Presseschau - BdF-Mitglieder im Presseportrait

René Schulz, Herzberg

Vorgestellt in einem Artikel der Lausitzer Rundschau vom 10.03.2007. Der Abdruck auf der Homepage des BdF erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Lausitzer Rundschau.

Artikel im Original

Artikel (Text)

René Schulz liebt sein Hobby und engagiert sich ehrenamtlich im Deutschen Fernschachbund

"Bin nicht der schlechteste Fernschachspieler"

Abends brennt das Licht oft sehr lange in der kleinen Wohnung von René Schulz in Herzberg. Dann sitzt der 35-Jährige wieder an seinem Computer und widmet sich seinem Hobby - dem Fernschach. Er ist Mitglied im Deutschen Fernschachbund und seit Oktober vergangenen Jahres einer der rund 20 ehrenamtlichen Turnierleiter des Bundes.

Wenn René Schulz über Fernschach spricht, dann kommt er ins Schwärmen. Für ihn ist es ein Hobby auf geistiger Ebene, das dem jungen Mann sehr viel bedeutet. Von Geburt an ist er körperlich behindert und in seiner Mobilität sehr eingeschränkt. "Vielleicht hat es ja die Natur so eingerichtet. Ich bin froh, dass ich nicht auf den Kopf gefallen bin. Das Hobby ist ein guter Ausgleich zum körperlichen Handicap" , sagt er.

René Schulz lebt seit dem Sommer 2000 in Herzberg. Seine Heimat ist Guben. Er hat den Beruf eines Verwaltungsfachangestellten erlernt und ist aus beruflichen Gründen im Sommer 2000 nach Herzberg gezogen.

Heute ist er im Jobcenter beschäftigt. Die Tätigkeit und vor allem der Kontakt zu den Menschen gefallen ihm. Doch nach der Arbeit geht es dem 35-Jährigen wie vielen Behinderten. "Obwohl die Nachbarn sehr behilflich sind, hat man doch mit Isolation und Einsamkeit zu kämpfen. Manchmal ist es schon ganz schön schwer" , sagt Schulz. Der Fernschach ist dann nicht nur sein Hobby, sondern auch eine Verbindung nach "draußen".

Schach als Kind gelernt
Das Schachspielen hat René Schulz im Alter von sieben Jahren erlernt. Er war einmal wieder zur Kur, als er zwei ältere Herren gesehen hat, die Schach spielten. "Ich hab mich dazu gesetzt, und einer der Männer hat mir die Spielregeln erklärt. Wir hatten ja sechs Wochen Zeit" , erzählt er. Zu Weihnachten gab es dann das erste Schachspiel von den Eltern, und mit Hilfe von Lehrbüchern für Anfänger hat sich der Junge das Spiel selbst weiter beigebracht.
In der Körperbehindertenschule in Hoyerswerda hat sich René Schulz dann in der Schach-AG angemeldet. Und als er in die 9. Klasse ging, hat er die Arbeitsgemeinschaft geleitet. "Es hat Spaß gemacht, Kindern und Jugendlichen mit dem Schachspielen eine sinnvolle Freizeitgestaltung zu vermitteln" , meint er.
Seit 1985 ist er zudem im Fernschach aktiv. "Das war und ist aufgrund meiner eingeschränkten Mobilität eine optimale Sache. Ich kann gegen Leute aus Deutschland und der ganzen Welt spielen" , erklärt René Schulz. Zu DDR-Zeiten und auch noch in den Jahren danach gingen die Spielzüge traditionell per Post hin und her. Da konnte eine Partie, die durchschnittlich aus 40 Zügen besteht, schon mal ein Jahr dauern. Ungeduldig wurde Rene Schulz dabei aber nie. "Man spielt ja mehrere Partien gleichzeitig" , sagt er.

Die "Post-Ära" gehört für ihn und viele seiner Fernschachfreunde aber längst der Vergangenheit an. Das Computer- und Internetzeitalter hat auch hier Einzug gehalten. "Nachdem der Zug-Austausch anfangs per Post und dann per E-Mail erfolgte, geht das jetzt bei mir nur noch über den Schach-Server. Der PC verwaltet praktisch das gesamte Spiel. Ich muss gar nichts mehr machen, mir nur noch gescheite Züge ausdenken" , erklärt Schulz und schwärmt. "Jetzt kann ich beim Fernschach eines mit dem anderen verbinden - das Schachspielen und den Umgang mit dem Computer."

Neue Aufgabe übernommen Der Deutsche Fernschachbund, dessen Mitglied René Schulz seit 1990 ist, hält verschiedene Angebote parat, je nach Fähigkeiten der Spieler. Dazu gehören Schnupperturniere, Meisterschaften, Pokal- oder Sonderturniere. Eine Turniergruppe besteht in der Regel aus sieben Spielern. "Ich spiele in der Hauptturnierklasse. Das ist eine Ebene vor der Meisterklasse. Ich bin also nicht der schlechteste Fernschachspieler" , sagt der Wahl-Herzberger über sich. Doch immer nur als Spieler aktiv zu sein, das war ihm bald nicht mehr genug.

"Die Tätigkeit eines Turnierleiters, man kann sie mit der eines Schiedsrichters vergleichen, hat mich schon lange gereizt" , sagt er. Vor einigen Jahren hat er schon mal eine Anfrage an den Verband gestartet, ob es für ihn nicht eine Möglichkeit dazu gebe. Doch da hatte der Deutsche Fernschachbund genug Turnierleiter. Jetzt aber waren viele Funktionäre aus Altersgründen ausgeschieden. René Schulz versuchte es im Oktober vergangenen Jahres noch einmal. Diesmal mit Erfolg. Sofort wurde er als einer der 20 Turnierleiter des Deutschen Fernschachbundes engagiert, die sich um die Organisation des Spielbetriebes kümmern. "Ich bin der Meinung, dass man sich ehrenamtlich engagieren sollte, wenn man die Möglichkeit dazu hat" , meint der 35-Jährige. "Wenn das niemand tut, was soll dann werden?"

In seiner Funktion als Turnierleiter greift er wie ein Schiedsrichter bei Streitfällen ein, pflegt ständig das Tabellenarchiv und übernimmt regelmäßig administrative Aufgaben. Dabei muss er auch schon mal "schlafende Mitglieder" , die vergessen, ihren Beitrag zu zahlen, erinnern. Und er betreut die Seniorenturniere aller Art bis hin zu den Deutschen Senioren Fernschachmeisterschaften.

Bei den älteren Fernschachspielern fühlt er sich mitunter wieder in die Vergangenheit versetzt. "Viele der Älteren haben noch Probleme, sich mit der Computertechnik anzufreunden" , sagt der junge Mann. "Sie bemühen zum Zug-Austausch immer noch die Post oder das Fax. Aber das macht nichts."

Ein bis zwei Stunden am Tag nimmt die ehrenamtliche Tätigkeit in Anspruch. Der Herzberger steht noch am Anfang und holt sich viele Ratschläge bei erfahrenen Turnierleitern ein. "So viel Post wie in den letzten Monaten, ob im Briefkasten oder elektronisch, habe ich noch nie erhalten, und so viel telefoniert habe ich auch noch nie" , sagt er.

Wegen der neuen Aufgabe ist im Moment kaum Zeit, selbst zu spielen. National wie international hat er derzeit nur 13 Partien laufen. Wenig für einen Fernschach-Enthusiasten wie ihn. "Aber wenn ich mich eingearbeitet und mehr Luft habe, werde ich auch selbst wieder aktiver", sagt er.

Es ist also nicht damit zu rechnen, dass das Licht demnächst abends früher ausgeht in der kleinen Wohnung von René Schulz in Herzberg.

Hintergrund Wissenswertes über Fernschach
Beim Fernschach werden die Züge per Postkarte, Fax, E-Mail, auf dem Schachserver oder durch andere Medien ausgetauscht. Die älteste bekannte Fernpartie fand 1804 zwischen den Städten Den Haag (Oberstleutnant Friedrich Wilhelm von Mauvillon) und Breda (Offizier, Name nicht bekannt) statt. Bedeutender war jedoch der Städtekampf London gegen Edinburgh, der 1824 begann und den Edinburgh 1828 mit 3:2 gewann. Die erste per Telegraph ausgetragene Partie fand im April 1845 zwischen Howard Staunton und Henry Thomas Buckle statt. Sie dauerte acht Stunden und endete mit einem Remis. Der Deutsche Fernschachbund (BdF), früher "Bund Deutscher Fernschachfreunde" genannt, der am 25. August 1946 in Frankfurt/Main gegründet wurde, ist der deutsche nationale Fernschachverband. Der Deutsche Fernschachbund hat etwa 3000 Mitglieder.