Rezensionen - Einstellungsjahr 2016

Verfasser: Uwe Bekemann (sofern nicht jeweils ein anderer Verfasser genannt ist)

A Practical Black Repertoire with Sf6, g6, d6 - King's Indian

Alexei Kornev
A Practical Black Repertoire with Sf6, g6, d6 - King's Indian
379 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-619-7188-10-3
24,95 Euro




A Practical Black Repertoire with Sf6, g6, d6 - King's Indian
Mit Band 2 seines Projektes "A Practical Black Repertoire with Sf6, g6, d6" nimmt sich Alexei Kornev das Paradepferd dieses Grundaufbaus vor, die Königsindische Verteidigung. Kornevs Anliegen besteht darin, dem Nachziehenden Mittel und Wege aufzuzeigen, wie er sich mit Systemen gegen Weiß behaupten kann, die auf die im Titel skizzierte Aufbauidee setzen. Das Schwergewicht Königsindische Verteidigung nimmt den gesamten Raum dieses neuen Bandes ein.
Kornev beschränkt sich dabei nicht auf eine Darstellung der Theorie allein. Er will den Leser auch dabei unterstützen, die Waffe Königsindisch ganz gezielt einzusetzen und sich an Rahmenbelangen zu orientieren, z.B. der Person des Gegners oder der Turniersituation. In seinen Darstellungen ist er sachlich und nach meiner Wahrnehmung um Objektivität bemüht, nimmt aber zusätzliche Einflussfaktoren wie die beiden genannten mit in seine Betrachtungen auf. Sein Leser soll einzuschätzen lernen, wann und für welches Turnier sich der Einsatz anbietet, gegen welchen Gegner, mit welchen Ambitionen auf beiden Seiten, in welcher Turniersituation etc. Hier bringt er eine reichhaltige Erfahrung ein. Zugleich soll sein Leser Begleitwissen erhalten, das ihn im Austausch mit anderen mitreden lässt.

"A Practical Black Repertoire with Sf6, g6, d6" ist in zwei große Abschnitte eingeteilt, die insgesamt 27 Kapitel enthalten. Abschnitt 2 behandelt in 11 Kapiteln die Klassische Variante des Königsinders, Abschnitt 1 alles sonst, was unter der Weichenstellung des Anziehenden an Spielbarem auf das Brett kommen kann. Unter "alles sonst" sind damit die Spielweisen zu verstehen, die nicht über 1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 Lg7 4.e4 d6 5.Sf3 0-0 6.Le2 führen, also die als "Klassische Variante" bezeichnete Ausgangszugfolge.

Um Kornevs Herangehensweise zu demonstrieren, habe ich exemplarisch und im Sinne von pars pro toto das Kapitel 17 ausgewählt. Als erste Einheit im 2. Abschnitt ist es besonders gut geeignet, weil ich die Einleitung zu diesem 2. Abschnitt gut in die Betrachtung einbeziehen kann.
In dieser erklärt Kornev u.a. die Namensgebung "Klassische Variante". Er macht dies so geschickt, dass er Leser zugleich die Aufbauelemente dieses Systems verinnerlicht, sie also unmittelbar mit dem Namen verbindet.
Im Kapitel 17 behandelt er den Abtausch 6…e5 7.dxe5 und macht Schwarz damit vertraut, in welchen Situationen er besonders mit dieser Fortsetzung seines Gegenüber, die Weiß keinen Vorteil verspricht, rechnen muss. Der Leser erfährt somit mehr als nur reine Eröffnungstheorie, sondern auch etwas zur Turniertaktik, zur konkreten Partieplanung etc. Wenn er nun weiß, dass der Anziehende den Abtausch gerne spielt, wenn er a. ein deutlich schwächeres Rating hat, er b. mit einem Remis ein passendes Ergebnis im Turnier erhielte oder c. meint, dem Schwarzen in den Endspielfertigkeiten überlegen zu sein, geht es in die Vollen der theoretischen Betrachtung.

An dieser Stelle erlaube ich mir, eine kurze Passage aus dem Buch mittels einer sinngemäßen Übersetzung zu zitieren, um einen fundierten Eindruck von Kornevs Darstellungsmethode zu vermitteln. Dieser Auszug ist auf Seite 231 zu finden, in dem es um den Nebenzug 9.Sxe5 geht. Also:

"9.Sxe5. Dieser Zug wird mit der Idee gespielt, die Partie in ein schnelles Remis zu führen. 9…Sxe4. Schwarz erlangt seinen Bauern zurück und die Stellung wird rasch vereinfacht. 10.Sxe4 (Sxf7? Lxc3 -+) 10…Lxe5 11.Lg5. Dies ist der präziseste Zug für Weiß. (Nach dem zu friedvollen Ansatz 11.0-0 kommt Weiß plötzlich in Schwierigkeiten. 11…Sc6=/+. Der schwarze Springer ist schnell zentralisiert. 12.Te1 Kg7. Dies ist eine prophylaktische Notwendigkeit. Schwarz deckt das Feld f6 und nimmt dem Anziehenden die Möglichkeit zu Lg5 und Sf6. 13.a3 Lf5 14.Sg3, Sanchez - Geller, Saltsjobaden 1952, 14…Lc2!?-/+. Der schwarze Läufer auf e5 übt einen kräftigen Druck auf das Feld b2 aus und Weiß wird kaum in der Lage sein, die Entwicklung seiner Figuren am Damenflügel ohne materielle Verluste abzuschließen.) 11…Lxb2 12.Tb1. Dies ist erneut der beste Zug für Weiß. (Nach dem einfachen Schlagen mit 12.Lxd8 kann Schwarz um Vorteil kämpfen. 12…Lxa1 13.Lxc7 Sc6. Er hat die bessere Bauernstruktur und die zwischenzeitliche Aktivität der weißen Figuren wird allmählich neutralisiert. (…)."

Wie gut zu erkennen ist, erläutert und erklärt Kornev intensiv. In einer Mischung aus kurzen Zugpassagen und Kommentaren zu Strategie und Taktik gibt er eine ausgezeichnete Anleitung, wie eine Stellung gespielt werden kann und sollte und welche Gründe zu den Empfehlungen führen. Es geht in diesem Werk also nicht allzu sehr um das Einprägen bestimmter Zugfolgen, sondern vielmehr darum, ein Verständnis für die Stellungsanforderungen zu entwickeln und damit die Königsindische Verteidigung "bewusst" spielen zu können.

Das Repertoire ist aus der Sicht von Schwarz zusammengestellt. Der Nachziehende findet also alle weißen Fortsetzungen, die Kornev für relevant hält, im Buch. Für den Spieler mit Weiß ist das Werk ebenfalls gut zu nutzen, wobei er sich bewusst sein muss, dass die für Schwarz behandelten Fortsetzungen der Auswahl Kornevs unterliegen. Es kann also sehr wohl wichtige schwarze Alternativen geben, die Kornev aber ausblendet und deshalb nicht behandelt.

Schon eingangs erklärt er, dass er intensiv auch auf Partien gesetzt hat, die im modernen Fernschach gespielt worden sind. Er begründet dies sehr nachvollziehbar damit, dass diese Partien regelmäßig rechnergestützt gespielt sein werden und damit eine entsprechende Qualität der Züge mitbringen.
Ich habe mir die Mühe gemacht und das Werk auf bekannte Namen aus dem Fernschach durchzusehen. Tatsächlich bin ich auf viele starke Spieler gestoßen. Darunter sind viele Schachfreunde aus Deutschland, so u.a. Adelseck, Hofstetter, Isigkeit, Krebs und Moll, um nur ein paar Namen zu erwähnen.

Für wen ist dieses Werk eine Empfehlung? Hinsichtlich seiner Gestaltung kann ich kaum eine Einschränkung aussprechen. Wer sich zutraut, die komplizierte Königsindische Verteidigung zu spielen, der kann auf "A Practical Black Repertoire with Sf6, g6, d6" setzen. Er erhält ein qualifiziertes Repertoire und wird zugleich quasi an die Hand genommen, dieses in seiner praktischen Partie mit Sinn und Verstand einzusetzen.

Ein detailliertes Variantenverzeichnis auf den letzten Seiten des Werkes unterstützt ein bequemes Navigieren über alle Inhalte hinweg.

"A Practical Black Repertoire with Sf6, g6, d6"stammt aus dem bulgarischen Verlag Chess Stars, ist aber in Englisch geschrieben. Der mit Fremdsprachkenntnissen auf Schulniveau ausgestattete Leser kommt gut mit dem Buch zurecht.

Fazit: Eine Empfehlung für den Spieler, der die Königsindische Verteidigung in sein Repertoire aufnehmen und dabei auf eine gut verständliche und intensive Anleitung gestützt vorgehen möchte.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Fundamental Checkmates

Antonio Gude
Fundamental Checkmates
383 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-910093-80-1
25,90 Euro




Fundamental Checkmates
1000 Wege, ins Gras zu beißen - dies ist der Titel einer US-amerikanischen Doku-Soap. "Fundamental Checkmates" von Antonio Gude ist eine seriöse Entsprechung aus der Welt des Schachspiels. Es gibt eine stattliche Anzahl an Möglichkeiten für den König, mattgesetzt zu werden. Und genau darum geht es in dieser Neuerscheinung aus 2016 bei Gambit Publications Ltd. Es sind zwar nicht gerade oder auch annähend 1000 unterschiedliche Mattmöglichkeiten, die man als Spieler - ob als Angreifer oder Verteidiger - kennen sollte, und doch erlebt man einen Aha-Effekt, wenn man sie mal so aneinandergereiht dargestellt bekommt.

Antonio Gude ist ein sehr erfahrener Schachautor und Schachlehrer aus Spanien. Im Original ist "Fundamental Checkmates" ein spanisches Werk, das nun also auch in einer englischen Sprachausgabe verfügbar ist.
Er hat in einer wahren Fleißarbeit zusammengetragen, wie und wo es den König auf dem Brett erwischen kann. Das oberste Ziel im Schach ist das Matt des gegnerischen Oberhauptes, auch wenn es in der praktischen Partie nur höchst selten genau dazu kommt. Dies geht aber darauf zurück, dass man sich als Spieler als Gebot des sportlichen Anstandes das Matt nicht zeigen lässt. Und doch ist es da, als Grund für die vorzeitige Aufgabe, es steht als anstehende Entwicklung im Raum. Und um diese Entwicklung erkennen und bei Bedarf eben auch einleiten oder eintreten lassen oder verhindern zu können, muss man ihre Erscheinungsformen kennen.

Gude hat seine Arbeit in vier große Teile gegliedert, die insgesamt 27 Kapitel beherbergen. In einer sinngemäßen deutschen Übersetzung tragen die genannten vier Teile die folgenden Überschriften:

1. Erste Schritte
2. Mattkombinationen mit zwei Steinen
3. Angriffsziel: der König in der Mitte
4. Angriffsziel: der rochierte König.

Während es im ersten Abschnitt um grundlegende Dinge wie elementare Mattbilder etc. geht, wird im zweiten die Mattführung mit unterschiedlichen beteiligten Figuren demonstriert, beispielsweise mit Dame und Turm oder mit zwei Läufern. Auch wenn hier vielleicht der Eindruck entstehen mag, dass "Fundamental Checkmates" ein Endspielbuch sein könnte, handelt es sich doch um ein allein thematisch gebundenes Werk. Ins Matt führende Manöver können in allen Partiephasen auftreten, in der Realität bietet das Endspiel allerdings die häufigsten Gelegenheiten hierzu. Hier lassen sie sich entsprechend der Behandlung im Buch kategorisieren.
Die universelle Betrachtung der Mattführung wird dann in den Teilen 3 und 4 besonders deutlich, in denen die Besonderheiten in der Stellungssituation des Königs - zentral hängen geblieben oder im Rochade-Asyl - in den Fokus genommen werden.

Die Kapitel werden jeweils kurz eingeführt, bevor der Stoff anhand einer Vielzahl an Beispielen behandelt wird. Eine Diagrammstellung, jeweils einer praktischen Partie entnommen, gibt den Auftakt der Besprechung. Die meisten der genutzten Begegnungen aus der Meisterpraxis sind bereits vor etlichen Jahren gespielt worden. In einem Buch wie diesem spielt es überhaupt keine Rolle, ob eine aktuelle oder vielleicht schon ältere Begegnung genutzt wird. Es kommt allein auf ihre inhaltliche Eignung an.
Die Erläuterungen sind als deutlich textdominiert zu bezeichnen. Analysevarianten haben eher Seltenheitswert. Die hierfür zugrundeliegende Entscheidung halte ich für richtig, denn "Fundamental Checkmates" will die Wege zum Matt allgemein veranschaulichen, dem Leser Lehr- und vor allem Übungsbuch sein.
Am Ende der Kapitel zwei bis vier findet der Leser in großer Zahl Übungsaufgaben vor, die er absolvieren soll. Hierzu bekommt er als Information nicht mehr als eine Diagrammstellung und die Angabe, welche Seite am Zug ist. Diese Übungen sind teilweise schwere Nüsse, die es zu knacken gilt. Ob der Leser den richtigen Weg gefunden hat, kann er anhand des Lösungsteils überprüfen, den er am Ende des Buches findet.

"Fundamental Checkmates" ist in meinen Augen sowohl ein Lehr- als auch ein Trainingsbuch. Die autodidaktische Arbeit mit ihm macht Spaß, zumal Gude zahlreiche erzählende Elemente aufgenommen hat. Indem man das Buch durchgeht, erfährt man viel über "Land und Leute" rund um die 64 Felder.

Für die Teile 1 und 2 sehe ich den anvisierten Adressaten beim Anfänger bzw. noch nicht allzu weit in seiner Spielstärke vorangekommenen Schachfreund. Die beiden weiteren Teile sind auf jeden Fall auch etwas für den Klubspieler.

Ich habe mir für die Vorbereitung dieser Rezension einiges an Zeit gelassen. Passagenweise habe ich das Werk testweise durchgearbeitet, immer allein auf das Buch gestützt, also ohne Brett. So kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen, dass die Arbeit mit "Fundamental Checkmates" Spaß macht und der Klubspieler ohne weitere Utensilien mit ihm zurechtkommt.

Die Anforderungen an die Englischkenntnisse sind niedrig. Mit herkömmlichem Schulenglisch kann man bequem mit dem Werk arbeiten.

Fazit: "Fundamental Checkmates" ist eine systematische Darstellung zur Thematik, wie man den gegnerischen König mit dem Ziel Matt zur Strecke bringen kann oder wie der eigene König dem Gegner ins Mattgarn gehen kann. Von grundlegenden Verfahren ausgehend bewegt sich das Buch zu fortgeschrittenen Situationen in der Form der Anwendung von Manövern nach der Art der Stellung, unterschieden nach der Königsstellung in der Rochade oder in der Mitte. Für den Anfänger ist "Fundamental Checkmates" vor allem ein Lehrbuch, für den fortgeschrittenen Spieler eher ein geführter Trainingskurs.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Reaching the Top?!

Peter Kurzdorfer
Reaching the Top?!
304 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-941270-17-2
22,95 Euro




Reaching the Top?!
Peter Kurzdorfer ist ein spielstarker und sehr erfahrener amerikanischer Amateur. Er sagt von sich selbst, dass er sein Niveau nicht wegen eines herausragenden Talentes erreicht hat, sondern durch Willen und Ehrgeiz, Anstrengungen zur Verbesserung seiner Fähigkeiten und eben auch Erfahrung. In seinem Buch "Reaching the Top?!", Neuerscheinung aus 2016 bei Russel Enterprises, zeichnet er seinen Weg nach oben nach und zieht seine Schlüsse daraus, um dem Leser Hinweise und Ratschläge für dessen eigene Anstrengungen im Kampf um höhere Weihen zu geben. Interessant an diesem Werk ist schon in einer ersten Draufsicht, dass also quasi "einer von uns" sich hingesetzt hat, um das Thema "wie komme ich meinem Ziel, im Schach ein meisterliches Niveau zu erreichen, näher". Er zeigt, wie er sich abgerackert hat, was ihn weitergebracht und was sich für ihn als Sackgasse erwiesen hat. Seine Erfahrungen brechen mit manchen Ratschlägen, die andere geben. Er ist näher dran an der Welt des engagierten Amateurs, dessen Ziele nicht mit jenen eines angehenden Großmeisters übereinstimmen, zumal sich ihm von vornherein im Verbund von Schach, Familie, Beruf etc. nur abgestufte Perspektiven zeigen und er aber auch nur abgestufte Ambitionen hegt. Seine ambivalente Bedeutung zeigt der Titel im Nebeneinander von Frage- und Ausrufezeichen. Was ist für einen Spieler "top"? Und genau das durch diese gesetzte Marke definierte Ziel soll er erreichen - darum geht es in "Reaching the Top?!"

Recht früh ist festzustellen, dass dieses Buch für den Leser bestimmt ist, der sich als engagierter Amateur im Nahschach nach oben entwickeln will. Kurzdorfers Hinweise und Ratschläge lassen sich nicht eins zu eins auf das Fernschachspiel übertragen, weil seine für das Nahschach formulierten Grundfeststellungen nicht ausreichend ähnlich auch für das Fernschach gelten. Manches passt gut, manches geht aber auch sehr weit fehl. Dies möchte ich weiter erläutern. Also:
Im Rahmen seiner Einführung setzt sich Kurzdorfer damit auseinander, was ein Amateur wie er wissen und tun muss, um seine Ziele zu erreichen, und was nicht. Danach muss er u.a. nicht wissen …
- wie alle elementaren oder grundlegenden Endspiele zu führen sind,
- wie die aktuellste Eröffnungstheorie aussieht und
- wie auch lange Zugfolgen zu berechnen und die Ergebnisse im Kopf zu behalten sind.
Sein Ansatz ist, dass der Amateur auf Amateure trifft, an deren Fähigkeiten er sich messen muss, um Erfolg zu haben. Dazu sind die beispielhaft genannten Leistungselemente nicht erforderlich.
Weil der Gegner des Fernschachspielers die beschriebenen Fertigkeiten auch in unteren Leistungsbereichen im Verbund von Literatur und Technikeinsatz sehr wohl erreichen kann und zumeist wohl auch tatsächlich erreicht, gilt Kurzdorfers Feststellung hier nicht gleichartig. Im Fernschach hat der Spieler auch unterhalb der Spitze Gegner, die gestützt auf Literatur und Technik eben doch (Groß-)Meister-Niveau haben. Er muss zwar nicht persönlich über die genannten Fähigkeiten verfügen, aber er muss dann die Kompensation über den Rechner erreichen. Der Unterschied zwischen Nah- und Fernschach wird also darin deutlich, dass der Spieler direkt am Brett ohne die genannten Fähigkeiten nach oben kommen kann, im Fernschach aber diese Fähigkeiten vorliegen müssen, sie aber kompensatorisch über Technik eingebracht werden können.

Kurzdorfer nennt zu dem, was der Spieler tun muss, ebenfalls einige Aspekte. So muss er nicht immer jedes Spiel von Anfang bis Ende beherrschen, nicht jeden Fehler vermeiden können usw. Auch hier wird ein Unterschied zwischen beiden Spielarten deutlich. Im modernen Fernschach werden Schwächen und Fehler durchgehend bestraft, so dass sie sich im weiteren Verlauf allenfalls schwer wieder auffangen lassen, wenn überhaupt. Im Nahschach erhält der Amateur so gut wie immer eine weitere Chance oder sogar mehrere.

In weitem Maße deckungsgleich sind die Anforderungen an die unbedingten Fertigkeiten. So sollten die Anhänger beider Spielarten u.a.
- über ein vernünftiges Allgemeinverständnis zur Eröffnungstheorie verfügen,
- jeden Zug in jeder Stellung hinsichtlich seiner Bedeutung einschätzen können und
- die Stärken und Schwächen einer jeden Stellung erkennen können.
Diese unabdingbaren Fähigkeiten für den Erfolg im Schach können auch im Fernschach Literatur und Computer nicht ersetzten.

Der Spieler sollte nach Kurzdorfers Auffassung ein echtes Verlangen nach dem Spiel haben, viel reisen, um sich oft und überall mit anderen messen zu können, und manches mehr. Da im Fernschach nur die Züge reisen, gibt es auch hier diesen wie auch weitere Unterschiede.

Während sich Kurzdorfer in seinen allgemeinen Empfehlungen an den ehrgeizigen Amateur von anderen Ratgebern abhebt, so gleichen sie diesen hinsichtlich der Grundprinzipien der Spielführung. Beispiele hierfür sind der Ratschlag, immer auf die Königssicherheit zu achten, wie auch der Hinweis, dass die Kontrolle des Zentrums auch eine Kontrolle der Partie vermittelt.

Kurzdorfer nutzt, von Ausnahmen abgesehen, allein eigene Partien für seine Darstellungen. Diese sind entweder vollständig abgebildet (insgesamt 98) oder als Fragment eingearbeitet (58 an der Zahl). Sie stammen aus allen Phasen seiner Karriere und geben immer Beispiel für bestimmte Aspekte des Spiels oder erforderlicher Fähigkeiten. Entsprechend sind sie sehr ausführlich kommentiert, wobei die textlichen Anmerkungen deutlich überwiegen. Varianten werden zumeist auf eine erste Ebene beschränkt, sind dann also nicht verschachtelt.

Die Art der Gestaltung ist sehr gut gelungen. Ein Insider wie Kurzdorfer, der auf sein eigenes Material setzt, misst Beispiele aus der Praxis an der Theorie und am Optimum dessen, was jeweils erreichbar war, was gut und was schlecht gemacht worden ist. Er leitet Rückschlüsse daraus ab und formuliert Ratschläge und Hinweise für den Leser, so dass dieser seinen Nutzen daraus ziehen kann.
Indem er viel erklärt und wenig analysiert, setzt der Autor auf das inhaltliche Verständnis.

Die großen Themenbereiche des Werkes lassen sich recht gut aus dem Inhaltsverzeichnis ablesen. Hierauf reduziert sieht es wie folgt aus:

1. Learning From Past Mistakes
2. Choose Openings to Suit Yours Style
3. Handling Material Inequality
4. Practical Endgames
5. How Sound Do Your Openings Need to Be?
6. When Things Go Terribly Wrong
7. Overcoming Difficulties
8. How to Win.

"Reaching the Top?!" ist in Englisch verfasst und stellt gewisse Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers. Dies geht einerseits darauf zurück, dass eben viel Text im Werk vorkommt, und andererseits auf einige Vokabeln außerhalb des erweiterten Grundwortschatzes.

Ich kann mir vorstellen, dass Peter Kurzdorfer zumindest ein wenig auch eine Art Autobiografie abliefern wollte, nicht nur einen Leitfaden für den Amateur, wie er eine für ihn realistische Sprosse auf der Spieler-Karriereleiter erreichen kann. Wenn dem so sein sollte, dann hat er dies geschafft, ohne sein Hauptanliegen in irgendeiner Weise zu gefährden. Den Freund von Partien, die gerade für die Ebene des Amateurs interessant kommentiert worden sind, wird dies freuen. "Reaching the Top?!" kann man auch in die Hand nehmen, um sich einfach nur von interessanten und spannenden Partien unterhalten zu lassen, ohne immer gleich auch in seiner eigenen Spielstärke besser werden zu wollen.

Fazit: "Reaching the Top?!" ist in erster Linie für denjenigen eine Empfehlung, der im Nahschach für ihn realistische höhere Ziele anstreben möchte. Er erhält neben konkreten Hinweisen und Empfehlungen, die nicht immer denen aus zig früheren Büchern anderer Autoren entsprechen, auch das Studien- und Übungsmaterial an die Hand, das unter diesem Ansatz angemessen ist.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

The Fianchetto Solution

Emmanuel Neiman, Samy Shoker
The Fianchetto Solution
269 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-663-3
22,95 Euro




The Fianchetto Solution
"The Fianchetto Solution" (New In Chess 2016) mit dem Untertitel "A Complete, Solid and Flexible Chess Opening Repertoire for Black & White" verrät dem Interessenten schon beim ersten Kontakt, welchen Inhalt es anbietet. Es soll dem Spieler ein Repertoire vermitteln, das er flexibel einsetzen kann, unabhängig davon, ob er die weißen oder die schwarzen Steine führt. Es baut jeweils auf die Fianchettostellung des Königs, also auf den Aufbau mit einem Läufer auf g7 bzw. auf g2 und der kurzen Rochade. Die beiden Autoren, FM Emmanuel Neiman und GM Samy Shoker, erläutern im Rahmen ihrer Einführung en detail, welche Absichten sie ganz genau verfolgen.

Der zentrale Ansatz der Verfasser liegt quasi darin, dass sie so etwas wie ein Hybrid-System anbieten wollen, das der Leser nicht nur unabhängig von seiner Figurenfarbe einsetzen kann, sondern auch unabhängig davon, welchen Einfluss sein Gegner jeweils auf die Eröffnungswahl zu nehmen versucht. Der Leser soll seine Züge finden, indem er sich von der Bauernstruktur inspirieren lässt und davon, was er erreichen oder wogegen er sich verteidigen will. Er soll Muster von Stellungen erkennen und im Sinne von verinnerlichen lernen, wie man diese spielt. So ist es für mich verständlich und durchaus auch folgerichtig, dass die Autoren in "The Fianchetto Solution" nicht nur ein Repertoirebuch sehen, sondern zugleich auch ein Mittelspielwerk zu Strategie und Taktik.

Das Inhaltsverzeichnis ist "auf Sparflamme" gehalten und sieht wie folgt aus:

1. The King's Fianchetto
2. The Modern Defence against 1.d4
3. White plays 1.d4 and others
4. Repertoire for White
5. Exercises.

Unterhalb der Ebene der Kapitel wartet dieses sehr gut durchstrukturierte Buch mit einzelnen Abschnitten auf, die sich den wesentlichen Spielweisen, Vor- und Nachteilen der jeweiligen Aufstellung oder auch mit anderen Aspekten befassen. Auch diese sind weiter unterteilt, bis hin zur Ebene einer Darstellung von Manövern, beispielsweise solchen zur Aktivierung eines Läufers oder zum Umgang mit einer bestimmten gegnerischen Spielweise.

So deutlich die positive Strukturierung des Werkes hervorzuheben ist, so schade ist es, dass sie nicht genutzt wird, um dem Leser die Orientierung über die Systeme hinweg anhand gesuchter Zugfolgen zu erleichtern. Leider ist kein Variantenverzeichnis verfügbar, das hier für eine Hilfestellung sorgen könnte. Vermutlich hängt die Entscheidung zum Verzicht auch damit zusammen, dass "The Fianchetto Solution" sich darauf konzentriert, dem Leser die Anleitung für ein eigenes Eröffnungsspiel nach fortwährend ähnlichen Strukturen zu sein, ihm nicht einzuprägende Varianten geben soll.

Die Autoren erklären viel, auch wenn ihre textlichen Erläuterungen nicht selten nur recht kurz ausfallen. Dem Prinzip "in der Kürze liegt die Würze" folgen sie vornehmlich dann, wenn die grundsätzliche Richtung einer Lösung bereits erörtert worden ist. So lässt sich feststellen, dass die Anmerkungen im Variantenfluss tendenziell kürzer sind als an anderen Stellen. Zudem sind sie hier regelmäßig sehr konkret gehalten. Der Leser erfährt ohne viel Drumherum, was gerade Sache ist, warum eine Lösung gut oder weniger zu empfehlen ist sowie welchem Sinn und Zweck ein Vorgehen dient. In diesem Mix aus überwiegend kurzen Texten und Va-rianten sehe ich durchaus einen der Vorzüge des Buches.

Abschnittsweise richten sich über Diagramme eingeführte Aufgaben an den Leser, über die er sein Verständnis des Stoffes überprüfen und auch schärfen kann. Die Lösungen darauf werden ihm jeweils gleich im Anschluss angeboten.
Diese Übungen stehen neben jenen, die das gesamte 5. Kapitel ausmachen. Dort sind noch einmal 72 Diagramme zu finden, die sich auf Stoff über alle Buchinhalte hinweg beziehen. Mit kurzen Hinweisen auf die Lösung wird der Leser aufs Gleis gesetzt und kann gleich im Anschluss auf einer der Folgeseiten nachschauen, was "The Fianchetto Solution" von ihm erwartet hat. Ein guter Service ist, dass die Aufgabenstellung bereits angibt, welche der Folgeseiten der Leser für den Abgleich mit der Buchlösung aufschlagen muss.

Illustrationspartien zeigen den Einsatz der behandelten Systeme in der Praxis. Diese sind nicht durchkommentiert, sondern enthalten Anmerkungen nur in den Abschnitten, die für das Eröffnungsverständnis von Bedeutung sind.

Noch einmal zurück zum schon beschriebenen zentralen Ansatz der Autoren, somit zum Konzept des Buches. Die Idee, dem Leser Eröffnungswege zu vermitteln, die dieser mit Schwarz und mit Weiß nutzen kann, ist überzeugend. Für einen Gelegenheitsspieler sollte das Rezept auf jeden Fall funktionieren, wenn es ihm gelingt, sein Spiel entsprechend zu assimilieren.
Die Autoren führen das Beispiel von Magnus Carlsen an und verweisen zudem auch auf Artur Jussupow, der ebenfalls in einer fortgeschrittenen Karrierephase durch eine Konzentration auf stellungsverwandte Systeme seinen Erfolg zu stützen suchte. Diesen Ansatz empfinde ich als etwas weit hergeholt, denn es ist zu bedenken, dass sich der Spitzenspieler aufgrund seines generellen Verständnisses und seiner Intuition in die Anforderungen von Brettsituationen leichter einfinden kann als ein Amateur. Den Spitzenspieler wird man nachts um drei Uhr aufwecken und ihm eine Diagrammstellung unter die Nase halten können, für die er sofort eine intuitive Richtung zur Fortsetzung des Spiels parat haben wird. Und der Spitzenspieler weicht mit seiner Wahl theorielastigen Bereichen aus, die er sehr gut kennt, auch wenn sein entsprechendes Knowhow nicht mehr topaktuell ist.

Was der Leser mit Schwarz zu seiner Verteidigung einsetzt, soll er mit Weiß und damit unter vertauschten Farben in ähnlicher Weise nutzen können. Dies bedeutet aber auch, dass er angesichts der Systemvorschläge im Werk ziemlich verhalten in die Partie gehen wird, also sich nicht unbedingt Hoffnung auf einen Eröffnungsvorteil machen sollte. Genau hierauf machen die Autoren aber auch ehrlicherweise aufmerksam. Sie glorifizieren ihren Ansatz also nicht, sondern setzen seine Vorzüge auch den mit ihm verbundenen Nachteilen in Beziehung.
Ich vermute, dass ab einer gewissen Spielstärke, die irgendwo im Bereich des unteren Klubniveaus liegen dürfte, der Nachteil einer fehlenden Aussicht auf einen Eröffnungsvorteil an Bedeutung zunehmen dürfte. Ähnlich dürfte es für Partien gelten, in denen ein schon recht leistungsfähiger Spieler auf der anderen Brettseite sitzt. Die Stellungsstrukturen entwickeln eine Ähnlichkeit mal zu solchen aus Königsindisch, dann aus dem Wolga-Benkö-Gambit, aus Benoni oder auch der Drachenvariante der Sizilianischen Verteidigung, um nur einige zu nennen, die auch die beiden Autoren anführen. Dem erfahrenen Gegner sind diese Gegebenheiten vertraut. Der "The Fianchetto Solution"-Jünger wird nicht darauf hoffen können, über einen Vorsprung im Verständnis für die notwendige Behandlung der Stellungen zu verfügen, und er muss damit rechnen, dass sich sein Gegner gut auf ihn vorbereitet hat.

Die Buchsprache ist Englisch. Im Großen und Ganzen sollte der mit Fremdsprachkenntnissen auf Schulniveau ausgestattete Leser recht flüssig mit dem Werk umgehen können.

Fazit: "The Fianchetto Solution" folgt einer interessanten Idee, indem es dem Spieler ein universell einsetzbares Repertoire an die Hand gibt. Dieses soll er mit Schwarz und auch mit Weiß einsetzen können. Dem Schachfreund, der mit schmalen zeitlichen Mitteln und einem übersichtlichen Ehrgeiz zu einem spielbaren Repertoire kommen möchte, kann das Werk eine gute Hilfe sein. Den Hauptanwender sehe ich insoweit im Gelegenheitsspieler.
Daneben ist "The Fianchetto Solution" ein gutes Trainingsbuch für den auch höher ambitionierten Leser, der seine Fähigkeiten zum intuitiven Eröffnungsspiel entwickeln möchte. Er erhält viel qualifiziertes Material an die Hand, wie sich aus Stellungsstrukturen allgemein gute Züge ableiten lassen. Dies wird ihm auch in Partien von Nutzen sein, die er in einem Stamm-Eröffnungsrepertoire spielt wie auch beim Übergang von einem System in ein anderes.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Das d6-Repertoire

Erik Zude, Jörg Hickl
Das d6-Repertoire
224 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-3-9817134-2-8
23,90 Euro




Das d6-Repertoire
"Das d6-Repertoire" von GM Jörg Hickl und IM Erik Zude ist ein Buch, das sich an den herkömmlichen Freizeit- und Vereinsspieler richtet. Es ist 2016 im Schachreisen-Verlag erschienen und verfolgt die Intention, den Leser mit einem universellen Eröffnungsrepertoire auszustatten, in dem dieser mit möglichst wenig konkretem Variantenwissen auskommt. Stattdessen soll er möglichst viel Verständnis für Strukturen, dynamische Möglichkeiten und Anforderungen an die allgemeine Spielführung entwickeln. Es gefällt mir, wie die Autoren ihre Ansätze begründen. Ihre Sichtweise klingt für mich bestechend logisch, sie lässt sich wie folgt zusammenfassen:

1. Das allgemeine Eröffnungswissen ist in den letzten Jahren explodiert. Der Computer repräsentiert über Schach-Datenbanken und Engines einen Zugriff auf das Schachspiel, der früher nicht einmal vorstellbar war.
2. Unverändert geblieben aber ist der Mensch. Wenn es um die Verfügbarkeit des Wissens am Brett geht, ist er die Schwachstelle.
3. Großmeister orientieren sich in ihren Eröffnungsbüchern im Wesentlichen an ihresgleichen und überfordern den Freizeitspieler, für den es das Schachspiel mit Familie, Beruf, anderen Hobbys etc. in Einklang zu bringen gilt.
4. Der Freizeitspieler braucht ein Eröffnungsrepertoire, das auf universell einsetzbaren Strukturen und Ideen basiert und nur geringe Anforderungen an ein Lernen und Einprägen konkreter Zugfolgen stellt.

"Das d6-Repertoire" richtet sich an den Spieler mit Schwarz. Wie der Titel schon aussagt, zählt der Bauernzug d7-d6 zum Grundbesteck. Der Nachziehende versucht also, nach 1.e4 in die Philidor-Verteidigung zu kommen und nach 1.d4 in Richtung Alt-Indisch. Ob sein Vorhaben gelingt, hängt natürlich auch von seinem Gegner ab. Wenn dies nicht der Fall ist, beispielsweise nach einem weißen 1.c4, soll er Strukturen und Stellungsbilder erreichen, die ihm in ihrer Art vertraut sind und die er auf analogen Wegen wie in seinen Wunschsystemen spielen kann.

Beide Hauptsysteme stehen zu Recht in dem Ruf, zunächst einer eher passiven Ausrichtung zu folgen. Die Autoren verkennen dies nicht und gehen darauf ein. Ihre Argumente für diese Wahl sind der Hinweis, dass ein grundlegend gesunder Aufbau viel für sich hat, wenn er nach dem ruhigen Beginn genügend aktive Möglichkeiten bringt, und die Erkenntnis, dass so gut wie jede Partie nicht nur eine Chance bietet.
Mich erinnert diese Ansicht an meine eigene Kluberfahrung in ganz jungen Jahren. Ein immens erfahrener Vereinsfreund spielte immer Philidor. Vom damals angelesenen Eröffnungswissen beseelt entwickelte sich dann jeweils ein kleines Hochgefühl in mir, wenn ich meine Chancen durch seine "passive" Eröffnungswahl sogleich steigen sah. Dieses Hochgefühl ging aber im Verlauf des Duells allzu oft verloren und wich einer erstaunten Enttäuschung, wenn er mir wieder einmal zeigte, wie Schach wirklich geht.

"Das d6-Repertoire" enthält sieben Kapitel mit den folgenden Überschriften:

1. Endspielvariante
2. Antoshin-Variante
3. Nebenvarianten nach 1.e4 d6
4. Alt-Indisch
5. Nebenvarianten nach 1.d4 d6
6. Englisch
7. Flankeneröffnungen

Das angebotene Repertoire dient einer Vollausstattung, soll also gegen alle weißen Eröffnungsfestlegungen eingesetzt werden können. Das Buch setzt dabei auf Erfahrungen, die beide Autoren, besonders aber Jörg Hickl in seiner langen Karriere gemacht hat.
Zum Kern des schwarzen Vorgehens zählen …d7-d6, …0-0 und zumeist das Streben um Gegenspiel mit …c7-c6 und …b7-b5, aber beispielsweise auch über …f7-f5. Wenn es im Aufbau nicht nach dem Wunsch des Nachziehenden läuft, etwa weil Weiß eine Flankeneröffnung wählt, bleiben die schwarzen Muster erhalten und geben dem Leser am Brett Ideen für seine eigenen konkreten Planungen.

Ein Volltreffer ist für mich die Herangehensweise der beiden Autoren, um gerade den anvisierten Freizeitspieler zu erreichen. Sie erläutern und erklären intensiv, um dem Leser das Verständnis zu ermöglichen. Sie zeigen auf, worauf zu achten ist, wann ein bestimmtes Vorgehen angebracht ist, welche Strukturen welche Reaktionen erforderlich machen usw. Der Leser erhält permanent die Hintergründe erläutert, wobei er nicht nur in Eröffnungselemente eingeweiht wird, sondern zugleich auch quasi einen kleinen Kurs zur Strategie und Taktik im Allgemeinen erhält. Mit "Das d6-Repertoire" hat er die Chance, sich mit einem sehr begrenzten Aufwand tatsächlich ein System-Potpourrie zu verschaffen, das ihn mit Sinn und Verstand die erste Partiephase gut überstehen lässt und das weitere Vorgehen im Mittelspiel auf immer ähnlichen Wegen vorzeichnet.

Eingeleitet wird ein Kapitel mit einer Variantenübersicht, die über die eingefügten Seitenzahlen ein zielgerichtetes Aufrufen bestimmter Stellen in der folgenden Behandlung erlaubt. Ein Gesamtverzeichnis ist auf den letzten Buchseiten zu finden.

Basis aller Betrachtungen sind insgesamt 49 Partien, von denen einige von den beiden Autoren selbst gespielt worden sind. Der Leser lernt die Systeme somit quasi ganzheitlich kennen, nicht nur auf die Phase der Eröffnung beschränkt. So bekommt er einen Eindruck auch von den Konsequenzen für den weiteren Verlauf seiner Partie, wenn er sich auf das Buchrepertoire stützt.
Der Lerneffekt wird zusätzlich durch ein Fazit gefördert, das die wesentlichen Erkenntnisse und Schlussfolgerungen im Anschluss an die Partie zusammenfasst.

Fazit: Der Vereins- und Freizeitspieler, der mit einem gut erklärten System aus verwandten Spielweisen ein "rundes" Repertoire erhalten möchte, ist mit "Das d6-Repertoire" sehr gut bedient. Die Partie wird jeweils zunächst eher etwas vorsichtig angelegt und bedingt eine Phase, während der Weiß aktive Optionen erhält. Seine Gegenchancen sucht der Nachziehende zielgerichtet aus einer gesicherten und zugleich gesunden Stellung heraus, wobei er für sein Vorgehen auf gleiche bzw. mindestens ähnliche Muster über die verschiedenen Systeme hinweg setzt.

Die von den Autoren bezeichnete Intention zum Schreiben dieses Buches, die ich diese Rezension einleitend schon erwähnt habe, erreichen sie mit diesem gelungenen Werk.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise vom Schachreisen-Verlag (www.schachreisen.eu) zur Verfügung gestellt.

King's Indian Warfare

Ilya Smirin
King's Indian Warfare
352 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78483-025-0
25,99 Euro




King's Indian Warfare
"King's Indian Warfare" von Ilya Smirin, Neuerscheinung aus dem Jahr 2016 bei Quality Chess, ist ein Buch, dessen Inhalt sich nur andeutungsweise aus dem Titel erschließen lässt. "Warfare" heißt so viel wie "Kriegskunst" und umfasst dabei auch den gezielten Einsatz von Mitteln des Krieges. Autor und Verlag wollen über den für meinen Geschmack etwas martialischen Buchtitel anzeigen, dass es darum geht, in der in sich kampfbetonten Königsindischen Verteidigung als Schwarzer die richtigen Mittel und Wege zu finden, Erfolg zu haben. Smirin spielt diese Verteidigung quasi über seine ganze bisherige Karrierezeit hinweg, er hat an der Weltspitze schon viele Jahre mit und in ihr bestanden.
So bilden denn auch insgesamt 49 seiner Partien den Kern aller Betrachtungen. Etwas skurril ist seine Begründung für gerade die Zahl 49. Er mag sie eben und hat deshalb nicht die naheliegende 50 gewählt.

Der konzeptionelle Ansatz für das Werk ist logisch und gut nachvollziehbar. Smirin ist für seinen fantasievollen und findungsreichen Stil bekannt, während seine Kenntnisse zur "reinen" Eröffnungstheorie als weniger erwähnenswert gelten. Seine Partien werden nicht einfach nur kommentiert dargestellt, sondern in ihnen wird auch jeweils der Schlüssel zum eingetretenen Erfolg gesucht. Was war erforderlich, um in der jeweiligen Begegnung etwas Zählbares zu erringen, wie wurde dies dann erreicht und was hätte ein aus seiner Sicht positives Ende gefährden können? Smirin ist ein Praktiker und aus seinen Erfahrungen auf der Turnierbühne zieht er Ableitungen. Dies passiert nicht etwa in der Art von Lehrsätzen oder ähnlich, sondern in den natürlichen Ablauf der Kommentierung eingebunden.

Hinsichtlich der Art und Weise der Behandlung des Stoffes und auch der damit verbundenen Anforderungen an die Fähigkeiten des Lesers verorte ich den Adressaten des Werkes deutlich jenseits einer Schwelle des einfachen Klubspielers. Um das Angebotene aufnehmen und behandeln zu können, sollte er sich mindestens im Bereich des gehobenen Klubspielers einordnen können.
Ich denke, dass auch Smirin dies so sieht. Im Vorwort beschreibt er seinen Anspruch an das Werk, sinngemäß übersetzt, wie folgt: "Was ich mit diesem Buch erreichen möchte ist es, dem Leser einen Kurs zu vermitteln, wie man die Königsindische Verteidigung spielt. Gleichzeitig soll dies ein Kurs sein, dynamisch Schach zu spielen". Dies kann er nur erreichen, wenn sein Leser ihm trotz eines hohen Ansatzes folgen kann.

Es gibt 11 Kapitel im Buch. Das Inhaltsverzeichnis sieht insoweit wie folgt aus:

1. Always Dangerous
2. Kramnik
3. The King's Indian Bishop
4. Line Opening
5. Destruction of Pawn Structure
6. Knight Agility
7. Kamikaze Rooks
8. Fighting for the Intiative
9. Materialism
10. Endgames
11. My Two Favourite Losses.

Wie schon an den Kapitelüberschriften zu erkennen ist, ist "King's Indian Warfare" nicht nur ein für den Leser geschriebenes Werk, sondern auch für den Autor selbst. Indem er seine besten Leistungen in einem Buch verarbeitet, konserviert er sie und stellt sie in die Vitrine der öffentlichen Betrachtung. Und wer beispielsweise auch gegen Kramnik bestanden hat, der hat auch alles Recht dazu. So lässt sich festhalten, dass sich die Mehrzahl der Kapitel einem wichtigen Element der Spielführung im Königsinder widmet, daneben aber auch gute Leistungen gegen namhafte Gegner auch aufgrund ihrer selbst im Buch aufgenommen sind.

Der Aufbau der Kapitel ist untereinander identisch. Zunächst erhält der Leser eine Seite mit Diagrammstellungen präsentiert, mit denen er sich beschäftigen soll. Die Brettsituationen beziehen sich auf Partien im Anschluss. Diese Aufgabe ist durchaus als eine "harte Nuss" zu bezeichnen. Der Leser denkt sich hierüber in die Probleme der Stellungstypen ein und geht bereits etwas präpariert in die folgenden Partien.
Den Diagrammen schließt sich eine allgemeine Einführung an. Soweit das Kapitel sich mit einem der schon genannten Elemente der Spielführung beschäftigt, wird dieses entsprechend beschrieben. Zur Einführung können auch ohne Smirins Beteiligung gespielte Partien gehören, wenn diese den Gegenstand der Betrachtung gut veranschaulichen können. Ihnen folgt dann unter der Überschrift "My Games" die Sammlung dessen, was er dazu selbst in seinen praktischen Duellen geleistet hat.

Die Besprechung setzt sich aus Text und Varianten zusammen; Analysen gehen zum Teil bis in eine erhebliche Tiefe vor. Sie unterstreichen die Einschätzung, dass erst der deutlich Fortgeschrittene unter den Lesern diese meistern und verstehen wird und er der Hauptadressat des Werkes sein dürfte.

Die Buchsprache ist Englisch. Mit Fremdsprachkenntnissen auf einem ordentlichen Schulniveau müsste es ausreichend bequem verstanden werden können. Der Wortschatz ist nicht unbedingt schmal, der Satzbau aber regelmäßig nicht kompliziert.

Fazit: "King's Indian Warfare" ist ein qualifiziertes Werk, das in erster Linie demjenigen, der die Königsindische Verteidigung bereits gut kennt, die Möglichkeit gibt, sich tiefer ins Verständnis dieser Spielweise einzudenken und ihr Wesen zu verinnerlichen. Eine bereits vorangeschrittene Spielstärke vorausgesetzt wird er das System intuitiver zu spielen lernen. Das Einprägen von bestimmten Zugfolgen unterstützt das Buch nicht.
In der Hand des vorqualifizierten Königsindisch-Spielers ist "King's Indian Warfare" ein in meinen Augen mächtiges Instrument für die eigene spielerische Weiterentwicklung und für ein gezieltes Training.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Zeit-Schachwunder

Dr. Helmut Pfleger
Zeit-Schachwunder
144 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-3-283-01025-6
16,80 Euro




Zeit-Schachwunder
Wenn man einen Schach-Autor auf den ersten Blick an seinem Text erkennt, dann ist er nicht irgendein Schach-Autor, sondern eine Institution. Und genau das ist Großmeister Dr. Helmut Pfleger. Schon beim Anlesen des ersten von 120 Beiträgen in seinem neuen Buch "Zeit-Schachwunder" holt das eigene innere Auge sein Gesicht aus dem Gedächtnis hervor und lässt das innere Ohr seine aus unzähligen Medienauftritten bekannte Stimme als jene des Erzählers erscheinen.
Er schreibt so wie er spricht, bilderreich, vornehm und gut verständlich zugleich, mit kurzen Sätzen, völlig unaufgeregt und mit einem - bisweilen offensichtlich auch ganz bewusst akzentuierten - intellektuellen Touch.
Da "Zeit-Schachwunder" nicht das erste Werk dieser Art war, das ich aus Dr. Pflegers Schaffen rezensieren durfte, war mir im Vorfeld bereits klar, was mich beim Durchgehen erwarten würde. Ich habe es deshalb mit Vorfreude zur Urlaubslektüre gemacht und das sonst übliche "Durcharbeiten" durch ein "freudiges Lesen und Lösen von Schachaufgaben" ersetzt.

Was aber ist "Zeit-Schachwunder" genau? Im Wesentlichen ist dieses Buch eine Zusammenstellung von 120 Beiträgen, die Dr. Pfleger in seiner Schach-Spalte der Zeitung "Die Zeit" veröffentlicht hat. Diese stammen nach dem Rückentext aus den Jahren von 2009 bis 2015. Das Buch selbst ordnet die Beiträge Jahresschritten von 2011 bis 2015 zu, so dass der berücksichtigte Zeitraum eventuell entsprechend kürzer sein könnte. Inhaltlich ist diese Frage allerdings völlig bedeutungslos.
Alle Beiträge sind gleichartig gestaltet. Jedem von ihnen ist eine ganze Seite gewidmet. Diese beinhaltet zunächst eine kurze Erzählung, die man als unterhaltsame Plauderei bezeichnen kann. Dr. Pfleger bedient sich dabei aller Themen, die das Schachspiel so bieten kann. Sie können ganz aktuell sein und ebenso auch historischer Natur. Er greift dabei auf seine immense Erfahrung zurück und nutzt sein scheinbar unendliches Knowhow. Nicht selten verflechtet er seinen Gegenstand des Beitrags mit höchstpersönlichen Erlebnissen und Gedanken, so dass der Leser gefühlt einen zusätzlichen Einblick in private Nischen des Schachspiels, der Welt der Spieler oder eben des Autors erhält, die ihm sonst verborgen geblieben wären.

Dr. Pfleger versteht die Kunst, Informationen so interessant und humorvoll zu verpacken, dass sein Schachbuch bisweilen wie eine klassische Sammlung von Kurzgeschichten wirkt und es so fesselt, dass man es gar nicht aus der Hand legen mag. In "Zeit-Schachwunder" sind die Geschichten aber nur teilweise Selbstzweck. Daneben sind sie Überleitung und Brücke zu einer Schachaufgabe, die dem Leser gestellt wird. Dieser erfährt über ein Diagramm, um welches Stellungsbild es geht, und erhält zumeist einen deutlichen Hinweis darauf, in welcher Richtung die darin zu findende Lösung anzugehen ist. Mal ist Weiß am Zug und kommt mit einem unerwarteten Opfer zum Ziel, dann wiederum ist es Schwarz, der seinen Springer ein den Gewinn bringendes Manöver ausführen lässt, oder auch etwas ganz anderes.
Ich habe alle Aufgaben ohne Brett und somit allein anhand der Diagramme zu lösen versucht und habe sie zu ca. zwei Drittel bewältigt. Befasst habe ich mich mit ihnen jeweils nur kurz, im Rahmen der Urlaubslektüre halt. Der Schwierigkeitsgrad der Aufgabenstellungen orientiert sich am Freizeitspieler bis in ein einfaches Klubniveau hinein. Die Lösung findet der Leser auf derselben Seite vor, allerdings auf den Kopf gestellt und in ein Textkästchen gefasst. Man muss also nicht blättern, um seine Lösung zu überprüfen, und wird doch nicht dabei unterstützt, sich die Aufgabe mit Hilfe eines unerlaubten Blinzelns in die Buchlösung zu erleichtern.

Die Beiträge im Buch erscheinen alle wie aus einem Guss, wozu jeweils auch die bisher noch unerwähnt gebliebene Überschrift beiträgt. Je nachdem gibt sie einen Ausblick auf die rote Linie in der Lösung der Schachaufgabe, zeigt auf den Kristallisationspunkt des Textbeitrages oder bezieht sich humorvoll und pfiffig auf beides.
Dr. Pfleger kokettiert auch auf eine amüsante Art und Weise mit eigenen Vorlieben und Marotten sowie deren Folgen und mit verzeihlichen oder auch nur vermeintlichen eigenen Schwächen, die wir eher im Klischee gerne auch mal belächeln. Als ein Beispiel hierfür mag sein Hinweis dienen, dass er trotz eines inzwischen vorangeschrittenen Alters gerne noch auch längere Radtouren unternimmt und dies wahrscheinlich erst enden wird, wenn er eines Tages vor Schwäche vom Fahrrad in die Elbe fällt.

Die Beiträge im Buch sind von Raymund Stolze zusammengestellt und überarbeitet worden. Als erfahrener Schachpublizist weiß er, wie ein gutes Schachbuch aussehen sollte. Sein Händchen für die Schachpublizistik hat er nicht nur auf dem Büchermarkt bewiesen, sondern u.a. auch im Rahmen seiner früheren Tätigkeiten für den Deutschen Schachbund und das Internetportal Schach-Ticker.
Die Überschriften aller 120 Beiträge im Buch stammen übrigens ebenfalls von Raymund Stolze, wie ich aus einem Kontakt im Vorfeld der Rezension weiß.

Raymund Stolze hat zudem Chroniken der Jahre 2011 bis 2015 geschrieben, die eine Zusammenfassung der wichtigsten Ereignisse geben sollen und das Buch in zeitliche Abschnitte unterteilen.

Fazit: Für mich zählt "Zeit-Schachwunder" zu den besten Neuerscheinungen des Jahres 2016, die es im Sektor "Schachunterhaltung" bisher gegeben hat. Lesen und Schachaufgaben lösen, beides mit dem Anspruch einer unterhaltsamen Freizeitbeschäftigung erstellt, ist das Motto.
Das Buch ist allen Freundinnen und Freunden des Schachspiels zu empfehlen, ohne eine besondere Einschränkung nach Alter oder Spielstärke. Lassen Sie es sich schenken, und wenn Sie niemanden kennen, der es Ihnen schenken mag, dann schenken Sie es sich selbst!


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Edition Olms (www.edition-olms.com) zur Verfügung gestellt.

Beating Minor Openings

Dr. Helmut Pfleger
Zeit-Schachwunder
144 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-3-283-01025-6
16,80 Euro




Zeit-Schachwunder
Wenn man einen Schach-Autor auf den ersten Blick an seinem Text erkennt, dann ist er nicht irgendein Schach-Autor, sondern eine Institution. Und genau das ist Großmeister Dr. Helmut Pfleger. Schon beim Anlesen des ersten von 120 Beiträgen in seinem neuen Buch "Zeit-Schachwunder" holt das eigene innere Auge sein Gesicht aus dem Gedächtnis hervor und lässt das innere Ohr seine aus unzähligen Medienauftritten bekannte Stimme als jene des Erzählers erscheinen.
Er schreibt so wie er spricht, bilderreich, vornehm und gut verständlich zugleich, mit kurzen Sätzen, völlig unaufgeregt und mit einem - bisweilen offensichtlich auch ganz bewusst akzentuierten - intellektuellen Touch.
Da "Zeit-Schachwunder" nicht das erste Werk dieser Art war, das ich aus Dr. Pflegers Schaffen rezensieren durfte, war mir im Vorfeld bereits klar, was mich beim Durchgehen erwarten würde. Ich habe es deshalb mit Vorfreude zur Urlaubslektüre gemacht und das sonst übliche "Durcharbeiten" durch ein "freudiges Lesen und Lösen von Schachaufgaben" ersetzt.

Was aber ist "Zeit-Schachwunder" genau? Im Wesentlichen ist dieses Buch eine Zusammenstellung von 120 Beiträgen, die Dr. Pfleger in seiner Schach-Spalte der Zeitung "Die Zeit" veröffentlicht hat. Diese stammen nach dem Rückentext aus den Jahren von 2009 bis 2015. Das Buch selbst ordnet die Beiträge Jahresschritten von 2011 bis 2015 zu, so dass der berücksichtigte Zeitraum eventuell entsprechend kürzer sein könnte. Inhaltlich ist diese Frage allerdings völlig bedeutungslos.
Alle Beiträge sind gleichartig gestaltet. Jedem von ihnen ist eine ganze Seite gewidmet. Diese beinhaltet zunächst eine kurze Erzählung, die man als unterhaltsame Plauderei bezeichnen kann. Dr. Pfleger bedient sich dabei aller Themen, die das Schachspiel so bieten kann. Sie können ganz aktuell sein und ebenso auch historischer Natur. Er greift dabei auf seine immense Erfahrung zurück und nutzt sein scheinbar unendliches Knowhow. Nicht selten verflechtet er seinen Gegenstand des Beitrags mit höchstpersönlichen Erlebnissen und Gedanken, so dass der Leser gefühlt einen zusätzlichen Einblick in private Nischen des Schachspiels, der Welt der Spieler oder eben des Autors erhält, die ihm sonst verborgen geblieben wären.

Dr. Pfleger versteht die Kunst, Informationen so interessant und humorvoll zu verpacken, dass sein Schachbuch bisweilen wie eine klassische Sammlung von Kurzgeschichten wirkt und es so fesselt, dass man es gar nicht aus der Hand legen mag. In "Zeit-Schachwunder" sind die Geschichten aber nur teilweise Selbstzweck. Daneben sind sie Überleitung und Brücke zu einer Schachaufgabe, die dem Leser gestellt wird. Dieser erfährt über ein Diagramm, um welches Stellungsbild es geht, und erhält zumeist einen deutlichen Hinweis darauf, in welcher Richtung die darin zu findende Lösung anzugehen ist. Mal ist Weiß am Zug und kommt mit einem unerwarteten Opfer zum Ziel, dann wiederum ist es Schwarz, der seinen Springer ein den Gewinn bringendes Manöver ausführen lässt, oder auch etwas ganz anderes.
Ich habe alle Aufgaben ohne Brett und somit allein anhand der Diagramme zu lösen versucht und habe sie zu ca. zwei Drittel bewältigt. Befasst habe ich mich mit ihnen jeweils nur kurz, im Rahmen der Urlaubslektüre halt. Der Schwierigkeitsgrad der Aufgabenstellungen orientiert sich am Freizeitspieler bis in ein einfaches Klubniveau hinein. Die Lösung findet der Leser auf derselben Seite vor, allerdings auf den Kopf gestellt und in ein Textkästchen gefasst. Man muss also nicht blättern, um seine Lösung zu überprüfen, und wird doch nicht dabei unterstützt, sich die Aufgabe mit Hilfe eines unerlaubten Blinzelns in die Buchlösung zu erleichtern.

Die Beiträge im Buch erscheinen alle wie aus einem Guss, wozu jeweils auch die bisher noch unerwähnt gebliebene Überschrift beiträgt. Je nachdem gibt sie einen Ausblick auf die rote Linie in der Lösung der Schachaufgabe, zeigt auf den Kristallisationspunkt des Textbeitrages oder bezieht sich humorvoll und pfiffig auf beides.
Dr. Pfleger kokettiert auch auf eine amüsante Art und Weise mit eigenen Vorlieben und Marotten sowie deren Folgen und mit verzeihlichen oder auch nur vermeintlichen eigenen Schwächen, die wir eher im Klischee gerne auch mal belächeln. Als ein Beispiel hierfür mag sein Hinweis dienen, dass er trotz eines inzwischen vorangeschrittenen Alters gerne noch auch längere Radtouren unternimmt und dies wahrscheinlich erst enden wird, wenn er eines Tages vor Schwäche vom Fahrrad in die Elbe fällt.

Die Beiträge im Buch sind von Raymund Stolze zusammengestellt und überarbeitet worden. Als erfahrener Schachpublizist weiß er, wie ein gutes Schachbuch aussehen sollte. Sein Händchen für die Schachpublizistik hat er nicht nur auf dem Büchermarkt bewiesen, sondern u.a. auch im Rahmen seiner früheren Tätigkeiten für den Deutschen Schachbund und das Internetportal Schach-Ticker.
Die Überschriften aller 120 Beiträge im Buch stammen übrigens ebenfalls von Raymund Stolze, wie ich aus einem Kontakt im Vorfeld der Rezension weiß.

Raymund Stolze hat zudem Chroniken der Jahre 2011 bis 2015 geschrieben, die eine Zusammenfassung der wichtigsten Ereignisse geben sollen und das Buch in zeitliche Abschnitte unterteilen.

Fazit: Für mich zählt "Zeit-Schachwunder" zu den besten Neuerscheinungen des Jahres 2016, die es im Sektor "Schachunterhaltung" bisher gegeben hat. Lesen und Schachaufgaben lösen, beides mit dem Anspruch einer unterhaltsamen Freizeitbeschäftigung erstellt, ist das Motto.
Das Buch ist allen Freundinnen und Freunden des Schachspiels zu empfehlen, ohne eine besondere Einschränkung nach Alter oder Spielstärke. Lassen Sie es sich schenken, und wenn Sie niemanden kennen, der es Ihnen schenken mag, dann schenken Sie es sich selbst!


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Edition Olms (www.edition-olms.com) zur Verfügung gestellt.

Dynamic Decision Making In Chess

Boris Gelfand
Dynamic Decision Making In Chess
283 Seiten, gebunden
ISBN: 978-1-78483-013-7
29,99 Euro




Dynamic Decision Making In Chess
"Dynamic Decision Making In Chess" ist nach "Positional Decision Making in Chess" aus 2015 ein weiteres Werk von Boris Gelfand, in dem er den Leser in die Entscheidungsprozesse eines Großmeisters am Brett Einblick nehmen lassen will. Dabei ist "Einblick nehmen lassen" nicht als eine Art Demonstration zu verstehen, sondern als Offenlegung und Einweihung mit dem Ziel, Verständnis beim Leser zu entwickeln, so dass dieser in seiner eigenen Spielstärke daran wachsen wird.
Erschienen ist dieser Neuling im Bücherregal bei Quality Chess. Jacob Aagaard, maßgeblicher Kopf hinter Quality Chess, hat Gelfand tatkräftig unterstützt, so wie es auch schon zum Vorgängerbuch zu lesen war.

Gelfand beschreibt "Dynamic Decision Making In Chess" als ein persönliches Buch mit dem zentralen Thema der Dynamik im Schach und erklärt, dass es kein Lehrbuch im eigentlichen Sinn ist. In seinem Streifzug durch die dynamischen Aspekte und Elemente des Spiels macht er auch Station bei dem einen oder anderen zusätzlichen Thema, so zum Einfluss Engines im Schach und zum Unterschied seiner Spielergeneration zur jungen (den "Millennials"). Ob Haupt- oder Nebenschauplatz - Gelfands Ausführungen sind durch die Bank hochinteressant. Teilweise kommt er dabei mit einfachsten Feststellungen zu die Augen öffnenden bis zu entlarvenden Erkenntnissen.

Zum Schwerpunkt "Dynamik" ist es Gelfands zentrale Anschauung, dass sie im Potenzial jedes Spielsteins liegt. Es bedarf eines "Feelings", um dieses Potenzial richtig zu erkennen und zu realisieren. Ein solches Stellungsgefühl ist beispielsweise nicht durch Rechenfähigkeit zu ersetzen.
Weil der Mensch nicht linear zu denken vermag, braucht er zur Strukturierung Hilfsmittel, beispielsweise das Mittel der Kandidatenzüge. Die Berechnung soll das Notwendige nicht überschreiten, um effizient zu sein und nicht zu viel Energie zu verbrauchen. Es bedarf also eine Balance zwischen Berechnung und Intuition. Diese Intuition versucht Gelfand darzustellen und zu fördern.

Engines sind für ihn Chance und Gefahr zugleich. Der Spieler muss wissen, wann und wie sie ihm helfen können und wann sie eher schaden.
Gelfand führt ein schönes Beispiel an: Eine Engine zeigt darin ein Plus von 5 an, sagt aber natürlich nicht, wie dieses Urteil zustande kommt. Ist es eine positionelle Wertung, liegt vielleicht eine ausgezeichnete Chance für eine Kombination vor? Der Spieler soll dies zu verstehen lernen. Gelfand kritisiert deshalb den "Millennial", der eine gewonnene Stellung vergeigt und wenige Minuten später bei Twitter sein Pech beklagt. Er sucht sich mit seiner falschen Spielführung in den Mittelpunkt der Öffentlichkeit zu stellen anstatt seine Unfähigkeit zur sauberen Stellungsberechnung zu realisieren und durch Analyse zu prüfen, was er falsch gemacht hat.

"Dynamic Decision Making In Chess" enthält acht Kapitel, der insoweit verkürzte Ausschnitt aus dem Inhaltsverzeichnis hat das folgende Gesicht:
1. Minsk 1979
2. Petrosian
3. Tactics at the Top Level
4. The Nature of Tactical Mistakes at the Top Level
5. Compensation
6. Time
7. Dynamic Masterpieces
8. Dynamic Defence.

Wenn man "Dynamic Decision Making In Chess" durchgeht, gewinnt man automatisch den Eindruck, dass seine Klassifizierung als "persönliches Buch" zweifellos zutrifft. Es zeigt den Charakter eines außerordentlich qualifizierten Schachbuches, in dem Textpassagen die Rolle eines unterhaltsamen und informativen Bindemittels übernehmen. Mal sind es rein narrative Elemente, beispielsweise solche über andere Spieler, dann sind es Einblicke in Gelfands Überlegungen am Brett und seine persönlichen Entscheidungsprozesse oder auch Darstellungen seiner Sicht der Dinge, wie etwa die schon angesprochenen Passagen zum Engine-Einsatz und zur jungen Spielergarde.

Zentrales Element aller Betrachtungen zur Dynamik im Schach sind natürlich Partien und Partiefragmente aus Gelfands eigener Praxis wie auch aus dem Schaffen anderen Koryphäen. Analysen gehen nicht selten und mit etlichen Verästelungen in eine ganz besondere Tiefe. Dabei kommen die bekannten taktischen und strategischen Elemente des Schachspiels zum Tragen, aber nicht lehrbuchhaft ausgearbeitet, sondern eingebunden in die Abläufe der Partien. Die großmeisterlichen Denk- und Entscheidungsprozesse werden dabei nachvollzogen und auf diese Weise beschrieben.
Am Beispiel des Kapitels 5 ("Compensation") sieht dies so aus: Gelfand startet mit einer obligatorischen Diagramm-Vorschau. Diese Stellungsbilder zeigen kritische Situationen aus den folgenden Partien. Der Leser soll sich beliebig viel Zeit nehmen, um sich seine Gedanken zur jeweiligen Stellung zu machen, um diese dann mit dem tatsächlichen Verlauf vergleichen zu können. Anhand einer Partie zwischen Kasparow und Csom gleich im Anschluss gibt er eine Einführung in die Gegenstände des Interesses im weiteren Kapitelverlauf. Ein erstes Hauptthema ist in der Folge die "Hergabe eines Bauern für einen Entwicklungsvorteil". Auf die eben beschriebene Weise geht er äußerst intensiv auf dieses Mittel ein, bevor er sich dann ähnlich mit weiteren Unterthemen auseinandersetzt.
Auf rund 280 Buchseiten erhält der Käufer Material der Extraklasse.
"Dynamic Decision Making In Chess" spricht in meinen Augen dabei in erster Linie Spieler an, die bereits eine bemerkenswerte eigene Spielstärke erreicht haben. Diese möchte ich jenseits eines einfachen Klubniveaus einordnen. Dies soll nicht heißen, dass der weniger fortgeschrittene Schachfreund nichts mit dem Werk wird anfangen können. Meine Einschätzung soll lediglich deutlich machen, dass er sich auf einen weniger geschmeidigen Umgang damit wird einrichten müssen und sich nicht frustrieren lassen darf, wenn sein Level oft überschritten wird.

Die Buchsprache ist Englisch. Die Anforderungen an des Lesers Fremdsprachkenntnisse sind nicht unbedingt als niedrig zu bezeichnen. Es gibt einiges an Text im Werk, der auf einem durchaus nicht einfachen Wortschatz basiert und auch nicht nur einem einfachen Satzbau folgt.

Auch in Sachen "Technik" macht die Arbeit dem Verlagsnamen "Quality Chess" alle Ehre. Feines Papier, sehr sauberer Druck, fester Einband, qualifizierte Bindung - alles passt.

Fazit: "Dynamic Decision Making In Chess" ist ein ausgezeichnetes Buch zur Dynamik im Schach, das sich vor allem an den fortgeschrittenen Leser richtet. Es lässt den Leser an Denk- und Entscheidungsprozessen eines Super-Großmeisters teilhaben und daraus für sich selbst Profit ziehen. Daneben ist das Werk unterhaltsam geschrieben und mit zahlreichen Randinformationen gespickt.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Bf4 in the Queen's Gambit and the Exchange Slav

Alexey Dreev
Bf4 in the Queen's Gambit and the Exchange Slav
287 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-619-7188-08-0
24,95 Euro




Bf4 in the Queen's Gambit and the Exchange Slav
"Bf4 in the Queen's Gambit and the Exchange Slav" von Alexey Dreev, jüngst erschienen im bulgarischen Verlag Chess Stars, ist ein monographisch orientiertes Werk, das sich einer speziellen Aufbauidee für das Damengambit und die Abtauschvariante in der Slawischen Verteidigung widmet. Diese Idee ist der weiße Läuferzug nach f4.
Im Buch behandelt werden beide Systeme in der umgekehrten Reihenfolge zu ihrer Nennung im Buchtitel. Von drei Teilen, in die es sich gliedert, befasst sich der erste mit der Slawischen Verteidigung. Teil 2 behandelt die thematische Idee Lf4 in der Petrosjan-Variante, Teil 3 in der Klassischen Variante des abgelehnten Damengambits.

Ich halte meinen frühen Hinweis auf die monographischen Züge des Werkes insoweit für wichtig, als dass sich der Chess Stars-Verlag mit einer besonderen Struktur seiner Repertoirebücher einen Namen gemacht hat, der aber "Bf4 in the Queen's Gambit and the Exchange Slav" nicht folgt. Da diese Arbeit kein Repertoirebuch ist, ist Dreevs Entscheidung gut nachvollziehbar. Er arbeitet mit einem traditionellen Baum aus Haupt- und Nebenvarianten und bezieht alle wichtigen Fortsetzungen für beide Seiten mit ein, trifft also keine Auswahl zu einer Repertoiregestaltung. Auch betrachtet er die Möglichkeiten beider Spieler identisch intensiv.
Die Kommentierung setzt sich aus Text, Analysen und Partiefragmenten zusammen. Illustrative Beispielpartien enthält das Werk auch, allerdings gesammelt im Anschluss an die theoretische Besprechung, und dort dann für alle Teile. Innerhalb der Kapitel wird auf die jeweilige Partie verwiesen, die an einer bestimmten Stelle der Behandlung vom Leser aufgeschlagen werden soll. Mir persönlich hätte es besser gefallen, wenn diese Partien mindestens im Anschluss an den Buchteil eingliedert worden wären, zu dem sie gehören, damit nicht ein so weiter Sprung im Buch hätte gemacht werden müssen.

Auszugsweise und auf die Theorie bezogen sieht das Inhaltsverzeichnis (in sinngemäßer deutscher Übersetzung) wie folgt aus:

Teil 1. Slawische Verteidigung, Abtauschvariante
(1.d4 d5 2.c4 c6 3.cxd5 cxd5 4.Lf4)
Kapitel 1: verschieden; A) 4...Db6; L) 4...e6; C) 4...Sf6
Kapitel 2: 4...Sc6 5.e3 A) 5...Lf5; L) 5...Db6; C) 5...e6
Kapitel 3: 4...Sc6 5.e3 Sf6 6.Sc3 A) 6...Se4; L) 6...Lg4; C) 6...e6
Kapitel 4: 4...Sc6 5.e3 Sf6 6.Sc3 a6 Kapitel 5: 4...Sc6 5.e3 Sf6 6.Sc3 Lf5

Teil 2. Abgelehntes Damengambit, Petrosjan-Variante
(1.d4 d5 2.c4 e6 3.Sc3 Le7 4.cxd5 exd5 5.Lf4)
Kapitel 6: 5...Sf6 6.e3 verschieden; 6...Lf5
Kapitel 7: 5...Sf6 6.e3 0-0
Kapitel 8: 5...c6 6.e3 verschieden; 6...Ld6
Kapitel 9: 5...c6 6.e3 Lf5 7.g4 A) 7...Lg6; L) 7...Le6

Teil 3. Abgelehntes Damengambit, Klassische Variante
(1.d4 d5 2.c4 e6 3.Sc3 Sf6 4.Sf3 Le7 5.Lf4)
Kapitel 10: verschieden; A) 5...a6; L) 5...c5; C) 5...dxc4
Kapitel 11: 5...0-0 6.e3 verschieden; A) 6...a6; L) 6...c6
Kapitel 12: 5...0-0 6.e3 b6
Kapitel 13: 5...0-0 6.e3 c5
Kapitel 14: 5...0-0 6.e3 Sbd7 7.Le2
Kapitel 15: 5...0-0 6.e3 Sbd7 7.c5

Vollständige Partien.

Wie man sieht, sind die 15 Kapitel im Werk nach den Zugfolgen betitelt, die den Stoff zuordnen. Zusammen mit dem sehr ausführlichen Variantenverzeichnis auf den letzten Seiten kann der Leser sehr gut navigieren, was auch gerade dann ein großer Vorteil ist, wenn wie hier eine spezifische Aufbauidee behandelt wird, die zudem auch in weiteren Eröffnungssystemen vorkommt oder vorkommen kann.
Bisweilen erinnern mich auf dem Brett entstehende Konstellationen an das Londoner System. Parallelen lassen sich dann auch im Vergleich der Grundüberlegungen für die unterschiedlichen Aufbauten erkennen. Den Anhängern des Londoner Systems könnte der Service zur Navigation gefallen, wenn sie im vorliegenden Werk Bereiche ansteuern wollen, für welche die beschriebene Ähnlichkeit zutrifft.

Dreev erklärt und erläutert intensiv, so dass der Textanteil in der Kommentierung groß ist. Er setzt allerdings nicht bei null an, sondern im Gegenteil bereits einiges an Verständnis bei seinem Leser voraus. Wenn er beispielsweise in seinen Kommentaren anführt, dass eine Seite eine offen stehende Zugalternative mit einer bestimmten Idee spielt, er diese Idee dann allerdings nur in der Form einer Variante darstellt, wird der fortgeschrittene Leser den Wert dieser Fortsetzung am Stellungsergebnis erkennen können, der lernende aber eher weniger. Ich halte dieses Niveau, ab dem Dreev regelmäßig ansetzt, für verständlich, denn der von ihm untersuchte Stoff ist überwiegend an sich schon eher etwas für den stärkeren Spieler, den ich im Bereich des Klubniveaus verorte.

Mein Hinweis auf den hohen Textanteil soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass "Bf4 in the Queen's Gambit and the Exchange Slav" auch mit zahlreichen Varianten ausgestattet ist, von Partiefragmenten bis Analysen. Diese können auch schon mal einzelne Passagen dominieren und bis in eine sehr hohe Zugzahl vordringen. Für das Verständnis des Ottonormalverbrauchers unter den Spielern dürften manche Variantenketten mit zunehmender Tiefe eher nichts mehr bringen, für den Fernschachspieler aber entwickeln sie einen spezifischen Wert. Er kann das Werk seine Partie begleitend einsetzen, Zugvorschläge und Varianten übernehmen und somit profitieren, ohne sich solche Geflechte einprägen zu müssen.

Das Fernschachspiel selbst hat Dreev allenfalls sehr zurückhaltend als Quelle genutzt, was sich zeigt, wenn man sie bewusst sichtet.
Ich denke, dass die behandelten Aufbauten aus der Sicht des Anziehenden aber auch eher etwas für das Duell am Brett sind, wenn man mit Weiß auf den vollen Punkt aus ist. Im literatur- und rechnergestützten heutigen Fernschach ist es wichtig, als Weißer möglichst mit einem zumindest geringen Vorteil aus der Eröffnung zu kommen. Dies ist beispielsweise in der Slawischen Abtauschvariante, in der also die Spannung auf dem Brett sehr früh aufgehoben wird, schwieriger als in vielen anderen Systemen. Dies zeigt sich auch in der Statistik bei meiner Auswertung der Fernschach-Datenbank. In der Abtauschvariante der Slawischen Verteidigung hat Weiß überwiegend einen schweren Stand. Etwas besser sieht es in den Hauptvarianten des Buches zu den beiden Systemen im Damengambit aus. Hier hat Weiß einen leichten statistischen Vorteil auf seiner Seite. Ich möchte den Status Quo allerdings nicht überbewerten, denn dies wäre ein zu pessimistischer Ansatz im Umgang mit Dreevs Erkenntnissen.

Um dem Leser dieser Rezension die eigene Entscheidung zu erleichtern, ob "Bf4 in the Queen's Gambit and the Exchange Slav" für ihn das ist, was er sucht, versuche ich mich in einer wertenden Zusammenstellung der in meinen Augen besonders wichtigen Aspekte.

- Die behandelten Systeme, besonders die Abtauschvariante in der Slawischen Verteidigung, tendieren eher zum Ausgleich in der Eröffnung als zu einem weißen Eröffnungsvorteil.
- Im spontanen Schach am Brett, in dem ein weniger gut vorbereiteter Gegner anders als im Fernschach keinen Ausgleich durch Literatur und Rechner schaffen kann, wird der Weißspieler größere Potenziale auf einen Eröffnungsvorteil als im Fernschach haben.
- Demgegenüber findet der Fernschachspieler auch viel Material im Werk, das ihm in der Form langer Zugvarianten in der laufenden Partie helfen kann, während der Normalspieler am Brett solche Anteile nur reduziert für sich wird gewinnbringend einsetzen können.
- Die Aufnahme der Theorie wird dem Leser durch intensive Erläuterungen und Erklärungen erleichtert, wobei überwiegend aber ein Leistungsniveau im Bereich des Klubspielers vorausgesetzt wird.
- Wer sich bereits mit den im Buch behandelten Spielweisen befasst hat bzw. sich darauf stützt (Slawische Abtauschvariante, besonders als Weißspieler, Damengambit), bekommt über "Bf4 in the Queen's Gambit and the Exchange Slav" neuen Stoff an die Hand. Dies gilt auch für den Spieler, der durch die Wahl des Londoner Systems weiten Theoriebereichen aus dem Weg gehen will und der über das vorliegende Werk Parallelideen erfährt.

Die Buchsprache ist Englisch, Fremdsprachkenntnisse auf Schulniveau reichen für einen bequemen Umgang mit dem Buch ganz überwiegend aus.

Fazit: "Bf4 in the Queen's Gambit and the Exchange Slav" ist ein gelungenes Werk, das ich besonders dem Leser empfehlen kann, der seine Interessen in meiner Zusammenstellung dessen Charakteristika wiederfindet.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Vom Rhein nach Sao Paulo

Friedrich-Karl Hebeker
Vom Rhein nach Sao Paulo
235 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-3-944158-09-9
24,95 Euro




Vom Rhein nach Sao Paulo
Als ich das Buch "Vom Rhein nach Sao Paulo" mit dem Untertitel "Ludwig Engels 1905 - 1967" zur Rezension erhielt, kamen mir gleich mehrere Fragen in den Kopf. Wer ist oder war Ludwig Engels? Was für eine Art Buch ist mir da geschickt worden, etwa ein echtes Schachbuch? Was hat es mit dem Buchtitel auf sich, der für den Fall, dass ich ein Schachbuch in den Händen hielt, etwas eigenartig aussah? Warum schreibt oder verlegt man ein solches Buch?

Der Verlag Chaturanga mit Dr. Mario Ziegler in Person hat ein feines Gespür dafür, was aus der großen Welt des Schachs eine Veröffentlichung verdient hat, ohne dass sich damit ein schneller Euro verdienen ließe. Verlag und wissenschaftlicher Kopf machen sich selber verdient mit einer Veröffentlichung wie dieser, und genau das verdient Anerkennung, Respekt und auch Dankbarkeit.

"Vom Rhein nach Sao Paulo" aus der Feder von Friedrich-Karl Hebeker ist kein reines Schachbuch, sondern ein Buch über das Schachspiel, einen großen deutschen Spieler mit den größten Erfolgen zwischen den beiden Weltkriegen, mit kommentierten Partien aus dessen Schaffen, mit bemerkenswert vielen und facettenreichen Informationen über Wegbegleiter und Kontaktpersonen dieses Spielers und ganz viel Stoff aus dem gesellschaftlichen und politischen Treiben seiner Zeit in Deutschland, Brasilien, Europa und der Welt. So reichen die Themen vom Schach im Rheinland vor 1914 über Schacholympiaden bis hin zur Entwicklung des Schachspiels in Brasilien.

Ludwig Engels war ein sehr starker Spieler und auch einer der deutschen Hoffnungsträger in der Zeit von ca. 1934/1935 bis 1939/1941. Siege u.a. über Bogoljubow, Maroczy, Keres und sogar Aljechin sowie über Richter, Eliskases und etliche weitere Spieler mit Rang und Namen sowie zahlreiche herausragende Turniererfolge, u.a. der Olympiasieg 1939 in Buenos Aires, unterstreichen seine Leistungsstärke. Die Entwicklung in Deutschland und der 2. Weltkrieg haben ihn zur Auswanderung nach Brasilien bewogen, wo er dem Schachspiel intensiv verbunden blieb, er sich aber zuvorderst auf die Sicherung seines Lebensunterhalts konzentrieren musste. Er widmete sich dem Schachspiel unterhalb der höchsten Bühne und verzichtete ausdrücklich zugunsten der Spieler aus seiner Wahlheimat Brasilien auf jede Ambition, Landestitel zu erringen.
Engels wurde nie der Großmeistertitel verliehen, was aber nicht ihm anzukreiden sein dürfte, sondern eher als ein Versäumnis der FIDE angesehen werden kann. Seine fiktive Elo-Zahl - fiktiv, weil sie zu seiner Zeit noch nicht als Messzahl der Spielstärke existierte - wird heute auf 2636 taxiert, was ihn als sehr starken Spieler bestätigt. Mir ist sein Name angesichts meines Jahrzehnte langen großen Interesses am Schach ganz sicher zig Mal begegnet, ob in historischen Turniertabellen oder vielleicht auch über isolierte Partien, und doch hat er keine nachhaltige Erinnerung bei mir hinterlassen. Dies dürfte nach meiner intensiven Arbeit mit "Vom Rhein nach Sao Paulo" zur Vorbereitung dieser Rezension nun anders sein, und das ist gut so.

Zurück zu meinen Fragen: Der Buchtitel ist inzwischen erklärbar, er hängt mit der Emigration von Engels zusammen. Warum "Vom Rhein nach Sao Paulo" geschrieben worden ist und verlegt wird, hat ganz viel mit persönlichem Engagement, sachlichem und fachlichem Interesse zu tun und mit dem Wissen, eine bedauerliche Lücke zu füllen und damit etwas Gutes zu tun. Das Werk kann weder den Autor Prof. Dr. Friedrich-Karl Hebeker noch den Verleger reich an Geld machen. Es macht die Allgemeinheit reicher und befriedigt diejenigen, die dafür verantwortlich sind.
Friedrich-Karl Hebeker ist Mitglied des Düsseldorfer Schachvereins von 1854, ist Verfasser mehrerer früherer Publikationen und auch Mitarbeiter der Zeitschrift KARL.

"Vom Rhein nach Sao Paulo" ist kein Buch, mit dem sich der Leser chronologisch befassen müsste. Es kann also in der Reihenfolge ganz nach Belieben gelesen werden; auch ist ein Auslassen von Abschnitten möglich, ohne dass dies die Aufnahme der Informationen in anderen Abschnitten beeinträchtigen müsste.
Das Inhaltsverzeichnis ist so umfangreich, dass es hier nicht vollständig abgebildet werden kann. Die Haupteinträge aber sind:
1. Ludwig Engels in Deutschland
2. Intermezzo in Argentinien
3. Ludwig Engels in Südbrasilien
4. Turniere und Schachpartien
5. Verzeichnisse.

Wer sich zunächst ganz auf die 35 im Buch aufgenommenen Engels-Partien konzentrieren möchte, schlägt bis zum 4. Teil des Werkes vor, wie der Aufstellung entnommen werden kann. Die Partien sind kommentiert, wobei neben zeitgenössischen Originalkommentaren zurückhaltend auch Computeranalysen eingeflossen sind.
Engels' Schachstil kann als aktiv und kombinationsreich bezeichnet werden.

Ein umfangreiches Literaturverzeichnis am Ende des Werkes sowie bald darauf die Informationen auf 458 Fußnoten, hier entsprechend als Endnoten bezeichnet, unterstreichen die enorme Recherche- und Forschungsarbeit, die zum Schreiben dieses Werkes erforderlich war. Zugleich bestätigen sie den Wert des Buches als neue Wissensquelle für weitere Projekte. Es ist damit auch als Nachschlagewerk ein Gewinn.

Fazit: "Vom Rhein nach Sao Paulo" ist ein Buch, dem ich schachgeschichtlich einen großen Wert beimesse. Als Ergebnis einer offenkundig sehr intensiven Recherche- und Forschungsarbeit sorgt es dafür, dass ein Erinnern werte, bisher aber verschüttete Informationen wieder ausgegraben und erhalten werden. Dies gilt nicht nur für Ludwig Engels, sondern für viele Aspekte des Schachspiels und auch der (Schach-)Geschichte allgemein.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise vom Verlag Chaturanga (www.chaturanga.de) zur Verfügung gestellt.

Attacking the Englisch / Reti

Alexander Delchev, Semko Semkov
Attacking the Englisch / Reti
235 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-619-7188-09-7
22,95 Euro




Attacking the Englisch / Reti
"Attacking the Englisch / Reti" ist ein Repertoirebuch für Schwarz aus dem bulgarischen Verlag Chess Stars, das dem Nachziehenden sowohl in der Englischen Eröffnung als auch der Réti-Eröffnung zu Stellungen mit einem starken Zentrum verhelfen soll. Die Autoren sind Alexander Delchev und Semko Semkov, also zwei sehr starke Spieler und erfahrene Schreiber. Ihr Hauptaugenmerk richten sie dabei auf Spielweisen, in denen Weiß zu einem frühen oder sogar vorgezogenem g2-g3 greift, ein aktuell beliebtes Vorgehen. Ihre zentrale Idee des starken Zentrums richten sie auf ein Bauernzentrum mit bestenfalls dem Duo d5 und e5, das bedarfsweise vorbereitet oder gestützt wird durch c7-c6. Die argumentative Basis für ihre argumentativen Ansätze liefern sie bereits in der kurzen Einleitung. Sinngemäß ins Deutsche übersetzt schreiben sie: "Wenn Weiß uns die Chance dazu gibt, sollten wir uns Raum im Zentrum verschaffen. Wenn er passiv spielt, sollten wir vorrücken. Unser Ziel besteht darin, ein ideales Bauernzentrum zu bilden."

Es gibt 14 Kapitel im Werk, von denen acht auf die Englische Eröffnung und sechs auf die Réti-Eröffnung entfallen. Das Inhaltsverzeichnis orientiert sich u.a. an den Initialzugfolgen und hat das folgende Gesicht:

The English Opening
1. 1.c4 e5 2.g3 Sf6 3.Lg2 c6
2. 1.c4 e5 2.g3 c6
3. 1.c4 e5 2.Sc3 Sf6 3.g3 c6
4. 1.c4 e5 2.Sc3 Sf6 3.Sf3 Sc6
5. 1.c4 e5 2.Sc3 Sf6 3.Sf3 Sc6 4.e3
6. 3.Sf3 Sc6 4.g3 Lb4 5.Sd5
7. 3.Sf3 Sc6 4.g3 Lb4 5.Lg2
8. Rare Second Moves

The Reti 9. 1.Sf3 d5 2.c4 d4 3.b4
10. 1.Sf3 d5 2.c4 d4 3.e3
11. 1.Sf3 d5 2.c4 d4 3.g3
12. 1.Sf3 d5 2.g3 c6
13. The King's Indian Set-up
14. 1.g3.

"Attacking the Englisch / Reti" folgt dem typischen und bewährten Aufbau der Repertoirebücher von Chess Stars. Die Kapitel sind in drei Abschnitte unterteilt, die erst im Zusammenwirken zur vollständigen Betrachtung der jeweiligen Spielweise führen. Einleitend wird in "Main Ideas" auf deren wesentliche Aspekte eingegangen. Insbesondere werden in diesem Abschnitt auch die strategischen Punkte im Vorgehen behandelt. Bevor sich der Leser in Einzelheiten oder in taktischen Varianten verlieren kann, entwickelt er hier das Verständnis für die roten Fäden in der Spielführung. In einer Zusammenfassung wird ihm dann noch einmal konzentriert zusammengestellt, was er aus den grundsätzlichen Erwägungen für sich mitnehmen sollte.
Der sich anschließende Abschnitt "Step by Step" enthält dann die Darstellungen der Theorie, wie man sie auch aus anderen Eröffnungsbüchern kennt. Delchev und Semkov orientieren sich an einem Variantenbaum aus Haupt- und Nebenästen. Hier werden von ihnen auch die Empfehlungen zur konkreten Zugwahl eingebracht, die sich der Leser dann bestenfalls zu Eigen machen sollte.
Die Autoren legen einen erkennbar großen Wert auf Erläuterungen und Erklärungen, zumeist geben sie ihre Gründe auch für Stellungseinschätzungen bekannt. Der Leser bleibt nicht auf sich allein gestellt, den Grund dafür zu erkennen, weshalb eine Seite nach der Einschätzung der Verfasser besser oder schlechter stehen soll. Dies ist aber nicht gleichzusetzen damit, dass - auch schon mal längere - Varianten oder Variantenketten ohne intensive Anmerkungen vermieden werden. Als Analysen oder auch als Partiefragmente sind solche, mit zunehmender Länge als Beispiel für denkbare Entwicklungen zu wertende Zugfolgen ebenfalls abgebildet.

Die Autoren machen darauf aufmerksam, dass sie mit ihren Repertoirevorschlägen bisweilen in Bereiche vorstoßen, die bisher noch nicht intensiv erforscht worden sind. Dieser Umstand ist teilweise auch dadurch begründet, dass sie früh in der Partie gegen tradierte Einschätzungen abweichen. So sind einige Passagen im Werk zu finden, in denen sich ein erkennbarer Anteil der Ausführungen aus Originalanalysen von Delchev und Semkov ergibt.

Den Abschnitten "Main Ideas" und "Step by Step" folgt zur Abrundung der Bereich "Annotated Games", in dem die Buchvarianten, soweit es dafür geeignete Beispiele gibt, im Partieeinsatz betrachtet werden. Die Kommentierung beschränkt sich auf die wesentlichen Hinweise aus dem Blickwinkel der theoretischen Bedeutung der Begegnung, es handelt sich also jeweils nicht um eine Komplettkommentierung. Diese Beschränkung ist in meinen Augen logisch und sinnvoll.

Sowohl in den Bereichen der theoretischen Erörterung als auch als kommentierte Partien sind etliche Duelle aus dem Fernschachspiel im Buch abgebildet bzw. zumindest referenziert.

Auch für den Spieler mit Weiß ist "Attacking the Englisch / Reti" von Nutzen, unabhängig davon, dass im Fokus der Betrachtungen die schwarzen Möglichkeiten liegen. Der Weißspieler kann also nicht darauf vertrauen, dass er alle starken Alternativen des Nachziehenden in einer Variante im Buch abgebildet vorfindet, da dies von den Repertoireentscheidungen der Autoren abhängt. Soweit sich die Partie aber "im Text" bewegt, findet er für sich die nach dem Urteil von Delchev und Semkov besten Alternativen vor, weil sich Schwarz genau darauf einstellen muss. Dies trifft solange zu, wie das Urteil der Autoren dem Stand der Theorie entspricht. Ein paar Einschränkungen sind mir dazu aufgefallen, die ich in der Folge noch anspreche. Weiterhin erlaubt das Werk dem Weißspieler die Vorbereitung auf die schwarzen Aufbauten im Sinne des Buches.

Für beide Parteien habe ich eine grobe Auswertung meiner Partiendatenbank vorgenommen, um einen Eindruck davon zu bekommen, wie häufig - im Groben - die Hauptvarianten des Buches in der Praxis bereits auf das Brett gekommen sind und wie sich dann die Erfolge auf beide Seiten verteilt haben. Solch eine Prüfung ist allerdings bei einem Eröffnungsbuch wie diesem und dem Vordringen in noch nicht uferlos ausanalysierte Bereiche mit etwas Vorsicht zu betrachten, denn neue Wege können weder schon häufig praktisch auf Herz und Nieren getestet worden sein noch bieten die auf einer schmalen Datenbasis beruhenden Resultate einen belastbaren Erfolgshorizont. Dennoch bietet die Statistik eine Möglichkeit zur Abrundung der Einschätzung an.
Die Ergebnisse der Auswertung sehen wie folgt aus (Partien 2010 - 2016, beide Seiten Elo > 2500):

Kapitel 1, 80 Partien (im Fernschach (FS): 3), Erfolgsquote für Schwarz: 47,3% (FS: 50%)
Kapitel 2: ohne Fokussierung auf weitere Fortsetzungen ist eine Auswertung nicht sinnvoll
Kapitel 3, 21 Partien (im FS: 0), Erfolgsquote für Schwarz in der Hauptfortsetzung: 45%
Kapitel 4: ohne Fokussierung auf weitere Fortsetzungen ist eine Auswertung nicht sinnvoll
Kapitel 5, 56 Partien in der Hauptvariante (im FS: 6), Erfolgsquote für Schwarz darin: 43,7% (FS: 50%)
Kapitel 6, 22 Partien in der Hauptvariante (im FS: 0), Erfolgsquote für Schwarz darin: 43,2%
Kapitel 7, 78 Partien in der Hauptvariante (im FS: 11), Erfolgsquote für Schwarz darin: 44,2% (FS: 40,9%)
Kapitel 8: keine Auswertung sinnvoll

Kapitel 9: ohne Fokussierung auf weitere Fortsetzungen ist eine Auswertung nicht sinnvoll
Kapitel 10, 15 Partien in der Hauptvariante (im FS: 1), Erfolgsquote für Schwarz darin: 60% (FS: 50%)
Kapitel 11, 38 Partien in der Hauptvariante (im FS: 5), Erfolgsquote für Schwarz darin: 39,5%(FS: 60%)
Kapitel 12, 236 Partien in der Hauptvariante (im FS: 2), Erfolgsquote für Schwarz darin: 44% (FS: 50%)
Kapitel 13, 14 Partien in der Hauptvariante (im FS: 0), Erfolgsquote für Schwarz darin: 53,6%
Kapitel 14: keine Auswertung sinnvoll.

Im Bereich der Réti-Eröffnung fehlt mir hin und wieder eine womöglich bessere Alternative für den Anziehenden als die von Delchev und Semkov aufgegriffenen Züge. So wäre im Kapitel 9 in der Variante 1.Sf3 d5 2.c4 d4 3.b4 f6 4.e3 e5 5.c5 a5 statt 6.Da4 die Alternative 6.Sxe5!? zu beachten gewesen, die wir in Konikowski/Bekemann, Réti-Eröffnung … richtig gespielt mit einer guten Prognose untersucht haben. Gleiches gilt z.B. für 8.Le3 nach 1.Sf3 d5 2.c4 d4 3.e3 Sc6 4.exd4 Sxd4 5.Sxd4 Dxd4 6.Sc3 c6 7.d3 Sh6. An diesen Stellen muss Schwarz also aufpassen, dass er nicht aus seinem Repertoire gedrückt wird.

Die Buchsprache ist Englisch. Mit Fremdsprachkenntnissen auf Schulniveau sollte der Leser kaum Verständnisprobleme meistern müssen.

Fazit: "Attacking the Englisch / Reti" ist ein empfehlenswertes Werk für den Leser, der sich ein Repertoire mit Überraschungspotenzial gegen die Englische Eröffnung und die Réti-Eröffnung zulegen möchte. Das Gleiche gilt für denjenigen, der sein Repertoire im Kampf gegen beide Systeme um einen Zweig erweitern möchte, so dass er sich mehr Flexibilität verschafft und weniger berechenbar wird.
Auch für den Spieler mit Weiß entfaltet das Werk einen Nutzen, wobei er hinsichtlich der schwarzen Zugmöglichkeiten den Repertoireentscheidungen der Autoren unterliegt. In diesen Bahnen findet er für sich wie für den Gegner ebenfalls die nach dem Urteil der Autoren besten Wege.

Die typische und bewährte Struktur der Repertoirebücher aus dem Chess Stars Verlag wird mit diesem Werk besonders gut genutzt.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Karsten Müller - Verteidigung

Karsten Müller, Merijn van Delft
Karsten Müller - Verteidigung
259 Seiten, gebunden, mit Lesebändchen
ISBN: 978-3-95920-028-8
22,80 Euro




Karsten Müller - Verteidigung
"Karsten Müller - Verteidigung" ist eine bemerkenswerte Neuerscheinung aus dem laufenden Jahr 2016, die schon im Untertitel verdeutlicht, was sie will. "Teste und verbessere deine Fähigkeiten in der Verteidigung" ist die Aufforderung an den Leser.
Das Werk ist eine Übersetzung des 2010 in englischer Sprache von Russell Enterprises herausgegebenen Buches "Chess Cafe Puzzle Book 3". Die deutsche Ausgabe ist dabei allerdings um das Kapitel 13 erweitert worden, das neue Verteidigungsbeispiele enthält und damit eine Aktualisierung des Stoffes erreicht. Auch wenn der deutsche Spitzenspieler und Experte der Verteidigungskunst im Schach Karsten Müller alleine im Titel vorkommt, handelt es sich doch um eine Koproduktion des Autorenduos Karsten Müller und Merijen van Delft. Es hat aber wohl eine unterschiedliche Schwerpunktsetzung zwischen beiden gegeben. Während Müller für die ausgewählten Stellungen und Analysen ganz überwiegend den Hut aufhatte, war van Delft, in Hamburg lebender IM, vor allem für das geschriebene Wort zuständig. Sie betonen im Vorwort, dass "Karsten Müller - Verteidigung" dennoch eine echte Gemeinschaftsarbeit ist, weil beide Autoren alle Inhalte Punkt für Punkt durchgegangen sind.

Eine der wichtigsten Voraussetzungen des Spielers, sich gut in der Partie zu verteidigen, bezeichnen die Verfasser schon auf den ersten Seiten. Er muss Spaß an der Verteidigung haben, nur dann findet er mit der richtigen Einstellung den richtigen Weg auf dem Brett. Unabhängig davon, ob man "heroisch" eine Verluststellung zu retten hat oder "alltäglich" defensive Techniken einsetzen muss - der Spieler muss die richtige Einstellung verkörpern, um sich am Brett als leistungsstarker Verteidiger beweisen zu können.

In der Rangliste der Möglichkeiten, sich zu einem besseren Verteidiger zu entwickeln, sehen die Autoren das Spielen schlechterer Stellungen gegen stärkere Gegner mit der anschließenden Analyse vorne. Dann aber kommt bereits das Erlernen der Verteidigungsstrategien mit anschließenden Lösungsaufgaben und Tests. Und genau hier hakt "Karsten Müller - Verteidigung" ein.

Das Werk ist in 13 Kapitel gegliedert. Man könnte auch von deren 14 sprechen, denn es gibt noch einen umfangreichen Lösungsteil im Anschluss, der nicht als Kapitel mitgezählt worden ist.
Die Stoffvermittlung beginnt mit grundlegenden Techniken im Kapitel 1, in der Folge spezialisiert sie sich dann in den Kapiteln 2 bis 9. Eine Sonderstellung nimmt das Kapitel 10 ein, in dem die Verteidigungskunst des früheren Weltmeisters Tigran Petrosjan ins Scheinwerferlicht genommen wird. Der Darstellung der Verteidigungstechniken folgen Übungen und Tests. Die Lösungen darauf sind am Ende des Buches zu finden, zwischen ihnen und den Tests ist noch die Erweiterung der deutschen Ausgabe eingeordnet worden, wie schon erwähnt als Kapitel 13.

Auf die Kapitelüberschriften reduziert sieht das Inhaltsverzeichnis hinsichtlich der Kernbereiche wie folgt aus:

1. Prinzipien und Methoden des Verteidigens
2. Gegen einen Königsangriff verteidigen
3. Gegen die Initiative kämpfen
4. Dauerschach
5. Patt
6. Der richtige Abtausch
7. Qualitätsopfer
8. Gegen den Minoritätsangriff verteidigen
9. Schlechtere Endspiele verteidigen
10. Der großartige Tigran Petrosjan
11. Einfache Aufgaben
12. Tests
13. Verteidigungsbeispiele.

Die einzelnen Theoriekapitel sind identisch aufgebaut. Einer kurzen Einführung in die jeweilige Thematik folgt die Darstellung des zu behandelnden Verteidigungsmanövers anhand von Diagrammen und Partiefragmenten. Zumeist unterteilt sich der Stoff weiter und zwar in mehrere Elemente der Verteidigungstechnik, die dann entsprechend in Unterpunkten behandelt werden. Auch zu diesen findet der Leser regelmäßig wieder eine zumindest kurze Einführung vor, bevor die Autoren dann nach dem beschriebenen Muster fortfahren.

Die Art und Weise, wie die Mittel der Verteidigung erörtert werden, halte ich für mustergültig. Die Autoren arbeiten mit kleinen Portionen, erklären und erläutern so gut wie alles, was stattfindet. Sie erreichen bei dem Spieler, der intensiv auf das Werk eingeht, ganz sicher die Entwicklung eines Spaßgefühls im Umgang mit der Verteidigungspflicht, neben der für mich unzweifelhaft eintretenden Verbesserung des Leistungsvermögens.

Zu den maßgeblichen Prinzipien des Buches gehört der extensive Einsatz von Aufgaben, die der Leser lösen soll. Sie sind zu den einzelnen Themen innerhalb der Kapitel, als einfache Aufgaben im Kapitel 11 und als Tests im Kapitel 12 zu finden. Die Autoren handeln hierdurch intensiv nach einem Aphorismus von Konfuzius: "Was du mir sagst, das vergesse ich. Was du mir zeigst, daran erinnere ich mich. Was du mich tun lässt, das verstehe ich."
Soweit diese Aufgaben innerhalb der einzelnen Kapitel gestellt werden, tragen sie unmittelbar zum Lernen des aktuell behandelten Stoffes bei. Der Leser konsumiert nicht nur die Ausführungen, sondern hat die daraus gewonnenen Erkenntnisse sogleich anzuwenden, wobei er wie in seiner eigenen Partie Lösungen sucht, verwirft oder anwendet und dabei die Qualität seiner Analysen an Erfolg oder Misserfolg messen kann.
Gerade die zuvor schon genannten Tests, die weit vorgerückt im Werk verortet sind und das gesamte Stoffgebiet umfassen, haben es in sich. Der Leser soll sich jeweils eine Stunde lang mit ihnen beschäftigen und möglichst eine Schachuhr dabei einsetzen, um ein Partie-Feeling zu erzeugen. Je nach seinem Lösungserfolg darf er sich Punkte gutschreiben, die schließlich mit ihrer Summe darüber entscheiden, ob er noch einmal von vorne anfangen sollte, den Weltmeister herausfordern bzw. Stufen zwischen diesen beiden Extremen für sich reklamieren darf. Auch dieses Leistungsregister beweist, dass "Karsten Müller - Verteidigung" die Vermittlung von Spaß an der "Arbeit" zu einem Hauptanliegen erklärt hat.

Ganz zum Schluss gibt es noch ein Quellenverzeichnis und zwei Fotos von den Autoren.

Das Buch hat einen festen Einband, ist gebunden und hält als besonderen Pfiff ein Lesebändchen bereit, so dass man immer weiß, wo es zum nächsten Lernhäppchen weitergeht.

Fazit: "Karsten Müller - Verteidigung" ist ein ausgezeichnetes Lehr- und Testbuch zur Verteidigung im Schach. Der Leser, der das Werk konzentriert durcharbeitet und diszipliniert die an ihn gerichteten Aufgaben löst, wird seine Spielstärke zweifellos heben.
Der Spieler soll Freude an der Verteidigung zu entwickeln lernen, das Buch hilft ihm dabei.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise vom Schachverlag Ullrich / Joachim Beyer Verlag (www.schachversand-ullrich.de) zur Verfügung

Winning with the Modern London System

Nikola Sedlak
Winning with the Modern London System
223 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-83-944290-9-6
24,95 Euro




Winning with the Modern London System
"Winning with the Modern London System" vom serbischen Großmeister Nikola Sedlak folgt dem Anspruch, Weiß ein vollständiges und abgesichertes Repertoire für den Fall an die Hand zu geben, dass sein Gegner auf 1.d4 mit 1…d5 antwortet. Er spricht vom "Modern London System", um schon über die Namensgebung eine Abgrenzung der von ihm besprochenen Spielweise von einem Teilbereich des Systems zu erreichen. Sie wird mit 2.Lf4 eingeleitet und ist nur dann seine Empfehlung, wenn Schwarz tatsächlich zu d7-d5 gegriffen hat.
Nach seinen Worten hat er sich von seinem Idol Tony Miles inspiriert gefühlt, als er sich vor Jahren dieser Eröffnungsidee zuwendete. Seit 2005 gehört die Eröffnung zu seinem festen Repertoire. Er hat Erfolg damit und einen großen Erfahrungsschatz aufgebaut, den er ins Werk eingebracht hat.

Sedlak behandelt den Stoff anhand von praktischen Partien, von denen er eine Reihe selbst gespielt hat. Neun von zehn Kapiteln im Werk sollen den Leser mit dem Ziel anleiten, ihn gut aus der Eröffnung in die Partie kommen zu lassen. Ein zehntes Kapitel verfolgt den Ansatz, dass er bestimmte Endspiele zu erreichen oder auch zu vermeiden lernen soll. Den Erörterungen der Theorie vorangestellt ist eine kurze historische Einführung des Systems, um dem Leser etwas Hintergrundwissen anzubieten und ihn vielleicht auch schon etwas auf dem Geschmack zu bringen.

Entsprechend sieht das Inhaltsverzeichnis - im "Deutsch-Englisch-Mix" - zum Kernbereich der Betrachtungen wie folgt aus:

Kapitel 1: Caro-Kann Position
Kapitel 2: Early Db6-c4
Kapitel 3: - Classical Set-Up without e6
Kapitel 4: - Classical Set-up with e6
Kapitel 5: - Early ... e6
Kapitel 6: - Slav Set-Up - 2...c6 and symmetry 2...Lf5
Kapitel 7: - Grünfeld Set-Up
Kapitel 8: - Queens's Gambit Set-Up
Kapitel 9: - Chigorin Set-Up and 2...Lg4
Kapitel 10: - Typical Endgames: London System.

Die Kapitel beginnen mit einer kurzen theoretischen Einführung, die den Leser über die wesentlichen Aspekte zur Strategie und Taktik der jeweiligen Spielweise aufklärt. Entsprechend ist es ihm dringend anzuraten, auch genau damit zu beginnen und nicht etwa zu den Partien des Kapitels zu springen. Mit den einleitenden Informationen auf der Habenseite kann er sich dann an die Arbeit mit den Partien machen.
Im Vorgehen Sedlaks beim Einsatz der Partien gibt es drei Besonderheiten, die mir sehr gut gefallen. Zunächst bereitet er den Leser darauf vor, was ihm im Folgenden vermittelt werden soll. Er stellt die wesentlichen Aspekte der Begegnung heraus und zeigt auf, was daraus geschlossen werden kann. Entsprechend kann der Leser sein Augenmerk auf diese Gegenstände richten, während er im Stoff voranschreitet. Wenn sich ein Vergleich zum Handeln eines Spielers in einer anderen Partie anbietet, macht Sedlak auch darauf aufmerksam.
Als eine sehr gute Entscheidung sehe ich die Angabe jeweils der Theoriezugfolge an, wenn die Partie unter Zugumstellungen oder sogar aus anderen Eröffnungen in Buchvarianten übertritt. Beispielsweise kann sie auch über Caro-Kann gelaufen sein, sich also auch aus einer Eröffnung mit dem e-Bauern ergeben. Der Leser behält so den vollen Überblick darüber, wie "sein System" nach seinem Aufschlag mit dem d-Bauern auf geradem Weg verläuft und kann außer Acht lassen, dass die Spieler der jeweiligen Beispielpartie auf Umwegen dorthin gekommen sind.
Sehr gelungen sind für mich auch Schlussfolgerungen nach der Erörterung eines Themas und Zusammenstellungen dessen, was der Leser aus einer vorangegangenen Besprechung lernen sollte. Hier erfährt er ganz konkret das Wichtigste, was er für seine eigene Spielanlage und Partieführung konkret beherzigen sollte. Nicht selten formuliert Sedlak an dieser Stelle eine Art Merksätze, die sich einzuprägen lohnen.
Die Einführung einer Partie, die erheblichen Textanteile in der Kommentierung sowie die nachgehende Zusammenfassung bilden eine bemerkenswerte Einheit. Der Leser wird mit dem System vertraut gemacht. Er soll ein Gespür für dessen Anforderungen bekommen und zugleich konkrete Aspekte erlernen können.

Ich vermisse allerdings ein Variantenverzeichnis. Sowohl dem lernenden Leser als auch jenem, der zu einer Spielweise etwas nachschlagen möchte, wird die Orientierung im Buch nicht leicht gemacht. Ein Partien- und ein Spielerverzeichnis, die ebenfalls nicht enthalten sind, sind da schon eher als fehlend zu verkraften.
Das zehnte Kapitel, also jenes mit der Ausrichtung auf Endspielstellungen, hätte nach meinem Geschmack direkter sein dürfen und etwas mehr Umfang haben können. Hier hätte sich die Arbeit mit Fragmenten anbieten können. Der positive Ansatz, das Endspiel zumindest in entscheidenden Situationen bzw. zu generalisierbaren Aspekten in die Betrachtungen einzubeziehen, wird ein Stück weit entwertet. In der realisierten Weise bleibt das Werk hier zu oberflächlich.

Das Buch ist in englischer Sprache unter dem polnischen Label "Chess Evolution" erschienen und eine Neuerscheinung aus 2016. Fremdsprachkenntnisse auf Schulniveau reichen zum Verstehen aus, auch wenn nicht immer "korrektes Englisch" im Buch zu finden ist. Fremdsprachlich nicht ganz so geübte Leser werden vielleicht auf den ersten Seiten etwas Mühe haben, weil dort einiges an Text auf sie wartet. Allerdings sind die Ausführungen dort für denjenigen, den allein die Theorie interessiert, entbehrlich. Ihm entgehen dann mehr oder weniger nur einige einführende Worte und etwas Hintergrundwissen.

Fazit: Wer sich nach 1.d4 d5 mit 2.Lf4 ein Spezialrepertoire aufbauen möchte, findet in "Winning with the Modern London System" ein Buch im Regal, das ihm sehr gut helfen kann. Es stellt das System anschaulich dar und gibt sich große Mühe, den Leser verstehen zu lassen und anzuleiten. Das System selbst vermittelt die Chance, Berge von Eröffnungstheorie zu umschiffen.
So ist das Werk für mich eine Empfehlung für jeden Klubspieler und ein Ideengeber darüber hinaus.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

The Exchange Sacrifice

Sergey Kasparov
The Exchange Sacrifice
256 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-941270-22-6
22,95 Euro




The Exchange Sacrifice
Einem sehr interessanten Thema widmet sich Sergey Kasparov in seinem Buch "The Exchange Sacrifice", im laufenden Jahr 2016 bei Russell Enterprises erschienen. Es geht darin um das Qualitätsopfer, bei dem die opfernde Seite einen Turm gegen einen Läufer oder gegen einen Springer gibt. Das Buch soll ein "praktischer Leitfaden" für den Leser sein.

Kasparov hat verschiedene Situationen, die jeweils einen Typus dieses Opfers klassifizieren, ermittelt. In 10 Kapiteln arbeitet er diese dann heraus und stellt sie dem Leser vor. Die ersten beiden Kapitel sind aber zunächst den beiden früheren Weltmeistern Tigran Petrosjan und Anatoly Karpow gewidmet, die beide für den expliziten Einsatz dieser Waffe bekannt sind. Ganz besonders gilt dies für Petrosjan, der das Qualitätsopfer als Element des Positionsspiels nutzte und (welt-)meisterlich zu behandeln wusste.

Alle Darstellungen bedienen sich praktischer Partien als Medium. In der von Kasparov getroffenen Auswahl finden sich überwiegend "neuzeitliche" Begegnungen wieder, sie können aber auch schon mal mehrere Jahrzehnte als sein. Historische Schätzchen hat er aber nicht eingebaut. Für das, was er vermitteln möchte, ist das Alter einer verwendeten Partie gleichgültig. Ich finde seine Auswahl gelungen.
Insgesamt haben 197 Partien ihren Platz im Werk gefunden. Sie werden ganzheitlich dargestellt, wobei die Eröffnungsphase und auch die Partiephase nach dem für das jeweilige Qualitätsopfer interessanten Bereich nicht kommentiert wird bzw. mit schmalen Anmerkungen auskommen muss.

Anstelle einer Aufnahme des Inhaltsverzeichnisses stelle ich nachstehend die von Kasparov isolierten Arten von Qualitätsopfern nach deren Situation bzw. Intention vor, so wie sie in der Reihenfolge des Werkes ab dem 3. Kapitel jeweils behandelt werden.
- Dominanz: Um eine eigene Dominanz in der Partie zu entwickeln oder eine gegnerische Dominanz zu brechen.
- Initiative: Hier geht es um die Entwicklung der eigenen Aktivität, um den Kampf um die Initiative in der Partie.
- Fischen im Trüben: Der Gegner soll aus dem Konzept gebracht werden. Der opfernde Spieler mag schlechter stehen und wird über kurz oder lang verlieren. Bei einem Qualitätsopfer hat er also nicht wirklich etwas zu verlieren und nutzt nur die mit ihm verbundenen Möglichkeiten.
- Realisierung eines Vorteils: Die opfernde Partei verfügt über einen Stellungsvorteil und macht diesen über das Qualitätsopfer (endgültig) klar.
- Bester Zug: Der Opferzug ist schlicht der beste in der gegebenen Situation oder sogar der einzige.
- Einleitung eines Königsangriffs: Ein Angriffsmanöver gegen den feindlichen König beginnt mit dem Qualitätsopfer.
- Reduzierung des Materials: Das gegnerische Offensivpotenzial wird durch Abtausch unter Hergabe der Qualität reduziert.
- Zerstörung der Bauernstellung: Eine intakte gegnerische Bauernkette wird durch das Opfer demoliert.
- Bau einer Festung: Das Qualitätsopfer kann mehrere aktive und passive Ausrichtungen haben. Eine davon ist der Bau einer Festung zur eigenen Verteidigung oder der Kampf gegen den erfolgreichen Bau einer Festung durch den Gegner.
- Läuferaktivierung: Hier wird der statische Wert Material für den dynamischen Wert der Aktivierung des bisher unzureichend wirksam eingesetzten Läufers gegeben.

An "The Exchange Sacrifice" gefällt mir:
1. Die Idee, dieses Buch zu schreiben. Soweit mir bekannt füllt es eine Lücke, weil das Qualitätsopfer in einer vergleichbaren Intensität und Analytik bisher in der Literatur nicht behandelt worden ist.
2. Die Klassifizierung der Opferarten bzw. der Intentionen / Zwecke. Das Qualitätsopfer ist in sich gut entsprechend eingeteilt, definiert und abgegrenzt. Ich erkenne keine Lücken.
3. Die Darstellung anhand von vollständigen Praxisbeispielen unter reduzierter Kommentierung der weniger relevanten Partiephasen.
4. Anzahl und Positionierung der Diagramme, die es zulassen, sich mit dem Werk auch ohne Brett zu beschäftigen.
5. Die lockere Erzählweise, die das Buch nie langweilig werden lässt und auch etliche narrative Elemente einbezieht.
6. Die auf den Punkt konzentrierte Kommentierung, über die das Qualitätsopfer jeweils selbst genügend beleuchtet wird und sonstige Aspekte in den Rückraum treten.
7. Vom Leser zu erfüllende Übungsaufgaben mit einer Skalierung zur Leistungsbewertung. Am Ende des Buches ist der Lernerfolg des Lesers gefragt, indem er jeweils anhand einer Diagrammstellung und einer kurzen Aufgabenstellung Möglichkeiten für Qualitätsopfer bestätigen oder verwerfen soll. Er darf sich dann nach erreichten Punktwerten einem Leistungsbereich in einem breiten Spektrum zuordnen, wobei die humorvoll gestalteten Stufendefinitionen schon andeuten, dass hier der Spaß ein besonderer Begleiter sein soll.

An "The Exchange Sacrifice" gefällt mir nicht:
1. Ich vermisse einen theoretischen Unterbau für das zu Erlernende. Kasparov setzt sehr und sehr gut gemacht auf eine Anleitung des Lesers anhand gut nachvollziehbarer Beispiele. Er ergänzt diese Anleitung aber nicht mittels einer Abstraktion in die Richtung von Stellungsmerkmalen, die eine Opferreife anzeigen können, Lehrsätze zur Ausführung etc. Mit beispielweise einer echten wertenden Zusammenfassung am Ende eines Kapitels, mit Hinweis- und Merkkästchen an der jeweiligen Stelle des Geschehens oder auch mit einem eigenständigen Kapitel zur "Theorie des Qualitätsopfers" wäre hier noch einiges zu machen gewesen.
2. Die textliche Gestaltung wirkt manchmal etwas unaufgeräumt, die Übersicht ist manchmal nur mit etwas mehr als der gewöhnlich erforderlichen Mühe zu halten. Etwas mehr Struktur gebende Elemente wie (deutliche) Absätze hätten dem Nachteil vorbeugen können.
Der Drucksetzer hat gelegentlich mit deutlich erkennbaren Eingriffen darauf hingewirkt, die Inhalte korrekt und platzsparend einzubinden. Partiell geringere Schriftbreiten wie auch abweichende Zeilenabstände waren dann das Mittel seiner Wahl, die aber für den Leser zu unterschiedlichen Darstellungen innerhalb zusammengehörender Bereiche führen.

Die Buchsprache ist Englisch. Der Satzbau ist regelmäßig einfach, das Vokabular zumeist auf das für Schachbücher Übliche beschränkt.

Fazit: "The Exchange Sacrifice" ist ein gutes und damit empfehlenswertes Werk, das vor allem auch eine wichtige Lücke füllt. Der Leser wird zweifellos in seiner Spielstärke profitieren, wenn er den darin enthaltenen Stoff konzentriert durcharbeitet. Er wird dabei von der unterhaltsamen Art der Kommentierung des Autors unterstützt. Allgemeine Ausführungen zur Theorie des Qualitätsopfers hätten dieses gute Werk noch etwas besser gemacht. "The Exchange Sacrifice" spricht in meinen Augen den Spieler weitgehend unabhängig von dessen Leistungsbereich an. In der ersten Reihe steht für mich dabei allerdings der Klubspieler.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Chess for Life

Matthew Sadler, Natasha Regan
Chess for Life
223 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-910093-83-2
19,95 Euro




Chess for Life
Mit "Chess for Life" hat das Autoren-Duo Mathew Sadler und Natasha Regan das Ergebnis einer Arbeit vorgestellt, die sich einer sehr interessanten Frage widmet. Wie kann es ein Spieler schaffen, bis weit jenseits der normalerweise leistungsstärksten Jahre hinaus erfolgreich Schach zu spielen? Die Antwort darauf haben sie zu finden versucht, indem sie Studien zum Erfolg bekannter Spielerinnen und Spieler betrieben haben, die sich durch eben ein hohes Leistungsvermögen auch im fortgeschrittenen Alter ausgezeichnet haben bzw. immer noch auszeichnen. Als weitere Erkenntnisquelle haben zahlreiche Interviews gedient. So bietet das Werk etliche persönliche Erfolgsrezepte als "O-Ton" an. Nur sollte der Leser dabei keine Mehr-Gänge-Menüs erwarten; zumeist sind es recht einfache Gerichte, die auf den Teller kommen, zusammengenommen machen sie aber ein kleines Kochbuch aus der Praxis aus.

Diese 2016er Neuerscheinung ist von Gambit Publications Ltd. herausgebracht worden.

In der Reihenfolge, in der sie in "Chess for Life" vorkommen, stützt sich das Werk auf die Beispiele der folgenden Spielerinnen und Spieler:
Pia Cramling, John Nunn, Jose Raul Capablanca, Judit Polgar, Terry Chapman, Jon Speelman, Tony Miles, Sergej Tiwiakow, Ingrid Lauterbach, Nigel Short, Nona Gaprindashvili, Yasser Seirawan und Keith Arkell.

Allen gemeinsam ist, dass sie sich die Freude am Schach bis in eine spätere Lebensphase bewahrt haben oder sie diese darin wieder neu gefunden haben. Diese Tatsache selbst halte ich für eine Selbstverständlichkeit, wenn man im Schach aktiv bleibt bzw. wieder ans Brett zurückkehrt, und für kaum besonders erwähnenswert. Interessant zu erfahren ist dem gegenüber aber sehr wohl, worauf diese Freude am Schach beruht.

Im Bereich der letzten Buchseiten erhält der Leser eine Zusammenfassung der Ergebnisse zur Beantwortung der Ausgangsfrage. Sie sind den folgenden, hier sinngemäß übersetzten Überschriften zugeordnet:
1. Freude am Schach und Motivation
2. Trainings-Strategien
- Lernen durch das Studium von Partien
- Blitzpartien starker Spieler verfolgen
- Training mit ebenbürtigen Partnern
- Gegen den Computer spielen
--- zur Verbesserung der analytischen Fähigkeiten
--- zur Vorbereitung auf ein bevorstehendes Turnier
3. Sich ein langlebiges Eröffnungsrepertoire zulegen
- Hauptlinien spielen
- Hauptlinien vermeiden
- Die Eröffnung so wählen, dass ein vorteilhaftes / ein den eigenen Fähigkeiten entgegenkommendes Endspiel entsteht
4. Vorbereitung auf eine Partie
5. Ansätze aus der Praxis.

Es ist nichts dabei, was nicht Allgemeingut wäre oder man nicht schon mal irgendwo gelesen oder gehört hätte. Auch sind manche Tipps gegensätzlich, was nicht verwundern muss, weil sie eben allesamt persönlich geprägt sind, je nach Spielerin oder Spieler. Sie werden auch nicht allesamt nach dem Geschmack des Lesers sein, denn wenn sich dieser eines hohen eigenen Eröffnungs-Knowhows erfreut, wird er sich kaum in Zukunft auf Nebenwege stürzen wollen. Er hat die Wahl zwischen zwei Methoden, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten.

Dass zu einem erfolgreichen Schachspiel auch ein gesunder Lebenswandel wie auch ein genügender Schlaf gehören, gehört für mich zu jenen Erkenntnissen, die in einem analytischen Werk nicht unbedingt aufgezählt werden müssten, aber auch nicht stören. Mit diesem Aspekt wechseln wir zudem vom Lern- und Beratungseffekt, den das Werk erzielen möchte, zum erzählenden Teil. Besonders die Interviews sind sehr unterhaltsam. Und sie geben eben auch einen Einblick in persönliche und alltägliche Vorkehrungen der oder des Interviewten, um sich die Freude am Schach und die Leistungsfähigkeit im Spiel zu erhalten.

Soweit die einzelnen Spielerinnen und Spielern gewidmeten Beiträge konkret auf deren Methoden auf dem Brett bzw. zu Training und Vorbereitung eingehen, legt "Chess for Life" das Gewand eines gewöhnlichen Schachbuchs an. Der Leser findet Partien, Partiefragmente, beides jeweils kommentiert, und Diagramme vor. Eine den behandelten Aspekt des Spiels bezeichnende Überschrift steht allem voran. Ergänzt werden die Ausführungen zur Person durch unterschiedliche Gegenstände von Informationen. Hierzu zählen grafische Darstellungen zum persönlichen Elo-Verlauf, tabellarische Aufstellungen zum Eröffnungsrepertoire, (Eröffnungs-)Statistiken und mehr.

Ganz am Ende des Werkes findet der Leser mehrere Verzeichnisse. Hervorzuheben ist dort meines Erachtens die Zusammenstellung der untersuchten brettbezogenen Aspekte. Sie leistet Unterstützung bei der Auswahl dessen, was in die konkrete Arbeit zur Verbesserung der spielerischen Fähigkeiten ausgewählt werden soll. Die Autoren empfehlen ein konzentriertes Studium des Buches, aber nicht jeder hat die Zeit und Muße, alle Inhalte durchzuarbeiten, und nicht alle werden sich an die Reihenfolge der Behandlung halten wollen.
Die weiteren Verzeichnisse auf den letzten Buchseiten listen die Spieler sowie die Eröffnungszuordnung der abgebildeten Partien und Fragmente auf.

Die Buchsprache ist Englisch. Größtenteils reicht ein ordentliches Schulenglisch aus. Wer fremdsprachlich nicht ganz so gut zu Fuß ist, wird nicht so ganz bequem mit dem Werk arbeiten können, weil es eben sehr viel Text enthält.

Fazit: "Chess for Life" ist ein ungewöhnliches Werk. Es widmet sich einem Thema, das jeden angeht, der auch im Herbst des Lebens noch Freude am Schach empfinden und seine Spielstärke auf einem möglichst hohen Niveau halten möchte. Es gibt Tipps und Anleitung, wie der Spieler die schwindende jugendliche Energie durch einen sich anpassenden Spielstil, Einsatz seiner Erfahrung und weiterer Werte auffangen kann.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Best fighting games of 2012-2015

Arkadij Naiditsch, Csaba Balogh
Best fighting games of 2012-2015
260 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-83-944290-2-7
24,95 Euro




Best fighting games of 2012-2015
Meine Besprechung der 2016er Neuerscheinung "Best fighting games of 2012-2015" des Autoren-Duos Arkadij Naiditsch und Czaba Balogh kann ganz problemlos etliche Passagen aus dem Schwesternwerk "Positional Masterpieces 2012-2015" recyclen. Beide Bücher sind unter dem polnischen Label Chess Evolution erschienen und sich sehr ähnlich. Unterschiede sind so schwer herauszuarbeiten, wie wenn man eineiige Zwillinge nach individuellen Merkmalen eindeutig beschreiben sollte.
Wenn Sie also meine frühere Rezension, sie ist erst wenige Wochen alt, lesen oder gelesen haben, werden Sie viel daraus hier wiedererkennen.

Das Werk enthält 50 kommentierte Partien, die mit einem Sieg geendet sind. Ausgewählt, analysiert und kommentiert worden sind sie von Arkadij Naiditsch und Csaba Balogh, also von zwei erfahrenen und erfolgreichen Großmeistern. Bei ihrer Auswahl haben sie sowohl formelle als auch inhaltliche Zielvorstellungen umgesetzt. Einerseits sollten die Partien von den besten Spielern in den bedeutendsten Turnieren der Jahre 2012 bis 2015 gespielt worden sein, andererseits sollten sie sich über den Unterhaltungswert für den Leser, einen spektakulären Verlauf bzw. auch nützliche Angriffsideen hervorheben.
Ich könnte nun die großen Namen der Akteure beispielhaft aufzählen und genauso hinsichtlich der Turniere verfahren, aber so richtig sinnvoll wäre dies nicht. Denken Sie einfach an alles, was in beiderlei Richtung Rang und Namen hat, dann liegen Sie bei den Akteuren und bei den Veranstaltungen richtig.
Die Autoren empfehlen übrigens, die Partien an einem herkömmlichen Schachbrett zu verfolgen, um den höchsten Unterhaltungseffekt zu erzielen.
Erwähnenswert ist noch der Hinweis, dass sie den Fokus weg von der Eröffnungstheorie in die Richtung des individuellen Schaffens der Spieler in der Partie rücken wollen und sie im Zuge der Kommentierung weitgehend auf den Einsatz von Engines verzichtet haben. Der frühe Hinweis auf diesen Verzicht findet sich in späteren Verlauf bestätigt, indem Ergebnisse eines Engineeinsatzes kaum angemerkt werden. Da die Kommentierung sehr auf Textanmerkungen ausgerichtet ist und Analysen auf ein übersichtliches Maß beschränkt sind, lässt sich auch aus den Analysenpassagen selbst ein allenfalls geringer Einfluss von Engines erkennen.

Die 50 Partien sind tatsächlich sehr unterhaltsam kommentiert. Beide Autoren haben sich hier an unterschiedlichen Spielen an die Arbeit gemacht, sodass sich eine Sammlung aus Partien ergibt, die entweder von Naiditsch oder von Balogh kommentiert worden sind. Der Kommentarstil beider Akteure ist ähnlich, mir fallen erwähnenswerte Unterschiede oder gar Vorzüge und Nachteile im Vergleich nicht auf.
Einleitend erfährt der Leser immer etwas zur Partie, quasi als vorweggenommenes Fazit zum Ablauf, zu Spielern, zur Turniersituation oder auch Einschätzungen zu Stärken und Schwächen der Vertreter in der Weltspitze etc.

Ich habe für mich keine Klarheit gefunden, warum die aufgenommenen Partien beste "fighting games" sind, was sie also zu besten "Kampfpartien" oder ausgekämpften Partien macht, wenn es nicht schlicht das Ergebnis in der Gestalt von Sieg und Niederlage sein soll. Eine Seite hat jeweils den vollen Punkt errungen, friedliche Remisschlüsse sind im Buch also nicht zu finden. Einige Partien wurden im Ablauf erheblich durch Fehler eines Spielers beeinflusst, die das Duell aus der Remisbreite beförderten. Treffender wäre ein Buchtitel gewesen, der auf spannende Gewinnpartien hingewiesen hätte.
Dem Freund äußerst unterhaltsamer und sehr ansprechend kommentierter Partien soll dies egal sein. Er bekommt Entertainment pur für sein Geld und kann auch in seiner Spielstärke profitieren, wenn er sich intensiv mit dem Buch befasst.
Die Analysen gehen nur in seltenen Ausnahmefällen in eine große tiefe vor. Eine "Verschachtelung" endet zumeist schon mit dem ersten Klammereinschub.
Apropos Klammer: Eher zufällig sind mir an verschiedenen Stellen geringfügige Fehler im Text aufgefallen, die vermutlich auf den Einsatz von Chessbase als Schreibprogramm zurückgehen. Dies kann mal eine verbliebene eckige Klammer sein, dann wird eine geöffnete Klammer nicht wieder geschlossen oder aber eine Variante enthält an einer falschen Stelle ein Semikolon. Dies sind natürlich Peanuts, aber wenn man als Rezensent auch auf die formellen Dinge achtet, darf man sie vielleicht erwähnen. Ansonsten ist an der "technischen" Qualität des Werkes absolut nichts auszusetzen, im Gegenteil. Sehr sauberes Druckbild, stabiler Umschlagkarton, feines Papier - alles passt.

Der für mich schönste Kommentar leitet die Partie Nr. 20 ein. Naiditsch hat sie als Schwarzer gegen Caruana gewonnen und dann eben auch selbst kommentiert. Warum er nach seinen Worten im schlechtesten Turnier seiner Karriere mit einem ungnädigen Zwischenstand ausgerechnet gegen Caruana und ausgerechnet mit Schwarz gewinnen konnte, während er in drei vorhergehenden Partien gegen ihn jeweils Gewinnstellungen auf dem Brett hatte und doch nur schreckliche 0,5 Punkte holte, kann er nicht erklären. Wunderbar! Ihm geht es wie einem gemeinen Schachfreund wie mir, der auch oft nicht weiß, warum er gerade gewonnen oder verloren hat.

Die Buchsprache ist Englisch. Mit Fremdsprachkenntnissen auf Schulniveau wird der Leser bequem mit dem Werk arbeiten können.

Fazit: "Best fighting games of 2012-2015" ist eine Sammlung aus 50 Klasse-Gewinn-Partien aus der Weltspitze, die von den beiden Autoren so kommentiert worden sind, dass sie auch vom Amateur gut verstanden werden können und beim Nachspielen einen hohen Unterhaltungswert entwickeln.
Und wer ein universelles Geschenk an einen Schachfreund sucht, der kann mit diesem Werk ebenfalls nichts falsch machen. Es wird immer ankommen, weitgehend unabhängig von der Spielstärke des Empfängers.

A Simple Chess Opening Repertoire for White

Sam Collins
A Simple Chess Opening Repertoire for White
159 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-910093-82-5
17,50 Euro




A Simple Chess Opening Repertoire for White
Bei meiner Arbeit mit "A Simple Chess Opening Repertoire for White" von IM Sam Collins aus Irland habe ich mich unvermittelt an die vom Tennis bekannte Spielweise "Serve and Volley" erinnert gefühlt, die u.a. Boris Becker zu seinen Erfolgen gefühlt hat. Der aufschlagende Spieler serviert möglichst hart und rückt sofort bis ans Netz vor, um den vom Gegner womöglich nicht optimal gespielten Return dort sogleich zum Punkt zu verwerten. Ein Vorteil dieses Konzeptes liegt für den Spieler darin, dass er dem Match in einem erheblichen Maße seinen Stempel aufdrücken kann, wobei sich die Wettkampfsituationen immer wieder ähneln.
Die skizzierten Grundgedanken findet man auch bei Collins wieder. Er möchte in seinem Werk, das 2016 neu bei Gambit Publications Ltd ("Gambit") erschienen ist, Weiß das Zepter in die Hand legen und ihn unabhängig von der spezifischen Eröffnung immer wieder ähnliche Stellungsstrukturen anstreben lassen. In diesen kann er sich ohne einen übermäßigen Aufwand Knowhow verschaffen und Erfahrung aufbauen.

Ob sich ein Spieler mit Weiß mit den Empfehlungen aus der Feder von Collins anfreunden kann, hängt entscheidend davon ab, ob er dessen gesuchte Stellungsstrukturen mag und er sich in ihnen wohlfühlt. Im Idealfall möchte er den Anziehenden ein Stellungsbild erreichen lassen, in dem er mit einem isolierten Damenbauern spielt. Daneben treten verwandte Muster wie das Bauernduo auf der c- und der d-Linie auf, ggf. auch mit hängenden Bauern. Wer sich auf dieses Gleis begibt, muss wissen, dass die genannten Strukturen für Weiß eine Stärke ausbilden, aber auch sich in eine Schwäche entwickeln können. Immer aber gibt es viel Raum, um in regelmäßig unsymmetrischen Stellungen interessante und spannende Partien auszutragen.

Anzumerken ist, dass Stellungen mit einem isolierten Damenbauern zumeist aus Eröffnungen mit dem d-Bauern resultieren. Collins stellt aber ein Repertoire für den Einsatz des e-Bauern vor. Er schafft damit eine Verknüpfung im Repertoire des Spielers.
Das Inhaltsverzeichnis, hier im Auszug und mit der theoretischen Einführung, informiert über die Eröffnungen, die Collins behandelt:

1. Introducing the IQP
2. 1 e4 e5
3. c3 Sicilian
4. Caro-Kann
5. French
6. Pirc/Modern
7. Scandinavian
8. Alekhine.

Die Darstellungen der Theorie basieren auf 41 kommentierten Partien. Wer einen Variantenbaum in der Arbeit mit einem Theoriebuch bevorzugt, findet ein ausführliches Variantenverzeichnis auf den letzten Seiten, das helfen kann. Kopiert und neben das Werk gelegt kann es einen entsprechenden Nutzen bieten. Ansonsten hilft es gut bei der Navigation über die Buchinhalte hinweg.

Collins erklärt ausgezeichnet. Vor allem gibt er sich sehr viel Mühe, um den Leser die Spielweisen verstehen zu lassen. Das Einprägen von Varianten spielt keine hervorzuhebende Rolle. Eine andere Herangehensweise wäre meines Erachtens auch kaum sinnvoll gewesen, denn "A Simple Chess Opening Repertoire for White" soll in erster Linie ein Allrounder zur Basisausstattung sein. Collins richtet sich damit in meinen Augen zuvorderst an den Spieler, der zur Freude am Schach gut in die Partie kommen möchte. Dieser hat nicht die Ambition, vielleicht auch nicht die Zeit, um sich ein verzweigtes Spezialrepertoire zuzulegen, um auf Ergebnis zu spielen. Der regelfeste Anfänger wird bereits von diesem Werk profitieren können, wenngleich ich mich bei der Bestimmung des optimalen Einstiegsniveaus doch schon nahe an das untere Klubniveau heranbewegen möchte.
Prinzipiell lässt sich feststellen: Der Leser erhält auf einem schmalen Weg Repertoireempfehlungen, die sich auf konkrete Züge festlegen. Für alle Züge, die nicht konkret und ausdrücklich genannt sind, erfährt er das Rüstzeug zur eigenen Ermittlung. Dies gilt für Hauptlinien wie für Nebenwege.

Die schon angesprochenen und als sehr gelungen hervorzuhebenden Erklärungen des Autors bedingen natürlich, dass der Leser über ausreichende Englischkenntnisse verfügt. Trotz des Textreichtums reicht meines Erachtens ein geübtes Schulenglisch klar aus, weil offensichtlich auch auf möglichst kurze Sätze und einen übersichtlichen Wortschatz Wert gelegt worden ist.

Fazit: "A Simple Chess Opening Repertoire for White" stattet den Spieler mit einem spezielle Strukturen anstrebenden Spieler mit einem Eröffnungs-Grundrepertoire mit 1.e4 aus. Der Schwerpunkt liegt auf dem Verständnis zur Behandlung der dargestellten Spielweisen, nicht auf dem Einprägen von konkreten Varianten. Das Werk ermöglicht es dem Leser, mit wenig Zeiteinsatz Knowhow für ein gutes Eröffnungsspiel aufzubauen, um sowohl ggf. schon zu Partiebeginn als auch in den nächsten Partiephasen auf sich allein gestellt zurechtzukommen. Das Buch sollte bereits dem regelfesten Anfänger helfen können, spricht aber eher den schon etwas weiter fortgeschrittenen Spieler bis ins Klubniveau hinein an.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

The Pirc - move by move

Nigel Davies
The Pirc - move by move
256 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78194-320-5
21,95 Euro




The Pirc - move by move
Mit "The Pirc - move by move" hat Großmeister Nigel Davies sein erstes Werk in der "move by move"-Serie von Everyman Chess abgeliefert. Als Autor zahlreicher anderer Bücher, vor allem aus dem Bereich der Eröffnungen, und elektronischer Veröffentlichung ist ihm bereits hohe Anerkennung zuteil geworden.

Die über die Initialzugfolge 1.e4 d6 2.d4 Sf6 3.Sc3 g6 auf dem Brett entstehende Pirc-Verteidigung zählt in meinen Augen zu den Anfängen, die besonders gut in die genannte Buchreihe passen. Die Spielweise verlangt eine gute strategische Basis, der Anwender sollte sie von Grund auf kennen. Die Bücher aus dieser Serie richten sich in erster Linie an noch nicht sehr weit in ihrer Spielweise entwickelte Schachfreunde, die dann besonders von grundlegenden Aspekten in einem Eröffnungswerk erfahren sollten. Genau dies stellt Davies sicher. Er nutzt die Besonderheit in der Kommentierung der "move by move"-Bücher, die darin besteht, dass der Leser durchgehend und kontinuierlich mit Fragen und Übungsaufgaben konfrontiert wird, auf sehr gelungene Weise. So scheut er sich nicht, auch recht einfache Probleme aufzuwerfen, die dann aber doch erst mal von seinen tausendfachen imaginären Schülern gelöst werden müssen. Die Antwort bzw. Lösung enthält der sich unmittelbar anschließende Text.
Die Fragestellungen sind nicht selten so geschickt, dass sich der Leser recht offen mit einem Gegenstand auseinandersetzen muss und erst die nachfolgende Kommentierung den Kern der Problematik aufzeigt. In diesen Fällen sind es dann bisweilen auch unmittelbar die Ausführungen von Davies, die Grundlagenwissen als Replik auf die Überlegungen des Lesers liefern.
Etwas gibt es allerdings im Bereich der Fragen und Aufgabenstellungen, was mir persönlich nicht so zusagt. Mir gefallen die Bücher dieser Art besser, wenn die Leser nicht pseudo-emotional eingebunden werden, sondern es etwas nüchterner zugeht. Wenn ich den Anfang gleich der ersten Fragestellung mit "Oh my goodness, …" zitiere, wissen Sie, was ich meine.

Basis der Erörterungen sind 57 kommentierte Partien, die sich auf insgesamt neun Kapitel verteilen. Deren Überschriften und damit auch thematische Inhalte können Sie dem folgenden Ausschnitt aus dem Inhaltsverzeichnis entnehmen:

1 Austrian Attack with 6 Bd3
2 Austrian Attack Alternatives
3 Lines with Bg5
4 Lines with Be3
5 Classical Lines
6 Fianchetto Lines
7 Other Lines
8 Third Move Alternatives
9 Second Move Alternatives.

Die Partien stammen überwiegend aus der Praxis der letzten Jahre; nur ausnahmsweise sind ältere Duelle abgebildet. Aus dem Fernschachbereich ist leider nichts dabei.

Davies erklärt und erläutert mustergültig. Er setzt intensiv auf Textanmerkungen und setzt Varianten bzw. Partiefragmente recht zurückhaltend ein. Der Leser, der einigermaßen in der englischen Sprache "unterwegs ist", sollte die Inhalte des Werkes gut aufnehmen können. Die Anforderungen an den Fremdsprachler möchte ich auf ein gutes Schulniveau taxieren.
Mit dem Knowhow zur Behandlung der Pirc-Verteidigung erhält der Leser zugleich auch den Grundstock an einem Basisrepertoire. Der durchschnittliche Vereinsspieler sollte allemal mit dem Stoff, den dieses Werk bietet, auskommen.
Ein Variantenindex am Ende des Buches hilft bei der Orientierung über die Inhalte hinweg und unterstützt den Leser auch bei der Zusammenstellung der Hauptlinien für ein eventuelles Repertoire.

Fazit: "The Pirc - move by move" ist ein gelungenes Werk aus der erwähnten Buchreihe von Everyman Chess. Die für ein Buch dieser Art gut geeignete Pirc-Verteidigung wird in ihren Grundzügen gut erläutert, der Spieler bis in den Leistungsbereich des Klubspielers wird von dieser Neuerscheinung aus 2016 profitieren können.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Yasser Seirawan

Tibor Karolyi
Yasser Seirawan
128 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-8394429041
19,99 Euro




Yasser Seirawan (Eine Gastrezension von Gerd Schowalter, Bad Kreuznach)
Im Rahmen der Reihe "Legendary Chess Careers" aus dem polnischen Verlag Chess Evolution erschien ganz neu ein weiteres beachtliches Werk. Der ungarische IM Karolyi beschäftigt sich ausgiebig mit dem syrisch-amerikanischen Großmeister Yasser Seirawan. Ihm wird nun nach z. B. Jan Timman und Lajos Portisch ein freundliches Denkmal gesetzt.

Wie der Untertitel schon andeutet, erscheint das Buch mit seinen 123 Seiten in englischer Sprache. Die Fremdsprache sollte niemanden abschrecken. Es genügt für die Lektüre durchaus ein übliches Schul-Englisch, gepaart mit gesundem Menschenverstand, um dem Autor folgen zu können. Wie in den früheren Werken benutzt IM Karolyi ein permanentes Interview, um Werdegang, Erfolge und Stationen des Großmeisters zu entwickeln.

Nach einem kurzen Vorwort folgt eine freundschaftliche Einführung durch den bulgarischen IM Nikolay Minev, der nach seiner Auswanderung von Bulgarien in die USA 1983 zu einem der zahlreichen Freunde unseres Großmeisters wurde. Karolyi lernte den Großmeister schon fünf Jahre früher, also 1978, kennen und schätzen.
Im Interview erfährt der Leser, dass Yasser Seirawan in der syrischen Hauptstadt Damaskus im Jahre 1960 geboren ist. Sein Vater ist Syrer, seine Mutter Engländerin aus Nottingham. 1964 veränderte sich die Familie in diese englische Stadt, jedoch nur für drei Jahre. Bedingt durch den Beruf des Vaters, der bei Boeing beschäftigt war, wanderte die Familie aus nach Seattle/Staat Washington, also in die USA. Außer der Mutter wurde die ganze Familie, zu der eine ältere Schwester und ein jüngerer Bruder gehörten, Bürger der USA. Yasser ist also seit 1967 Amerikaner.

Neben dem skizzierten Werdegang des Großmeisters finden sich zahlreiche Charakterisierungen von bekannten (z. B. GM Joel Benjamin und GM Larry Christiansen) oder weniger bekannten Wegbegleitern (z. B. Dennis Monokroussos) im Werk. Es folgt eine Fotoseite über fünf Stationen des GM Seirawan, bevor das eigentliche Interview beginnt. Ungeduldig mag sich manch ein Leser fragen:"Wann kommt denn endlich die erste Großmeister- Partie...?" Sie erscheint auf Seite 26! Die Geduld des Lesenden zahlt sich allerdings aus, erfährt er doch im Interview durch geschickte Fragen und bereitwillige Antworten eine Menge über den Großmeister. Er hatte nie einen richtigen Trainer, wurde aber nach dem Rückzug von Bobby Fischer für rund ein Jahrzehnt der stärkste Schachmeister der USA. Eine Tabelle der einzelnen Turniersiege, auch der wiederholten amerikanischen Meisterschaften wäre hilfreich und wünschenswert gewesen! Auch ein Register der Partien hätte das Buch bereichern können.

Die 18 ausgewählten Partien, darunter Siege gegen Karpow, Kasparow oder Kortschnoi, können hingegen mehr als versöhnen. Die Kommentierung ist gewissenhaft und nachvollziehbar. Die reichlich verwendeten Diagramme setzen selbst den fortgeschrittenen Vereinsspieler in die Lage, ihren Verlauf, ohne Brett aufbauen zu müssen, zu verfolgen. Geschickt eingestreute Analysen gewähren zweifellos einen schachlichen Lernzuwachs für den ehrgeizigen Vereinsspieler. Selbst für Titelträger kann das Buch empfohlen werden, erfahren sie doch eine Menge über einen Großmeisterkollegen, der sich selbst als Sekundant, Journalist und Funktionär bewährt hat, aber nur noch selten auf Turnieren erscheint.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Eröffnungen - Offene Spiele

Jerzy Konikowski, Uwe Bekemann
Eröffnungen - Offene Spiele
166 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-3-95920-032-5
14,80 Euro




Eröffnungen - Offene Spiele (Eine Gastrezension von Klaus Kreuzer)
Kürzlich ist im Joachim Beyer Verlag eine interessante Zusammenfassung zu den Offenen Spielen mit dem Untertitel "lesen-verstehen- spielen" erschienen.
Das eingespielte Autoren Duo Jerzy Konikowski und Uwe Bekemann hat es sich bei ihrer neuen Publikation zur Aufgabe gemacht, dem interessierten Leser auf wenig Raum möglichst viel Grundlegendes über die offenen Spiele an die Hand zu geben. Als Ziel haben sich die beiden Autoren nach eigener Aussage gesteckt, "eine Basisausstattung zur Welt der Eröffnungen" für regelfeste Anfänger und Freizeitspieler zu liefern.
Und genau diese Intention lösen die beiden sehr überzeugend ein, denn das im Untertitel aufgeführte Wort "Verstehen" wird in diesem Werk im wahrsten Sinne des Wortes großgeschrieben. Konikowski und Bekemann zeigen nämlich nicht nur Varianten, sondern erklären sehr ausführlich und zudem in gut verständlicher Textform.
In insgesamt 19 Kapiteln werden sämtliche offenen Eröffnungen abgehandelt, wobei die spanische Verteidigung mit sieben Abspielen naturgemäß am umfangreichsten vertreten ist.
Dass auf gut 160 Seiten nicht jede Variante tief dargelegt werden kann, liegt sicher auf der Hand, aber was die absoluten Grundlagen angeht, so leisten die Autoren Bemerkenswertes. Häufig beginnen nach einem kurzen geschichtlichen Exkurs die ausführlichen Hinweise bereits im zweiten oder dritten Zug und den Abschluss bildet zu jedem Abspiel jeweils eine kurze Zusammenfassung.
Trotz der Fülle des Stoffes verliert man nie den Überblick und besonders sympathisch wirken die häufig eingestreuten Tipps, denen man - ganz im Vertrauen auf das erfahrene Autorenduo - gerne folgen wird.
Neben all den genannten Vorteilen lädt auch die äußere Aufmachung zur Beschäftigung mit diesem empfehlenswerten Buch ein, denn Aufmachung, Druck, das sehr handliche Format und last not least ein praktisches Lesebändchen lassen auch für den Bücherästheten keine Wünsche offen.
Dieses zudem preisgünstige Werk eignet sich ausgezeichnet zum Selbststudium, doch auch für Übungsleiter und Schulschachgruppenleiter kann es ein wertvoller Ideengeber sein.

Unknown Weapons in the Grünfeld

Milos Pavlovic
Unknown Weapons in the Grünfeld
229 Seiten, kartoniert
ISBN: 9789082256666
22,95 Euro




Unknown Weapons in the Grünfeld
"Unknown Weapons in the Grünfeld" ist einer 2016er Neuerscheinung bei Thinkers Publishing zur Grünfeld-Indischen Verteidigung. Autor ist Milos Pavlovic, serbischer Großmeister und anerkannter Schachbuchautor.
"Unknown Weapons" wird hier als Synonym für "vergessene" (vielleicht besser "als in früheren Jahren aus der Mode gekommene") und selten gespielte Varianten verwendet, denn natürlich hat auch Pavlovic nicht das Wunder vollbracht, über etwas Unbekanntes zu schreiben. Dem Leser sowie in der Folge dessen Beschäftigung mit dem Stoff auch seinem Gegner in der Partie wird manches aus dem Buch unbekannt vorkommen können.
An dieser frühen Stelle sei bereits erwähnt, dass Pavlovic gerade auch die Grundfeld-Indische Verteidigung als eine sehr gut für den Computereinsatz im Rahmen der Vorbereitung geeignete Eröffnung einordnet. Bei der neuen Bewertung alter Varianten hat er zweifellos auch besonders auf Erkenntnisse aus der computergestützten Analyse gesetzt.

Um tiefer in die Betrachtung einzusteigen, möchte ich zunächst mittels eines Ausschnitts aus dem Inhaltsverzeichnis skizzieren, worum es im Werk im Wesentlichen geht.

Kapitel 1 - Die moderne Variante mit 3.f3
Kapitel 2 - Variante mit 4.Lf4
Kapitel 3 - Variante mit 4.Lg5
Kapitel 4 - Russische Variante (4./5.Db3)
Teil I - mit Sf3: 4.Sf3 Lg7 5.Db3
Teil II - ohne Sf3: 4.Db3 dxc4 5.Dxc4 Lg7 6.e4 0-0 7.Le2!?
Kapitel 5 - 4.Sf3 Lg7 5.h4
Kapitel 6 - 4.Sa4
Kapitel 7 - 5.Ld2
Kapitel 8 - 7.Lb5+
Kapitel 9 - 7.Da4+
Kapitel 10 - 7.Lc4
Kapitel 11 - 7.Le3 (7...c5)
Teil I - 8.Sf3
Teil II - 8.Tb1
Kapitel 12 - Variante mit 7.Sf3 c5 8.Tb1 (8...0-0 9.Le2 Sc6 10.d5)
Teil I - 10...Lxc3+!?
Teil II - 10...Se5!?.

In dieser Form übernimmt das Inhaltsverzeichnis in grober Struktur auch die Funktion eines Variantenverzeichnisses, denn ein solches ist dem Werk nicht speziell eingefügt worden.

Schaut man sich die Statistik der praktisch ausgetragenen Partien zur im 1. Kapitel behandelten Variante an, so zeigt sich, dass sie ein gutes Beispiel für den Ansatz Pavlovics ist, dieses Buch zu schreiben. Der Zug 3.f3 kam schon vor rund 90 Jahren im Spitzenschach vor, die mir als älteste bekannte Meisterpartie stammt aus 1929 und wurde zwischen Aljechin und Bogoljubow gespielt. Von ca. 1990 an kam sie dann zunehmend auf das Brett, mit einem Höhepunkt in den letzten Jahren. In 2016 und unter Spielern mit einer Elo-Zahl von 2400 und höher lässt die Statistik nach aktuellem Stand rund 50 Partien erwarten. Für 2015 und fokussiert auf die wie eben definierten Spitzenpartien ergibt sich eine Zahl von 38 (mir bekannten) Brettschach-Partien. Im Ergebnis zeigt sie ein recht ausgeglichenes Bild hinsichtlich der von beiden Parteien gewonnenen Duelle bei einer auffällig niedrigen Remisquote.

Nach meiner Einschätzung hervorzuheben ist auch die im 5. Kapitel besprochene Variante mit 5. h4. Pavlovic verweist darauf, dass sie noch nicht voll ausgearbeitet ist. Entsprechend gibt es hier noch einiges zu entdecken und dem Gegner als Neuerung vorzuhalten. Bei für 2015 nur 15 sich für eine Bewertung anbietenden Partien zeigt sich eine Erfolgsquote von rund 55% für Weiß.

Den Schwerpunkt in seinen Darstellungen richtet Pavlovic auf die schwarzen Partiechancen. Es geht also gewissermaßen darum, gegen welche neuen oder wiederentdeckten Ideen sich der Grünfeld-Indisch-Spieler wappnen muss. An Neutralität aber lässt er es nicht missen.

Das Werk stützt sich überwiegend auf die Abbildung von Varianten und weniger auf Text. Pavlovic erklärt und erläutert dementsprechend nur spärlich, was nicht in gleicher Weise für die Begründung seiner Stellungseinschätzungen gilt. Diese gibt er dem Leser deutlich häufiger bekannt. Auch zeigt er regelmäßig in groben Zügen auf, wie die jeweilige Variante in groben Zügen zu spielen ist.
Mit dieser Art der Darstellung dürfte der noch weniger erfahrene Spieler eher schwer umgehen können. So sehe ich den Adressatenkreis von "Unknown Weapons in the Grünfeld" bei den fortgeschrittenen Spielern, die zudem bereits vertiefte Kenntnisse zur Grünfeld-Indischen Verteidigung haben und neues und ergänzendes Material suchen. Pavlovic nimmt ihnen für die besprochenen Bereiche eine Suche ab und unterstützt sie bei der Bewertung.
Illustrationspartien sind nicht abgebildet; dennoch sind auch ganze Spiele im Buch zu finden, dann aber als Variante im Rahmen der theoretischen Darstellungen.

Einiges Material ist aus dem Fernschach eingeflossen, sodass ich auch mehrere mir bekannter Spielerinnen und Spieler identifizieren konnte. Dies deckt sich systematisch mit der oben schon erwähnten Zuordnung der Grünfeld-Indischen Verteidigung zu den Eröffnungen, die besonders computer-affin sind, weil sie genaue Berechnungen erfordert. Die Eröffnung ist bekannterweise generell auch im Fernschach eines der beliebtesten Systeme. Hier läuft der Computer regelmäßig die gesamte Partie begleitend, die Stellungsstrukturen sind auch jenseits der unmittelbaren Phase der Eröffnung noch ein ausgezeichnetes Einsatzfeld für die Engine.

Die Hauptzüge des Werkes sind in Fettschrift abgebildet, die Varianten und Analysen abgestuft in Normalschrift bzw. in der nächsten Ordnung dann sogar in Richtung des Graubereichs. Die Analysediagramme sind kleiner als jene zu Hauptzügen. Diese Darstellung unterstützt den Leser bei der strukturierten Arbeit mit dem Stoff.

"Unknown Weapons in the Grünfeld" ist zwar in Englisch geschrieben, kann aber aufgrund der variantengeprägten Darstellung auch ohne besondere Sprachkenntnisse aufgenommen werden. Bei den in der Regel kurzen Textsequenzen mag notfalls eine maschinelle Übersetzung helfen.

Fazit: "Unknown Weapons in the Grünfeld" ist in erster Linie ein Werk, das dem erfahrenen Spieler spezifisches Material in der Grünfeld-Indischen Verteidigung zur Verfügung stellt. Die Darstellung von Varianten dominiert über textliche Erklärungen. Die aufgenommenen Spielweisen bergen einiges Überraschungspotenzial in der Partie gegen einen "herkömmlich" vorbereiteten Gegner.
Im Fernschach unterstützt das Buch den Spieler in dessen Suche nach bisher unentdeckten Chancen mittels der Auswertung seiner Partiendatenbanken, indem es bereits geeignete Linien bereitstellt und damit zusätzlich auch eine Funktion als Suchbasis übernimmt.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Spassky - move by move

Zenón Franco
Spassky - move by move
464 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78194-266-6
26,95 Euro




Spassky - move by move
Die "move by move"-Reihe von Everyman Chess widmet sich in erster Linie der schulenden Darstellung von Eröffnungen bzw. dem Spiel großer Meister der Vergangenheit, bisweilen auch der Gegenwart. Zenón Franco, in Spanien lebender Großmeister aus Paraguay, hat dafür gesorgt, dass auch der 10. Weltmeister der Schachgeschichte, Boris Spasski, den ihm gebührenden Platz in dieser Serie erhalten hat. "Spassky - move by move" ist eine Mischung aus etwas Biographie und viel Schul- und Trainingsbuch. Da das Werk in Englisch geschrieben ist, erscheint auch der Name des Ex-Weltmeisters in seiner englischen Schreibweise im Titel.

Es war nicht sehr einfach für Franco, zur Person und zum schachlichen Wirken Spasskis außerhalb seiner Wettkampfpartien Stoff zusammenzustellen, weil dieser nicht allzu üppig überlieferbare Informationen gestreut hat. Er hat es aber geschafft, ein den Wissensdurst des Lesers gut stillendes Glas zu füllen. Spasski war in seiner Turnierzeit den Beschreibungen nach ein eher zurückhaltend auftretender und ruhiger Mensch. Ich selbst habe ihn 1986 anlässlich einer Simultanpartie persönlich kennen gelernt und sein freundliches und bescheidenes Auftreten dabei in Erinnerung behalten. Und bevor jemand fragen könnte: Er hat simultan gespielt, nicht ich (ist natürlich ein Scherz). Meine Rolle war es, mich in die Schar seiner Opfer einzureihen.

Zenón Franco startet im Anschluss an eine kurze Einleitung mit einem ebenfalls kurzen Abriss der Karriere Spasskis. Für den Hobbyspieler, der etwas vom Brett weg und nach links und rechts in die Schachlandschaft schauen möchte, reichen diese Informationen. Er weiß genügend um den früheren Weltmeister Bescheid und kann zukünftig mitreden.
Diesem Bereich schließt sich ein Abschnitt an, in dem Franco den Stil Spasskis unter die Lupe nimmt. Anhand von kommentierten Partiefragmenten, die jeweils über ein Diagramm eingeführt werden, bereitet er seine Einschätzungen vor dem Leser aus.

Die Kapitel, die ich als Kern aller Darstellungen empfinde, schließen sich an. Auf sie beschränkt hat das Inhaltsverzeichnis das folgende Gesicht:

1. Universal Style
2. Initiative and Attack
3. The Ruy Lopez
4. The Sicilian Defence
5. The Exchange Variation Against the Grünfeld Defence
6. The Sämisch Variation Against the King's Indian Defence
7. The Queen's Gambit
8. The King's Gambit
9. The Leningrad Variation Against the Nimzo-Indian Defence.

Anhand von 40 Partien, die Franco im Stil der "move by move"-Bücher kommentiert hat, widmet er sich dem jeweiligen Schwerpunkt des Kapitels. Die Analysen gehen zum Teil erheblich in die Tiefe. In seiner Kommentierung greift der Autor intensiv auf das besondere Stilmittel dieser Buchreihe zurück, indem er fortlaufend an den Leser adressierte Fragen einstreut und Übungsaufgaben an ihn richtet. Antworten und Lösungen darauf erhält der Leser sogleich im Anschluss im Rahmen der Kommentierung. Die eigene Beteiligung lässt den autodidaktischen Schüler Francos besonders profitieren, indem er sich in typische Vorgänge eindenken muss und Bestätigung findet oder aber über die Korrektur in der Kommentierung lernt.

Die Zahl der im Buch verarbeiteten Partien liegt oberhalb der oben genannten von 40. Dies liegt darin begründet, dass Franco einige Ergänzungspartien zu bestimmten Aspekten den diesen gewidmeten "Hauptpartien" angefügt hat, die er nicht gleichwertig mitzählt. Sie unterscheiden sich von den gezählten Partien durch die geringere Tiefe der Betrachtung und sind auch ohne Spasskis Beteiligung für das besprochene Thema von Interesse. In diesen Fällen blendet Franco die biographischen Gedanken zur Buchreihe aus und konzentriert sich allein auf Elemente des Schachspiels als solches.

Ich habe inzwischen zahlreiche "move by move"-Bücher intensiv geprüft. "Spassky - move by move" gehört für mich zu den besten Vertretern aus dieser Reihe.

Noch kurz ein paar Worte zur Buchsprache Englisch: Auch wenn der verwendete Wortschatz nicht weitläufig ist und der Satzbau überwiegend einfach, sollte der Leser über mindestens ein gepflegtes Schulenglisch verfügen. Diese Empfehlung begründet sich für mich damit, dass Franco im Rahmen seiner Untersuchungen bemerkenswert auch auf Textkommentare setzt. Es ist also auch der Umfang des Textes insgesamt, der mich meine Empfehlung aussprechen lässt.

Sehr stark hat Spasski bekannterweise auch als Weißer gegen die Sizilianische Verteidigung gespielt, was oben auch schon durch den Auszug des Inhaltsverzeichnisses angedeutet ist. Genau dies ermöglicht mir glücklicherweise eine schöne Ausrede für meine Sizilianisch-Niederlage nach 23 Zügen in der besagten Simultanpartie. Spasski hat meinen Najdorf-Sizilianer erbarmungslos zusammengeschoben, aber seine sich anschließende Unterschrift auf meinem Partieformular hat die Niederlage überstrahlt.

Fazit: "Spassky - move by move" ist ein gelungenes Buch, das ich dem Leser mit einer Spielstärke bis ins Klubniveau hinein empfehlen kann.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

The Taimanov Bible

Ivan Ivanisevic, Milos Perunovic und Robert Markus
The Taimanov Bible
356 Seiten, kartoniert
ISBN: 9789082256673
29,95 Euro




The Taimanov Bible
Der über die Zugfolge 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sc6 entstehenden Taimanov-Variante der Sizilianischen Verteidigung ist die 2016er Neuerscheinung "The Taimanov Bible" von Thinkers Publishing gewidmet. Das Autoren-Trio Ivan Ivanisevic, Milos Perunovic und Robert Markus ist serbisch, auch wenn der Dritte im Bunde einen deutschen Namen trägt.

Im Vorwort ist zu lesen, dass in Ergänzung zu den grundlegenden Ideen der Taimanov-Variante im Buch nach der Linie verfahren wird, so ziemlich immer ein frühes …d6 zu vermeiden und auf …h5 zu setzen, wann immer dies geht. Die erste Maßgabe lässt sich gut als eingehalten im Werk erkennen, bei der zweiten wird dies schon - mangels überwältigend häufiger Gelegenheit - etwas schwieriger.

"The Taimanov Bible" ist sehr variantenlastig. Textkommentare treten eindeutig im Erscheinen zurück und beschränken sich regelmäßig auf kurze Aussagen zur Situation auf dem Brett und zu beiderseitigen Chancen. Als Positivum festzuhalten ist dabei aber das Streben der Autoren, dem Leser den Grund für eine Einschätzung mitzuteilen. So erfährt dieser beispielsweise nicht nur, dass eine Seite leicht im Vorteil ist, sondern auch, warum die Autoren zu diesem Urteil kommen.
Nur gelegentlich sind mal aus mehreren Sätzen bestehende Textpassagen zu finden.

Das Buch ist in 13 Kapitel eingeteilt. Diese sind im Inhaltsverzeichnis - ins Deutsche übersetzt - wie folgt vertreten:

Kapitel 1 - Verschiedene Alternativen im 5. Zug
Kapitel 2 - Verschiedene Alternativen im 6. Zug
Kapitel 3 - Fianchetto-System
Kapitel 4 - Abspiel mit 6. f4
Kapitel 5 - System mit 6. Le3 & 7. Ld3
Kapitel 6 - Englischer Angriff 8. f4
Kapitel 7 - Englischer Angriff (Hauptvariante 9... Se5)
Kapitel 8 - Englischer Angriff (Hauptvariante 9... 0-0)
Kapitel 9 - Neuste Mode 7. Df3
Kapitel 10 - Klassische Variante 6. Le2 (Nebenlinien)
Kapitel 11 - Klassische Variante 6. Le2 (mit 9. Sxc6)
Kapitel 12 - Klassische Variante 6. Le2 (mit 9. Sa4 Le7)
Kapitel 13 - Klassische Variante 6. Le2 (mit 9. Sa4 0-0).

Hauptvarianten sind fett, Nebenvarianten erster Ordnung einfach gedruckt. Weiter abgestufte Varianten erscheinen in einem schwachen Druck. Vermutlich sind sie in der Vorlage farblich abgesetzt, was schwarz-weiß diesen Effekt zeigen kann.
Analysediagramme sind von den Positionsdiagrammen anhand ihrer geringeren Größe gut zu erkennen. Insgesamt führen diese Vorkehrungen dazu, dass sich der Leser gut im Material orientieren kann.

Für wen ist "The Taimanov Bible" eine Empfehlung? Diese Frage ist nicht ganz leicht zu beantworten. Ich versuche es erst mal mit einer negativen Abgrenzung: Das Buch ist in meinen Augen nicht gut geeignet, um einem mäßig spielstarken Spieler das Repertoire-Rüstzeug für die Taimanov-Variante zu vermitteln. Um dieses Erwartungsfeld bedienen zu können, müsste das Werk viel mehr Erläuterungen anbieten.
Gut zurechtkommen wird aber der Leser, der "The Taimanov Bible" als Ergänzungswerk einsetzt. Wenn er sich eines intensiver erläuternden und anleitenden Repertoirebuches oder auch einer Monografie bedienen sollte, bekommt er mit dem vorliegenden Buch sehr viel Material an die Hand, viel davon auch als eigene Analysen der Autoren.
Ebenfalls wertvoll kann das Werk für den Fernschachspieler sein, der sich in seiner eigenen Partie begleitend auf eine Fülle an Varianten stützen kann. Auch wenn er über eine gut sortierte Datenbank verfügt, fällt dieser Nutzen nicht weg. "The Taimanov Bible" hat schon die Vorarbeit der Sichtung und Bewertung geleistet. Und auch für den Fernschachspieler gilt, dass er von den Analysen der Autoren profitieren kann.

Mit der Überschrift "Exercises - Test your memory!" findet der Leser im Anschluss an die Darstellungen der Theorie 24 Übungsaufgaben zum Stoffgebiet, denen die Lösungen auf den weiteren Seiten folgen.

Ein Variantenverzeichnis ist nicht vorhanden, wird aber recht gut von einer Übersicht auf den ersten Seiten jedes Kapitels ersetzt. Im Zusammenwirken mit dem Inhaltsverzeichnis wird so eine recht geschmeidige Navigation im Buch ermöglicht.

Keine große Bedeutung für den deutschsprachigen Leser hat die Buchsprache Englisch. Es kommt nur wenig Text vor und dieser stellt keine großen Hürden vor dem Verständnis auf.

Fazit: "The Taimanov Bible" ist ein auf die Darstellung von "reinen" Zügen konzentriertes Buch über die Taimanov-Variante der Sizilianischen Verteidigung. Sie bringt dem Leser einen echten Mehrwert, der an möglichst viel Material interessiert ist und sich mit auf ein niedriges Maß gesetzten Textanmerkungen zurechtfindet.
Für den Fernschachspieler ist "The Taimanov Bible" zudem ein "Stofflieferant" für die Begleitung seiner eigenen Partien.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Zeitschrift Caissa Nr. 1/2016

Verlag Chaturanga
Zeitschrift Caissa Nr. 1/2016
90 Seiten, kartoniert
ISSN: 2363-8214
14,90 Euro (Einzelheft)




Zeitschrift Caissa Nr. 1/2016
Ihr Erscheinen liegt schon ein paar Tage zurück, denn für die Arbeit an dieser Rezension habe ich Zeit gebraucht. Es geht um die Erstausgabe der Zeitschrift "Caissa", die Nummer 1/2016. Sie kommt aus dem Verlag Chaturanga, mit dem maßgeblich der Name Dr. Mario Ziegler verbunden ist, der sich schon einen sehr guten Namen auch als Autor von (schachhistorisch bedeutsamen) Büchern gemacht hat (z.B. "Das Schachturnier London 1851").

"Caissa" ist nicht irgendeine (neue) Schachzeitschrift, sondern eine komplett außergewöhnliche. Sie nimmt einen Platz ein, der bisher noch leer geblieben war. Die Motivation, sie aus der Taufe zu heben, wie auch ihr Zweck werden sehr gut im von Dr. Ziegler verfassten Vorwort deutlich. Er beklagt, dass es keinen wirksamen offiziellen Projektträger gibt, der Verhandlungspartner gegenüber allen wissenschaftlichen Einrichtungen, fördernden, auch staatlichen Instanzen sein kann. Er beklagt weiter, dass die universitäre Forschung die Brettspiele kaum als Forschungsgegenstand wahrnimmt und die gesellschaftliche Bewertung des Spiels für ganze Epochen der Geschichte noch nicht aufgearbeitet ist.
"Caissa" soll eine Plattform sein, auf der Forschungsergebnisse der unterschiedlichsten Disziplinen im Bereich der Schach- und Brettspielgeschichte präsentiert werden können und dadurch ein Bild vom gegenwärtigen Stand der Forschung deutlich wird.

Bevor wir einzelne Artikel dieser 1. Ausgabe betrachten, sei noch vorweggeschickt, dass "Caissa" nebeneinander für deutsch- und für englischsprachige Leser geschaffen ist. Die Artikel bedienen sich beider Sprachen, ohne aber den jeweiligen Ursprungstext jeweils in der zweiten Alternative komplett zu wiederholen. Das Werk arbeitet vielmehr mit einer kurzen Zusammenfassung in deutscher Sprache, wenn der Artikel in Englisch abgedruckt ist, wie auch umgekehrt.

Nun aber zu den Beiträgen im Erstlingsheft, zusammen mit ihren Autoren. Diese sind:
1. Robert Hübner: Der erste Wettkampf zwischen Blackburne und Steinitz
2. Milan Stojkovic: Das Gästebuch der Weltmeisterschaft 1934 in Deutschland
3. Adrian Harvey: Social Participation in the Game of Chess - A Revolution for Everyone
4. Bernd Gräfrath: Die Wendejahre 1989 - 90 in der Zeitschrift "Schach"
5. Antonella Ziewacz: Die NS-Ideologie im Brettspiel
6. Peter J. Monté: Mythical Inventars of Chess
7. Siegfried Schönle: Schach in Büchern aus der Zeit des deutschen Barocks oder der frühen Neuzeit - eine annotierte Bibliographie
8. Iván Bottlik: László Toth - Schachspieler, Redakteur, Herausgeber und Persönlichkeit des öffentlichen Lebens
9. Tony Gillam: Getting Things Right.

Was hat man sich als Interessent unter diesen Beiträgen vorzustellen, was bieten sie inhaltlich an? Diese Fragen lassen sich nicht vollumfänglich in einer Rezension beantworten. Sie lassen sich exemplarisch beschreiben, was dann mittels Abstrahierung auf die weiteren Heftinhalte übertragen werden kann. Werfen wir also einen speziellen Blick auf zwei Einzelbeiträge.

Robert Hübner: Der erste Wettkampf zwischen Blackburne und Steinitz:
Nach dem Schachkongress 1862 in London kam es zu einem Wettkampf zwischen Blackburne und Steinitz, der über die Jahreswende hinweg bis in 1863 ragte. Hübner setzt sich insbesondere mit den ausgetragenen Partien auseinander, von denen nicht alle erhalten bzw. bisher nicht wieder aufgefunden worden sind. Interessant ist dabei auch die Auseinandersetzung mit der Verlässlichkeit der überlieferten Informationen zum Verlauf der Spiele. Da es üblich war, die Notation von Dritten führen zu lassen, wobei teilweise auch mehrere Personen sich entsprechend betätigten, ist nicht viel Fantasie nötig, um die damit verbundenen Ungenauigkeiten und Fehler zu erahnen (fehlerhafte Zugeintragungen und Notizen, unleserliche oder schwer lesbare Einträge, fehlende Züge und verwischte Züge etc.). Wenn beispielsweise eine Quelle aus einem Buch besteht, in dem es eingeklebte handgeschriebene Partienotationen gibt, ist vorstellbar, welchen Schwierigkeiten die Versuche zur Feststellung des tatsächlichen Verlaufs unterliegen.

In einem eigenen Abschnitt seines Beitrags setzt sich Hübner mit den erhaltenen Partien auseinander, die er intensiv kommentiert darstellt.
Insgesamt ist dieser Heftteil für mich ein besonderer Stellvertreter des Anspruchs, den "Caissa" wie einleitend schon ausgeführt, verfolgt.

Siegfried Schönle: Schach in Büchern aus der Zeit des deutschen Barocks oder der frühen Neuzeit - eine annotierte Bibliographie:
Dieser Beitrag nimmt sehr viel Raum in "Caissa" 1/2016 ein. Schönle hat eine Mammutaufgabe bewältigt, indem er zahlreiche Bücher aus der umschriebenen Epoche herangezogen, skizziert und auf ihren Schachbezug ausgewertet hat. Es geht also nicht um Schachbücher aus jener Zeit, sondern um Bücher aus anderen Genres, in denen das Schachspiel vorkommt. Damit stellt er eine Quellenlage für die Gegenwart und die Nachwelt sicher, die von einem besonderen Wert sein dürfte. Der Nutzen liegt sicherlich im Bereich der Schachforschung. Für einen Otto Normalverbraucher wie mich sind die Beschreibungen des Schachbezugs im jeweiligen Werk interessant. Und ich muss auch bekennen, dass mich die Bebilderung des Artikels für sich in Anspruch genommen hat, denn es gibt zahlreiche Abbildungen der historischen Buchumschläge, und dies sogar in Farbe.

Besonders beeindruckt hat mich auch der Beitrag "Die NS-Ideologie im Brettspiel" von Antonella Ziewacz. Ich habe ihn für diese Rezension deshalb nicht weiter herangezogen, weil er sich nicht auf das Schachspiel konzentriert. Dem, der sich aber beispielsweise für die Funktion eines Spiels als Mittel/Medium einer Indoktrination interessiert, sei dieser Artikel ans Herz gelegt.

"Caissa" hat keine Chance auf ein Massenblatt. Genau das aber will es auch nicht sein. So hoffe ich sehr, dass es sich auf dem Markt zu behaupten vermag, wobei seine bilinguale Anlage helfen kann. Dem Schach käme dies auf jeden Fall zugute.

"Caissa" kostet 14,90 Euro als Einzelheft. Es ist qualitativ hochwertig hergestellt, unter Verwendung von festem Hochglanzpapier und mit Abbildungen vollständig im Farbdruck, soweit die Vorlagen dies hergaben.

Fazit: "Caissa" bedient in Sachen Gegenstände der Schachliteratur die Ausnahme von der Regel. Im Vordergrund steht die Förderung der Schachforschung.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise vom Verlag Chaturanga (www.chaturanga.de) zur Verfügung gestellt.

Das große Schachallerlei

Peter Köhler
Das große Schachallerlei
192 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-3-7307-0268-0
14,90 Euro




Das große Schachallerlei
Schach ist nicht einfach nur ein Spiel, sondern Spiel, Sport, gesellschaftliches Ereignis, Broterwerb, reine Psychologie oder Soziologie, Lebensinhalt und noch viel mehr, je nachdem. Es kommt auf den jeweiligen Schwerpunkt und die Warte des Betrachters an.
"Das große Schachallerlei" von Peter Köhler ist nicht einfach nur ein Buch, sondern ein Buch über die Welt des Schachs an sich. Damit ist es ein auf Beispiele konzentriertes Bild des Schachspiels als Spiel, Sport gesellschaftliches Ereignis, Broterwerb usw., wie schon ausgeführt. Der Untertitel "Verwegenes, Verrücktes und Verkorkstes auf 64 Feldern" zeigt die Richtung an, den diese vom Verlag "Die Werkstatt" 2016 herausgegebene Neuerscheinung einschlägt. Es geht zuvorderst um das Besondere aus der Welt des Schachs.
Peter Köhlers Arbeit erinnert mich ein wenig an heutige Events, die als Gauklermärkte organisiert werden und den Besucher mit zahlreichen Einzelattraktionen fesseln. Dieser wandelt über den Markt, staunt hier über eine künstlerische Einlage im historischen Gewand und erfreut sich dort an einer zur Schau gestellten Attraktion, um wenige Meter weiter von wieder etwas anderem in den Bann gezogen zu werden oder eine mittelalterliche Speise zu genießen.

Der folgende Auszug aus dem Rückentext trifft den Nagel auf den Kopf: "Dieses Buch enthält ein heiteres und unterhaltsames Potpourrie aus diesem unermesslichen Fundus: geniale Kombinationen und unglaubliche Geistesblitze, peinliche Schlappen und haarsträubende Patzer - und natürlich viele kleine und große Geschichten und Zitate."

Das Verzeichnis der genutzten Literatur umfasst beinahe sechs ganze und eng beschriebene Seiten. Es lässt nur erahnen, wie viel Fleiß erforderlich war, um "Das große Schachallerlei" zusammenzustellen.

Es gibt kein Inhaltsverzeichnis, das ich wiedergeben könnte. Deshalb versuche ich mich mal an einem eigenen kleinen Abriss dessen, was den Leser erwartet. Also:
Von "Gwyddbwyll" bis "Welt ist ein Schachbrett" geht die Spanne im Werk. Das unaussprechliche Wort zu Beginn des Satzes ist der Name des Schachspiels auf Walisisch und die geknüpfte Beziehung zwischen der Welt und dem Schachbrett ist der Titel eines Gedichtes. "Das große Schachallerlei" ist eine umfangreiche Sammlung von zumeist kurzen, oft episodenhaft anmutenden Einzelbeiträgen, die manchmal prägnante, dann auch wieder rätselhafte Überschriften tragen. "Gwyddbwyll" ist der erste solche Beitrag im Buch überhaupt, der einfach nur den Namen des Schachspiels in den verschiedensten Sprachen nennt, "Welt ist ein Schachbrett" ist demgegenüber der letzte.
Ein weiterer Versuch, eine Skizze der Buchinhalte zu zeichnen: "Alles ist spielbar" findet der Leser auf Seite 46 und "Zwischen Konzert- und Turniersaal" auf Seite 50. Dies sind die Themen von A bis Z. Der erstgenannte Beitrag informiert über eine selbstmörderisch aussehende Verteidigung, der zweite erzählt von musizierenden Schachspielern. Man könnte die Klammer um das Werk auch von "Au Backe!" auf Seite 67 bis "Oh nein!" auf Seite 157 ziehen. Damit hätten wir die Titel in der Form eines Ausrufes in die alphabetische Reihenfolge gebracht, zumindest in Bezug auf den Anfang und das Ende. Hier erfährt der Leser etwas über Anfängerfehler, die Meistern unterlaufen, und über einen Untergang, den der große Taktiker Michail Tal einmal gegen John Nunn erlitt.

Wenn ich mit dieser kleinen Auswahl die Vielseitigkeit, den Informationsgehalt und die gehörige Portion Humor andeuten kann, die "Das große Schachallerlei" ausmachen, dann haben meine Umschreibungsversuche ihren Sinn erfüllt. Ich nehme das Buch als herrlich ungeordnet wahr, man stolpert von einem interessanten Beitrag zum nächsten, und Abwechslung ist Trumpf. Es braucht keine Ordnung durch Kapitel etc., man lässt sich einfach immer wieder neu überraschen.

Über die umschriebenen Inhalte hinaus gibt es - fortlaufend eingestreut - besondere Passagen. Diese sind mit unterschiedlichen kleinen Bildchen gekennzeichnet, tragen also (doch) ein Ordnungsmerkmal. Wenn der Leser auf einen stilisierten Oberlippenbart trifft, dann erwartet ihn irgendein Spruch, ein Bonmot aus dem Mund eines Meisters etc. Die Krone steht für etwas Unsterbliches, das den Weg ins Buch gefunden hat. Ein Minisystem aus Zahnrädern zeigt an, dass an dieser Stelle eine Aufgabe zu finden ist, die vom Leser zu lösen ist, natürlich regelmäßig zum Schachspiel selbst. Die Lösung ist dann auch gleich hier eingearbeitet, nur steht der Text auf dem Kopf. Und dann gibt es noch ein Fragezeichen mit der Ergänzung "Wussten Sie schon?" Allerlei Wissenswertes, von profan bis bedeutend, verbirgt sich hinter diesen Worten - Schachallerlei ganz im Sinne des Buchtitels halt.

Mit einigen statistischen Daten, z.B. zu Weltmeistern aus dem Schach allgemein und dem Fernschachspiel, schließt Peter Köhler seine redaktionellen Inhalte ab.

Ich habe die "Arbeit" mit diesem Werk zur Vorbereitung der Rezension genossen. Trotz meiner über mehrere Jahrzehnte gesammelten Erfahrung in Sachen Schach habe ich neben Bekanntem auch ungemein viel Neues kennen gelernt. "Das große Schachallerlei" ist Unterhaltung pur. Es ist für den Neuling ebenso geeignet wie für den alten Hasen. Und wer einem Schachliebhaber ein Geschenk zu seinem Hobby machen möchte und nicht genau weiß, was er wählen sollte, ist mit diesem Werk allemal auf der richtigen Seite.

Fazit: "Das große Schachallerlei" verbindet Information mit Unterhaltung, ist humorvoll geschrieben und hat auch für den erfahrenen Schachfreund einiges Überraschungspotenzial. Ich kann das Werk für die eigene Zerstreuung wie auch für den Einsatz als Geschenk ohne Wenn und Aber empfehlen.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise sowohl vom Autor Peter Köhler als auch vom Verlag Die Werkstatt (www.werkstatt-verlag.de) zur Verfügung gestellt.

Kotronias on the King's Indian, Volume Four

Vassilios Kotronias
Kotronias on the King's Indian, Volume Four
464 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78483-019-9
24,99 Euro




Kotronias on the King's Indian, Volume Four
"Kotronias on the King's Indian, Volume Four" ist der vorletzte Band im Monumentalwerk des griechischen Großmeisters und ausgewiesenen Königsindisch-Kenners Vassilios Kotronias. Diesmal hat er sich Systemen nach der einleitenden Zugfolge 1.d4 Sf5 2.c4 g6 3.Sc3 Lg7 4.e4 d6 gewidmet, soweit es nicht mit 5.Sf3 0-0 6.Le2 e5 7.0-0 Sc6 8.d5 Se7 (Mar del Plata-Variante), 5.f3 (Sämisch-Variante) oder 5.f4 (Vierbauernangriff) weitergeht.
Wie seine Vorgänger ist auch dieses Buch, das den Untertitel "Classical Systems" trägt, im Stil der "Grandmaster Repertoire"-Serie von Quality Chess erschienen. Quality Chess als Verlag stimmt, mit den Kotronias-Bänden aber hat er eine eigene kleine Serie aufgelegt.

Insgesamt 24 Kapitel verteilen sich verteilen sich über sieben Buchabschnitte. Um die Inhalte nachvollziehbar zu machen, muss ich die zentralen Zugfolgen bzw. die Ausgangszugfolgen skizzieren und diese den Abschnitten zuordnen. Dabei ergibt sich das folgende Bild, bei dem ich mich an die von Kotronias verwendete Namensgebung halte:

1. Abschnitt: Abtauschvariante (Kapitel 1 bis 4)
1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 Lg7 4.e4 d6 5.Sf3 0-0 6.Le2 e5 7.dxe5 dxe5 8.Dxd8 Txd8 9.Sd5 / 9.Lg5

2. Abschnitt: Klassische Variante (Kapitel 5 und 6)
1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 Lg7 4.e4 d6 5.Sf3 0-0 6.Le2 e5 7.0-0 Sc6 8.dxe5 / 8.Le3

3. Abschnitt: Gligoric-Variante (Kapitel 7 bis 12)
1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 Lg7 4.e4 d6 5.Sf3 0-0 6.Le2 e5 7.Le3

4. Abschnitt: Petrosjan-Variante (Kapitel 13 bis 15)
1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 Lg7 4.e4 d6 5.Sf3 0-0 6.Le2 e5 7.d5

5. Abschnitt: Makogonov-Variante (Kapitel 16 bis 18)
1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 Lg7 4.e4 d6 5.Sf3 0-0 6.h3

6. Abschnitt: Systeme mit 6.Le3 (Kapitel 19 bis 21)
1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 Lg7 4.e4 d6 5.h3 0-0 6.Le3

7. Abschnitt: Awerbach-Variante (Kapitel 22 bis 24)
1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 Lg7 4.e4 d6 5.Le2 0-0 6.Lg5 c5 7.dxc5 / 7.d5

Was schon für die Vorgängerbände galt, gilt auch hier wieder: Das von Kotronias bereitgestellte Material ist äußerst breit und tief. Wenn man dann bedenkt, dass die ganze Arbeit erst über alle fünf Bände, von denen einer noch aussteht, zum Ausdruck kommt, kann man deren Wert erst umfänglich erkennen. Aber für wen ist dieser Wert tatsächlich praktisch relevant?
Mit der Brille des Fernschachspielers auf der Nase habe ich den dankbarsten Abnehmer vermutlich schon gefunden. Mit Kotronias und dessen auf am Ende irgendwo im Bereich von 2000 liegenden Buchseiten gebanntem Wissen auf seiner Seite wird der Schwarzspieler kaum mehr von seinem Gegner in der Eröffnung ausmanövriert werden können. Dabei spielt dann die eigene Spielstärke nur noch eine untergeordnete oder auf die Phase jenseits der Theorie reduzierte Rolle. Aber auch der Spieler mit den weißen Steinen kommt zu seinem Profit; er kann seinem Gegner die Theoriekeule über den Kopf ziehen, wenn er sich am Königsinder versucht und weniger gut gewappnet ist.
Zu erwähnen ist noch, dass es keine Illustrationspartien gibt. Was im Buch steht, ist Theorie pur.

Ich schließe es aus, dass es einen (Hobby-)Spieler auf der Welt gibt, der am Brett die ganze Palette der von Kotronias abgebildeten Theorie parat haben kann, und sei er auch noch so stark. Wenn er von dem Werk profitieren will, dann wird ihm das nur über eine Spezialisierung und Konzentration auf einzelne Bereiche gelingen.
Und ich glaube auch nicht zu übertrieben, wenn ich annehme, dass "Kotronias on the King's Indian" auf dem Tisch etlicher Großmeister liegen wird, natürlich auch der aktuell erschienene Band 4.

Im Unterschied zu den vorhergehenden Bänden hat Kotronias die Art und Weise seiner Darstellungen geändert. Während ich früher anmerken musste, dass er sehr variantenlastig kommentierte, ergänzt er seine Ausführungen nunmehr um mehr als nur spartanische Texterläuterungen. Der Leser erfährt viel über Grundgedanken des Systems, zu strategischen Zielen und abgeleiteten Plänen wie auch über taktische Besonderheiten. Hilfreich ist zudem, dass er nunmehr auch oft den Grund angibt, warum er zu einer bestimmten Einschätzung zu einer Stellung kommt. Hier wird der Leser nicht mehr so häufig mit einem schlichten Ergebnis allein gelassen, für das er die Gründe selbst zu finden versuchen muss. Hier also erkenne ich ein klares Plus zu den Vorgängerbänden.

Erneut ist mir aufgefallen, dass Kotronias mit zahlreichen Neuerungen aufwartet. So verspricht auch diese Neuerscheinung dem Kenner der Materie neue interessante Ideen.

Das Variantenverzeichnis am Ende des Buches ist gewohnt ausführlich und eine ausgezeichnete Hilfe bei der Orientierung über die Inhalte des Werkes hinweg.

Als wenig überzeugend empfinde ich die Idee, gleich zu Beginn der Darstellungen 72 Diagrammstellungen an den Leser zu richten, an denen er sich zum Königsinder versuchen soll und für die es keine besonderen Lösungen gibt. Diese sind in den eigentlichen Theoriedarstellungen zu finden, also über das gesamte Buch verteilt. Vor dem Hintergrund der gesamten Arbeit als solcher ist dies aber eine Petitesse, zumal man diesen Bereich einfach überschlagen kann.

Die Buchsprache ist Englisch. Wer in der Schule gut aufgepasst und nicht alles wieder vergessen hat, wird mit dem Werk ohne besondere Probleme zurechtkommen.

Fazit: "Kotronias on the King's Indian, Volume Four" ist Teil des Maßes der Dinge im Bereich der Theoriewerke über die Königsindische Verteidigung, besonders natürlich im Verbund mit den weiteren Ausgaben der kleinen Serie aus fünf Büchern. Als Fernschachspieler kann ich dieses Werk wie schon seine Vorgänger besonders auch dem Fernschachspieler empfehlen.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Tigran Petrosjan

Jerzy Konikowski, Pit Schulenburg
Tigran Petrosjan
168 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-3-95920-031-8
19,80 Euro




Tigran Petrosjan
Vor wenigen Wochen ist das Buch "Tigran Petrosjan" in einer zweiten und überarbeiteten Auflage im Joachim Beyer Verlag als Imprint des Schachverlags Ullrich erschienen. Die Autoren sind Jerzy Konikowski und Pit Schulenburg. Die Erstauflage ist 1994 in den Handel gekommen. Der Verlag hat vor einiger Zeit die Serie "Meilensteine des Schach" ins Leben gerufen, die dazu bestimmt ist, besondere Arbeiten der Schachliteratur zu erhalten. Hier hat auch "Tigran Petrosjan", das einzige deutschsprachige Buch über den 9. Weltmeister der Schachgeschichte, seinen Platz gefunden und wird so vor einem Vergessen und sogar dem Untergang bewahrt.

Konikowski und Schulenburg ist eine gute Mischung aus kommentierten Partien, erzählenden Elementen und biografischen Daten gelungen. Hierfür haben sie das Werk in fünf Abschnitte unterteilt. Sie starten mit einem kurzen Porträt Petrosjans, das sich tatsächlich auf wesentliche Aspekte beschränkt. Der Leser mit dem Interesse, schachgeschichtliche Informationen auf einem nicht etwa überfrachteten Niveau zu erfahren, kommt hier voll auf seine Kosten. Er kennt nach seiner Beschäftigung mit dem Werk die Eckdaten aus dem Lebenslauf des Ex-Weltmeisters sowie seinen Karriereverlauf und weiß auch dessen Charakter als Spieler einzuschätzen. Petrosjan gilt gemeinhin als Defensivkünstler, dessen Strategie grundsätzlich darin bestand, jede gegnerische Chance auf irgendeinen Wert in der Partie im Keim zu ersticken. Seine Spielweise empfanden und empfinden auch heute noch viele als langweilig; die Autoren versuchen nicht, dieses Bild zu zerrütten, aber sie nehmen ihm die Spitze, beginnend schon im Porträtteil.
Der zweite Abschnitt ist Petrosjans größten Turniererfolgen gewidmet, die hier in Listenform zu finden sind. Sie dürfen in einem Buch wie diesem nicht fehlen, es dient hier der Erfüllung der Chronistenpflicht.
Die Abschnitte drei bis fünf sind die in meinen Augen wesentlichen. Sie beherbergen insgesamt 70 kommentierte Partien. Die Autoren haben diese danach ausgewählt und den Abschnitten zugeordnet, ob sie eine Demonstration der strategischen (Abschnitt 3) oder der taktischen Fähigkeiten (Abschnitt 4) Petrosjans oder aber allgemein wichtig oder interessant sind (Abschnitt 5). Dieser letzte Partienteil enthält 30 Duelle, während die beiden vorhergehenden auf jeweils 20 kommen.

Natürlich schult das angeleitete Nachspielen von Meisterpartien den Leser in jedem Fall und damit auch hier, aber das ist nicht das Hauptanliegen des Werkes. In erster Linie sollen diese Beispiele aus der Praxis Petrosjan ehren und zugleich den Leser anspruchsvoll unterhalten. Dementsprechend ist auch die Kommentierung gestaltet. Sie ist überwiegend textbasiert und setzt nur zurückhaltend auf Analysen und Varianten. Dies gilt besonders für die beiden ersten Partieabschnitte; der dritte Abschnitt enthält auch mehrere Beispiele, in denen die Autoren eher variantenorientiert kommentiert haben, ohne dass dies aber den Bereich prägen könnte.
Der geübte Spieler wird - und dies mit der Unterstützung durch die zahlreich eingearbeiteten Diagramme - die meisten Partien sogar ohne Brett durchgehen können, eben auch wegen der geringen Inanspruchnahme durch Varianten.

Fazit: "Tigran Petrosjan" ist ein Buch, das es zweifellos verdient, mit einer aktuellen Auflage erhalten zu werden. Der schachhistorisch ein wenig interessierte Leser sowie der Freund anschaulich kommentierter meisterlicher Partien werden ihre Freude an dem Werk haben.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise vom Schachverlag Ullrich / Joachim Beyer Verlag (www.schachversand-ullrich.de) zur Verfügung gestellt.

Bologan's Ruy Lopez

Victor Bologan
Bologan's Ruy Lopez
544 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-607-7
29,95 Euro




Bologan's Ruy Lopez
Zu den Neuerscheinungen unter den Schachbüchern, die mich in den vergangenen Monaten ganz besonders beeindruckt haben, zählt "Bologan's Ruy Lopez". Das Werk ist noch im Jahre 2015 bei New in Chess (NIC) erschienen und stammt, was der Titel schon anzeigt, von Victor Bologan. Anfang 2015 hatte ich bereits "Bologan's Black Weapons" rezensiert. Das neue Werk hat die gleiche Kragenweite wie das damalige. Wer die seinerzeitige Neuerscheinung kennt, wird zahlreiche Parallelen zum neuen Buch bemerken, aber auch Unterschiede.

"Bologan's Ruy Lopez" schließt eine Lücke, die der Autor damals bewusst gelassen hat, als er ein Schwarzrepertoire auf der Basis von 1.e4 e5 - unter Ausschluss der Spanischen Partie - zusammengestellt hat. Aus der Sicht des Nachziehenden folgt nun also das Repertoire für die Spanische Partie, wobei Bologan den Marshall-Angriff (1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0-0 Le7 6.Te1 b5 7.Lb3 0-0 8.c3 d5) und die Breyer-Variante (1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0-0 Le7 6.Te1 b5 7.Lb3 d6 8.c3 0-0 9.h3 Sb8) ins Zentrum der Betrachtungen stellt. Indem er alternative Systeme und Varianten auf dem Weg zu diesen Ausgangspositionen ebenfalls intensiv behandelt, rundet er das Repertoire ab.
Besonders interessant macht "Bologan's Ruy Lopez", dass es quasi zwei Bücher in einem ist. Schwarz kann sich zwischen dem Marshall-Angriff und der Breyer-Variante entscheiden, hat damit ganz nach den eigenen Präferenzen und auch in Abhängigkeit vom nächsten Gegner die Möglichkeit, dem Spiel auf unterschiedliche Weise seinen Stempel aufzudrücken.
Bologan beginnt mit einem Abschnitt "Arsenal of Strategic Ideas & Themes", in dem der Leser zunächst von Grund auf mit den maßgeblichen Bauernformationen und den daraus abzuleitenden Konsequenzen vertraut gemacht wird. Dann richtet der Autor das Interesse auf das weiße zentrale Bauernduo e4 und d4 ("Spanische Phalanx"). Auch hier steigt er grundsätzlich in die strategischen Überlegungen ein und zeigt dem Leser auf, wann ein bestimmtes generelles Vorgehen angebracht ist und wann ein anderes. Dem schließt sich in gleicher Weise ein Röntgenbild zum spanischen Figurenspiel an. Abgeschlossen wird dieser Buchabschnitt durch "Anti-Spanisch-Ideen" mit der Fokussierung auf die Rolle des Läufers sowie anschließend einer Betrachtung der Gambitmöglichkeiten zum Thema.
Jeder einzelne Betrachtungsgegenstand hat einen eigenen bezifferten Absatz erhalten. Das Werk kommt auf 43 Seiten auf insgesamt 208 dieser Absätze und damit Einzelthemen. Der Leser, der sich hiermit intensiv vertraut macht, verfügt über ein besonders strategisch orientiertes Knowhow zu den im Werk behandelten Spielweisen im Spanier, das als Ergebnis der autodidaktischen Arbeit mit einem Eröffnungsbuch seinesgleichen sucht.

Zur Darstellung der konkreten Systeme, Varianten und Abspiele ist "Bologan's Ruy Lopez" nachfolgend in vier große Teile gegliedert. Diese sind wie folgt klassifiziert:
Teil 1: e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6. Mit 3…a6 hat Schwarz die erste eigene Weichenstellung vorgenommen; hier werden die weißen, von den schwarzen Schwerpunktsystemen weglenkenden, Möglichkeiten und deren Folgen behandelt.
Teil 2: 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0-0 Le7 6.Te1 b5 7.Lb3 0-0. Hier werden die verschiedenen Anti-Marshall-Systeme erörtert.
Teil 3: 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0-0 Le7 6.Te1 b5 7.Lb3 0-0 8.c3 d5. Marshall-Angriff.
Teil 4: 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0-0 Le7 6.Te1 b5 7.Lb3 d6. Breyer-Variante und Abweichungen.
Alle Teile werden mit generellen Leitlinien für die Behandlung des Stoffes in allen dazugehörigen Kapiteln eröffnet.

Über die genannten vier Teile hinweg erstrecken sich insgesamt 40 Kapitel. Diese sind allesamt gleichartig aufgebaut. Los geht es mit einem Abschnitt "Fast Lane", der das enthält, was Bologan als unverzichtbar für jeden Spieler hält. So rät er jedem, diesem Bereich immer Aufmerksamkeit zu zollen, selbst wenn er nicht genügend Zeit für eine vollständige Bearbeitung des Kapitels haben sollte. Bei "Fast Lane" handelt es sich aber nicht etwa um einen Schnellkurs, dem sich dann eine intensivere theoretische Betrachtung anschließt. Der Abschnitt selbst ist schon eine solche Betrachtung, wie man sie aus herkömmlichen Werken kennt. Die tiefer gehende Befassung mit dem Stoff richtig sich auf das Studium von Referenzpartien, die aber nicht im Buch abgebildet sind. Hier ist es Sache des Lesers, diese in seiner Partiendatenbank zu halten und sich selbstständig intensiv anzuschauen. Der Service von Bologan liegt darin, dass er die wichtigen Partien ermittelt und in einer Partienliste zusammengestellt hat. Diese Liste enthält Hunderte von Einträgen. Dies zeigt, dass ein vollständiges Abbilden aller Duelle im Buch komplett ausgeschlossen ist, weil sie jeden Umfang sprengen würden.

Aber wie erfährt der Leser, welche Partie er zu einer bestimmten Stelle der Betrachtung beiziehen sollte? Er erfährt es über Fußnoten, die fließend im Text eingearbeitet sind. Dieses Vorgehen dient nicht nur der Organisation mit dem Ziel einer Vertiefung des Stoffes, sondern entschlackt auch die Darstellungen der Theorie, indem Spieler-und Partiedaten fehlen und das "Beiwerk" entsprechend reduziert wird. Der Leser kann sich auf den Stoff konzentrieren und wird nicht von "Kenndaten" abgelenkt.
Am Ende von "Fast Lane" findet der Leser eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Merkaspekte aus dem behandelten Kapitel. Hier werden noch einmal im System lauernde Fallen, Zugumstellungen und wichtige Ideen, die sich der Leser unbedingte merken sollte, zusammengestellt.

Die Verbindung der Darstellungen der Theorie mit einer hohen Zahl an Referenzpartien, die der Leser separat beiziehen kann, ist für den Fernschachspieler Gold wert. Er bekommt den roten Faden für seine Datenbankanalysen frei Haus geliefert. Was er normalerweise selbstständig, zeitaufwändig und durchaus auch fehlergeneigt im Rahmen seiner Eröffnungsvorbereitung leisten muss, bekommt er hier mit in den Einkaufskorb gelegt. Zur Bezahlung auf das Förderband an der Ladenkasse muss er diese Ware aber nicht legen, denn bezahlt ist sie schon - wenn er über eine gut sortierte Partiendatenbank verfügt.

Erwähnenswert ist noch, dass in "Fast Lane" Stellungen, die wichtige strategische Ideen repräsentieren, mit einem andersartigen Diagramm hervorgehoben werden. So kann der Leser schon durch das Abweichen vom üblichen Diagramm-Bild erkennen, dass an dieser Stelle etwas Besonderes angesprochen wird.

Nach dem 40. Kapitel hat Bologan mit "Very Fast Lane" quasi eine Stoff-Essenz geschaffen, die die Grundzüge der Thema-Eröffnung für den Neuling im Schach bereit hält.

Anhand von 132 Übungen kann der Leser im Anschluss weiter an seinem Verständnis arbeiten und seinen Lernerfolg überprüfen. Dieser Teil ist der letzte "schulende" Bereich des Buches. Auf einen Stoß von Übungen findet der Leser die Lösungen jeweils auf der Folgeseite, also bequem mit einem Umblättern, bevor sich ihm der nächste Stoß stellt.

Das schon angesprochene Partienverzeichnis enthält auch sehr viele Einträge zu im Fernschach gespielte Partien. Ich habe viele mir bekannte deutsche Spieler neben noch mehr internationalen Fernschachfreunden identifiziert.

Ein sehr detailliertes Variantenverzeichnis schließt das Buch, zumindest hinsichtlich seiner redaktionellen Inhalte ab.

Die Buchsprache ist Englisch, die Anforderungen an Fremdsprachkenntnisse sind niedrig.

Fazit: "Bologan's Ruy Lopez" ist ein Leuchtturm unter den Repertoirebüchern. Es macht den Spieler, der zielstrebig und ausdauernd mit ihm arbeitet, zu einem Fast-Experten zum Marshall-Angriff und zur Breyer-Variante in der Spanischen Partie sowie zu den Varianten und Abspielen in deren Nachbarschaft. Das Werk ist gut abgerundet, Schwarz kann also schwerlich aus seinem Eröffnungs-Knowhow gedrängt werden.
"Bologan's Ruy Lopez" kommt grundsätzlich für jeden Spieler in Betracht, der sich ein ordentliches Stück fort von den Anfangsgründen entwickelt hat. Umfänglich profitieren wird von ihm besonders der fortgeschrittene Spieler, der sich irgendwo im Bereich des Klubspielers ansiedelt, neben dem Fernschachspieler, der das Buch auch seine Praxis begleitend einsetzen kann.
Für mich ist das Werk zweifellos eine klare Kaufempfehlung.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Alekhine - move by move

Steve Giddins
Alekhine - move by move
298 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78194-317-5
22,95 Euro




Alekhine - move by move
Wer mit einem begrenzten Aufwand etwas über den früheren Weltmeister Alexander Aljechin erfahren und zugleich auf einem Anfängerlevel etwas über Strategie und Taktik im Schach erfahren möchte, der ist mit "Alekhine - move by move" von Steve Giddins gut beraten. Voraussetzung ist, dass er mit Kenntnissen der Buchsprache Englisch ausgestattet ist, wobei ein ordentliches Schulniveau ausreichen sollte.

Das Werk ist, wie der Titel schon anzeigt, in der "move by move"-Reihe von Everyman Chess erschienen. Auf den Markt gekommen ist es im laufenden Jahr 2016. Sein Autor Steve Giddins ist FIDE-Master und mit einer immensen Erfahrung als Schachautor ausgestattet.

Giddins hat 35 Aljechin-Partien nach der besonderen Methodik der Bücher aus der genannten Reihe kommentiert. Der Leser wird zwischendurch fortlaufend mit Fragen zur Situation auf dem Brett, zur Bewertung von Zügen, zu Plänen etc. beteiligt. Mehr als zuletzt von mir rezensierte Werke dieser Sparte legt der Autor Wert auf die Simulation eines Lehrer-Schüler-Gespräches. Die Fragen sind dem Leser, der die Rolle des Schülers einnimmt, in den Mund gelegt. Der Lehrer antwortet jeweils sofort im Rahmen der weiteren Kommentierung.
Mir selbst ist es lieber, wenn die Fragen in Büchern dieser Art eher sachlich gestellt sind, aber dies ist natürlich Geschmacksache. Auflockernd wirkt dieser Stil zweifellos und Giddins überzieht auch nicht, indem er den imaginären Schüler allzu emotional agieren lässt, wie ich es in früheren "move by move"-Büchern auch schon mal empfunden habe.

Die an den Leser gerichteten Fragen konzentrieren sich nicht auf eine bestimmte Phase der Partie, sondern sind übergreifend eingestreut. Sie setzen bisweilen mit den ersten Zügen ein und ziehen sich dann bis ins Endspiel durch.

Im Vordergrund stehen die Partien selbst, Informationen zur Person Alexander Aljechins ordnen sich unter. Dies ist der Grund dafür, dass ich eingangs dieser Rezension von einem "begrenzten Aufwand" gesprochen habe, der dem Leser "biografisch" entsteht.

Den Abschluss der spielbezogenen Inhalte bilden 20 Aufgaben, die der Leser erfüllen soll. Diese verknüpfen sich mit Aljechins Spiel, indem sie aus der Praxis des Ex-Weltmeisters stammen. Entnommen hat Giddins sie Partien, die er nicht in Gänze im Werk aufgenommen hat. Die Lösungen erhält der Leser unmittelbar den Aufgaben folgend.

Fazit: "Alekhine - move by move" ist ein in Englisch geschriebenes Werk mit biografischen Informationen über Alexander Aljechin, vor allem aber ein praxisorientiertes Schulungsbuch zu Strategie und Taktik. Die Anforderungen an den Leser verorten sich dabei im Bereich des Anfängers im Schachspiel.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Smerdon's Scandinavian

David Smerdon
Smerdon's Scandinavian
493 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78194-257-4
34,95 Euro




Smerdon's Scandinavian
"Smerdon's Scandinavian" ist ein zugleich sehr instruktives, interessantes, seriöses und auch ein wenig verrücktes Repertoirebuch zur Skandinavischen Verteidigung. Geschrieben worden ist es aus der Sicht von Schwarz, und zwar vom australischen GM David Smerdon. Es ist kein eigenes, also von Grund auf selbst geschaffenes System, das der Autor hier anbietet; eine solche Ableitung aus dem Buchtitel wäre also abwegig. Dennoch enthält das Werk eine Fülle an eigenem Material Smerdons, der die behandelten Zweige des Skandinaviers selbst spielt und weit analysiert hat.
Das Buch ist eine Neuerscheinung aus 2015 und von Everyman Chess herausgegeben worden.

Im Kern basieren die Inhalte auf der Portugiesischen Variante (auch Portugiesisches Gambit genannt, 1.e4 d5 2.exd5 Sf6 3.d4 Lg4), dem Isländischen Gambit (auch Palme-Gambit genannt, 1.e4 d5 2.exd5 Sf6 3.c4 e6) und der Zugfolge 1.e4 d5 2.exd5 Sf6 3.Sf3 Lg4.
Ich habe zu diesen Systemen eine eigene persönliche Beziehung. Vor 20 Jahren ist mein eigenes Buch "Die Skandinavischen Gambits" auf den Markt gekommen, das sich insbesondere auch mit diesen Spielweisen befasst hat. Mein Interesse daran ist nie erloschen.
So war es für mich auf den ersten Blick erkennbar, dass "Smerdon's Scandinavian" zu einem Sprung in der Theorie dieser Systeme geführt hat. Seinerzeit gab es beispielsweise nur wenig zur Portugiesischen Variante, die nur ein erster Hauch von Mode umgab. Hier hat sich richtig etwas getan, was auch ein Verdienst von David Smerdon ist. Diese Einschätzung lässt sich eins zu eins auf die weiteren im Buch behandelten Zweige der Theorie übertragen.

Als Keimzelle seines Interesses für diese Nebenwege "des Skandinaviers" gibt Smerdon eine Aufgabe an, die er vor Jahren für seine Schulmannschaft zu erledigen hatte. Es oblag ihm, sein unerfahrenes und wenig spielstarkes Team vorzubereiten, wobei er die Linie wählte, ein von Schwarz ganz früh bestimmbares Eröffnungssystem zu wählen, das mit wenig Theoriekenntnis zu spielen war und Raum für ein kreatives eigenes Spiel gab. Seine damalige Wahl der Skandinavischen Verteidigung hat ihn dann persönlich dazu gebracht, sie auch zu seinem persönlichen Favoriten zu machen und entsprechend auszubauen.

Das Buch ist in fünf Abschnitte untergliedert, in die sich insgesamt 19 Kapitel aufteilen. Das Inhaltsverzeichnis sieht hierzu infolgedessen und fokussiert auf die Theorie wie folgt aus:

Abschnitt 1: The Portuguese Complex - 3 d4 Lg4!?
1. The Banker: 4 f3 Lf5 5 c4
2. The Jadoul: 4 f3 Lf5 5 Lb5+ Sbd7 6 c4
3. The Melbourne Shuffle: 4 f3 Lf5 5 Lb5+ Sbd7 6 Sc3
4. The Correspondence Refutation: 4 f3 Lf5 4 g4!
5. The Wuss: 4 Le2
6. The Lusophobe: 4 Lb5+ Sbd7 5 Le2!
7. The Elbow: 4 Lb5+ c6!?
8. The Classical: 4 Sf3
Abschnitt 2: Principled Greed - 3 c4
9. The Icelandic Gambit: 3...e6
10. The Panov-Botvinnik Attack: 3...c6
Abschnitt 3: The Modern Treatment - 3 Sf3 Lg4
11. The Goulash: 4 c4!?
12. The Celeriac: 4 Le2
13. Charlie's Choice: 4 Lb5+!
Abschnitt 4: Check! - 3 Lb5+
14. 3...Ld7
15. 3...Sbd7
Abschnitt 5: Odds and Ends - 1 e4 d5
16. 2 exd5 Sf6 3 Sc3
17. 2 Sc3
18. The Blackmar-Diemer Gambit: 2 d4?!
19. 2 e5?!.

Die einzelnen Kapitel sind gleichartig aufgebaut. Zunächst erhält der Leser eine theoretische Einführung, der sich dann eine Darstellung des jeweiligen Systems an Praxisbeispielen anschließt. Dem folgt eine tiefere theoretische Betrachtung, die dann auch bisweilen recht weit in Varianten gehen kann.
Dieser Aufbau korrespondiert mit einem Tipp von Smerdon an den Leser, der nicht erst zig Seiten Theorie bolzen will, bevor er sein neues System in der Praxis einsetzt. Ihm rät er dazu, zunächst die Einführung und die Partien durchzugehen, um dann schon in nicht bedeutenden Partien das neu Erlernte anzuwenden. Den Anlass können beispielsweise Blitzpartien oder Duelle über das Internet geben. Die dabei gemachten Erfahrungen soll der Leser dann in Verbindung mit den weiteren Ausführungen des Buches nutzen, um tiefer in die Materie einzusteigen. Im Anschluss daran ist der Leser ausreichend vorbereitet, um das neue System in einer ernsten und wichtigen Partie einzusetzen.

Smerdon erklärt viel und gut. Um alles richtig und bequem verstehen zu können, sollte der Leser über gesicherte Kenntnisse der Buchsprache Englisch verfügen. Mit einem ordentlichen Schulenglisch sollte eine weitgehend problemlose Arbeit mit dem Werk möglich sein.

Ich hatte "Smerdon's Scandinavian" eingangs mit den Attributen instruktiv, interessant, seriös und auch etwas verrückt in Verbindung gebracht. Warum das? Instruktiv ist das Werk deshalb, weil es sehr lehr- und aufschlussreich ist. Es enthält Wissen, besonders auch in der Form von Analysen, für die es keine andere Quelle gibt, da sie vom Autor selbst stammen. Die Art der Wissensvermittlung und die Unterstützung des Lesers, sich die Inhalte des Werkes zu erarbeiten, halte ich für gut.
Das Interesse des Lesers wird über den Stoff selbst und die Art der Präsentation gehalten. Aufgelockert wird das Ganze durch gelegentliche erzählende Elemente und auch durch ein paar Fotos.
Seriös und verrückt sind widersprüchlich wirkende Attribute, sie passen aber beide. "Smerdon's Scandinavian" ist ein "komplett normales" Repertoirebuch, das einem Variantengerüst folgt und mit Partien arbeitet, die sowohl ergänzen als auch veranschaulichen sollten. Etwas verrückt wirkt es durch ein paar Besonderheiten. So schließt Smerdon die Lücke an Partien aus der Praxis auch schon mal mit einem Shootout zwischen Engines. Hier haben dann Engines oder auch eine einzige Engine Zug für Zug eine Partie gespielt. Smerdon weist darauf hin, dass damit Rechenfehler ausgeschlossen werden können, was auch ein Anhalt sein kann.
Eine sprachliche Besonderheit liegt darin, dass Smerdon bewusst dann die weibliche Darstellung wählt ("she"), wenn üblicherweise die männliche im Text steht. Schach ist eben nicht nur "male", sondern auch "female".

Bemerkenswert ist der Rückgriff des Autors auf im Fernschach gespielte Partien. Er macht darauf aufmerksam, dass gerade im Fernschach aufgrund seiner Besonderheiten wichtige theoretische Erkenntnisse gefunden werden können, denen ein hoher Einfluss auf die Urteile über Varianten etc. gebührt.
Anzumerken bleibt, dass er zur Portugiesischen Variante Variante die einzige denkbare Widerlegung, wenn es denn eine sein sollte, den Fernschachspielern zuweist. Sein Urteil ist auch aus dem Inhaltsverzeichnis zu erkennen, da er das entsprechende Kapitel entsprechend betitelt hat.
Diese Passage ist übrigens ein besonderer Beleg dafür, dass Smerdon seine Erkenntnisse neutral und objektiv zu vertreten versucht und er kritische Fragen nicht auslässt.

Fazit: "Smerdon's Scandinavian" ist ein bemerkenswertes Repertoirebuch über Sonderzweige der Skandinavischen Verteidigung, die von Schwarz gesteuert und aus dessen Sicht im Werk behandelt werden. Das Buch enthält viel Analysematerial aus dem Fundus des Autors, wofür es somit keine gleich geeignete weitere Quelle gibt. Der Autor verfolgt die Strategie, dem Nachziehenden Systeme an die Hand zu geben, mit denen er von Anfang an dem Duell seinen eigenen Stempel aufdrücken kann und die ihm Raum für ein eigenes kreatives Spiel bieten. Schwarz ist bereit, einen Bauern zu investieren, um Entwicklung und Raum als Gegenwert zu erhalten.
Das Buch ist so vollständig, dass es den Leser in die Lage versetzt, mit ihm allein ein besonderes Repertoire aufzubauen.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Positional Masterpieces of 2012 - 2015

Arkadij Naiditsch, Csaba Balogh
Positional Masterpieces of 2012 - 2015
239 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-83-944290-3-4
24,95 Euro




Positional Masterpieces of 2012 - 2015
Unter dem Label "Chess Evolution" ist kürzlich als letztes Werk in einer 5-teiligen Serie "Positional Masterpieces of 2012 - 2015" erschienen, eine Sammlung von 50 kommentierten Partien. Ausgewählt, analysiert und kommentiert worden sind sie von Arkadij Naiditsch und Csaba Balogh, also von zwei erfahrenen und erfolgreichen Großmeistern.
Bei ihrer Auswahl haben sie sowohl formelle als auch inhaltliche Zielvorstellungen umgesetzt. Einerseits sollten die Partien von den besten Spielern in den bedeutendsten Turnieren der Jahre 2012 bis 2015 gespielt worden sein, andererseits sollten sie sich über den Unterhaltungswert für den Leser, einen spektakulären Verlauf bzw. auch nützliche Angriffsideen hervorheben.
Ich könnte nun die großen Namen der Akteure beispielhaft aufzählen und genauso hinsichtlich der Turniere verfahren, aber so richtig sinnvoll wäre dies nicht. Denken Sie einfach an alles, was in beiderlei Richtung Rang und Namen hat, dann liegen Sie bei den Akteuren und bei den Veranstaltungen richtig.
Die Autoren empfehlen übrigens, die Partien an einem herkömmlichen Schachbrett zu verfolgen, um den höchsten Unterhaltungseffekt zu erzielen.
Erwähnenswert ist noch der Hinweis, dass sie den Fokus weg von der Eröffnungstheorie in die Richtung des individuellen Schaffens der Spieler in der Partie rücken wollen und sie im Zuge der Kommentierung weitgehend auf den Einsatz von Engines verzichtet haben. Der frühe Hinweis auf diesen Verzicht findet sich in späteren Verlauf bestätigt, indem Ergebnisse eines Engineeinsatzes kaum angemerkt werden. Da die Kommentierung sehr auf Textanmerkungen ausgerichtet ist und Analysen auf ein übersichtliches Maß beschränkt sind, lässt sich auch aus den Analysenpassagen selbst ein allenfalls geringer Einfluss von Engines erkennen.

Die 50 Partien sind tatsächlich sehr unterhaltsam kommentiert. Beide Autoren haben sich hier an unterschiedlichen Spielen an die Arbeit gemacht, sodass sich eine Sammlung aus Partien ergibt, die entweder von Naiditsch oder von Balogh kommentiert worden sind. Der Kommentarstil beider Akteure ist ähnlich, mir fallen erwähnenswerte Unterschiede oder gar Vorzüge und Nachteile im Vergleich nicht auf.
Einleitend erfährt der Leser immer etwas zur Partie, quasi als vorweggenommenes Fazit zum Ablauf, zu Spielern, zur Turniersituation oder auch Einschätzungen zu Stärken und Schwächen der Vertreter in der Weltspitze etc.

Die Buchsprache ist Englisch. Mit Fremdsprachkenntnissen auf Schulniveau wird der Leser bequem mit dem Werk arbeiten können.

Fazit: "Positional Masterpieces of 2012 - 2015" ist eine Sammlung aus 50 Klasse-Partien aus der Weltspitze, die von den beiden Autoren so kommentiert worden sind, dass sie auch vom Amateur gut verstanden werden können und beim Nachspielen einen hohen Unterhaltungswert entwickeln.
Der Titel-Bestandteil "Positional Masterpieces" ist Programm, was den Charakter der ausgewählten Partien betrifft.
Und wer ein universelles Geschenk an einen Schachfreund sucht, der kann mit diesem Werk ebenfalls nichts falsch machen. Es wird immer ankommen, weitgehend unabhängig von der Spielstärke des Empfängers.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Mikhail Chigorin - The Creative Genius

Jimmy Adams
Mikhail Chigorin - The Creative Genius
750 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-601-5
44,95 Euro




Mikhail Chigorin - The Creative Genius
Wenn ein Buch 750 Seiten stark ist, dann hat der Autor richtig etwas mitzuteilen. So ist es auch bei "Mikhail Chigorin - The Creative Genius" von Jimmy Adams. Wenn es sich dann zugleich um eine Arbeit handelt, die auf mehreren vorhergehenden basiert, stellt sich auch die Frage, ob sie als Neuerscheinung tatsächlich ein in sich geschlossenes Werk darstellt oder "nur" eine Art Kompilation ist. Hierauf möchte ich sofort eine Antwort geben: Es ist Adams gelungen, diese Hommage an Chigorin, um jetzt und auch weiterhin in dieser Rezension bei der englischen Schreibweise des großen russischen Schachmeisters der Vergangenheit zu bleiben, aus einem Guss zu gestalten. Wenn man nicht weiß bzw. aus dem Buch selbst nicht erfährt, dass es unter dieser Besonderheit erschaffen worden ist, bleibt es einem beinahe verborgen. Hier gebührt dem Autor ein erstes großes Lob. Allenfalls ein Epilog zwischen zwei großen Teilen des Werkes und damit an einer Stelle platziert, die bei einem Werk "ohne Vorgänger" etwas verwundern würde, würde den Leser etwas ahnen lassen.

Ich möchte eine weitere positive Feststellung folgen lassen, diesmal nicht zum Inhalt, sondern zum Gesamteindruck. "Mikhail Chigorin - The Creative Genius" kann auch bibliophile Ansprüche erfüllen; dieser Eindruck setzte sich bereits bei mir fest, als ich das Buch erstmals in die Hand nahm. Es wird mit einer qualifizierten Bindung geliefert, wird durch einen harten und robusten Einband geschützt und sieht schlichtweg gut aus. Auf die Wahl des Papiers und den sauberen Druck muss man bei Büchern von New In Chess (NIC) ohnehin nicht eingehen, weil sie immer passen, so auch hier.

Nun aber zum Inhaltlichen: Das Werk basiert auf "Mikhail Chigorin, the Creative Chess Genius" und "Mikhail Chigorin, His Friends, Rivals and Enemies". Nun werden Sie bemerkt haben dass die erstgenannte Ressource fast den gleichen Titel trägt wie die hier besprochene Neuerscheinung selbst. Die Erklärung hierfür ist einfach; zunächst mal baut Jimmy Adams auf einer eigenen früheren Arbeit auf. Im Jahr 1987 war diese erschienen, bei Caissa Editions in den USA. Sie enthielt 100 kommentierte Partien Chigorins und eine Zusammenfassung zu Chigorins Karriere. Diese Ausgabe wurde zur Neuveröffentlichung bei NIC überarbeitet und erweitert, wobei die Zahl der Partien und der Umfang der biografischen Ausführung stark erweitert wurde. Sie war im Wesentlichen eine Übersetzung eines russischen Werkes von Alexander Narkevich, Alexander Nikitin und Evgeny Vasyukov, wie er in der Einführung wissen lässt (alle Namen in der englischen Schreibweise).
Der zweite Teil ist zusammengesetzt aus einem 1963 in Russisch erschienenem Buch von Vasily Panow, das sich tiefer auch mit den Stärken und Schwächen in Chigorins Charakter befasst, von seiner Genialität im Schach über seine Bereitschaft zur harten Arbeit bis hin zu seiner selbstzerstörerischen Neigung zum Alkohol, und Ergänzungen aus weiteren Büchern. 159 Partien wurden dabei zusätzlich integriert, kommentiert von verschiedenen Meistern und Großmeistern, Chigorin inbegriffen.
Allem voran steht eine lange Einführung aus der Feder von Peter A. Romanovsky, geschrieben 1960. Dieser Chigorin charakterisierende und über ihn breit informierende Text stimmt den Leser ein und macht - so ging es mir zumindest - Lust auf mehr. Hier mag es auch eine Rolle spielen, dass Chigorin im Westen eher allgemein als ein früherer russischer Meisterspieler bekannt ist, während er im russischen Schach ein bisschen sogar als ein Urvater des Positionsspiels gesehen wird.

"Mikhail Chigorin - The Creative Genius" enthält im ersten Teil 63 und im zweiten Teil 159 kommentierte Partien. Die Anmerkungen sind eine Mischung aus Text und Varianten, der Schwerpunkt liegt aber deutlich auf den Texterläuterungen. Aus heutiger Sicht gebotene Korrekturen und Ergänzungen sind über Fußnoten eingefügt, sodass sie das historische Material nicht beeinträchtigen. Zugleich wird der Leser auf eine sanfte und geschmeidige Weise über Passagen informiert, an denen frühere Einschätzungen einer aktuellen kritischen Prüfung nicht mehr standhalten. Die Hürde für "Eingriffe" ist relativ hoch gesetzt worden, was sich beispielsweise für den Bereich der Eröffnungen zeigt. Diese Entscheidung ist meines Erachtens zu begrüßen, denn andernfalls müsste relativ oft eine Anmerkung zur Eröffnungswahl gegeben werden. Dass aber die Eröffnungstheorie früher - und dabei reden wir über eine Zeit, die bald 150 Jahre zurück liegt - nicht so weit wie heute entwickelt war, weiß jedes Kind. Es sei hier deshalb angemerkt, dass Chigorin 1850 geboren und 1908 gestorben ist. Wenn man die Eröffnungstheorie studieren möchte, bedient man sich eben nun mal zumeist nicht einer Biografie und darin abgebildeten historischen Partien.

Der erste Teil des Werkes beherbergt 22 und der zweite noch einmal 21 Kapitel. Sie sind identisch aufgebaut, indem zunächst ein Einführungstext zum Thema des Bereiches informiert, teilweise durchaus über mehrere Seiten hinweg. Dem folgt ein Satz an Partien.
Einige Bilder, von Spielern und von Spielergruppen aus der damaligen Zeit, lockern die Darstellungen auf.

Neben den nun beschriebenen Schwerpunkten des Werkes erhält der Leser viel statistisches Material, natürlich zu Chigorins Erfolgen und zu historischen Turnieren, Literaturhinweise, weitere narrative Textpassagen, darunter Erinnerungen einer Tochter Chigorins.
Auf den letzten Seiten des Buches finden sich die obligatorischen Verzeichnisse, u.a. zu den Eröffnungen und zu den abgebildeten Partien.

Es dürfte schon deutlich geworden sein, dass "Mikhail Chigorin - The Creative Genius" in englischer Sprache geschrieben ist. Um das Buch vollständig gut aufnehmen zu können, sollte der Leser ordentliche englische Sprachkenntnisse haben. Die Fülle an Text dürfte ihn sonst leicht das Interesse am Werk verlieren lassen. Wer sich nur für die kommentierten Partien interessiert, kann mit weniger gutem Sprach-Knowhow auskommen. Der Umfang des zu bewältigenden Textes ist für ihn natürlich sehr viel kleiner.

Fazit: "Mikhail Chigorin - The Creative Genius" ist ein exzellentes biografisches Werk über Mikhail Chigorin, dem die Patchwork-Natur nicht (negativ) anzumerken ist. Eine Fülle an Textinformationen und deutlich mehr als 200 kommentierte Partien aus der Praxis des für die Entwicklung des Schachspiels in Russland, aber auch in der Welt, wichtigen frühen Meisters setzen ihm ein Denkmal auch außerhalb des russischen Schachraumes.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

After Magnus

Anish Giri
After Magnus
85 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-626-8
14,95 Euro




After Magnus
In "After Magnus" stellt der junge niederländische Top-Großmeister Anish Giri die Frage "Who can dethrone the World Chess Champion?". Er spielt dabei in dieser Neuerscheinung aus 2015 bei New In Chess (NIC) mit einer Aussage des aktuellen Weltmeisters Magnus Carlsen, nach der er womöglich für weitere 20 Jahre an der Weltspitze stehen könnte. Wer also könnte entsprechend des Untertitels in Frageform derjenige Spieler sein, der Carlsen entthront?

Giri bezieht zehn Spieler in seine Spekulation ein, Sergey Karjakin ist nicht dabei. Der aber steht inzwischen als nächster Herausforderer des Weltmeisters fest, sodass die Buchkandidaten zumindest noch etwas warten müssen. Auch er selbst steht nicht in dieser Liste, was einer gewissen Bescheidenheit oder einer sympathischen Zurückhaltung geschuldet sein könnte.

Wei Yi, Richard Rapport, Yu Yangyi, Wesley So, Ding Liren, Caruana, Vachier-Lagrave, Nakamura, Grischuk und Vishy Anand - dies sind Giris Kandidaten mit dem Zeug zum "Königsmörder". Das Feld ist fantasiereich, gegensätzlich und auch "zockermäßig" zusammengesetzt, vom chinesischen Talent über einen ungarischen Hasardeur bis hin zum bereits selbst entthronten Ex-Weltmeister ist alles dabei. Allzu ernst sieht Giri dies aber nicht; er meint, dass diese Spieler eine Herausforderung schaffen könnten, oder eben auch nicht.
Jedem der Kandidaten widmet er einen eigenen Beitrag. Diese sind alle gleich gestaltet. Es gibt eine kurze charakterisierende Einführung, ein Zitat, einen Mini-Steckbrief, ein Foto und eine intensiv kommentierte Partie. Dabei stehen Textanmerkungen klar im Vordergrund; Varianten sind maßvoll aufgenommen und gehen regelmäßig nicht allzu sehr in die Tiefe. Der einigermaßen geübte Spieler wird die Partien ohne ein Schachbrett verfolgen können. Dies trägt zu dem Charakter bei, dem ich dem Werk beimesse. "After Magnus" ist ein unterhaltsames kleines Büchlein, das keine großen Ansprüche erfüllen soll. Es ist etwas für zwischendurch, Unterhaltung während der Bahnfahrt, kann abendliche Lektüre im Hotelzimmer oder Lesestoff sein, wenn man nach Feierabend auf Balkon oder Terrasse die Füße hochlegt und nach Zerstreuung sucht. Mehr nicht, aber auch nicht weniger.
Die Partien sind keine bisher verborgen gewesenen Schätze, sondern der Öffentlichkeit bereits zuvor bekannt geworden. Giri hat sie (neu) kommentiert und ihnen damit eine neue Seite gegeben.

Mit einem Preis von 14,95 Euro ist das Werk kein Schnäppchen; allerdings hat es dafür auch einiges zu bieten, und dies solide aufgearbeitet.

Fazit: "After Magnus" ist ein unterhaltsames Büchlein für zwischendurch. Der geübte Spieler benötigt kein Brett, um über das Lesen hinaus die kommentierten Partien zu verfolgen.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

The Power of Pawns

Jörg Hickl
The Power of Pawns
186 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-631-2
18,95 Euro




The Power of Pawns
Zu "The Power of Pawns" von Jörg Hickl, Neuerscheinung 2016 bei New In Chess (NIC) 2016, lässt sich im Internet die Information lesen, dass es sich dabei um eine Übersetzung des deutschsprachigen Werkes "Die Macht der Bauern" von Jörg Hickl, Erik Zude und Uwe Schupp handelt. Eine Erklärung dazu gibt es im Buch nicht. Allerdings dankt Hickl den beiden genannten Personen im Vorwort.
Ich kann nichts dazu sagen, ob es ggf. inhaltliche Aktualisierungen gegeben hat, weil ich das genannte deutschsprachige Werk nicht besitze. Eine kleine Andeutung dazu habe ich aber doch gefunden. In der Bibliografie wird auch ein Buch aufgeführt, das erst 2013 auf den Markt gekommen ist, also klar nach dem Erscheinungsdatum von "Die Macht der Bauern". Da in einer Bibliografie nur Quellen aufgeführt werden, die auch tatsächlich genutzt worden sind, sind zumindest kleine Anpassungen anzunehmen.
Als kleines Zwischen-Resümee sei aber die Annahme erlaubt, dass "The Power of Pawns" nur für denjenigen Schachfreund komplett neu ist, der nicht schon im Besitz von "Die Macht der Bauern" ist.

Wenn man an ein Lehrwerk denkt, das sich dem Spiel mit den Bauern widmet, fällt zumindest dem langjährig Erfahrenen schnell "Die Kunst der Bauernführung" von Hans Kmoch ein. In dieses Genre passt das neue Buch tatsächlich hinein, allerdings mutet Hickl dem Leser nicht eine Auseinandersetzung mit komplett neuen bzw. auch heute noch ungewöhnlichen Bezeichnungen für Konstellationen, Manöver und Formationen zu.

Worum es im Kern geht, veranschaulicht der folgende Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis:

Teil 1 - Pieces and pawns
Kapitel 1 The bishop
Kapitel 2 The knight
Kapitel 3 The rook

Teil 2 - Basic pawn structures
Kapitel 4 Hanging pawns
Kapitel 5 Isolated pawns
Kapitel 6 Backward pawns
Kapitel 7 Passed pawns
Kapitel 8 Doubled pawns
Kapitel 9 Weak squares
Kapitel 10 Pawn chains.

Die beiden Abschnitte im Werk, denen dann die einzelnen Kapitel zugeordnet sind, befassen sich mit dem Verhältnis von Bauern und Figuren (Abschnitt) 1 und einzelnen Bauernformationen (Abschnitt 2).

Hickl zeigt sehr früh auf, wie der Leser mit dem Stoff umgehen soll. Es reicht nicht aus, das Buch zu lesen, vielmehr muss es durchgearbeitet werden. Der Leser soll Schlüsselstellungen, Manöver etc. verinnerlichen, um sie als Muster in der eigenen Partie nutzen zu können.
Unter dem Hinweis, dass der Spieler am Brett auch einer dreidimensionalen Wahrnehmung unterliegt und entsprechend auch denkt, spricht er sich gegen die Verwendung des Computermonitors für die Arbeit mit dem Werk aus. Er rät dem Leser, ein herkömmliches Brett zu nutzen, und dies möglichst in Turniergröße.

Die einzelnen Kapitel sind ähnlich aufgebaut. Zunächst wird die in der Folge behandelte Formation allgemein vorgestellt, die aus ihr abzuleitenden Eckpunkte der Planung und Spielführung werden beschrieben. Hickl behält dabei beide Parteien im Auge; er beschreibt bei Bedarf das Spiel mit der aktuellen Bauernformation und auch dagegen.
Im Anschluss daran geht er anhand von Partien aus der Meisterpraxis vertieft auf das Thema ein. Diese werden vollständig abgebildet, wobei aber die Passagen ohne Bedeutung für das Thema kaum kommentiert werden. Oft bezieht er den Leser ein, zum Beispiel mit der an ihn gerichteten Aufforderung, eine Stellung zu evaluieren. Seine Auffassung dazu stellt er gleich im Anschluss dar.
Diese Form der Leserbeteiligung, die um auch gesammelte Aufgaben ergänzt wird, erinnert ein wenig an die Bücher aus der "move by move"-Reihe von Everyman Chess. Dies gilt aber nicht für die technische Umsetzung, denn in "The Power of Pawns" sind die Erläuterungen und Aufgaben nicht deutlich voneinander abgesetzt, sie bilden eher eine Einheit.

Eine Stärke des Werkes liegt klar in seinen Ausführungen zur strategischen Behandlung bestimmter Formationen. Der Leser wird zu einem geplanten Spiel angehalten und entsprechend mit Knowhow präpariert. So bekommt er die Chance, in seiner Spielführung alles zu assimilieren, was seine eigene und die gegnerische Bauernstellung an Merkmalen und abzuleiten Vorgehensweisen anbieten.

"The Power of Pawns" enthält darüber hinaus weitere Tipps des ehemaligen deutschen Meisters und erfahrenen Turnierspielers Jörg Hick, ohne dass sich diese unmittelbar mit dem Kernthema des Buches decken. So hält er den Leser an, seine Euphorie in der Partie zu dämpfen, wenn er einen guten Zug findet und ihn gleich auszuführen gedenkt. Er soll nicht vorschnell handeln und weitere Möglichkeiten prüfen, denn vielleicht ergeben sich noch bessere Chancen aus alternativen Fortsetzungen, die ungenutzt blieben, wenn gleich die erste gute Möglichkeit ohne eine weitere Prüfung all dessen, was die Stellung hergibt, ergriffen würde.

Interessant ist die Bezeichnung von einigen weiterführenden Beispielpartien aus der Turnierszene am Ende eines Kapitels. Der Leser kann sich, wenn er die Information für sich aufnimmt, vom Autor als gut für eine Vertiefung geeignet gefundene Meisterstücke verschaffen. Zum Leistungsumfang des Buches zählen sie nicht, sie sind aber keine Exoten und damit in herkömmlichen Datenbanken zu finden.

Auch aus dieser Art von Hinweisen lässt sich erkennen, auf welche Spieler Jörg Hickl sein Werk in erster Linie ausgerichtet hat. Dies ist in meinen Augen der Lernende, der die Anfangsgründe des Schachspiels bereits erheblich hinter sich gelassen hat, aber noch nicht zu den versierten Klubspielern zählt.

Fazit: "The Power of Pawns" ist ein sehr gut erklärendes und anleitendes Lehrbuch zur Behandlung wichtiger Bauernformationen und der damit im Zusammenhang stehenden angezeigten generellen Spielführung. Es ist verständlich geschrieben und bezieht den Leser mittels Aufgabenstellungen in die Abläufe ein.
Jenseits des Anfängers und bis in das Leistungsvermögen des Klubspielers hinein ist das Werk auf jeden Fall eine gute Empfehlung.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Stein - move by move

Thomas Engqvist
Stein - move by move
496 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78194-269-7
29,25 Euro




Stein - move by move
Leonid Stein (1934 bis 1973), GM aus der Ukraine und 3-facher sowjetischer Meister, zählt zu den stärksten Spielern seiner Zeit, ohne jemals die Möglichkeit gehabt zu haben, unmittelbar um den WM-Titel zu spielen. Er gilt als Praktiker, der gerade wohl auch deshalb nur wenige Fußabdrücke in der Theorie hinterlassen hat. Von ihm ist überliefert, dass er äußerst schnell spielte, offenbar sogar schneller als heutzutage Anand.

Thomas Engqvist, IM aus Schweden und anerkannter Buchautor und Schachtrainer, hat sich intensiv mit dem Spiel und auch mit dem Leben von Stein auseinandergesetzt. Mit "Stein - move by move" hat er ein Werk vorgelegt, das ich für ein Musterbeispiel dafür halte, was man aus einem Buch dieser Art machen kann. Wie der Titel schon anzeigt, ist sein Werk in der "move by move"-Reihe von Everyman Chess erschienen, und zwar noch in 2015.

Nach meiner Wahrnehmung ist Thomas Engqvist herz- und kopfgesteuert an seine Aufgabe herangegangen. Sein Herz hat gesagt, dass ein außergewöhnlicher Spieler wie Leonid Stein es verdient, intensiver und breiter in das Licht der Öffentlichkeit gerückt zu werde, als dies bisher der Fall war. Nach seiner Recherche hatte es bis dahin gerade mal zwei Arbeiten in englischer Sprache über Stein gegeben. Diese deckten zudem nicht alles ab, was er für relevant hält. Sein Kopf hat den Rahmen beigesteuert. Das Werk sollte in die genannte Reihe von Everyman Chess eingebunden werden, damit der Leser mittels der besonderen Gestaltung der Bücher dieser Serie mehr als bei anderen von Steins spielerischen Fähigkeiten profitieren kann.

Herausgekommen ist ein beeindruckend vollständiges Werk. Es zeichnet ein rundes Porträt von Leonid Stein, enthält eine Fülle an Informationen jenseits der unmittelbaren Belange des Schachspiels und ganz besonders natürlich sehr qualifiziert kommentierte Partien, über die der Leser sowohl geschult als auch unterhalten wird.
Wie sehr sich Engqvist in seine Aufgabe hineingekniet hat, zeigt auch schon ein äußerer Umstand. "Stein - move by move" umfasst beinahe 500 Seiten, und doch hätte nicht alles hineingepasst, was Engqvist zusammengetragen und ausgearbeitet hat, wenn Everyman Chess nicht zu einer besonderen "formellen" Umstellung gegriffen hätte - die Schriftgröße wurde im Vergleich zu den sonstigen Bänden der "move by move"-Reihe deutlich verringert.

Engqvist untersucht und beschreibt Leonid Stein als Spieler sowie seine besonderen Fähigkeiten am Brett anhand von 60 intensiv kommentierten Partien, von denen er zwei als "unsterbliche" herausstellt. Sie decken die gesamte Karrierezeit des Meisters ab und sind chronologisch geordnet. Dies hat zur Folge, dass er Steins Stärken nicht besonderen Brettkonstellationen zuordnet, beispielsweise seinem Angriffsspiel oder seiner Verteidigung, sondern den Stationen seiner Karriere. Auch hierin sehe ich Engqvists besondere Motivation, sein Buch zu schreiben, bestätigt - Leonid Stein als Mensch und Spieler herauszustellen.

Das Inhaltsverzeichnis sieht wie folgt aus:

About the Author
Bibliography
Introduction
1. Early Years
2. The Way to the Top
3. The Strongest Period
4. Setbacks and Bad Luck
5. The Final Years
Index of Openings
Index of Complete Games.

Es dürfte inzwischen allgemein bekannt sein, worin die besondere Kommentierung der "move by move"-Bücher besteht - in fortlaufend eingearbeiteten Fragen und Aufgaben, die der Leser zu beantworten bzw. zu lösen hat. Indem er sofort im Anschluss und als Teil der weiteren Kommentierung erfährt, ob er die Erwartung des Autors erfüllt hat, lernt er sowohl über seine konstruktive Beteiligung als auch die sich anschließende Korrektur oder Bestätigung seiner Ergebnisse.

In "Stein - move by move" nutzt Engqvist diese Methodik in einer Weise, die ich im Bereich des Optimums ansiedele. Der Leser wird sehr umfassend geschult, über die strategische Planung, die Variantenberechnung etc. deutlich hinaus. So erfährt er kontinuierlich auch Namensgebungen im Eröffnungsbereich, Grundsätze für die Behandlung gerade behandelter Eröffnungssysteme und mehr (Beispiel: "What is the name of this variation and what are the main ideas?" - Seite 22). Der Schwerpunkt aber liegt natürlich auf ganz konkreten Schachaufgaben, die ihm Beurteilungen abverlangen oder aber ihn zur Planung oder Berechnung bitten.
Jede der auf diese Weise aufbereiteten Partien ist eine "runde Sache", Kompliment also an den Autor!

Welchem Kreis von Spielern kann ich dieses Werk empfehlen? Die Antwort auf diese Frage ist nicht so ganz einfach, denn der Anforderungsgrad an die Fähigkeiten des Lesers variiert. Es gibt sehr grundsätzliche Dinge, die der Schachfreund schon relativ bald nach seinem Einstieg bewältigen kann, aber auch solche, die für ein vollumfängliches Verstehen ein erweitertes Knowhow voraussetzen.
Ich lege mich hinsichtlich meiner Empfehlung auf den Klubspieler fest und ergänze mein Urteil um die Feststellung, dass "Stein - move by move" nichts mit einem "Gelegenheitsbesuch" gemein hat. Das Werk bietet sich für ein mehrmaliges Durcharbeiten an. Es schult die allgemeinen Fähigkeiten des Spielers unabhängig davon, dass es sich dabei konkret der Partien Leonid Steins bedient. Es ist so breit angelegt, dass es einen weiten Nutzen verspricht, besonders natürlich dann, wenn es aufgrund eines mehrfachen Durcharbeitens die Chance erhält, gut verstanden zu werden.
Mit diesem Werk kann der Klubspieler sein Niveau heben, also mit ihm wachsen, und zwar umso mehr, je ausbaufähiger seine bis dahin ausgebildeten Fähigkeiten sind. Kurzum: Mit "Stein - move by move" kann der gute Klubspieler zu einem besseren werden.

Angesichts des Umfangs des Werkes und auch der erfreulich umfangreichen Textpassagen sollte der Leser über ordentliche englische Sprachkenntnisse verfugen, um bequem mit dem Buch arbeiten zu können.

Fazit: "Stein - move by move" ist eines der bisher besten Bücher aus der "move by move"-Serie von Everyman Chess. Es setzt Leonid Stein ein Denkmal und unterhält und schult den Leser sehr qualifiziert. Der Autor Thomas Engqvist hat mit ihm eine ganz besondere Fleißarbeit abgeliefert. "Stein - move by move" ist eine Empfehlung an jeden Klubspieler.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Karsten Müller - Schachtaktik

Karsten Müller
Karsten Müller - Schachtaktik
268 Seiten, gebunden, mit Lesebändchen
ISBN: 978-3-95920-015-8
22,80 Euro




Karsten Müller - Schachtaktik
"Karsten Müller - Schachtaktik", eine deutsche Übersetzung der englischsprachigen Originalausgabe (USA) "Chess Cafe Puzzles Book 1" aus dem Jahre 2004, zählt zu jenen Werken, die mich ganz schnell von ihrer Qualität überzeugt haben. Verfasser ist der deutsche Großmeister Karsten Müller, was bereits der Buchtitel unschwer erkennen lässt.

Das Konzept hinter diesem Buch ist ausgezeichnet durchdacht. Zunächst werden die Elemente der Schachtaktik, vom Grundreihenmatt bis zum Zwischenzug, einzeln vorgestellt. Sie werden anhand von Beispielen entsprechend erläutert. Gleich im Anschluss hat der Leser die Gelegenheit, das frisch Erlernte beim Lösen von Aufgaben anzuwenden. Hierzu bekommt er Ausgangsstellungen via Diagramm angeboten, ergänzt um Hinweise zur Lösung. Ob er richtig liegt, kann er feststellen, wenn er den Bereich mit den gesammelten Lösungen hinten im Buch aufschlägt. Die Beispiele stammen überwiegend aus der Zeit unmittelbar vor dem Erscheinungsjahr der Originalausgabe. Müller hat daneben aber auch eindrucksvolle Fragmente aus historischen Partien verwendet. Grundsätzlich ist es ohne große Bedeutung, ob die Partie, aus der die jeweilige Wendung stammt, aktuell gespielt worden ist oder aus früheren Zeiten stammt. Allein für den erfahrenen Spieler mag dies von einem gewissen Interesse sein, da ihm ältere Beispiele vielleicht schon früher mal begegnet sein können.

Zurück zum Konzept: Sobald alle Taktikelemente vorgestellt sind, stößt der Leser auf einen Aufgabenteil, in dem er für eine Lösung alle einzelnen erlernten Methoden anwenden muss. Die Steigerung zu den vorherigen Aufgaben liegt somit darin, dass er das passende Element zunächst identifizieren muss, um die Lösung zu finden.

Besondere taktische Anforderungen ergeben sich für den Spieler im Zusammenhang mit dem Endspiel, mit Eröffnungsfallen und generell mit der Verteidigung. Dem tragen entsprechende weitere Abschnitte im Werk Rechnung.

Ein Lehr- und Trainingswerk ist nur so gut, wie es den Leser bei der Stange halten kann. Dies weiß auch Karsten Müller. So hat er auch unterhaltsame bzw. den Leser animierende Inhalte eingebaut. Hierzu zählen "Die zehn schönsten Kombinationen" sowie "Taktische Perlen aus aktuellen Turnieren". Vor allem aber kann sich der Leser auf umfangreiche Tests freuen, an denen er sich abschließend beweisen kann. Die einzelnen Aufgaben unterliegen unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden. Die Tests bestehen aus 16 Teilaufgaben, die in einem Zug und ohne Brett gelöst werden sollen. Aus Zeitgründen kann das Pensum auch gestückelt werden. Müller gibt die aufzuwendende Zeit vor und trifft Regelungen zum Punktesystem.
Mit Ausnahme der besonders schwierigen Aufgaben kann sich der Leser Hinweise zur Lösung holen, indem er in eine entsprechende Sammlung vorblättert. Dann aber werden ihm zugleich Punkte abgezogen. Dies stachelt den Ehrgeiz an. Auf den letzten Buchseiten findet der Leser die Eingruppierung seiner Leistung anhand einer Punktetabelle.

Der aufstrebende Spieler, der "Karsten Müller - Schachtaktik" konsequent und diszipliniert - vielleicht auch mehrfach - durcharbeitet, wird zweifellos deutlich an Spielstärke gewinnen.
Mit seinem robusten Einband und seiner qualifizierten Bindung wird das Werk auch einer intensiven Nutzung standhalten. Das Lesebändchen ist ein besonderer Service, der die Arbeit mit ihm noch ein Quäntchen angenehmer macht.

Fazit: "Karsten Müller - Schachtaktik" ist ein ausgezeichnetes Lehr- und Trainingsbuch zur Schachtaktik. Für den Spieler etwas jenseits der reinen Anfangsgründe bis tief in den Bereich der Klubspieler hinein ist es eine klare Empfehlung.
Mit einem Werk wie diesem kann man übrigens auch nichts falsch machen, wenn man ein Schachbuch verschenken möchte und hierfür einen "Allrounder" sucht.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise vom Schachverlag Ullrich / Joachim Beyer Verlag (www.schachversand-ullrich.de) zur Verfügung gestellt.

The Safest Scandinavian

Vassilios Kotronias
The Safest Scandinavian
220 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-619-7188-06-6
21,95 Euro




The Safest Scandinavian
Mit "The Safest Scandinavian" von Vassilios Kotronias, erschienen beim bulgarischen Verlag Chess Stars, setzt sich eine in meinen Augen erstaunliche Entwicklung fort. Diese zeigt sich darin, dass gerade die Skandinavische Verteidigung, die nur in der Peripherie der meistgespielten Eröffnungen ihren Platz hat, ein großes Interesse der Autoren gewonnen hat. Gab es schon in den vergangenen Jahren entsprechend Neues im Bücherregal, kam jüngst "Understanding the Scandinavian" von Sergey Kasparov hinzu, von mir erst vor wenigen Wochen besprochen. Mit "Smerdon`s Sicilian" habe ich noch ein weiteres Werk zur Vorbereitung einer Rezension in Arbeit.

Wie Kasparov hat sich auch Kotronias auf die Variante mit 3…Dd6 konzentriert, somit auf die einleitende Zugfolge 1.e4 d5 2.exd5 Dxd5 3.Sc3 und nun eben 3…Dd6. Er aber hat sich die Aufgabe gestellt, ein vollständiges Repertoire für Schwarz anzubieten, das nach Möglichkeit auf der beschriebenen Kernvariante basiert.

"The Safest Scandinavian" ist in acht Kapitel eingeteilt, von denen die ersten beiden das Repertoire gegen weiße Abweichungen absichern soll und das siebte aktuell die größte praktische Bedeutung haben dürfte. Das theoretische Material teilt sich wie folgt auf diese Kapitel auf:

Kapitel 1: 1.e4 d5 Seltene Fortsetzungen im 2. Zug
Kapitel 2: Weiße Alternativen im 3. Zug
Kapitel 3: 3.Sc3 Dd6 ohne 4.d4
Kapitel 4: 4.d4 Sf6 ohne 5.Sf3
Kapitel 5: 4.d4 Sf6 5.Sf3 c6 Seltene Fortsetzungen im 6. Zug
Kapitel 6: 4.d4 Sf6 5.Sf3 c6 6.h3
Kapitel 7: 6.Se5 Sbd7 7.Lf4 und Shirovs Plan 7.f4
Kapitel 8: Die Hauptvariante 7.Sc4.

"The Safest Scandinavian" ist im typischen Chess Stars-Stil aufgebaut. In jedem Kapitel erfährt der Leser im Abschnitt "Main Ideas" zunächst die wesentlichen Grundzüge des besprochenen Systems. Hier geht es beispielsweise auch um die Pläne, denen das beiderseitige Spiel folgen kann. Dem schließt sich der Bereich "Step by Step" an, in dem die ausführliche Besprechung erfolgt. Hier geht es ins Detail, also auch in die konkreten empfohlenen Wege. Soweit es im Gedächtnis zu verankernde Varianten gibt, findet der Leser diese hauptsächlich hier.
Der Abschnitt "Annotated Games" rundet die Betrachtung ab, indem die behandelten Linien im praktischen Einsatz der Partie verfolgt und auch weitergeführt werden. Die Beispiele aus der Praxis sind so kommentiert, dass sie das Augenmerk auf die Aspekte der Theorie richten, was natürlich ist. So entwickeln die Kommentare zurecht regelmäßig einen Bauch kurz nach den ersten Eröffnungszügen und deutlich vor dem Endspiel. Die Abbildung der letzten Partiephase dient dann erkennbar nur noch dem Erfüllen einer Chronistenpflicht.

Ich denke, dass der beschriebene Aufbau der Repertoirebücher von Chess Stars den Leser sehr gut unterstützt, um eine neu ins Repertoire aufzunehmende Eröffnung inhaltlich zu verstehen. Er wird seicht hineingeführt und erfährt dabei die grundlegenden, die wesentlichen Prinzipien, nach denen das System gespielt wird. Damit ist er vorbereitet, um auch die weiter in die Tiefe führenden Informationen aufnehmen zu können. Er lernt nicht einfach Varianten auswendig, die er schnell wieder vergessen kann und die ihm nicht mehr viel helfen, wenn der Gegner von ihnen abweicht. Er lernt die Varianten quasi als Beispiele für die Wege, deren Richtung bereits im Groben vorgezeichnet worden sind. Er erlangt die Fähigkeit, sein Spiel immer noch an den zentralen Ideen zu orientieren, wenn ihm konkrete Zugfolgen längst nicht mehr zur Verfügung stehen.

"The Safest Scandinavian" bestätigt diese Einschätzung, wobei diese Aussage einer Präzisierung bedarf. Bei der Arbeit mit früheren Werken von Kotronias habe ich das eine oder andere Mal seine anspruchsvolle Erwartung an den Leser wahrgenommen. Diese zeigte sich dann darin, dass er mit seinen Erläuterungen jenseits einer Schwelle ansetzte, die den noch unerfahrenen Spieler noch einbezog. Es ist mir nicht möglich, beim vorliegenden Werk eine durchgängig geltende Aussage zu treffen. Im Abschnitt "Main Ideas" kommt der noch weniger spielstarke Leser sicher mit dem Inhalt zurecht. Unter "Step by Step" ist dies teilweise sicher auch der Fall. Hier aber gibt es in einzelnen Kapiteln auch Bereiche, in denen Texterläuterungen fehlen oder aber nur noch spärlich angeboten werden. In Einzelfällen muss der Leser auch schon mal über rund 15 Züge lange Varianten ohne besondere Hinweise auskommen bzw. sich mit Schachsymbolen begnügen.
Ich denke, dass ausgehend vom Anforderungsprofil "The Safest Scandinavian" gerade für den Spieler auf Klubniveau ein empfehlenswertes Werk ist.

Kotronias hat viel praktisches Material aus dem Fernschachbereich eingearbeitet. Dies gilt sowohl für Varianten im Bereich "Step by Step" als auch für die vollständig abgebildeten Partien.

Die Buchsprache ist Englisch. Die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers sind niedrig.

Fazit: "The Safest Scandinavian" bietet besonders dem Spieler auf Klubniveau ein Repertoire zur Skandinavischen Verteidigung an, das auf 3…Dd6 basiert und gegen frühe Abweichungen des Weißspielers abgesichert ist.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

The Queen's Indian - move by move

Lorin D'Costa
The Queen's Indian - move by move
303 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78194-291-8
24,95 Euro




The Queen's Indian - move by move
"The Queen's Indian - move by move" von Lorin D'Costa ist eine 2015er Neuerscheinung bei Everyman Chess. Sie befasst sich mit der Damenindischen Verteidigung, die über die Ausgangszüge 1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 b6 auf dem Brett entsteht.
Das Inhaltsverzeichnis des Werkes, fokussiert auf die Darstellungen der Theorie, sieht wie folgt aus:

Introduction
1. World Champions and the Queen's Indian
2. Fianchetto Variation: 4 g3 Ba6 5 Qc2 and Minor Fifth Moves
3. Fianchetto Main Line: 4 g3 Ba6 5 b3 Bb7 6 Bg2 Bb4+
4. Fianchetto Variation: 4 g3 Ba6 5 b3 b5
5. Fianchetto Variation: 4 g3 Bb7 5 Bg2 g6
6. Petrosian Variation: 4 a3 Ba6
7. Petrosian Variation. 4 Nc3 Bb7 5 a3
8. 4 Nc3 Bb7: Other Fifth Moves
9. e3 and Other Fourth Moves
10. King's Indian Attack and Réti Lines

Anhand von 69 kommentierten Partien, die bis auf wenige Ausnahmen der Zeit ab 1990 entstammen, dabei zumeist nach 2000 gespielt worden sind, stellt der britische IM und Schachtrainer D'Costa die Damenindische Verteidigung in einer Weise vor, dass der Leser die verschiedenen Spielweisen von Grund auf verstehen soll. Um dies zu erreichen, setzt er mit seinen Erläuterungen / Erklärungen schon bei Basisfragen der Systeme an. Er setzt somit so gut wie keine allgemeinen Vorkenntnisse zur Behandlung indischer Systeme oder anderer geschlossener Eröffnungen voraus. "The Queen's Indian - move by move" zeigt sich hierdurch gewissermaßen als ein Buch, das ein Erlernen einer spezifischen Eröffnung, der Damenindischen Verteidigung, mit dem Einsatz von strategischen und taktischen Elementen verknüpft.
Wie alle Bücher aus der "move by move"-Reihe richtet sich auch das vorliegende Werk mit Fragen und Aufgaben an den Leser. Indem dieser aufgefordert ist, selbst aktiv zu werden, sich beispielsweise mit Problemstellungen auseinanderzusetzen oder Lösungen, z.B. Varianten, zu erarbeiten, dringt er tiefer in die Materie ein, als dies bei einem rein konsumorientierten Arbeitseinsatz der Fall wäre.
Was die Gestaltung der Fragen und Übungen betrifft, halte ich "The Queen's Indian - move by move" für eines der besten Bücher aus der genannten Reihe. Sie sind regelmäßig konkret gehalten und bringen den Leser tatsächlich weiter.

Wenn ich eben festgestellt habe, dass D'Costa seine Erläuterungen auf einem niedrigen Niveau einsetzen lässt, so heißt dies nicht, dass es sich hier um ein reines Anfängerbuch handelt. Ich möchte es bis deutlich in den Bereich der Klubspieler hinein als geeignet bezeichnen, zumal eine Steigerung der Anforderungen im Fortgang des Werkes festzustellen ist.

Die 69 Buchpartien, anhand derer D'Costa die Theorie der Damenindischen Verteidigung vermittelt, sind bis zum Ende durchkommentiert. Der Schwerpunkt der Erläuterungen aber ist eindeutig auf den ersten Abschnitt der Partie gerichtet, so wie es sich für ein Buch dieser Art gehört. Zum Partieende hin beschränken sich die Anmerkungen zumeist auf einfache Erläuterungssätze und kurze Varianten, sodass der Leser die Partie als solche vollständig verstehen kann, ohne bis zum Schluss unbedingt noch etwas erlernen zu sollen.

Im Aufbau des Werkes auffällig ist D'Costas Entscheidung, im ersten Kapitel zunächst die Behandlung der Themaeröffnung durch Weltmeister zu zeigen. So erhält der Leser über spätere Variantengrenzen hinweg erste Einblicke vermittelt, zugleich auch bereits erste Aussagen zur Theorie.

Auch wenn "The Queen's Indian - move by move" kein Repertoirebuch ist, stattet es den Leser mit einem Grundrepertoire aus. Er bekommt für die wichtigen Spielweisen - vor allem als Spieler mit den schwarzen Steinen - die entsprechenden Empfehlungen an die Hand. Im Bemühen um dieses Repertoire wird der Leser vom qualifizierten Variantenverzeichnis am Ende des Buches unterstützt. Ich persönlich empfinde es nicht selten als etwas mühselig, mir ein Repertoire über eine Partiensammlung verfügbar zu machen. Ein Variantenverzeichnis wie das vorliegende vereinfacht die Aufgabe aber sehr.

"The Queen's Indian - move by move" ist, wie der Titel schon anzeigt und der oben aufgenommene Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis bestätigt, in Englisch geschrieben. Von einigen Ausnahmen abgesehen bewegt sich der Wortschatz aber auf einem Niveau, das man als Fremdsprachler mit Schulenglisch gut bewältigen kann. Dies gilt auch für den Satzbau, der zwar durchaus schon mal auf längere Konstruktionen setzt, aber nicht unbedingt als verschachtelt zu bezeichnen ist.

Fazit: "The Queen's Indian - move by move" ist ein gelungenes Werk aus der "move by move"-Reihe von Everyman Chess und ist einem Spieler mit Fähigkeiten bis hin zu einem guten Klubniveau zu empfehlen. Es vermittelt die Theorie der Damenindischen Verteidigung von Grund auf und ist somit als Basiswerk eine gute Wahl.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Beating the Anti-Sicilians

Vassilios Kotronias
Beating the Anti-Sicilians
500 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-907982-63-7
24,99 Euro




Beating the Anti-Sicilians
"Beating the Anti-Sicilians" von Vassilios Kotronias trägt als Band aus der Reihe "Grandmaster Repertoire" von Quality Chess die Nummer 6A. Damit lehnt sich das Buch an den Band 6 an, der den Titel "The Sicilian Defence" trägt und aus dem Jahr 2010 und der Feder von Lubomir Ftacnik stammt.
Das hier besprochene Werk ist eine Neuerscheinung aus 2015.

Als "Anti-Sicilians" versteht Kotronias alle Spielweisen, bei denen Weiß nach 1.e4 c5 auf ein baldiges Sg1-f3 und d2-d4 verzichtet. Damit kommt ein breiter Fächer von Systemen auf das Tableau, von Gambit-Spielen wie Sizilianisches Flügelgambit bis Morra-Gambit über den Alapin-Sizilianer mit 2.c3 bis hin zum recht modern gewordenen Rossolimo-Angriff.

Angesichts dieser Vielfalt der Themen und der Tiefe der theoretischen Betrachtung stellt sich sehr früh die Frage, für wen "Beating the Anti-Sicilians" eine Empfehlung sein kann. Auf 500 Seiten erwarten den Leser sechs Abschnitte mit insgesamt 25 Kapiteln und damit ein Berg an Material. Da es sich bei diesem Werk um ein Repertoirebuch handelt, das aus der Sicht von Schwarz geschrieben ist und den Nachziehenden gegen alle weißen Möglichkeiten zum Verzicht auf Sg1-f3 und d2-d4 wappnen soll, sind für den Spieler mit Schwarz alle Teile relevant. Er kann nicht absehen, welches Systems sich sein Gegner bedient, um abzuweichen, sodass er mit allem rechnen und für alle präpariert sein muss. Anders mag es allenfalls dann sein, wenn es heißt, sich auf einen ganz speziellen Gegner vorzubereiten, für den man die Eröffnungswahl meint abschätzen zu können.
Nicht vergessen werden darf eine Funktion des Werkes als Update- oder Ergänzungsquelle. Ein schon beim Schwarzspieler entwickeltes Repertoire kann über "Beating the Anti-Sicilians" aktualisiert und erweitert werden.

Neben diesen Erwägungen ist hinsichtlich der Einschätzung des Adressatenkreises zu berücksichtigen, welchen Level Kotronias bei seinen Varianten und Erläuterungen ansetzt. Dieser liegt meines Erachtens jenseits dessen, was der durchschnittliche Klubspieler erwarten lässt. Kotronias stützt seine Ausführungen in einem erheblichen Umfang auf Varianten, die nur spärlich kommentiert sind und dabei auch weit in die Partie führen können. Soweit er Kommentare einsetzt, geben sie oft nur seine Einschätzung bekannt, ohne die ihn dazu bewegenden Gründe zu bezeichnen. Hier liegt es dann also beim Leser, die Qualität der Züge in den Varianten selbst anhand der maßgeblichen Kriterien zu erkennen bzw. die Gründe für die Einschätzungen des Autors zu ermitteln. Dies bedarf einer entsprechend hohen Spielstärke auf der Seite des Lesers.

In den Hauptlinien sowie bei grundlegenden Abweichungen erklärt und erläutert Kotronias intensiver und ausführlicher. Hier zeigt er auch auf, wie die Partie strategisch angelegt werden kann und über welche Schritte ein bestimmtes Ziel erreichbar wird.

Wenn ich alle meine Überlegungen und Eindrücke zusammenfasse, definiere ich den Adressatenkreis von "Beating the Anti-Sicilians" wie folgt:
1. Fernschachspieler, unabhängig von der eigenen Spielstärke und der Farbe der eigenen Figuren. Das Werk kann von beiden Parteien effektiv die Partie begleitend zu Rate gezogen werden.
2. Spitzenspieler im Brettschachbereich, die sich mit Schwarz gegen "anti-sizilianische" weiße Versuche fundiert wappnen wollen (und können) oder mit Schwarz oder Weiß auf zusätzliches und neues Material setzen wollen.
3. Vereins- und Turnierschachspieler, die sich mit Schwarz auf ausgewählte weiße Systeme und Varianten vorbereiten wollen oder - auch mit Weiß - eine Lieblingsvariante schärfen.

Um meine Gedanken auf den Punkt zu bringen: "Beating the Anti-Sicilians" ist der Anzug in der Größe XXL, der nur demjenigen passt, der den Körper dafür hat.

Skeptisch werde ich immer, wenn sich ein Eröffnungsbuch damit anpreist, dass mit seinen Linien der Gegner quasi schon in Nachteil kommt. Ein wenig spielt "Beating the Anti-Sicilians" damit, indem der Rückentext in einer Passage in diese Richtung geht. Von den beispielhaft dort aufgeführten Systemen, in denen Weiß angeblich ausgespielt wird, habe ich mir den Rossolimo-Angriff hinsichtlich der Empfehlungen näher angeschaut, zumal ich diesen mit beiden Farben aus der Praxis etwas näher kenne.
Nach 1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 d6 4.d4 cxd4 5.Dxd4 Ld7 6.Lxc6 Lxc6 betrachtet Kotronias die Fortsetzungen 7.c4 und 7.Sc3. Zumeist wählt Weiß 7.Sc3. Nach nun 7…Sf6 8.Lg5 e6 und nun 9.Dd3 Le7 10.Sd4 Da5 11.Ld2 Dh5 12.f3 0-0 13.0-0-0 d5 14.exd5 Sxd5 15.Sxc6 bxc6 kommt er zu einem leichten Vorteil für Weiß. Aber ist dies tatsächlich so? Der schwarze isolierte c-Bauer ist sicher eine Schwäche, dafür aber hat der Nachziehende ordentliche Angriffsaussichten gegen die weiße Rochadestellung, die b-Linie ist halb geöffnet. Stockfish kommt im Ergebnis nicht zu einem weißen Vorteil, sondern sieht die Stellung als ausgeglichen an. Auf jeden Fall aber hat Weiß nicht das Fürchten gelernt; die Variante führt zu ausgeglichenen Chancen, nicht zu mehr und nicht zu weniger. Ähnlich verhält es sich nach der langen weißen Rochade im 9. Zug. Also: 9.0-0-0 Le7. Neben 10.Dd3 ist hier 10.The1 eine Hauptfortsetzung. Weiter aber nach 10.Dd3: Nach 10…Da5 (zurecht als Hauptlinie weiter verfolgt) 11.Ld2 (eine von mehreren weißen Möglichkeiten) fixiert sich Kontronias auf 11…d5 als schwarze Antwort. Im Ergebnis kommt schließlich Weiß zum Ausgleich in der Variante. Anstelle von 11…d5 wird 11…Dc7 häufiger gespielt, verbunden mit guten statistischen Daten für Schwarz (auf einer allerdings nur niedrigen Partienzahl). Natürlich ist auch dies nur eine Beispielvariante, die sich einer selten gewählten Fortsetzung bedient (11…d5). Die schwarzen Chancen liegen darin, dass in diesem Terrain noch viel zu entdecken ist; sie sind aber keine Bestätigung dafür, dass die Repertoirevorschläge Weiß die Erkenntnis bringen, er hätte den Rossolimo-Angriff besser meiden sollen.
Die etwas reißerische Passage im Rückentext geht fehl, das Werk hätte sie aber auch nicht gebraucht.

"Beating the Anti-Sicilians" stellt den Stand der Theorie nicht auf den Kopf und wird den Rossolimo-Angriff nicht zurück ins Abseits schieben können. Aber es stellt die Weichen in eine Richtung, in der Schwarz gute Chancen auf ein ausgeglichenes Spiel erhält.

Ganz im Stil der Bücher aus der "Grandmaster Repertoire"-Serie ist das Werk klassisch aufgebaut. Ein System aus Haupt- und Nebenvarianten bildet das Gerüst des Stoffes. Jedes Kapitel wartet mit einer Eingangsseite auf, die auch eine differenzierte Variantenübersicht anbietet. Dese korrespondiert mit der sehr qualifizierten Übersicht auf den letzten Seiten des Buches, sodass sich der Leser bequem in diesem Meer an Theorie bewegen kann.

Die Buchsprache ist Englisch. Der Wortschatz beschränkt sich auf das, was üblicherweise in der Kommentierung im Schach eingesetzt wird. Die fremdsprachlichen Anforderungen an den Leser entsprechen damit dem Üblichen.

Fazit: "Beating the Anti-Sicilians" ist ein aus der Sicht von Schwarz verfasstes Repertoirebuch, das besonders für den Fernschachspieler und den schon spielstarken Nahschachspieler geeignet sein dürfte. Das Repertoire soll Schwarz mit Antworten für die Fälle ausstatten, in denen der Anziehende die Spielweisen des "offenen Sizilianers" meidet. Es setzt nicht nur auf erprobte Linien, sondern auch auf Zugalternativen, die bisher kaum in Erscheinung getreten sind, in mehreren Fällen auch auf Neuerungen.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Ivan's Chess Journey - Games and Stories

van Sokolov
Ivan's Chess Journey - Games and Stories
272 Seiten, kartoniert
ISBN: 9789082256659
28,95 Euro




Ivan's Chess Journey - Games and Stories
Ivan Sokolov beschreibt sein Werk "Ivan's Chess Journey - Games and Stories" als eine biografische Schachreise. Erschienen ist es 2016 bei Thinkers Publishing aus Belgien.

Sokolov kennt die Höhen des Schachspiels, bei ihm verbunden mit Top-Platzierungen in der Weltrangliste und Siegen in hochrangigen Turnieren, wie auch die Niederungen, von verpassten Chancen über peinliche Fehlgriffe am Brett bis hin zu wehtuendem Scheitern in Turnieren. Und er kennt Hinz und Kunz aus der Schachszene persönlich, viele sogar näher. Alles das repräsentiert der Inhalt von "Ivan's Chess Journey - Games and Stories".
Das Buch ist eine höchst unterhaltsame, humorvolle Komposition aus kommentierten Partien und Texten. Bei den Partien liegt der Schwerpunkt auf vollständig abgebildeten Beispielen, in Teilen reduzieren sie sich, auch aus thematischen Gründen, auf Fragmente.

Die Kommentierung dieser Praxisduelle ist ein Mix aus Textanmerkungen und Analysen. Letztere sind zumeist auf eine überschaubare Tiefe beschränkt, können aber auch schon mal bedeutend ins Detail gehen.
Wer sich gerne von interessanten und spannenden Partien unterhalten lässt, wird von "Ivan's Chess Journey - Games and Stories" gut bedient. Da eine intensive Auseinandersetzung mit gelungenen Meisterpartien zugleich auch einen Trainings- und einen Lernerfolg erzielt, kommt der Leser auch insoweit voran.

Langweilig wird es nie, denn Sokolov hat eine höchst unterhaltsame Art zu schreiben. Er ist offen und ehrlich, zumindest nehme ich ihn so wahr, humorvoll und bisweilen auch ein wenig ironisch und bissig. Meine beiden Lieblingsepisoden finden sich ziemlich am Ende des Werkes. In einem Fall versucht er sich mit Argumenten gegen Salov zu behaupten, an dessen angestammtem Frühstückstisch er Platz genommen hat, und der ihn mit einer Platzhirschbegründung vertreiben will. Aus Sokolovs Hoffnung, dass dieser seine nächste Partie verlieren möge, lässt sich ableiten, wer am Ende wohl am umkämpften Tisch frühstücken durfte.
Ein weiteres Geschichtchen macht Arkadij Naiditsch zum Hauptdarsteller, mit dem Sokolov befreundet ist. Nach seinen Worten ist Naiditsch für seinen großen Mund bekannt, womit hier aber nicht etwa ein Vorteil beim Frühstück gemeint wäre. Im höchst amüsanten Fall, den Sokolov beschreibt, stichelt Naiditsch in seine Richtung, um ihn als Anwärter für eine hintere Platzierung hochzunehmen. Die Entscheidung in diesem freundschaftlich mit Worten geführten Hahnenkampf fiel auf dem Brett. Und nach Sokolovs Worten kam es zu einem 24-stündigen Schweigen von Naiditsch.

Neben diesen köstlichen Erzählungen kommen auch gegenteilige vor, beispielsweise zum Ausbruch des Krieges im früheren Jugoslawien. Insgesamt ist "Ivan's Chess Journey - Games and Stories" auch in den Textpassagen abwechslungsreich gestrickt.

Sokolov würde sein Leben wieder so gestalten, wie er es getan hat, wenn er die Chance auf eine neuerliche Entscheidung erhielte, obwohl ihn sein Schachleben auch Kröten schlucken ließ. Kapitel wie "Schach und Hochzeit" sowie "Schach und Scheidung" sind bisher aber noch ungeschrieben…

Die Buchsprache ist Englisch. Fremdsprachkenntnisse auf Schulniveau reichen durchgehend aus, um mit dem Werk zurechtzukommen.

Fazit: "Ivan's Chess Journey - Games and Stories" ist eine biografische Partiensammlung mit einem hohen Unterhaltungswert.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

A Chess Opening Repertoire for Blitz and Rapid

Jewgeni & Vladimir Sweschnikow
A Chess Opening Repertoire for Blitz and Rapid
459 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-603-9
27,95 Euro




A Chess Opening Repertoire for Blitz and Rapid
Als ich das Werk "A Chess Opening Repertoire for Blitz and Rapid" von Jewgeni und Vladimir Sweschnikow, 2015 erschienen bei New In Chess (NIC), zum ersten Mal zur Vorbereitung dieser Rezension in die Hand genommen habe, musste ich unvermittelt an ein Zitat des großen polnischen Satirikers Stanislaw Jerzy Lec (1909 - 1966) denken. "Immer wieder wird es Eskimos geben, die den Eingeborenen von Belgisch-Kongo Verhaltensregeln für die Zeit der großen Hitze geben werden" - so lautet es übersetzt in seiner ursprünglichen Form. Ich möchte ganz sicher nicht der Fernschachspieler sein, der den Schnellspielern am Brett Ratschläge für ihre Partien gibt, auch nicht über eine Rezension. Allerdings war ich zumindest früher, also irgendwann im vergangenen Jahrtausend, auch recht erfolgreich in Blitzpartien, und zwar besonders dann, wenn mein Gegenüber durch einen Gipsarm gehandicapt war.
Um es auf den Punkt zu bringen: Lesen Sie nur weiter, wenn Sie mir zutrauen, dass ich es als ein Spieler, der seit inzwischen Jahrzehnten so gut wie ausschließlich Fernschach spielt, eine ordentliche Rezension über ein Buch zum Blitz- und Rapidschach zu schreiben verstehe. Oder lesen Sie von mir aus auch weiter, wenn Sie sehen wollen, ob ich mich blamiere!

Die Idee, speziell für den Schnellschachbereich ein Repertoire mittels eines Buches zusammenzustellen, ist für mich logisch. So wundert es mich eher ein wenig, dass es aus dieser Sparte kaum etwas gibt, soweit mir bekannt. Besonders beim Blitzen, aber auch in der Rapidpartie muss viel intuitiver entschieden werden, wofür manche Eröffnungssysteme eher als andere beschaffen sind. Der Eröffnungsauswahl kommt eine Bedeutung zu, die tendenziell höher als in einer Normalpartie am Brett liegt. Wenn es gelingt, ein spezielles Eröffnungsknowhow anzubringen, während der Gegner mit Standardwissen hantiert, ist dies ein echter Vorteil.
Sweschnikow sen. - die beiden Autoren sind Vater und Sohn - hat eine eigene Eröffnungsphilosophie entwickelt, die ich schon an anderer Stelle von ihm gelesen habe. Er legt ähnliche, aber doch leicht unterschiedliche Eröffnungsziele für Weiß und Schwarz fest. An diese angelehnt erklärt er, dass ein Spitzenspieler sich eine neue Variante aus der Sicht von Schwarz erarbeitet, da ein Spiel unter dem Optimum dem Nachziehenden schnell einen erheblichen Nachteil einbringen kann, während Weiß eher der Verlust nur seines Anzugsvorteils droht.
"A Chess Opening Repertoire for Blitz and Rapid" bietet sowohl Weiß als auch Schwarz ein eigenes Repertoire an, beginnend mit dem Abschnitt für den Nachziehenden.

Auf das weiße 1.e4 lassen die Autoren ihre Eröffnungsempfehlungen auf der Aljechin-Verteidigung fußen, kontern also mit 1…Sf6. Diese Entscheidung halte ich für pfiffig, auch vor dem Hintergrund des Amateurspiels. Das System kommt in Normalpartien selten genug auf das Brett, als dass im Klubspielbereich ein weißes Spezialwissen so häufig wie in vielen anderen Eröffnungen zu erwarten wäre. Die Partie läuft sofort in unsymmetrische Stellungen, es entstehen ab dem 1. Zug Ungleichgewichte. Zugleich ist das Spiel sehr dynamisch ausgerichtet und es gibt rote Fäden für die Spielführung in den verschiedenen möglich werdenden Varianten.
Ausgehend auch von der eigenen Eröffnungsphilosophie Sweschnikows sen. ist die Aljechin-Verteidigung bei einem weißen Anspiel mit 1.e4 also eine logische und nachvollziehbare Wahl. "A Chess Opening Repertoire for Blitz and Rapid" gibt soviel an die Hand, dass die im schnellen Schach gespielte Partie damit allemal begonnen werden kann.

Auf das Klubspiel fokussiert gebe ich allerdings zu bedenken, dass ein Vereinskamerad schnell dafür bekannt wird, wenn er auf die Aljechin-Verteidigung als Hauptwaffe setzt. Und dann ist dieses System so übersichtlich angelegt, dass sich der "gewarnte" Weißspieler gut vorbereiten und dann mit einem eigenen Spezialwissen aufwarten kann. Der von den Sweschnikows angestrebte Effekt kann dann also insoweit verpuffen.

Auf die weißen Alternativen zu 1.e4 bieten die beiden Autoren keine gleichartig zwingenden Richtungsfestlegungen als schwarze Reaktionen an. Auf 1.d4 antworten sie mit 1…d5 und beabsichtigen den Weg ins angenommene Damengambit zu nehmen. Wenn Weiß 2.c4 nicht folgen lässt und das Spiel auch nicht in Gewässer lenkt, die über 1.Sf3 erreicht werden, bietet das Werk keine Repertoireempfehlungen mehr an. Nach 1.c4 und 1.Sf3 ist das Material schmal und soll auch eher eine Demonstration der Möglichkeiten sein, wie ein Spezialrepertoire hier aussehen kann.
Die Autoren machen früh im Buch klar, dass sie kein Komplettmaterial anbieten können und dies auch nicht wollen. Sie begründen dies mit den natürlichen Grenzen, die einem Buch wie dem vorliegenden angesichts der Fülle der Theorie gesetzt sind. Die Aussage ist überzeugend. Dem Kaufinteressenten sollte eben nur klar sein, dass ihm hier nicht etwa ein Rundum-Sorglos-Paket winkt.

Das für Weiß ausgearbeitete Repertoire basiert auf einem Anzug mit 1.e4. Komplett ausgeblendet wird dann die Spanische Partie, weil sich der Anziehende sonst auf zu viele und dann auch noch sehr umfangreiche "Subsysteme" wie auch eigenständige Alternativeröffnungen wie zum Beispiel die Russische Verteidigung vorbereiten müsste. Wenn Schwarz zu 1…e5 greift, lenken die Autoren die Partie über 2.Sc3 in die Richtung der Wiener Partie.
Von den unsymmetrischen Erwiderungen werden 1…c5, 1…c6 und 1…e6 abgefangen. Die Skandinavische Verteidigung und Pirc beispielsweise werden nach dem Prinzip "Mut zur Lücke" ausgelassen. Auch hier wieder ist auf die von den Sweschnikows getroffene Entscheidung zur Begrenzung und Konzentration des Repertoireinhalts zu verweisen.
Auf Sizilianisch, Caro-Kann und Französisch versuchen die Autoren Gefilde abseits der Kerntheorie zu erreichen, indem sie dem Spiel einen eher etwas geschlossenen Charakter verleihen. Auf 1…c5 zum Beispiel entwickeln sie das weiße Repertoire über 2.b3.

Zu den bereits genannten Alternativen von Schwarz im 1. Zug erhält der Anziehende, etwas abgestuft, auch ein Repertoire gegen 1…Sf6, also die Aljechin-Verteidigung. Hier kann er sich daran erinnern, dass das Schwarzrepertoire gegen 1.e4 auf diesem System beruht.

Ich hatte oben schon einmal die Warte des Klubspielers eingenommen und möchte dies wiederholen, wenn ich nun auf den Aufwand eingehe, der dem Lernenden entsteht, wenn er sich über "A Chess Opening Repertoire for Blitz and Rapid" sein Spezialrepertoire verschafft. Die der Intention der Autoren entsprechende Arbeit nimmt Ressourcen an Zeit und Energie in Anspruch, die nicht zu unterschätzen sind. Der Leser erhält eine Fülle an Material für sein Geld, zugleich aber auch einen Berg an zu bewältigender Materie. Er wird für sich abschätzen müssen, ob er sich diesen Aufwand allein für das schnelle Spiel leisten kann oder möchte. Oder aber er handelt nach der Devise, dass er das, was er in seinen Blitzpartien spielt, auch gelegentlich in seinen herkömmlichen Partien versucht. Bei aller Orientierung daran, was im Blitzen und in Rapidpartien eine schnelle intuitive Entscheidung erlaubt, haben die Autoren ihre Aufgabe nicht darin gesehen, leichtsinnige Linien zu offerieren oder gar fehlerhafte, um einen Gegner schlicht mal übertölpeln zu können. Das Risiko des Spieles wird steigen, wenn er die speziellen und nicht selten etwas unorthodoxen Buchvarianten in der Normalpartie einsetzt, in der sein Gegner die Zeit für eine ordentliche Variantenberechnung hat. Auf dem Leistungsniveau des Klubspiels aber dürfte dieses Risiko übersichtlich bleiben.

Damit bin ich bei einem neuen Stichwort, der Übersicht. Für ein bequemes Lernen ist die Frage der Übersicht alles andere als unbedeutend.
"A Chess Opening Repertoire for Blitz and Rapid" ist als Folge von kommentierten Partien aufgebaut, über die hinweg sich der Leser durch das Repertoire bewegt. Mir persönlich ist es an ausgewählten Stellen für meine Betrachtung bisweilen etwas schwergefallen, den Faden zu behalten, zumal sich die Anmerkungen auch schon mal recht weit ins Detail bewegen können. Das am Ende des Werkes eingearbeitete Variantenverzeichnis ist ordentlich und hilft bei der Orientierung, kann damit mein beschriebenes Problem aber nur mildern.
Hier hätte ich mir gewünscht, die echten Repertoireempfehlungen an der Stelle der jeweiligen konkreten Darstellung etwas besser erkennen zu können.

Nun möchte ich das eingangs verwendete Zitat von Stanislaw Jerzy Lec aus Gründen der Praxisrelevanz noch einmal nutzen, aber etwas abgewandelt. "Immer wieder wird es Eskimos geben, die den Eskimos Verhaltensregeln für die Zeit der großen Kälte geben werden." Nun also von Fernschachspieler zu Fernschachspielern: "A Chess Opening Repertoire for Blitz and Rapid" enthält einige Ideen, die nicht dadurch schlechter werden, dass man sie auch im Fernschach erprobt. Der Sizilianer mit 2.b3 beispielsweise zählt sicher dazu. Oder zur "Negativabgrenzung": Es muss immerhin nicht gleich so etwas wie die schwarze Riposte …Le6 sein, über die der Nachziehende in einer Variante des angenommenen Damengambits seinen Mehrbauern auf c4 deckt. In der Blitzpartie wird sein Gegner wohl einen kostbaren Moment der Verblüffung überwinden müssen, bevor er sein Spiel dagegen organisiert. In der Fernpartie spielt dieser Moment überhaupt keine Rolle.

Noch ein Wort zu den Autoren. Jewgeni Sweschnikow muss sicher nicht weiter vorgestellt werden, weder als erfahrener und erfolgreicher Spieler noch als Theoretiker mit der Fähigkeit auch eines Querdenkers. Sein Sohn Vladimir Sweschnikow ist IM und Schachtrainer.

Die Buchsprache ist Englisch. Die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers sind nach meiner Wahrnehmung recht hoch, wofür ein bisweilen breiter Wortschatz verantwortlich ist.

Fazit: Ihr Eskimo-Rezensent überlässt es lieber Ihnen als den Eingeborenen von Schachland, sich die Verhaltensregeln selbst herauszusuchen, die in der Zeit der hitzigen Schnellpartien helfen können.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Playing 1.e4 e5

Nikolaos Ntirlis
Playing 1.e4 e5
384 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-78483-014-4
24,99 Euro




Playing 1.e4 e5
"Playing 1.e4 e5" von Nikolaos Ntirlis, Neuerscheinung 2016 bei Quality Chess, richtet sich an den Spieler mit Schwarz, den das Werk mit einem Repertoire gegen 1.e4 auf der Basis des Erwiderungszuges 1…e5 ausstatten will. Der Untertitel "A Classical Repertoire" gibt den frühen Hinweis darauf, dass Ntirlis seine Empfehlungen auf klassiche Systeme richtet.

Das Buch ist in zwei Abschnitte unterteilt, die mit "Open Games" und mit "Spanish" überschrieben sind. Diese beherbergen 13 Kapitel, von denen sieben im ersten und folglich noch sechs im zweiten Abschnitt zu finden sind.
Zu den Theoriekapiteln sieht das Inhaltsverzeichnis wie folgt aus:

Open Games
1. Early Deviations and Gambits
2. Bishop’s Opening and Vienna Game
3. Four Knights – Introduction
4. Four Knights – 4.d4 and 4.Bb5
5. Scotch Game
6. Two Knights – 4.d4 and 4.d3
7. Two Knights with 4.Ng5

Spanish
8. Exchange Variations
9. On the Road to the Main Line
10. The Trendy d2-d3
11. Breyer – 10.d3 and Sidelines after 10.d4
12. Breyer – Alternatives to 13.Nf1
341 13. Breyer Main Lines.

Mit Ausnahme der Kapitel 1, 9 und 10 zeigen die Überschriften erschöpfend an, was den Leser in der Folge erwartet. Zu den genannten Kapiteln bedarf es einiger erläuternder Ergänzungen.
Im 1. Kapitel findet der Leser unter anderem Eröffnungen wie Portugiesisch, Göring-Gambit, Mittelgambit und Königsgambit behandelt. Ntirlis steuert mit seinem Repertoire die schwarzen Ressourcen in der Spanischen Partie an, in der er dann die Breyer-Variante als Hauptzielhafen erreichen will. Folglich muss er zunächst alle weißen Möglichkeiten "abdichten", die den Weg in die Spanische Partie Verstellen, was im 1. Kapitel passiert. Sodann kann Weiß nach dem Übergang des Spiels in die Spanische Partie die Geschehnisse in Systeme führen, die vor der Breyer-Variante verortet sind und diese vermeiden. Auch diese Alternativen müssen somit "abgefangen" werden. Dies gilt beispielsweise für die Abtauschvariante, Gegenstand der Betrachtung in Kapitel 8. Wenn Schwarz das geschlossene System der Spanischen Partie anvisiert, kann Weiß mittels 5.Sc3, 5.De2 und 5.0-0 sowie mit 5.d3 wie auch 6.d3 an bereiten Stellen der schwarzen Wunschentwicklung entgegenarbeiten. Die Kapitel 9 und 10 widmen sich den damit zusammenhängenden Möglichkeiten.
Die Breyer-Variante, auch als Breyer-System bezeichnet, ist nach Gyula Breyer benannt und wird über die Zugfolge 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0-0 Le7 6.Te1 b5 7.Lb3 d6 8.c3 0-0 9.h3 Sb8 erreicht.

Die Buchkapitel sind identisch aufgebaut. Einer Übersicht zum behandelten Material folgt eine Seite mit Diagrammen, die sich mit Fragen zu den darauf abgebildeten Stellungen an den Leser richten. Er soll sich jede Position intensiv anschauen (Vorschlag: 10 Minuten) und dann die Lösung entwickeln. Eingebettet in die sich anschließenden theoretische Erörterung des Stoffes findet er die vom Buch erwarteten Lösungen.
Ich bin mir nicht sicher, ob die Entscheidung, diese Aufgaben jeweils ganz nach vorne zu stellen, gelungen ist. Mein Zweifel stützt sich besonders auch darauf, dass nicht selten auch konzeptionelle Ansätze gefunden werden sollen. Diese aber erfährt der Leser grundsätzlich erst über seine Arbeit mit dem Werk, indem er sich zunächst mit dem Theorieteil des Kapitels befasst. Logischer wäre es für mich gewesen, die "natürliche" Reihenfolge einzuhalten, also erst zu lehren und dann erst abzufragen. Den Wert des Werkes schmälert diese Auffälligkeit nicht, denn es ist dem Leser unbenommen, die Reihenfolge in seinem Vorgehen abweichend von der Chronologie des Buches zu bestimmen. Er kann also die Aufgaben etc. zeitlich nach der Arbeit mit der Theorie lösen, wozu ich ihm auch raten möchte, indem er schlicht ein paar Seiten zurückblättert.

Es war sicherlich keine leichte Aufgabe, die sich Ntirlis gestellt hat, als er ein abgerundetes Schwarzrepertoire auf der Basis von 1.e4 e5 zusammenstellen wollte. Kontinuierlich hatte er den Spagat zwischen einem abgesicherten und ausreichend qualifizierten Repertoire und auf der anderen Seite einer Begrenzung des Stoffumfangs zu meistern. Wie diese Problematik allgemein im Detail zu lösen ist, hängt erheblich auch von dem Adressatenkreis ab, den man mit seiner Arbeit erreichen möchte.
Ich werde nachstehend meine Einschätzungen summarisch auflisten, um dem Werk auf diese Weise möglichst gerecht zu werden.
1. "Playing 1.e4 e5" bietet dem Leser ein in sich geschlossenes Repertoire an, das allerdings nicht durchgehend vergleichbar tief angelegt ist.
2. Der Fernschachspieler erhält teilweise, so etwa besonders zur Breyer-Variante, ein fernschachtaugliches Repertoire. Teilweise aber kann es den Anforderungen im Fernschach nicht genügen, beispielsweise am Stoff des 1. Kapitels erkennbar.
3. Der "echte" Freizeitspieler unter den Nahschachfreunden findet Material im Buch, das wie auf ihn zugeschnitten wirkt, aber auch solches über diesen Level hinaus. Für ihn gilt quasi das Gegenteil dessen, was den Fernschachspieler betrifft, so wie vorstehend beschrieben.
Die Situation des ambitionierten Nahschachfreundes ist mit jener des Fernschachspielers vergleichbar.
4. Die textlichen Erläuterungen sind vornehmlich taktisch geprägt. Strategische Aspekte, beispielsweise zur logischen Spielanlage in einem System, sind eher selten anzutreffen.
5. In den einzelnen Kapiteln bzw. auch zu darin behandelten Systemen, soweit sie sich ein Kapitel teilen, folgt das Werk einem identischen Aufbau. Zunächst wird die Hauptvariante mit Nebenvarianten erörtert, woraufhin die weiterführende theoretische Betrachtung in sich anschließenden kommentierten Partien stattfindet.
Der Aufbau ist gelungen und erlaubt eine systematische Arbeit mit dem Buch. Die theoretischen Erörterungen werden jeweils mit einer wertenden Zusammenfassung abgeschlossen.
Das Werk enthält 67 vollständige Partien, auf die 13 Kapitel verteilt.
6. Die Kommentierung ist eine Mischung aus Text und Varianten. Weit verzweigte Analysen kommen auch im Buch vor, sind aber eher eine Ausnahme.

Wenn ich eine große Klammer um meine vorstehenden Beobachtungen fasse, dann ist "Playing 1.e4 e5" als Ganzes betrachtet als Zweit- oder Ergänzungsbuch ein guter Kauf, während man ein Komplettrepertoire nach 1.e4 e5 primär auf anderen Werken fußen lassen sollte, die in der Hand des Gegners liegende Abweichungen tiefer und breiter aufnehmen. Sektoral erfüllt das Buch die Anforderungen an ein Vollrepertoire, dies gilt besonders für das Breyer-System im geschlossenen Spanier.
Um es auf den Punkt zu bringen: Der Schachfreund muss wissen, was er ist (Anfänger, Profi, Nah- und / oder Fernschachspieler - siehe oben) und was er will.

Ntirlis hat eine bemerkenswerte Fleißarbeit geleistet, was auch die Länge der Liste mit den genutzten Quellen anzeigt. Er hat alles genutzt, was Rang und Namen hat, sei es jung oder alt, Buch oder elektronische Quelle usw. "Playing 1.e4 e5" ist durchzogen von Hinweisen auf Einträge in der Bibliografie, die somit dann eine konkrete Beziehung zwischen den Ausführungen des Autors und der jeweiligen Quelle herstellen.

Das Variantenverzeichnis am Ende des Buches ist sehr ausführlich, wie man es von Quality Chess kennt und schätzt.

Die Buchsprache ist Englisch. Fremdsprachkenntnisse auf einem ordentlichen Schulniveau reichen aus, um bequem mit dem Werk arbeiten zu können.

Noch ein Wort zum Autor: Nikolaos Ntirlis ein aktiver Fernschachspieler. Einen Namen gemacht hat er sich aber als Trainer, Autor und als Computerfachmann.
Zahlreiche Partien und Fragmente stammen aus dem Fernschachspiel. Dass Ntirlis sein Knowhow aus seiner Fernschachpraxis auch bei der Analyse zum Buch geholfen haben dürfte, ist sehr anzunehmen. Stellenweise gibt es Anmerkungen, die dies auch anzuzeigen scheinen, beispielsweise eine IDeA-Analyse über den Zeitraum von zwei Nächten hinweg.

Fazit: In der "richtigen" Hand und mit dem "richtigen" erhofften Nutzen ist "Playing 1.e4 e5" ein zu empfehlendes Werk.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Understanding the Scandinavian

Sergey Kasparov
Understanding the Scandinavian
175 Seiten, kartoniert
ISBN: 1-910093-65-3
22,95 Euro




Understanding the Scandinavian
In der jüngeren Vergangenheit sind einige neue Werke zur Skandinavischen Verteidigung frisch auf den Markt gekommen. In diese Reihe gliedert sich "Understanding the Scandinavian" ein, geschrieben von Sergey Kasparov und erschienen Ende 2015 im Verlagshaus Gambit Publications Ltd.

"Understanding the Scandinavian" setzt besonders auf die Linie mit 3…Dd6, also die Initialzugfolge 1.e4 d5 2.exd5 Dxd5 3.Sc3 und nun 3…Dd6. Kasparov bezeichnet sie als neue Hauptvariante. Auch die "alte Hauptvariante" mit 3…Da5, die Alternative 2…Sf6 und weitere Abweichungen behandelt er, durchaus auch mit mehr als nur einer Randnotiz, nur legt er sich als seine Empfehlung auf 3…Dd6 fest.
Es gibt sieben Kapitel im Buch, die sich mit den folgenden Inhalten befassen:

1. 3...Dd6 mit 4. d4 Sf6 5.Sf3 c6 6.Se5
2. 3...Dd6: Andere Linien
3. 3...Da5
4. 3...Dd8
5. 2...Dxd5 ohne 3.Sc3
6. 2...Sf6
7. Seltene Alternativen für Weiß im zweiten Zug.

Das Werk sieht sich als Ratgeber und Anleitung, wie die Skanidavische Verteidigung zu spielen ist. Kasparov, der die Verteidigung auch selbst gerne im Wettkampf anwendet, legt folgerichtig den Schwerpunkt seiner Ausführungen auf die strategischen Aspekte in der Anwendung dieser Eröffnung. Hierbei geht er sehr ausführlich vor. Variantenketten, womöglich ohne weitere Erläuterungen, sind nur wenig im Werk zu finden. Der Leser wird ständig auf strategische Ansätze, Anforderungen, mögliche Fehler etc. aufmerksam gemacht. Dabei adressiert Kasparov seine Hinweise und Ratschläge an beide Parteien, also nicht etwa nur an Schwarz, der für das Entstehen der Themaeröffnung auf dem Brett verantwortlich ist.
Auch wenn er mit seinen Ausführungen offenkundig nicht nur den erfahrenen Spieler erreichen möchte, sollte der Leser das Stadium der Anfangsgründe im Schach deutlich hinter sich gelassen haben. Ab dem Klubbereich aber sollte jeder Spieler mit "Understanding the Scandinavian" gut an einer Erweiterung seiner Eröffnungskompetenz arbeiten können. Diese Wertung ist durchaus universeller zu verstehen und nicht nur auf die Skandinavische Verteidigung oder gar die Buchinhalte beschränkt. Kasparov gibt tatsächlich einen tiefen Einblick in strategische Überlegungen zur Eröffnungswahl, -führung etc. Der Leser wird methodisch auch beim Einsatz anderer Systeme von den hier aufgenommenen Kenntnissen profitieren.

"Understanding the Scandinavian" ist kein Buch, das den Leser mit einem in sich plausiblen und auch abgesicherten Repertoire ausstattet. Wäre dies anders, so müsste es Schwarz entsprechend ausstatten. Kasparov legt sich auch für Weiß auf solche Alternativen fest, die es ihm aus seiner Sicht am besten ermöglichen, das Wesen der Skandinavischen Verteidigung zu zeigen und die strategischen Aspekte jeweils zu erläutern. Weitere wichtige Alternativen im Arsenal des Anziehenden bleiben außen vor. Sie dürfen dies auch, eben weil Schwarz nicht mit konkreten Repertoirevorschlägen gegen sie ausgestattet werden soll und er nach den an den gewählten Beispielen vermittelten Prinzipien auch die Spielführung gegen alternative, aber eben ähnliche Strukturen organisieren kann.
An einem Beispiel: Die schwarze Erwiderung 2…Sf6, die Kasparov übrigens nicht allzu sehr schätzt, greift er mit 3.Sf3 und nachfolgend 4.d4 auf. Für ein "rundes" Repertoire müsste er sich beispielsweise auch mit einem frühen c2-c4 befassen. In "Understanding the Scandinavian" als Ratgeber und Anleitung kann er sie unbehandelt lassen, ohne dass er damit eine nennenswerte Lücke verursachen könnte.

Kasparov nutzt insgesamt 43 Partien aus der Meisterpraxis als Träger seiner Darstellungen zur Theorie. Diese stammen oft aus aktuellen Turnieren, aber auch einige nicht mehr ganz taufrische Duelle sind dabei. Kasparov, selbst ein renommierter GM (aber nicht zu verwechseln mit dem Ex-Weltmeister Garri Kasparow), hat dabei einiges aus seinen eigenen Turnierauftritten verwendet. Mehrere Namen aus der absoluten Weltspitze finden sich ebenfalls unter den "Duellanten".
Die meisten Partien werden am Ende jeweils noch einmal in einer Zusammenfassung darauf abgeklopft, welche Schlüsse aus ihnen zu ziehen sind. Diese wertenden Zusammenfassungen ("Conclusions") können bisweilen durchaus sehr lang ausfallen. Der Leser bekommt dennoch immer in einer vergleichsweise kompakten Form noch einmal vor Augen geführt, was er an Wesentlichem aus der gerade bearbeiteten Partie mitnehmen sollte.
Relativ kurze solche Zusammenfassungen finden sich auch am Ende eines Kapitels sowie im Anschluss an die Theoriekapitel selbst.

Zwischen Theorieteil und Variantenverzeichnis hat Kasparov noch einen kurzen Bereich (zehn Beispiele) mit Übungen und deren Antworten eingebaut. Hier soll der Leser sein erworbenes Verständnis überprüfen bzw. unter Beweis stellen. Dabei kann er für Entscheidungen für bestimmte Züge und das Ausarbeiten der wesentlichen Wege Punkte erzielen, die dann summarisch Kategorien zugeordnet werden. In einer humorigen Art und Weise stellt Kasparov dann nach oben fest, dass besonders erfolgreiche Leser die Eröffnung besser verstehen als er oder nach unten anerkennen sollten, dass die Skandinavische Verteidigung nicht "ihr Ding" ist.
Ich persönlich halte diese kurze Passage für verzichtbar, aber für so manchen Leser dürfte sie als nette Spielerei ein willkommenes Angebot sein.

Das schon angesprochene Variantenverzeichnis ist sehr ausführlich und damit eine ausgezeichnete Orientierungshilfe im Werk. Ihm schließt sich der Vollständigkeit halber dann noch ein Partienverzeichnis an.

Die Buchsprache ist Englisch. Auch wenn einiges an Text im Buch vorkommt, schätze ich die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers als moderat ein. Dies begründet sich auch mit dem zur Anwendung gelangten Wortschatz, der nur selten mit nachzuschlagenden Begriffen aufwartet. Kenntnisse auf der Höhe eines ordentlichen Schulniveaus sollten allemal ausreichen, um recht komfortabel mit dem Werk arbeiten zu können.

Fazit: "Understanding the Scandinavian" ist eine Neuerscheinung auf dem Büchermarkt, die sich insbesondere mit der strategischen Spielführung in der Skandinavischen Verteidigung befasst. Sie ist eine Anleitung und ein Ratgeber, kein auch ein Repertoire anbietendes Werk.
Inhaltlich konzentriert es sich auf die Fortsetzung 3…Dd6, behandelt aber auch die als wichtig einzuschätzenden Alternativen im schwarzen Spiel.
"Understanding the Scandinavian" hebt sich besonders durch das Bemühen hervor, möglichst alles zu erläutern und zu erklären, was auf dem Brett vonstattengeht.
Für mich ist das Werk für denjenigen, dessen Spielstärke sich zumindest im unteren Klubbereich befindet und der die Skandinavische Verteidigung unter den gesetzten Schwerpunkten erlernen und dabei richtig begreifen will, eine Kaufempfehlung.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

The Chess Manual of Avoidable Mistakes Volume 2

Romain Edouard
The Chess Manual of Avoidable Mistakes Volume 2
152 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-9082256642
19,95 Euro




The Chess Manual of Avoidable Mistakes Volume 2
"The Chess Manual of Avoidable Mistakes Volume 2" ist quasi ein Erweiterungsband zu "The Chess Manual of Avoidable Mistakes; das Basiswerk ist schon im Dezember 2014 erschienen. Die Neuerscheinung stammt auch wieder aus der Feder von Romain Edouard. Das Werk ist ein Test- und Übungsbuch, um anhand von per Diagramm eingeführten Partiestellungen Mittelspiel- und auch Endspielprobleme unterschiedlicher Natur, von Angriff bis Verteidigung, zu lösen.

Es gibt insgesamt 280 zu bearbeitende Diagrammstellungen. Diese sind im Buch sechs Kapiteln (nicht sieben, wie einführend angekündigt wird) zugeordnet, die in einer sinngemäßen deutschen Übersetzung die folgenden Überschriften tragen:
1. Finde den Gewinnzug!
2. Verteidige dich selbst!
3. Zieh jetzt gleich!
4. Schwierige Auswahlentscheidungen
5. Eine Möglichkeit abwägen
6. Die ungenutzte Gelegenheit erkennen.

Die Lösungen finden sich gesammelt im hinteren Bereich des Werkes.

Die Beispiele stammen aus tatsächlich gespielten Partien, zumeist in Turnieren der Gegenwart. Sie sind nicht nach Schwierigkeitsgrad geordnet, sodass der Leser nicht vorkonditioniert wird. Dies gilt auch für die Art der zu findenden Lösung, denn sie kann von offensichtlichen bis zu versteckten Ansätzen auf allem basieren, was die Stellung hergibt. Der Leser befindet sich also in einer Lage, die jener in seiner eigenen Partie entspricht.
Jedes Kapitel enthält eine Einführung, die ihn dahingehend instruiert, was von ihm erwartet wird. Demonstriert wird ihm das dann zusätzlich an einem Beispiel, bevor er in den jeweiligen Aufgabenbereich entlassen wird. Dort erfährt er dann zu jeder Diagrammstellung mehr oder weniger nur noch, für wen er eine Lösung zu finden hat, und kann dann loslegen.
Als erfolgreich gemeistert kann er eine Aufgabe zumeist nur dann abhaken, wenn er eine komplette Analyse aller wesentlichen Aspekte gefertigt hat und diese dann detailliert mit der Buchlösung übereinstimmt. Das Finden eines Initialzuges ist zwar zweifellos wichtig, reicht aber zur Lösung nicht einmal ansatzweise aus.

Die Aufgaben selbst wie auch der an die Lösungen gestellte Anspruch machen "The Chess Manual of Avoidable Mistakes Volume 2" zu einem Werk, das sich an den fortgeschrittenen Spieler richtet. Edouard erklärt im Vorwort, dass die Aufgaben von leicht bis schwierig gestreut sind, ich sehe die Anforderungen aber allemal im Bereich des guten Klubspielers verortet. Darunter muss der Leser nach meiner Einschätzung mit einem ordentlichen Maß an Frustpotenzial rechnen. Der schon gut geübte Spieler aber dürfte von dem realitätsnahen Training, gemessen an der Praxis einer gespielten Partie, sehr profitieren.

"The Chess Manual of Avoidable Mistakes Volume 2" ist doppelsprachig geschrieben, in Englisch und in Französisch. Dies bedeutet aber nicht, dass der Käufer quasi nur ein Buch mit halbem Inhalt bekommt, indem er darin eben alles doppelt vorfindet. Die Hauptsprache ist Englisch, die wenigen und kurzen Textpassagen sind zusätzlich in Französisch verfügbar, zum Teil über entsprechende Fußnoten.
Die Anforderungen an die englischen Fremdsprachkenntnisse sind nicht der Rede wert. Es kommt jenseits der einführenden Seiten ohnehin kaum Text im Buch vor, besonders auch im Lösungsteil, wo Analysen oder weitere textliche Erläuterungen zu finden sind.

Fazit: "The Chess Manual of Avoidable Mistakes Volume 2" ist ein anspruchsvolles Buch, besonders für den geübten Spieler, der sich mindestens im Leistungsbereich des Klubspielers befindet. Es ist nutzbar, ohne dass man auch das Basiswerk besitzt.
Die Aufgaben sind in einer praxisnahen Art und Weise zu lösen. Die Buchlösungen werden in der Form von Analysen gegeben und werden nicht weiter textlich erläutert oder erklärt.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Das große Buch der Schach-Weltmeisterschaften

André Schulz
Das große Buch der Schach-Weltmeisterschaften
351 Seiten, gebunden
ISBN: 978-90-5691-637-4
22,80 Euro




Das große Buch der Schach-Weltmeisterschaften
"Das große Buch der Schach-Weltmeisterschaften" von André Schulz zählt zu jenen von mir besprochenen Büchern, bei denen die Vorbereitung der Rezension am zeitaufwändigsten war, deren Länge dies aber nicht widerzuspiegeln vermag. Das Werk ist 2015 bei New In Chess (NIC) erschienen, und zwar in deutscher Sprache, wie der Buchtitel bereits demonstriert. André Schulz ist ein erfahrener Schachjournalist, u.a. zuständig für die Website von ChessBase.

In der Geschichte des Schachspiels wurden 46 Weltmeisterschaftskämpfe ausgetragen, die als "offiziell anerkannt" gelten. In dieser Formulierung zeigt sich bereits, dass weitere unter einem Banner "Weltmeisterschaft" ausgetragene Wettkämpfe bekannt sind, denen aber die allgemeine Anerkennung versagt geblieben ist. Diese fehlen folgerichtig im hier besprochenen Werk, so wie etwa jene als "FIDE-Weltmeisterschaften" ausgespielten Titel, als Kasparow die Krone mit dem Wettkampf gegen Short aus der Organisationsgewalt des Weltschachbundes getragen hatte.

Für jeden offiziellen Weltmeisterschaftskampf gibt es ein Kapitel, bestehend aus einem Textteil und einer kommentierten Partie. Die Kapitel sind insgesamt fünf Teilen zugeordnet, die wie folgt überschrieben sind:
1. Die Zeit der Privatweltmeisterschaften,
2. Die sowjetische Ära,
3. Die neue Ära,
4. Die Zeit des Schismas,
5. Wiedervereinigung und die Zeit danach.

Die Textbeiträge variieren sehr in der Länge. Tendenziell am längsten sind die Beiträge über die Duelle der jüngeren Vergangenheit, soweit es sich nicht um Revanche- oder Wiederholungskämpfe handelte. Dies ist nachvollziehbar, denn aus den zuletzt vergangenen Jahren und Jahrzehnten ist eben doch mehr überliefert als aus den Anfängen der Weltmeisterschaften. Bei einem mehrfachen Aufeinandertreffen der Kontrahenten ist das Grundlegende mit dem Beitrag zum ersten Wettkampf gesagt, sodass für die weiteren Duelle nicht mehr so viel Stoff übrig bleibt. Die Partien sind sicher schon x-fach unter die Lupe und kommentiert veröffentlicht worden. In "Das große Buch der Schach-Weltmeisterschaften" sind sie mit Kommentaren und Analysen zu finden, die mit Engineunterstützung hinterfragt und bestätigt worden sind.

Ich habe mein ganzes Augenmerk auf die Textbeiträge gerichtet und diese vollständig gelesen. Man wird geradezu erschlagen von der Fülle an Informationen, sowohl in der Tiefe als auch in der Breite. André Schulz hat mit viel Fleiß ein Meer an Informationen zusammengetragen, das "Das große Buch der Schach-Weltmeisterschaften" zu einem Nachschlagewerk erster Garnitur avancieren lässt. Der Leser erfährt über die Protagonisten:
- Persönliches wie Herkunft, Bildung, Beruf, Körpergröße, Gesundheitsverfassung und eventuelle Handicaps, Glauben, Missbrauch von Suchtmitteln, politische Weltanschauung, Familienstand, Zahl der Kinder und ggf. auch Zahl der Ehen, gutes und schlechtes Verhalten im Umgang mit anderen, Reichtum und Armut etc.,
- Werdegang im Schach, Erfolge und Misserfolge, Besonderheiten im Kontakt mit anderen Spielern, Trainer, Sekundanten, Stärken und Schwächen im Spiel, Vorzüge und Abneigungen etc.,
- empfangene Förderungen und erlittene Benachteiligungen durch das staatliche System, Verband oder Klub, Betroffensein von Nachreden, Intrigen und Sanktionen bei Misserfolgen, Auswirkungen der Weltpolitik und der unterschiedlichen staatlichen Systeme etc.

Wie die Aufzählung zeigen dürfte, ist "Das große Buch der Schach-Weltmeisterschaften" ganz besonders auch ein Buch des Lebens, unterschieden in alles um das Schachspiel selbst herum und in Staat, Gesellschaft und Geschichte.
Ein wenig habe ich den Glauben daran verloren, dass der Titel des Weltmeisters immer in erster Linie von der Spielstärke dominiert war. Beim Lesen habe ich den Eindruck gewonnen, dass manchmal eher der Geldbeutel bestimmt hat, wer um die Krone kämpfen durfte, oder eben die Politik in facettenreicher Form.

Schulz hat die Informationen sehr gut aufbereitet und erscheint stilistisch wie ein Geschichtsschreiber. Sehr gut gefällt mir auch sein Umgang mit eingeredeten bzw. nicht abschließend beweisbaren Vorgängen. Er führt sie auf, kennzeichnet sie aber entsprechend und erhebt sie damit nicht etwa in den Rang einer Tatsachenbehauptung.
An ein paar Stellen gingen mir seine Informationen aber etwas zu sehr ins Detail. Vermutlich ist es ihm schwergefallen, mühevoll erlangte Informationen teilweise eben auch wieder verwerfen zu müssen. Auch wenn dies verständlich ist, hätte ich beispielsweise auf die intensive Darstellung der Verwandtschaftsverhältnisse der einen oder anderen Randperson gut verzichten können.

Das Werk ist in Sachen Rechtschreibung fehlerarm. Passagenweise aber hätte eine letzte Korrekturlesung noch ein paar Fehler vermeiden lassen können. So finden sich einige Male Trennstriche, die wohl aus dem Ursprungstext übernommen sind, an unpassender Stelle im Text. Offensichtliche Fehlschreibungen wie etwa ein Wortgemenge aus Match und Kampf - vermutlich aus dem Ansatz einer Stilverbesserung entstanden - hätten vermieden werden können. Allerdings ist dies ein "Kritisieren auf hohem Niveau", insgesamt ist das Werk textlich sauber gestaltet.

Die letzten Seiten des Buches sind u.a. ausführlichen statistischen Aufstellungen gewidmet, die seinen Nachschlagewert weiter steigern.

Fazit: "Das große Buch der Schach-Weltmeisterschaften" ist ein ausgezeichnetes dokumentatorisches Werk, das in die Hand jedes Schachfreundes gehört, dessen Interesse sich nicht auf das Spiel an sich beschränkt.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Wolfgang Uhlmann: Meine besten Partien

Wolfgang Uhlmann
Meine besten Partien
327 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-3-944158-07-5
34,80 Euro




Meine besten Partien
Eine bunte Mischung aus interessanten und unterhaltsam kommentierten Partien sowie Anekdoten erwartet den Leser mit dem Werk "Meine besten Partien" von Wolfgang Uhlmann. Es ist 2015 im Verlag ChessCoach, der seit dem 1. Januar 2016 Chaturange heißt, erschienen. Zu einem gewissen Grad trägt es auch autobiografische Züge.

Wolfgang Uhlmann, auch als "Wolfgang des Ostens" bezeichnet, um ihn neben Wolfgang Unzicker, also den "Wolfgang des Westens" zu positionieren, hat 87 Partien aus seinem großen Schatz an Turnierpartien ausgewählt, um sie als seine schönsten vor dem Leser auszubreiten. Dass ihm diese Auswahl schwergefallen ist, kann man gut nachvollziehen. Immerhin sind mehr als 3400, wie er auch selbst erwähnt, von ihm allein schon in den Datenbanken verfügbar.
Er hat eine repräsentative Auswahl gefunden, die seine Karriere schön abzudecken vermag. Nicht fehlen durften natürlich seine fünf Siege gegen Weltmeister, die ihm in den Jahren gelungen sind.

Das Werk enthält sechs Kapitel, denen die Partien zugeordnet sind. Diese tragen die folgenden Überschriften:

- Siege gegen die Weltmeister,
- Partien aus der Französischen Eröffnung,
- Partien aus dem Damengambit,
- Partien aus Indischen Eröffnungen,
- Partien aus anderen Eröffnungen,
- Internationale Turniersiege in meiner Karriere.

Die Partien sind mit dem Schwerpunkt auf textlichen Anmerkungen kommentiert. Eher ausnahmsweise geht die Analyse der Varianten, die auch hätten auf dem Brett entstehen können, in eine besondere Tiefe. Für das Nachspielen der Partien aus dem Grund der Unterhaltung hat Wolfgang Uhlmann, wie ich finde, genau das richtige Verhältnis von Text und Varianten gefunden.
Der Unterhaltungswert der Partien ist groß, auch ohne die Kommentare. Ich habe mir mehrere Duelle ganz genau angeschaut, wobei ich solche ausgewählt habe, bei denen mir während eines Durchblätterns interessante Anmerkungen aufgefallen sind. Wenn also beispielsweise von einem Figurenopfer gesprochen wurde, wollte ich es gerne auf dem Brett sehen. Nachgespielt habe ich die Begegnungen dann am Bildschirm, indem ich sie mir aus der Datenbank gezogen habe, mit dem Buch und seinen Kommentaren daneben.

Besonders gerne gelesen habe ich die Anekdoten, von denen es einige im Buch gibt. Wolfgang Uhlmann hat auch eine gute Portion Humor, der in seinen Erzählungen zum Ausdruck kommt. Auch leicht selbstironische Züge kommen zum Ausdruck. Zwei kleine Geschichten haben mich sehr zum Schmunzeln animiert. In einem Fall war ihm auf der Reise zu einem Turnier das ganze Gepäck gestohlen worden, sodass er vor Ort "komplett blank" stand. Da es sehr regnete, gab ihm jemand seinen Schirm. Er hatte aber nicht allzu lange Freude daran, denn dieser wurde ihm in einem unachtsamen Moment gestohlen.
Eine andere Episode verbindet sich mit dem Namen Larsen und spielt in Dänemark. Er wollte sich auf Bent Larsen berufen, als er aus Aufenthaltsgründen jemanden bezeichnen musste. Aber den Namen Larsen trug nicht nur der ehemalige Weltklassespieler, was zu einer amüsanten Wendung führte. Ich möchte aber nicht zu viel verraten und lasse die Pointe hier lieber fehlen.

Am Ende des Buches sind einige Verzeichnisse zu finden, die einen Überblick u.a. über Wolfgang Uhlmanns Karriere geben, die im Buch zu findenden Partien auflisten sowie den Bildnachweis führen.

Insgesamt ist das Buch sorgfältig bearbeitet worden. Etwas schade ist es, dass gleich im Vorwort des DSB-Präsidenten Herbert Bastian ein Fehler enthalten geblieben ist, der über eine gute Korrekturlesung hätte gefunden werden müssen ("Wir sehen wir uns regelmäßig …"). Nichts Weltbewegendes also, aber ein Schönheitsfehler, der Zweifel auslösen könnte. Ich kann bestätigen, sie wären unbegründet.

Gerne hätte ich noch ein kleines Interview mit Wolfgang Uhlmann zur Vorbereitung der Rezension geführt. Diesen Wunsch hat der Verlag auch unterstützt und Wolfgang Uhlmann zugeleitet. Es ist dann aber leider nicht dazu gekommen. Sonst hätte ich vielleicht noch etwas mehr aus den Erinnerungen dieses großen Spielers verarbeiten können.

Fazit: "Meine besten Partien" von Wolfgang Uhlmann ist ein nettes Werk, das ich dem Leser empfehlen kann, der seine Freude an guten Partien hat, die zudem auch noch unterhaltsam kommentiert worden sind. Mitgeliefert bekommt er - zum Teil köstlich erzählte - Anekdoten und viele Informationen zur Zeitgeschichte, nicht nur auf das Turnierschach bezogen.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise vom Verlag ChessCoach (heute Chaturanga) (www.verlag-chesscoach.de) zur Verfügung gestellt.

Nimzo and Bogo Indian

Christof Sielecki
Nimzo and Bogo Indian
440 Seiten, gebunden
ISBN: 978-1-78194-109-6
24,95 Euro




Nimzo and Bogo Indian
"Nimzo and Bogo Indian" ist ein Werk, das quasi zunächst am Reißbrett weitgehend durchgeplant worden ist. Sein Autor Christof Sielecki hatte beschlossen, ein Buch zu schreiben, wusste aber noch nicht worüber. Er ist dann von sich selbst ausgegangen. Als Allrounder in Sachen Schacheröffnungen verfügte er über ein breites Wissen, aber insbesondere auf 1.d4 fehlte ihm eine Schwerpunktantwort. Diese hat er dann in Nimzo-Indisch gefunden. Diese entspricht seinen persönlichen Vorstellungen, indem sie unter anderem
1. fundamental gesund ist und für Weiß einen höchstens geringen Eröffnungsvorteil zulässt,
2. ausbaufähig ist,
3. auf Basisideen in unterschiedlichen Bereichen der Eröffnung zurückgreift, sodass der Umgang mit Mittelspielstellungen leichter erlernt werden kann,
4. es auf diese Weise ermöglicht, gute Züge am Brett zu finden, ohne dass man sich lange Zugketten gemerkt haben muss,
5. es erlaubt, Ungleichgewichte zu schaffen, die ein Spielen auf Gewinn oder manchmal auch die Überführung in remisliche Varianten erlaubt.

Dabei hat er sich dergestalt auf eine Strategie der schwarzen Felder konzentriert, dass er seine Bauern auf schwarze Felder stellt und er es mit wenigen grundsätzlichen Bauernstrukturen zu tun hat.
Sielecki ist es bewusst, dass der Weißspieler dem schwarzen Vorhaben durch ein Abweichen entgegenwirken kann. Für diesen Fall hat er eine Absicherung des Repertoires über Bogo-Indisch erarbeitet. Hier basiert es dann auf Linien, in denen möglichst identische Bauernformationen zu seinen nimzo-indischen Linien entstehen. Der Nachziehende findet also in beiden Systemen, Nimzo- und Bogo-Indisch, dieselben Strukturen vor und kann deshalb mit identischen strategischen Ansätzen beide Systeme spielen.
In einer Einführung macht Sielecki den Leser mit diesem Ansatz vertraut und zeigt über exemplarische Diagramme die signifikante Ähnlichkeit von Stellungen aus den beiden unterschiedlichen Eröffnungen auf.

Das Werk enthält insgesamt 14 Kapitel, von denen 11 Nimzo-Indisch und dann noch drei Bogo-Indisch behandeln. Zu den Theoriekapiteln sieht das Inhaltsverzeichnis wie folgt aus:

1) Nimzo-Indian: Rare Lines
2) Nimzo-Indian: Sämisch Variation, 4 a3
3) Nimzo-Indian: 4 f3
4) Nimzo-Indian: Kasparov-Romanishin 4 Nf3 and 5 g3
5) Nimzo-Indian: Rubinstein Variation, 4 e3
6) Nimzo-Indian: Reshevsky Variation, 4 e3 0-0 5 Ne2
7) Nimzo-Indian: 4 e3 0-0 5 Bd3 c5 6 Ne2
8) Nimzo-Indian: Hübner Variation, 4 e3 0-0 5 Bd3 c5 6 Nf3 Nc6 7 0-0 Bxc3 8 bxc3 d6
9) Nimzo-Indian: Classical Variation, 4 Qc2
10) Nimzo-Indian: Zurich Variation, Sidelines and Qxc3 Set-ups
11) Nimzo-Indian: Zurich Variation, White Plays Bxc3
12) Bogo-Indian with 4 Bd2 a5
13) Bogo-Indian with 4 Nbd2
14) The Catalan Bogo: 1 d4 Nf6 2 c4 e6 3 g3 Bb4+.

Alle theoretischen Erörterungen finden über kommentierte Partien statt, von denen es 44 im Buch gibt. Die Kapitel werden kurz theoretisch eingeführt, am Ende der Partien findet der Leser jeweils die wesentlichen aus ihr zu ziehenden Erkenntnisse in der Form einer Zusammenfassung.
Die Erörterung geht sehr tief, was sich ein wenig auch schon daraus ablesen lässt, dass das Buch mehr als 400 Seiten stark ist und dies bei einer durchaus noch übersichtlichen Zahl von Partien.

Sielecki hat eine immense Fleißarbeit geleistet. Er geht bisweilen in den Analysen sehr ins Detail, findet aber nach meiner Einschätzung ein sehr gutes Verhältnis aus Textkommentaren und Varianten. Er lässt den Leser nicht allein mit Stellungssymbolen etc., sondern erklärt, begründet, beschreibt etc. viel, bei Bedarf auch sehr gründlich.

"Nimzo and Bogo Indian" ist in meinen Augen kein Repertoirebuch, über das sich ein eiliger Leser hopplahopp ein Grundrepertoire verschaffen kann. Sielecki hat sich selbst erkennbar viel als Autor abverlangt, stellt aber auch Ansprüche an den Leser. Dafür bietet er ihm ein rundes Repertoire an, das er sich durch Konzentration auf regelmäßig wiederkehrende strategische Aspekte, Formationen und taktische Wendungen sehr gut verinnerlichen kann. Der Leser, der dieses Werk intensiv durcharbeitet, wird die Eröffnung im Repertoirebereich hochqualifiziert zu spielen verstehen.

Um optimal von "Nimzo and Bogo Indian" profizieren zu können, braucht der Leser nach meiner Einschätzung Fortgeschrittenenfähigkeiten im Schach. Ich denke, dass ich nicht zu hoch liege, wenn ich diese im Bereich des Klubspielers verorte. Neben diesem Knowhow braucht er Ehrgeiz und Disziplin, denn das Werk wird den Leser eine ganze Weile beschäftigen, wenn es ihn optimal erreichen soll. Der zweifellos zu erwartende Lohn verlangt also einen erheblichen Zeiteinsatz.
Sielecki gibt dem Leser einen, wie ich finde, guten Tipp. Er soll das über das Buch Erlernte in zahlreichen Partien anwenden, auch im Blitzschach und dabei auch im Internet. Die im Praxiseinsatz gefundenen Lösungen und gemachten Erfahrungen soll er mit den Buchinhalten vergleichen. Auf diesem Weg wird der Leser kontinuierlich eigenes Verständnis aufbauen und Erfahrungen sammeln.

Die Bibliografie weist die wichtigsten Bücher als genutzte Quellen aus, besonders auch aktuelle Werke. Darin zu findende Bewertungen und Empfehlungen hat Sielecki in ausgewählten Positionen auf den Prüfstand gestellt. Er scheut sich nicht, ggf. auch eine abweichende Meinung zu vertreten, auch wenn der Autor des referenzierten Werkes einen großen Namen hat. Soweit mir entsprechende Passagen aufgefallen sind, behauptet er dann aber nicht nur einfach etwas anderes, sondern begründet dies dann auch.

Zur Unterstützung hat Sielecki mehrere Engines eingesetzt. Mir gefällt, wie er diese nutzt. Besonders gut finde ich es, dass er deren Einschätzungen nicht einfach übernimmt. An einer Stelle steht sogar, dass ihn dort eine Stellungseinschätzung von Houdini schockiert. Nach Houdini hätte Schwarz in der fraglichen Stellung einen nur leichten Vorteil, während er einen klaren Vorteil erkennt, ggf. sogar schon eine Gewinnstellung. Beim Betrachten der Stellung konnte ich ihm beipflichten. Der Unterschied in den Bewertungen ist für Stellungen der untersuchten Art meines Erachtens typisch. Sielecki denkt an die Situation, in der Praxis am Turnierbrett die Stellung in einen Gewinn führen zu können, Houdini aber sucht nach konkreten Wegen und errechnet dabei auch Ressourcen, die vielleicht sogar nur noch gerade eben die Partie halten. Die fragliche Stellung würde am Brett vermutlich gewonnen werden, im Fernschach und dort unter Enginehilfe aber vermutlich noch in ein Remis bugsiert werden können.

Wenn ich nicht viel übersehen habe, findet Fernschach in "Nimzo and Bogo Indian" nicht wirklich statt. Sielecki setzt zumindest dominant auf Partien, die im Nahschach gespielt worden sind. Für den Aufbau eines Repertoires für das Turnierschach ist dies nachvollziehbar. Der Fernschachspieler sollte beim die Partie begleitenden Einsatz des Buches zusätzlich über seine Partiendatenbank prüfen, ob es Ressourcen gibt, die gerade im Fernschach versucht und geprüft worden sind.

"Nimzo and Bogo Indian" ist bei Everyman Chess erschienen, in englischer Sprache. Mit Fremdsprachkenntnissen auf einem ordentlichen Schulniveau sollte der Leser aber keine großen Probleme bekommen.

Ein Variantenverzeichnis am Ende des Buches erlaubt ein einfaches gezieltes Ansteuern der Inhalte über die Kapitel hinweg.

Fazit: "Nimzo and Bogo Indian" ist ein Repertoirebuch für den "gehobenen Anspruch", gemessen am Bedarf und an den vom Leser mitzubringenden Fähigkeiten. Es bietet ein rundes Repertoire gegen 1.d4 an, das auf Nimzo- und auf Bogo-Indisch basiert. Durch Konzentration auf bestimmte und wiederkehrende strategische Merkmale ist das Repertoire gut aufzunehmen und schafft die Voraussetzungen dafür, dass der Spieler am Brett systemgerechte und damit gute Züge findet.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Finding Bobby Fischer

Dirk Jan ten Geuzendam
Finding Bobby Fischer
286 Seiten, gebunden
ISBN: 978-90-5691-572-8
24,95 Euro




Finding Bobby Fischer
"Finding Bobby Fischer" der Titel eines Buches von Dirk Jan ten Geuzendam, das in 2015 als Neuauflage von New In Chess (NIC) wieder erhältlich ist. Ursprünglich stammt es aus dem 1994. Der Rückentext gibt 1993 als Jahr des ersten Erscheinens an, was aber ein Druckfehler sein muss. Ein von Garry Kasparow beigetragenes Vorwort ist auf September 1994 datiert, diese Jahreszahl ist auch vorne im Steckbrief angegeben.

Bis auf einfache Korrekturen, neue Fußnoten und einen anderen Fotosatz soll es sich um ein Reprint der damaligen Ausgabe handeln.

"Finding Bobby Fischer" ist ein sehr ungewöhnliches Werk. Es enthält nicht etwa Partien oder sonst etwas aus dem Schaffen des früheren Weltmeisters, sondern hat mit dessen Mythos zu tun. Den Inhalt bilden zahlreiche Interviews, die vor allem mit herausragenden Spielerpersönlichkeiten geführt worden sind, ergänzt um weitere Texte mit Themen aus der Peripherie. Der Buchtitel ist mehr als Klammer zu verstehen, nicht etwa als Beschreibung eines Vorgangs, dem sich das Werk widmen könnte. Er korrespondiert mit einer Aussage in einem der Interviews auf die Frage, ob, sinngemäß übersetzt, Fischers Schatten nicht ständig auf dem Interviewten gelastet habe. Dies sei bei jedem der Fall gewesen, war die Antwort.

Ein Interview mit Fischer selbst hat ten Geuzendam nicht zustande gebracht. Trotz aller Anstrengung hat Bobby Fischer diesbezüglich nicht mitgespielt, auch nicht im Zusammenhang mit dem damals heiß diskutierten Revanchematch 1992 in Sveti Stefan.

Es sind einige der Größten im Schachspiel ausführlich zu Wort gekommen, von Botvinnik über Karpov, Kortschnoi und Kasparow bis hin zu Anand. Als jemand, der schon sehr lange dem Schachspiel verbunden ist und immer auch ein gewisses Interesse am Spitzenschach hatte, habe ich vieles wiedererkannt, was damals Gesprächsstoff im Alltag war und heute ein Blick in die Zeitgeschichte ist. Nur erfährt der Leser heute mehr, er bekommt einen tieferen Einblick als damals. Einerseits kommen die Beteiligten selbst zu Wort, andererseits wurden sie außerhalb der Aufgeregtheiten der Geschehnisse interviewt, die damals die Gemüter erhitzen. Wenn also beispielsweise ein Viktor Kortschnoi preisgibt, wie es im Match gegen Karpov zum Einsatz eines Psychologen gekommen ist, dann erhält der erfahrene Schachfreund seine Schlagzeile von damals zurück und erfährt zugleich Nuancen neu, da sie den seinerzeitigen Berichterstattern unbekannt geblieben waren.
Als besonders fesselnd habe ich ein Interview mit Miguel Najdorf empfunden. Sein bewegtes Leben und vor allem auch das, was er mitgemacht hat, waren mir bisher so intensiv nicht bekannt.

Für wen ist "Finding Bobby Fischer" eine gute Anschaffung? Natürlich muss dies jeder für sich entscheiden. Wer Interesse auch an Schachpersönlichkeiten und Schachgeschichte hat, zählt auf jeden Fall dazu. Wer Insider-Aussagen sucht, zählt ebenfalls dazu. Wer über keine guten Sprachkenntnisse verfügt, gehört nicht dazu. Das Buch enthält mehr als 250 Seiten Texte in englischer Sprache. Mit allein einer sportlichen Auffassung sind diese nicht bequem zu bewältigen.

Fazit: In interessierter und sprachkompetenter Hand ist "Finding Bobby Fischer" ein sehr gelungenes Buch.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Effektives Eröffnungstraining

Arthur Jussupow, Mark Dworetski
Effektives Eröffnungstraining
285 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-95920-011-0
22,80 Euro




Effektives Eröffnungstraining
Wieder neu auf dem Markt verfügbar ist "Effektives Eröffnungstraining" von Arthur Jussupow und Mark Dworetzki. Dieses Werk aus dem Joachim Beyer Verlag, erschienen als Imprint des Schachverlag Ullrich, richtet sich an den fortgeschrittenen Spieler und will diesem im Kern dabei helfen, ein eigenes Verständnis zur Eröffnungsbehandlung zu entwickeln. Im Ergebnis soll er befähigt werden, losgelöst von eingepaukten Variantenketten die richtigen Entscheidungen am Brett zu treffen. Richtig heißt in diesem Sinne systemgerecht, situationsgerecht und auch kreativ. Der Käufer erhält das Buch nunmehr in einer 6. überarbeiteten Auflage aus dem Erscheinungsjahr 2015.

Gewissermaßen ist "Effektives Eröffnungstraining" ein Patchwork-Produkt, denn es besteht aus zahlreichen, grundsätzlich eigenständigen Beiträgen, die erst durch die Einbindung in die ordnende Struktur des Buches einen inhaltlichen Zusammenhang entwickeln. Die Beiträge stammen aus Vorlesungen an der Schachschule der beiden genannten Buchautoren wie auch aus Artikeln, die dem mit dem Buch verfolgten Zweck dienen und thematisch passen. Diese Artikel stammen teilweise aus der Feder anderer Verfasser, beispielsweise von Dolmatow und Rasuwajew.

Das Buch ist in fünf Teile gegliedert. Insgesamt 16 Artikel sind darunter eingebunden. Die genannten fünf Teile tragen die folgenden Überschriften:

- Allgemeine Prinzipien des Spiels in der Eröffnung
- Aufbau eines Eröffnungsrepertoires
- Neue Züge
- Die Anfangszüge als Teil des Ganzen
- Über die Kreativität unserer Schüler.

Der erste Teil dient besonders dem Ausbau des Schachverständnisses, während die Teile 2 und 3 dem Aufbau eines eigenen, und zwar zum Spieler passenden Repertoires dienen. Weiterhin geht es dabei um die Entwicklung neuer, überraschender Züge und das Einstellen auf einen nächsten Gegner bzw. die Vorbereitung auf ein Turnier. Der vierte Teil widmet sich ganzheitlichen Aspekten der Eröffnungsbehandlung, insbesondere den Einflüssen der Eröffnung auf die Stellungen im Mittelspiel und auch im Endspiel. Dahinter steckt der Gedanke, dass der Spieler in diesen beiden Phasen der Partie das erhält, was er mit seinen Aufbauentscheidungen in der Eröffnung prägestaltet hat.

Die einzelnen Beiträge sind eine Mischung aus viel Text in der Form von Erklärungen und Erläuterungen, analysierten und kommentierten Partien und Partiefragmenten, Übungen und teilweise Lehrsätzen. Als Ganzes ist das Werk als Schulungs- und Trainingsbuch so qualifiziert, wie die Namen Jussupow und Dworetzki, als Lehrmeister der Spitzenklasse bekannt, dies versprechen. Es ist aktuell, auch wenn in einem Beitrag auf einen zukünftigen Einfluss von Spitzen-Engines auf die Eröffnungsentwicklung hingewiesen wird, der inzwischen längst Realität geworden ist.

Das Buch ist robust, es wird in einer gebundenen Form und mit einem festen Einband ausgeliefert. Ein Lesebändchen, das dem Leser beim Markieren der aktuell von ihm erreichten Seite hilft, ist das I-Tüpfelchen auf einen sehr guten Gesamteindruck.

Fazit: "Effektives Eröffnungstraining" ist ein qualifiziertes Schulungs- und Trainingsbuch für den fortgeschrittenen Spieler. Es vermittelt Eröffnungsverständnis, nicht aber auswendig zu lernende Varianten. Im Ergebnis macht es den Leser selbstständiger und präpariert ihn für die Eröffnungsbehandlung "off road".


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise vom Schachverlag Ullrich / Joachim Beyer Verlag (www.schachversand-ullrich.de) zur Verfügung gestellt.

The Double Queen's Gambit

Alexey Bezgodov
The Double Queen's Gambit
288 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-611-4
24,95 Euro




The Double Queen's Gambit
"The Double Queen's Gambit", Neuerscheinung 2015 bei New In Chess (NIC), geschrieben von Alexey Bezgodov, trägt den Untertitel "A Surprise Weapon for Black", übersetzt also "Eine Überraschungswaffe für Schwarz". Und genau als solche ist das von Bezgodov behandelte Eröffnungssystem zu verstehen. Wenn ich mir vorstelle, dass ich im Nahschach am Brett sitze, 1.d4 spiele und von meinem Gegenüber 1…d5 als Antwort erhalte, um dann mit 2.c4 bekannte Gewässer des Damengambits oder der Slawischen Verteidigung anzusteuern, würde mir vermutlich das Lächeln im Gesicht gefrieren, wenn mir nun plötzlich 2…c5 vorgesetzt würde. Zwei Züge sind ausgeführt und auf dem Brett befindet sich ein Bauernquadrat auf den mittleren Feldern der c- und der d-Linie. Wie ist darauf am besten zu antworten?

Diese Bauernkonstellation ist durchaus aus verschiedenen Eröffnungen bekannt, auch in einer frühen Phase der Partie, aber eben eher nicht nach nur zwei Zügen. Man kennt sie beispielsweise aus dem herkömmlichen Damengambit, der Slawischen Verteidigung und auch dem Panov-Angriff in Caro-Kann. Dort handelt es sich dann in der Regel um Stellungen, in denen der Nachziehende seine Chancen mit dieser Konstellation hat. Aber quasi als Ausgangsstellung der Eröffnung?

Der Name "Double Queen's Gambit", sinngemäß übersetzt also "Doppeltes Damengambit", stammt von Bezgodov, man wird ihn also in keinem "offiziellen" Verzeichnis finden.

Das Buch enthält insgesamt neun Abschnitte, die 20 Kapitel enthalten. Den Abschnitten 1 und 9 möchte ich einen Sonderstatus zuerkennen, da sie nicht der Erörterung des zentralen Eröffnungsthemas dienen. Abschnitt 1 soll das Repertoire mehr oder weniger abrunden, indem es sich den Möglichkeiten widmet, wenn Weiß der Eröffnung einen Weg an Bezgodovs Idee vorbei gibt. Wer gut mit Literatur zu Damenbauerspielen ausgestattet ist, kann diesen Teil außen vor lassen. Der Abschnitt 9 bildet Beispiele aus der Praxis ab, als vollständige Partie oder als Fragment, in denen dem Leser eine Aufgabe gestellt wird. Aus dem Kontext der Partie heraus und natürlich vor dem Hintergrund der "richtigen" Entscheidung im Sinne der Eröffnung soll der Leser über die Lösung der Aufgabe sein Verständnis überprüfen und schärfen. Die Lösungen erhält er gesammelt im Anschluss offeriert.

Es macht wenig Sinn, über eine zumindest auszugsweise Abbildung des Inhaltsverzeichnisses zu zeigen, was die einzelnen Kapitel abbilden. Die Überschriften und damit die Einträge im Inhaltsverzeichnis lassen zu wenig konkret den jeweils behandelten Stoff erkennen. Ich bilde deshalb für die Abschnitte 2 bis 8 nachstehend jeweils die Initialzugfolge ab. Zu jeder habe ich eine Auswertung meiner Partiendatenbank vorgenommen, um die Erfolgsaussichten für beide Seiten anhand der Statistik besser einschätzen zu können. Um dabei nicht ausreichend qualifiziertes oder auch allzu betagtes Material auszuschließen, habe ich die Suchfunktion wie folgt gesetzt.

1. Partien nur aus dem Zeitraum 2000 bis 2015.
2. Beide Spieler haben eine ELO von mindestens 2400.

Danach ergibt sich das folgende Bild:

Kapitel 6: 1.d4 d5 2.c4 c5 3.Sf3 cxd4 4.Dxd4 Sc6 5.Dxd5 Dxd5 6.cxd5 Sb4
(Statistik: kein verwertbares Ergebnis)

Kapitel 7: 1.d4 d5 2.c4 c5 3.Sf3 cxd4 4.cxd5 Da5+
(Statistik: kein verwertbares Ergebnis)

Kapitel 8: 1.d4 d5 2.c4 c5 3.Sf3 Sf6 4.cxd5 cxd4 5.Sxd4 Sxd5
(Statistik: 54% Weiß, bei aber nur wenigen Partien)

Kapitel 9: 1.d4 d5 2.c4 c5 3.Sf3 cxd4 4.cxd5 Sf6 5.Dxd4 Dxd5 6.Sc3 Dxd4 7.Sxd4 a6
(Statistik: 68% Weiß, bei mäßig vielen Partien)

Kapitel 10: 1.d4 d5 2.c4 c5 3.Sf3 cxd4 4.cxd5 Sf6 5.Dxd4 Dxd5 6.Sc3 Dxd4 7.Sxd4 Ld7
(Statistik: 78% Weiß, bei aber zu wenigen Partien)

Kapitel 11: 1.d4 d5 2.c4 c5 3.Sf3 cxd4 4.cxd5 Sf6 5.Dxd4 Dxd5 6.Sc3 Dxd4 7.Sxd4 e5
(Statistik: kein verwertbares Ergebnis)

Kapitel 12: 1.d4 d5 2.c4 c5 3.Sc3 cxd4 4.Dxd4 Sc6 5.Dxd5 Le6
(Statistik: kein verwertbares Ergebnis)

Kapitel 13: 1.d4 d5 2.c4 c5 3.Sc3 Sf6
(Statistik: kein verwertbares Ergebnis)

Kapitel 14: 1.d4 d5 2.c4 c5 3.cxd5 Sf6 4.dxc5
(Statistik: kein verwertbares Ergebnis)

Kapitel 15: 1.d4 d5 2.c4 c5 3.cxd5 Sf6 4.e4
(Statistik: kein verwertbares Ergebnis)

Kapitel 16: 1.d4 d5 2.c4 c5 3.cxd5 Sf6 4.e4 Sxe4 5.dxc5 Da5+
(Statistik: kein verwertbares Ergebnis)

Kapitel 17: 1.d4 d5 2.c4 c5 3.cxd5 Dxd5
(Statistik: 52% Weiß, bei mäßig vielen Partien)

Kapitel 18: 1.d4 d5 2.c4 c5 3.cxd5 Dxd5 4.Sf3 cxd4 5.Sc3 Dd7; 5…Dd8
(Statistik: kein verwertbares Ergebnis)

Kapitel 19: 1.d4 d5 2.c4 c5 3.cxd5 Dxd5 4.Sf3 cxd4 5.Sc3 Da5 6.Sxd4 Sf6 (Statistik: 50% Weiß, bei mäßig vielen Partien)

Kapitel 20: 1.d4 d5 2.c4 c5 3.Sf3 cxd4 4.cxd5 Dxd5 5.Sc3 Da5 6.Sxd4 Sf6 7.g3
(Statistik: 42% Weiß, bei aber zu wenigen Partien).

Bezgodov hat die Abschnitte und Kapitel identisch gestaltet, soweit diese sich eben mit dem frühen Bauernquadrat auf der c- und der d-Linie befassen. Einer kurzen Einführung folgt eine Erörterung anhand von kommentierten Partien. Am Ende des Kapitels nimmt Bezgodov in einer ausführlichen wertenden Zusammenfassung zu den maßgeblichen Aspekten Stellung und stellt die besonderen in den Fokus zu rückenden Feststellungen heraus.
Dem letzten Kapitel eines Abschnitts fügt er zudem eine solche wertende Zusammenfassung für den gesamten Abschnitt an.

Eine einheitliche Beschreibung der Kommentierungspraxis ist nicht möglich. Es gibt Partien, bei denen die Textkommentierung dominiert und diese nur zurückhaltend um Varianten und Analysen ergänzt wird. In anderen Fällen treibt Bezgodov die Analysen bis in eine besondere Tiefe.
Da er das System auch selbst in seinen Partien nutzt, hat er ein Expertenwissen gesammelt. Bei der Tiefe der Analysen könnte dies eine gewisse Rolle gespielt haben.

Ich vermag nicht einzuschätzen, für wen das in "The Double Queen's Gambit" vorgestellte System (besonders) geeignet ist. So mag ich es nicht etwa allein dem sehr starken Spieler zurechnen, der die entstehenden Stellungen schon aus seinem Positionsgefühl wird spielen können. Warum sollte nicht auch der noch nicht so versierte Spieler im Klub seinen Gegner überraschen und auf dem falschen Fuß erwischen können, wenn er sich selbst ein Plus an Knowhow verschafft hat?

Um die Inhalte des Buches richtig verinnerlichen zu können, muss der Leser allerdings schon einiges an Fähigkeiten mitbringen. Dem Anfänger ist das Werk nicht zu empfehlen.
Auch sollten Englischkenntnisse auf einem ordentlichen Schulniveau vorhanden sein, um die sprachlichen Anforderungen meistern zu können.

Fazit: "The Double Queen's Gambit" stellt ein besonderes System für Schwarz vor, mit dem er einem auf das Damengambit oder die Slawische Verteidigung zustrebenden Gegner überraschend antworten kann. Der Nachziehende erhält zugleich ein entsprechendes Repertoire an die Hand.
Das Werk ist für mich eine Empfehlung für den experimentierfreudigen Spieler.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Mastering Chess Middlegames

Alexander Panchenko
Mastering Chess Middlegames
272 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-90-5691-609-1
22,95 Euro




Mastering Chess Middlegames
"Mastering Chess Middlegames" von Alexander Panchenko ist die erstmalige Übersetzung eines im Russischen sehr erfolgreichen Schul- und Trainingsbuches in die englische Sprache. Der 2009 verstorbene Autor des bei New in Chess (NIC) erschienenen Werkes war Großmeister und ein sehr anerkannter Trainer. Seine im Zuge der Schulung erarbeiteten Lektionen haben Eingang im vorliegenden Buch gefunden. Darin verteilen sie sich auf insgesamt 12 Kapitel. Diese behandeln auf diese Weise eine Auswahl der wichtigsten Elemente der Spielführung in der zumeist (vor-)entscheidenden Phase der Schachpartie.
Der folgende Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis gibt Auskunft über die Themen in den genannten 12 Kapiteln:

1: The attack on the king
2: Defence
3: Counterplay
4: Prophylaxis
5: Realising an advantage
6: Equal positions
7: The battle of the major pieces
8: Two minor pieces against a rook
9: Opposite-coloured bishops with many pieces on the board
10: Same-coloured bishops
11: Bishop versus knight
12: Sample games and endings.

"Mastering Chess Middlegames" ist kein Buch für den Anfänger, sondern richtet sich nach meiner Einschätzung an den Spieler, der mindestens ein unteres Klubniveau erreicht hat. Dies spiegelt sich nach meiner Wahrnehmung auch in der Herangehensweise Panchenkos wider bzw. in den von ihm offenkundig vorausgesetzten Fähigkeiten des Lesers. Die Kapitel sind durchgängig ähnlich aufgebaut. Einer knappen Einführung zum jeweiligen Erörterungsgegenstand folgt eine Auswahl an Partiefragmenten, wobei Panchenko jeweils eine Mittelspielsituation als Ausgangsstellung nutzt. Zugrundegelegt wird sie über eine Diagrammstellung, zumeist schließt sich dann eine knappe Aussage des Autors zum wesentlichen Stellungsmerkmal an, bisweilen auch zur zentralen Idee eines Plans. Einer kommentierten Partie ähnlich ist das zu behandelnde Thema in den Verlauf des Fragments eingebettet. Der Leser nimmt es somit auf, indem er am "lebenden Objekt" den Spielverlauf und die Varianten verfolgt, bisweilen um kurze Erläuterungen ergänzt. "Mastering Chess Middlegames" lehrt also vor allem durch Vormachen, ergänzt aber um die wichtige Komponente "learning by doing". Ein Kapitel wird nämlich mit Übungsaufgaben abgeschlossen, zu denen der Leser die Lösungen auf den letzten Seiten des Buches findet. Diese Übungen unterteilen sich in "schlichte" Lösungsaufgaben und in Nachspielaufgaben. In dieser zweiten Variante gibt Panchenko mittels des herkömmlichen Diagramms eine Ausgangsstellung vor, von der aus der Leser eine Partie gegen einen Freund, Schachlehrer etc. spielen soll. In der Aufstellung nicht erwähnt wird die Möglichkeit, die Stellung gegen eine Engine auszuspielen. Ich sehe aber keine Hinderungsgründe, so zu verfahren. Man kann sich also auch mit seinem Computer messen, um die Nachspielaufgaben zu erfüllen.

Lehrsätze sind sporadisch eingestreut, den Schwerpunkt der Kenntnisvermittlung übernehmen die Aussagen zu Stellungen, Plänen etc. und dann natürlich auch die Analysen und Varianten.
Zu ausgewählten Aspekten gibt das Werk ausführlichere Textinformationen. Beispielsweise zählt eine Aufstellung von Tipps hierzu, wie ein Spieler, der regelmäßig Probleme mit seiner Bedenkzeit hat, zu einer Lösung seines Problems kommen kann.

Wie oben schon erwähnt, ist "Mastering Chess Middlegames" eine Übersetzung ins Englische. Die Anforderungen an die Fremdsprachkenntnisse des Lesers sind niedrig, zumal er es nicht mit allzu viel Text zu tun hat.

Fazit: "Mastering Chess Middlegames" ist ein Buch aus der Praxis für die Praxis. Der Leser sollte bereits eine Spielstärke erreicht haben, die ich dem Bereich des Klubspiels zurechnen möchte. Er erhält ausgewähltes Material an die Hand, mit dem er insgesamt 12 wichtige Mittelspielthemen im Praxiseinsatz verfolgen kann, seine entsprechenden Kenntnisse schärft und ggf. auch ausbaut und in praktischen Aufgaben prüfen und unter Beweis stellen kann. Indem ein Teil der Aufgaben das Ausspielen einer Grundstellung verlangt, wird eine besondere Nähe zu einer echten Turnierpartie hergestellt.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.

Grandmaster Repertoire - 1.e4 vs The Sicilian II

Parimarjan Negi
Grandmaster Repertoire - 1.e4 vs The Sicilian II
397 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-1-907982-57-6
24,99 Euro




Grandmaster Repertoire - 1.e4 vs The Sicilian II
Im Rahmen der Serie "Grandmaster Repertoire" von Quality Chess entsteht eine Reihe, in der Weiß ein vollständiges Repertoire erhalten soll, das auf dem Anfangszug 1.e4 gründet und ihn gegen die verschiedenen schwarzen Erwiderungen ausstattet. Mit "1.e4 vs The Sicilian II" knüpft der Autor, der indische Großmeister Parimarjan Negi, an den ersten Teil an, also "(…) vs The Sicilian I", der Anfang 2015 erschienen ist. Der erste Band dieser Buchreihe ist Mitte 2014 auf den Markt gekommen und trägt den Titel "1.e4 vs The French, Caro-Kann & Philidor".

Das neue Werk behandelt in insgesamt 26 Kapiteln, die sich auf fünf Abschnitte im Buch verteilen, ein breites Spektrum von Systemen. Der folgende Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis, für die Rezension aufgearbeitet und sinngemäß ins Deutsche übersetzt, gibt einen detaillierten Überblick über den Stoff, der den Leser erwartet.

Drachen-Variante
Kapitel 1: Nebenvarianten
Kapitel 2: 10...Da5 and 10...Tb8
Kapitel 3: 11...Sxd4
Kapitel 4: 12.Kb1
Kapitel 5: 12...Sc4

Beschleunigte Drachen-Variante
Kapitel 6: Selten gespielte 7. Züge
Kapitel 7: Verschiedene 8. Züge
Kapitel 8: 8...Te8!?
Kapitel 9: Verschiedene 9. Züge
Kapitel 10: 9...Ld7 10.Dd2
Kapitel 11: 9...Ld7 10.h4!?

Richter-Rauzer-System
Kapitel 12: 6...Ld7 und andere
Kapitel 13: 6...e6 7.Dd2 Db6
Kapitel 14: 7...Le7
Kapitel 15: 7...a6 8.0-0-0 h6
Kapitel 16: 8...Le7
Kapitel 17: 8...Ld7
Kapitel 18: 9...b5
Kapitel 19: 13...b4

4...e5 Kapitel 20: Löwenthal-Variante und Kalashnikov-Variante Kapitel 21: Kalashnikov - 7...Le6 und 7...Le7

Sveshnikov-Variante Kapitel 22: Nebenvarianten Kapitel 23: 10...Lg7 Kapitel 24: 10...f5 Kapitel 25: 14...Ld7 Kapitel 26: 15...0-0

"1.e4 vs The Sicilian II" ist als klassisches Eröffnungsbuch aufgebaut, so wie es für die Bücher aus der "Grandmaster Repertoire"-Serie typisch ist. Eine Baumstruktur aus Haupt- und Nebenvarianten sorgt sowohl für die übersichtliche Strukturierung des Stoffes als auch eine Abstufung der Abspiele nach deren Bedeutung, so wie sie ihnen nach der Einschätzung des Autors beizumessen ist. Die Tiefe der Betrachtung führt teilweise bis über den 30. Zug hinaus, was für Eröffnungsbücher zur Sizilianischen Verteidigung mit Sicherheit angemessen ist.
Allerdings ist dies zugleich auch eines von mehreren Indizien für die Beantwortung der Frage, für wen dieses Buch die richtige Wahl ist. Der Hauptadressat ist in meinen Augen ganz klar der fortgeschrittene Spieler, wobei ich wie schon beim vorhergehenden Band erneut auch hier das Niveau des erfahrenen Klubspielers nicht unterschreiten möchte. Der minder erfahrene Spieler wird mit dem sehr qualifizierten und anspruchsvollen Material kaum etwas anfangen können und schnell überfordert sein. Negi erläutert und erklärt viel, ohne den Leser an grundsätzlichen Fragestellungen abzuholen. Vor dem Hintergrund des erstrangigen Käuferkreises macht dies Sinn. Erfahrungen aus der Praxis werden in einem besonderen Umfang genutzt, sowohl in der Form von Partiefragmenten zur Betrachtung von Varianten als auch in einer textlichen Form.
Der ambitionierte Fernschachspieler ist - aus der Warte des Stoffumfanges betrachtet - der Leser Nummer 1. Er kann das Buch seine Partie begleitend einsetzen und somit auf Großmeisterniveau eröffnen, ohne sich irgendetwas aus ihm einprägen zu müssen.

Der bewährte Aufbau der Bücher aus der "Grandmaster Repertoire"- Serie hat auch bei "1.e4 vs The Sicilian II" wieder Anwendung gefunden. Die theoretische Betrachtung innerhalb der 26 Kapitel erfolgt jeweils im Anschluss an eine Kapitelübersicht in der Form der Ausgangszugfolge, eines spezifischen Variantenverzeichnisses, eines Ausgangsdiagramms sowie mehrerer Diagramme zu ausgewählten Stellungen aus dem sich anschließenden theoretischen Teil. Zumeist wird dabei die Brettsituation nach einer Neuerung dargestellt. Einen echten praktischen Wert dürften diese Diagramme nach meiner Einschätzung kaum haben, sie fungieren aber als Appetitmacher.
Abgeschlossen werden die Kapitel von einer kurzen wertenden Zusammenfassung.

Das Werk ist aus der Warte von Weiß geschrieben. Konzeptionell also findet der Anziehende im Rahmen des ihm empfohlenen Repertoires alle wichtigen Erwiderungen seines Gegners. Wer "1.e4 vs The Sicilian II" für den Einsatz mit den schwarzen Steinen nutzen möchte, muss daran denken, dass er nicht alle wichtigen Weißzüge im Buch erwarten darf, da auch wichtige Alternativen für den Anziehenden vom Autor ausgegrenzt worden sein können und sicher auch ausgegrenzt worden sind.

Am Ende des Werkes findet der Leser das gewohnt detaillierte Variantenverzeichnis für das vollständige Buch, das sich sehr gut mit den Einzelverzeichnissen innerhalb der Kapitel verzahnt. So kann der Leser ausgezeichnet im Stoff navigieren.

Die Buchsprache ist Englisch, die Fremdsprachkenntnisse des Lesers sollten ein gutes Schulniveau erreichen, wenn er bequem mit "1.e4 vs The Sicilian II" arbeiten können möchte.

Fazit: "1.e4 vs The Sicilian II" ist der nächste Baustein, um Weiß ein umfassendes Repertoire auf Großmeisterniveau nach 1. e4 zur Verfügung zu stellen. Es ist als Element dieses Gesamtprojektes wie auch als in sich thematisch abgeschlossenes Buch gut nutzbar.
Besonders gut geeignet ist es auch für den Fernschachspieler.

Der Rezension lag "1.e4 vs The Sicilian II" in einer kartonierten Fassung vor. Es ist aber auch in gebundener Form und mit einem festen Einband versehen erhältlich, dann zu einem etwas höheren als dem hier angegebenen Preis.


Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann (www.schachversand.de) zur Verfügung gestellt.