. Andere versprechen auf jeden Fall Spielspaß und warten auf ihren Einsatz in Partien, in denen der Turniererfolg für die Motivation des Spielers zur Teilnahme nicht zwingend die erste Geige spielt, z.B. in Thematurnieren oder in wertungsfreien Partien. Im Rapid-Fernschach aber wiegt auch der Überraschungseffekt wieder etwas schwerer.

Die Ideen werden jeweils kurz eingeführt und dann weiter vorgestellt, wobei sich die Tiefe der Untersuchung von Abspiel zu Abspiel sehr unterscheiden kann. Dies ist nur natürlich, da sich auch zum verfügbaren praktischen Material erhebliche Unterschiede zeigen. Mal bilden Partien die Basis der gesamten Untersuchung, mal ergänzen sie eine theoretische Betrachtung.
Das Buch ist in Englisch geschrieben. Im Wesentlichen aber stellt es durchschnittliche Ansprüche an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers.


An die Leser von "SOS - Secrets of Opening Surprises" richtet sich auch ein Wettbewerb, bei dem 250 Euro gewonnen werden können. Diese sind aufgerufen, Partien einzureichen, die mit einer "SOS"-Variante gespielt worden sind. Diese Variante kann auch Inhalt eines früheren Bandes gewesen sein. Die beste Partie erhält den ausgelobten Preis.

Fazit: Ein inspirierendes Büchlein zu einem angemessen Preis!


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

Grandmaster Versus Amateur

Jacob Aagaard, John Shaw und weitere
Grandmaster Versus Amateur
196 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-906552-84-8
24,99 Euro




Grandmaster Versus Amateur
In "Grandmaster Versus Amateur" aus dem Hause Quality Chess kommen sieben Großmeister zu Wort, die in insgesamt acht Kapiteln eigenständige Beiträge zum Thema "Großmeister gegen Amateur" leisten. Das Konzept für das Werk hat offensichtlich zwei Interpretationen zu seinem Gegenstand zugelassen. So geht der eine Autor der Frage nach, was das Spiel des Großmeisters von jenem des Amateurs unterscheidet, während der andere Autor den Weg / seinen Weg vom Amateur zum Großmeister skizziert und dabei auf zu ziehende Lehren hinweist. So wird bei der Arbeit mit dem Werk schon früh deutlich, dass sein Wert für den Leser nicht in einer systematischen Aufarbeitung liegt, sondern vielmehr in einer vielfältigen und inselartig angelegten Betrachtung einzelner Aspekte, stark geprägt von der Anschauung des Autors sowie dessen subjektiver Beziehung dazu. Letzteres hat auch damit zu tun, dass besonders auch der eigene Werdegang mit eigenen Partien und deren Drumherum von Autoren in den Vordergrund gestellt wird. Dies gibt die Chance auf eine authentische Darstellung auf der Basis realer Vorgänge, unterstreicht dabei zugleich aber die subjektive Prägung der gezogenen Wertungen und Schlüsse.

Die Autoren sind Jacob Aagaard (mit zwei Beiträgen), Peter Heine Nielsen, Pavel Eljanov, John Shaw, Boris Awruch, Tiger Hillarp Persson und Mihail Marin. Aagaard und Shaw haben zudem Aufgaben als Herausgeber übernommen.

Es macht wenig Sinn, das Inhaltsverzeichnis an dieser Stelle wiederzugeben, da die Kapitelüberschriften überwiegend pointiert gesetzt sind und nicht vermitteln, welcher Inhalt den Leser konkret erwartet.
Ganz früh übrigens macht Andrew Greet für Quality Chess darauf aufmerksam, dass sich "Grandmaster Versus Amateur" nicht etwa am fast gleichnamigen Werk von Euwe orientiert. Das Werk läuft auch tatsächlich nicht Gefahr, als neuer Wein in alten Schläuchen missverstanden zu werden.

Persönlich am besten gefallen mir die Beiträge von Eljanov, Awruch und besonders Marin. Ihnen gelingt am besten eine Symbiose von schachlicher Analyse, Ableitung von Grundsätzen, Formulierung von Erfahrungen und schlichter Unterhaltung. Allen Beiträgen gemein ist die Darstellung auf der Basis von Partien, die oft, allerdings nicht ausschließlich, unter Beteiligung des Autors gespielt worden sind. Die Kommentierung ist überwiegend deskriptiv, Analysen beschränken sich auf das Wesentliche. Wie es ein konzeptionelles Werk wie dieses verlangt, zeichnet die Kommentierung jeweils die Gemeinsamkeit aus, dass sie den Schwerpunkt auf das gemeinsame Thema setzt. So wird in den Partien herausgearbeitet, was konkret das Spiel des Großmeisters von jenem des Amateurs unterscheidet, welche Stärken und Schwächen einen Großmeister und einen Amateur verallgemeinert unterscheiden, mit welcher zielgerichteten Arbeit ein amateurhaftes Spiel verbessert werden kann bzw. wie ein Großmeister (der Autor) seinen Status erreicht hat usw.

Ich denke, dass ein diszipliniert mit dem Werk arbeitender Leser für sich die Hilfestellung darin findet, sein Spiel zu verbessern. Nur ist er beim Erkennen und Isolieren dessen, was für ihn von Belang sein kann, selbst gefordert, "Grandmaster Versus Amateur" ist keine konsumfertige "Wohlstandsbrühe". Inhalte dieses Werkes sollten ihm dabei helfen können, gezielt an der Vervollkommnung seines Spiels zu arbeiten, auch wenn dies bisweilen nur Fingerzeige sein sollten. Nicht dieses Werk an sich wird sein Spiel verbessern, dieses Werk kann ihm dabei helfen, durch die Arbeit mit anderen Werken, weiteren Medien, an den eigenen Partien etc. seine Fähigkeiten zu verbessern.

Verzeichnisse zu den Partien, Spielernamen, Eröffnungen schließen das in Englisch verfasste Werk ab, dass ganz überwiegend aber mit Schulenglisch ordentlich zu verstehen sein sollte.

Fazit: Ein gelungenes Werk, das in meinen Augen dem Spieler vor allem als Werkzeug und Anleitung dienen kann.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

The Art of the Endgame

Jan Timman
The Art of the Endgame
269 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-369-4
24,95 Euro




The Art of the Endgame
"The Art of the Endgame" ist der gelungene Titel eines neuen Werkes von Jan Timman, erschienen bei New in Chess. Er deutet bereits an, dass es sich dem Endspiel im Schach nicht allein aus spielpraktischer Warte widmet, sondern auch die überraschenden, faszinierenden Wendungen in den Fokus bringt.
Man ist allgemein geneigt, dem Endspiel nicht allzu viel unterhaltsames Potenzial beizumessen. Dass diese Grundeinstellung der letzten Phase des Schachspiels gegenüber falsch ist, beweist Timman auf eindrucksvolle Weise. Der Untertitel des Werkes, "My Journeys in the Magical World of Endgame Studies", bestätigt Timmans Sichtweise, übersetzt also "Meine Reisen in die magische Welt der Endspielstudien".

Im Endspiel befinden sich regelmäßig nur noch wenige Steine auf dem Brett. Oft sind es nur Nuancen, die eine Stellung als gewonnen, remis oder gar verloren unterscheiden. Diese zu erkennen und aus ihnen die richtigen Endscheidungen abzuleiten, trägt tatsächlich etwas von Kunst im Endspiel in sich.

Wenn man sich vor Augen führt, dass eine lang und zäh geführte Partie regelmäßig nicht am Endspiel vorbei kommt, letztendlich in dieser Phase der Partie abschließend über den Ausgang entschieden wird, wird deutlich, wie wichtig es für den Spieler ist, das Endspiel zu beherrschen. Und dass es auch mit Spaß und Faszination verbunden sein kann, sich dem Endspiel zu widmen, beweist Timman mit "The Art of the Endgame".

Ich erinnere mich an ein Zitat von Magnus Carlsen, das ich in einem anderen Werk gelesen habe. Es lautete sinngemäß: "Was nützt es, wenn man 20 Züge im Voraus berechnen kann, wenn bereits ein Fehler im ersten Zug steckt?" Diese Frage bezieht ihre Berechtigung aus der Logik. Genauso logisch ist folgende Frage: "Was nützt es, wenn man die Eröffnung und das Mittelspiel sehr stark zu spielen weiß, das Besondere am Endspiel aber nicht kennt und deshalb hier den möglichen Erfolg vergibt?"
"The Art of the Endgame" setzt sehr auf das Faszinierende im Endspiel, es will auf jeden Fall auch unterhalten. Aber es hat auch ein immenses Lehrpotenzial. Wer dieses Werk durcharbeitet, auch sukzessive alle paar Tage mal einen Abschnitt, wird sein Endspiel verbessern. Diese klare Aussage treffe ich für Leser jeder Spielstärke, auch für denjenigen mit meisterlichen Fertigkeiten. Und wenn der spielerische Profit je nach Spielstärke vielleicht unterschiedlich ausfallen mag, so ist das Werk für alle in etwa gleich unterhaltsam.

"The Art of the Endgame" enthält 14 Kapitel mit, sinngemäß ins Deutsche übersetzt, folgenden Überschriften:

- Miniaturstudien
- Turm gegen Läufer
- Verhinderung einer Bauernumwandlung
- Verschiedene Umwandlungskombinationen
- Bauernumwandlung in einen Springer
- Bauernumwandlung in einen Läufer
- Matt-Schemata
- Patt-Schemata
- Wechselseitiger Zugzwang
- Eine Festung bilden
- Systematische Manöver
- [Anmerkung: Die Überschrift dieses Kapitels kann nicht kurz übersetzt werden, wenn der Inhalt aus ihr hervorgehen soll]: Aufgabe eines oder mehrer Steine, um bei sonst unveränderter Stellung Nutzen aus deren Spezifika zu ziehen
- Darstellung von drei besonderen Themen (Troitzky/Amelung Position, Valladao-Aufgabe, Abwicklung zu einem Bauernendspiel)
- Verschiedenartige Studien.

Die Ausgangsstellungen werden mittels eines Diagramms eingeführt. Sie stammen aus Timmans praktischen Partien, seinen Studien und auch aus fremden Quellen beiden Ursprungs. Ganz überwiegend steht eine klare Hauptlinie im Ablauf im Vordergrund, die Darstellung von Abweichungen ist eher eine Ausnahme, sie beschränkt sich dann auf das absolut Wesentliche. Variantenketten gibt es so gut wie nicht.
Allgemein wirken Studien manchmal etwas gekünstelt. Auch in Timmans Werk gibt es Stellungen, die "partiefremd" sind. Auch wenn sie in der Praxis kaum so entstanden wären, haben sie ihren praktischen Wert. Üblicherweise wird durch die Komposition ein Thema regelrecht aus der Stellung "heraus gekitzelt". Beispielsweise kommt die Unterverwandlung eines Bauern in eine Leichtfigur in einer Partie nur sehr selten vor. Sieht man sie dann als wesentliches Element einer Studie, so ist das Motiv einerseits faszinierend, andererseits rückt die Studie den Blick auch wieder in die Richtung auf all jene Aspekte, die in einer Partie bei einer Umwandlung beachtet werden sollten.

Das Werk ist in Englisch verfasst, wird den Leser mit durchschnittlichen Sprachkenntnissen aber kaum vor Probleme stellen.

Fazit: "The Art of the Endgame" ist ein gelungenes Werk, das zugleich unterhält und die Endspielfertigkeiten schult.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

Kämpfen und siegen mit Magnus Carlsen

Adrian Michaltschischin / Oleg Stetsko
Kämpfen und siegen mit Magnus Carlsen
312 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-3-283-01021-8
24,95 Euro




Kämpfen und siegen mit Magnus Carlsen
Wer ist Magnus Carlsen und was macht ihn zugleich zu einem Phänomen, für die (Schach-) Öffentlichkeit interessant und doch auch etwas geheimnisvoll? Man verspürt Wissenshunger, wenn man dem Namen Magnus Carlsen begegnet, man möchte sich ein Bild vom Menschen und seinem so hoch gelobten und erfolgreichen Spiel machen, das Drumherum und die Hintergründe seiner Atem beraubenden Karriere erfahren.
Mit "Kämpfen und siegen mit Magnus Carlsen" von Michaltschischin und Stetsko erhält der Interessierte eine Steilvorlage, um seinen Wissenshunger zu befriedigen, um Magnus Carlsen in gewisser Weise zu begegnen. Dieses unterhaltsame und zugleich informative Werk aus der Edition Olms, für das sich Ken Neat und der auch als DSB-Pressereferent geschätzte Raymund Stolze als Herausgeber verantwortlich zeigen, zeichnet auf 312 Seiten, gefüllt mit 64 kommentierten Carlsen-Partien und ganz viel Text ein ziemlich rundes Bild von dem jungen Norweger. Sein Werdegang bis zur heutigen Größe, seine Arbeit mit Garri Kasparow, seine Arbeit an sich selbst im Selbststudium sowie sein Erstarken auch aus Fehlern und Rückschlägen werden beinahe klassisch herausgearbeitet. Dabei ist "Kämpfen und siegen mit Magnus Carlsen" alles andere als ein Buch, das in irgendeiner Weise wissenschaftlichen Ansprüchen genügen will, es ist einfach sehr gutes Schachkino.
Die Partien stammen aus den Jahren 2003 bis 2011, decken also die gesamte öffentliche Schachkarriere Carlsens ab. Sie sind vor allem textlich kommentiert, Analysen beschränken sich auf das Wesentliche. Der geübte Leser kann die Partien ohne Zuhilfenahme des Brettes nachvollziehen, wobei ihm an markanten Stellen eingearbeitete Diagramme helfen. Bei durchschnittlich langen Partien lassen sich in der Regel vier bis sechs Diagramme zählen. Sparsam kommen auch Diagramme in Abweichungen/Analysen zum Einsatz, die etwas kleiner als die Partiediagramme und so schon beim ersten Blick leicht zu erkennen sind.

Bei der Arbeit mit "Kämpfen und siegen mit Magnus Carlsen" hat mich das Werk gefesselt. Ich konnte es nicht gut aus der Hand legen, denn ich wollte permanent wissen, wie es weitergehen würde. Dies lag vor allem an den Textinhalten.

Natürlich stellt sich bei einem Buch wie diesem auch die Frage, ob sich durch eine intensive Beschäftigung mit den Partien auch ein Lerneffekt erzielen lässt. Dies möchte ich auf jeden Fall annehmen, wobei ich dieses mehr im Bereich des Mittelspiels und nachrangig auch des Endspiels verorten möchte, weniger in der Eröffnung. Von Carlsens Partieanlage in den Partien der letzten Jahre, seinem strategischen Vorgehen und weitgehend durchgängig seiner taktischen Finesse kann der interessierte Leser nur profitieren. Für diesen Wert des Buches sollte aber sicher ein herkömmliches Brett oder der Computerbildschirm, wie es Carlsens Trainingsmethode entspricht, zum Einsatz kommen.

Ein Teil des Anhangs läuft unter der Überschrift "P.S." und enthält Originalzitate Carlsens. Wenn ich einen Tipp geben darf: Sofern Sie besonders die unterhaltsame Seite des Werkes reizt, fangen Sie hiermit an! Knapp vier Seiten sind den Zitaten gewidmet und am Ende angekommen hat man das Gefühl, den jungen Mann bereits recht gut zu kennen, als Mensch zumindest und nicht als Schachspieler.

Abgeschlossen wird das Werk von historischen Daten zu Carlsens Karriere, Statistiken sowie Verzeichnissen der Gegner, Eröffnungen, zitierten Partien etc.

Mit 24,95 Euro ist "Kämpfen und siegen mit Magnus Carlsen" im Vergleich mit anderen Büchern dieses Umfangs und dieser Qualität sogar noch recht billig. Nach meinem Geschmack und meiner natürlich rein subjektiven Einschätzung ist das Buch zweifellos jeden einzelnen Cent wert.

Fazit: Absolut empfehlenswert!


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

Das Alterman Gambit-Handbuch, Gambits mit Schwarz 1

Boris Alterman
Das Alterman Gambit-Handbuch, Gambits mit Schwarz 1
348 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-3-942383-76-9
19,99 Euro




Das Alterman Gambit-Handbuch, Gambits mit Schwarz 1
Das "Alterman Gambit-Handbuch, Gambits mit Schwarz 1" ist die deutsche Übersetzung der englischen Originalausgabe mit sinngemäß dem gleichen Titel. Der Name des Verfassers, Boris Alterman, geht bereits aus dem Titel hervor. Erschienen ist die deutsche wie auch die englische Ausgabe bei Quality Chess, der Vertrieb der deutschen Ausgabe erfolgt über die Firma Niggemann aus Heiden.

Die deutsche Übersetzung kam so kurzfristig nach der englischen Ausgabe auf den Markt, dass ich meine am Original begonnene Rezension zu diesem Zeitpunkt noch nicht fertig hatte. Ich denke, dass hier jemand ein feines Näschen dafür hatte, dass sich eine deutsche Ausgabe auf jeden Fall lohnen würde. Ohne vorgreifen zu wollen, kann ich bestätigen, dass das "Alterman Gambit Handbuch, Gambits für Schwarz 1" ein wirklich sehr gelungenes Werk ist und seine Käufer finden wird.
Der Name des Autors steht in einer engen Verbindung mit dem Gambitspiel. Als Autor wie als Spieler widmet er sich aggressiven Gambits bzw. greift er in der eigenen Turnierpraxis darauf zurück.

Nun zum Werk selbst:
Unter einem Handbuch versteht man die geordnete Zusammenstellung eines Auszugs des menschlichen Wissens, es kann als Nachschlagewerk dienen. Oft ist der Autor ein Praktiker, auch wenn dies für die Definition kein zwingendes Element ist.

Auf das hier besprochene Werk lässt sich diese Definition ohne Frage gut anwenden, sodass der Begriff des Handbuchs im Titel berechtigt verankert worden ist.
In diesem Band kommen vier Gambits in eigenen Kapiteln und weitere Gambitabspiele in einem weiteren Kapitel in den Fokus. Nach dem Inhaltsverzeichnis, hier erweitert um die Initialzugfolgen und die den Gambits jeweils gewidmeten Seiten, sind dies:
Wolgagambit, 1.d4 Sf6 2.c4 c5 3.d5 b5, 130 Seiten.
Blumenfeld-Gambit, 1.d4 Sf6 2.Sf3 e6 3.c4 c5 4.d5 b5, 51 Seiten.
Waganjan-Gambit, 1.d4 Sf6 2.c4 c5 3.Sf3 cxd4 4.Sxd4 e5 5.Sb5 d5 6.cxd5 Lc5, 77 Seiten.
1.d4 Sf6 - Nebenvarianten (insgesamt 33 Seiten für Trompowsky-Angriff, Weressow-Eröffnung, Colle-System, Londoner System und Torre-Angriff).
Englisches Gambit, 1.c4 b6 2.d4 Lb7 3.Sc3 e6 4.e4 Lb4 5.f3 f5 6.exf5 Sh6, 44 Seiten.

Der Grundaufbau der einzelnen Kapitel ist im Wesentlichen gleich. Zunächst wird das jeweilige Gambit eingeführt, wobei Alterman aber bereits Unterschiede macht. Diese sind gut begründet und gehen auf Spezifika des gerade behandelten Gambits zurück. Ich möchte dies am Beispiel des dritten Kapitels zum Waganjan-Gambit näher beschreiben.
Nachdem der Leser eingeweiht worden ist, worum es überhaupt geht, richtet Alterman den Blick sofort auf eine Besonderheit. Unter der Themaüberschrift "Die Schwäche f2" geht er auf taktische Motive ein, die sich mit einem Läuferopfer auf dem genannten Feld verknüpfen sowie mit der Rolle von …Se4. Dem Thema sind nachfolgend mehrere Partien gewidmet, in denen die Motive zum Tragen kommen (können). Diese sind so kommentiert, dass sie dem Leser Hilfe beim grundsätzlichen Verstehen leisten. Was unter dem Aspekt "wie spielt man …" theoretisch wertvoll ist, wird entsprechend herausgearbeitet. Nicht das Einpauken von mehr oder weniger gültigen Leitsätzen ist dem Leser hier auferlegt, er soll die Prinzipien veranschaulicht bekommen und diese so verinnerlichen. Am Ende jeder Partie werden die allgemein festzuhaltenden Erkenntnisse zusammengestellt. "Was wir gelernt haben:" ist die nach meinem Geschmack etwas zu naiv formulierte Überschrift dieser Inhalte. Genau diese aber unterstreichen zusätzlich den Charakter des Werkes als Handbuch. "Wie spielt man das Waganjan-Gambit" kann man in dieser Ausgabe des "Alterman Gambit-Handbuchs" bestens nachschlagen, wobei man an den eben angesprochenen Zusammenstellungen nicht vorbei kann.
Sobald "die Schwäche f2" ausreichend untersucht worden ist, geht das Werk auf "Entwicklungsfragen - S5c3, nicht S1c3" ein. Dieser Aspekt wird wie der vorhergehende behandelt, ihm folgen in gleiche Weise weitere Schwerpunkte.
Abgeschlossen wird das Kapitel mit einem kurzen Fazit zum Gambit schlechthin.
Nach dem Studium dieses Kapitels wird der Spieler gut in der Lage sein, das Waganjan-Gambit mit Verstand zu spielen. Ich möchte hier auch keine Unterschiede hinsichtlich der Spielstärke machen. Wenn jemand so stark spielt, dass er sein Repertoire gezielt um das genannte Gambit erweitern will, dann kann er auf jeden Fall auf Altermans Handbuch setzen. Auch für den Meisterspieler ist das Werk für ein Spezialgambit wie dieses eine sehr gute Grundlage.

Altermans ambitionierte Partieeinstellung wird an verschiedenen Stellen sehr deutlich. Auf Seite 55 legt er dem Leser einen Zug ans Herz, den er selbst in einer Partie nicht gespielt hat. Seine Begründung ist: "Selbst wenn Weiß alle richtigen Züge spielt, bleibt immer noch genügend Raum, um auf Sieg zu spielen.".
Auch wird oft deutlich, dass er seine ganz eigenen und spezifischen Kenntnisse, sein Expertenwissen einbringt, aber auch seine Intuition als erfahrener Gambitspieler. Letztes lässt sich zum Beispiel an gelegentlichen Einschüben wie "meine generelle Einschätzung besagt, dass …" erkennen, wenn er also keine ganz konkret an der Stellung orientierten Gründe vorträgt.

Fazit: Ein sehr gutes Buch, das ich jedem Gambitfreund wie auch demjenigen empfehlen kann, der sich gegen die behandelten Gambits als Gegenspieler gut rüsten möchte.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)

The amazing Chess Adventures of Baron Munchausen

Amatzia Avni
The amazing Chess Adventures of Baron Munchausen
235 Seiten, gebunden
ISBN: 978-1-936277-32-2
14,95 Euro




The amazing Chess Adventures of Baron Munchausen
Gerade in dem Moment, als ich meine Arbeit an dieser Rezension abgeschlossen hatte und nur noch meinen handschriftlichen Entwurf in Reinschrift bringen musste, erhielt ich Besuch von einem Freund. Dieser erschien in Begleitung eines Hundes, eines Labradors, so schwarz wie die mondlose Nacht. Während ich meinem Freund aus dem Mantel half, lief das Tier schon einmal voraus in das Wohnzimmer. Es war nur wenige Augenblicke später, als auch wir den Raum betraten, doch diese hatten ausgereicht, dem gefräßigen Tier eine Chance zu bieten.
"Dein Hund hat mein Manuskript vertilgt", weihte ich meinen Freund in den Grund für mein entsetztes Gesicht ein.
"Ja, ein Labrador frisst alles, was ihm fressbar erscheint", gab mein Freund scheinbar ungerührt zurück.
"Na toll, damit ist eine Arbeit von Stunden dahin!" Ich war konsterniert.
"Nun warte erst mal ab, das bekomme ich wieder hin. Ich habe Erfahrung damit", schien mein Freund mich trösten zu wollen.
Er beugte sich zu seinem Hund hinunter, ergriff dessen Schwanz und bewegte diesen in einer Weise auf und ab, als ob er eine alte Wasserpumpe betätige. Zunächst vermutete ich einen albernen Scherz, dann aber rieb ich mir die Augen. Mein Manuskript kam aufgerollt im Maul des Tieres zum Vorschein und mit jedem weiteren Pumpen meines Freundes spie sein Hund ein weiteres kleines Stückchen aus, bis es ganz ans Tageslicht zurückgekommen war und zu Boden fiel. Mein Freund hob es auf und reichte es mir mit den Worten: "Und steckt Papier im Labrador hol ich´s mit Pumpen wieder hervor!"

Keine Angst, liebe Leserinnen und Leser, ich bin nicht verrückt geworden! Sie können unbesorgt weiterlesen! Dies ist eine Rezension über das Buch "The amazing Chess Adventures of Baron Munchausen", auf Deutsch "Die erstaunlichen Schachabenteuer des Barons Münchhausen". So lag es für mich nahe, meine Rezension im Stile des besprochenen Werkes mit einer "Münchhausenei" zu beginnen. Und wäre es mir nun noch gelungen, diese Geschichte irgendwie mit dem Schachspiel zu verknüpfen, könnten Sie ziemlich gut erahnen, was "The amazing Chess Adventures of Baron Munchausen" Ihnen bietet.

Der Autor, Amatzia Avni, ist FIDE-Meister aus Israel und auch ein Meister im Problemschach. Das Buch ist erschienen bei Mongoose Press, USA. Es basiert auf der Idee, eine Symbiose aus einer Münchhausen-Geschichte, die der Autor jeweils selbst ersonnen hat, mit einem Inhalt aus der Welt des Schachspiels zu verbinden. Dies kann eine Partie sein, eine besondere Stellung, eine Studie oder sonst etwas.
Ich möchte hierzu ein Beispiel schildern, das mir besonders gut gefällt, auch weil die Verbindung von Geschichte und Schach sehr gut gelungen ist. Auf Seite 88 findet sich die Geschichte "Der Zyklop" (übersetzt). Münchhausen wurde in Griechenland von einem solchen Wesen gefangen gehalten, das eben mal nur ein einziges Auge hat. Er forderte den Giganten zu einem Schachspiel heraus, wobei im Falle seines Sieges die Freiheit sein Preis sein sollte. Als gewiefter Schlaufuchs, der Münchhausen nun einmal ist, wollte er Profit daraus schlagen, dass der Zyklop sicher nicht alle Ecken des Schachbretts gut im Auge behalten konnte. Er entschied sich deshalb in der erreichten Partiestellung zu einem Manöver, in dem sein weißer Turm von d1 kommend unmittelbar nacheinander in die Ecken h1, h8, a8 und dann auch noch a1 ziehen würde, um als Lohn eine Figur und damit die Partie zu gewinnen. Hier hat Avni eine Studie von C. Kaminer aus dem Jahre 1926 eingebunden, in der es genau zu dem beschriebenen eindrucksvollen Manöver kommt.
Nett ist auch das Ende dieser Geschichte. Nach Münchhausens Andeutung stimmt sie nur unter den Voraussetzungen, dass es Zyklopen gibt, diese die Buchsprache Englisch sprechen, es gerade ein Schachspiel im Käfig gab und Zyklopen ihr Versprechen einhalten …

"The amazing Chess Adventures of Baron Munchausen" enthält insgesamt 81 Geschichten, die sich auf zehn Kapitel verteilen. Diese Kapitel geben dem Ganzen eine gewisse Ordnung, die aber eher zweitrangig ist, weshalb ich hier auf eine Zusammenstellung der Überschriften verzichte.

16 Beiträge im Buch sind neu, die anderen - eine Auswahl der Besten - sind bereits von 1999 bis 2008 im britischen Schachmagazin "Chess Monthly" mit gutem Erfolg erschienen, was die meisten Leserinnen und Leser in Deutschland aber kaum kümmern dürfte.

"The amazing Chess Adventures of Baron Munchausen" ist ein unterhaltsames, ein heiteres Werk und sehr gut aufgemacht. Ein paar eingestreute Cartoons sowie das "malerische" Cover unterstreichen diese Einordnung.
Es ist in Englisch verfasst und setzt stabile Sprachkenntnisse für ein stockungsfreies Verstehen voraus.
Die Verarbeitung ist sehr gut, zur Rezension lag das Werk in einer gebundenen Fassung vor.

Fazit: Kurzweilige Unterhaltung um den Kristallisationskern Schach!


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.
(Uwe Bekemann)