Presseschau - BdF-Mitglieder im Presseportrait

Fred Kunzelmann, Chemnitz

Vorgestellt in einem Artikel der Freie Presse (Chemnitz) vom 25.09.2013. Der Abdruck auf der Homepage des BdF erfolgt mit freundlicher Genehmigung der "Freie Presse" (http://www.freiepresse.de).

Artikel (Text)

Jede Partie kann mehrere Monate dauern

Ein ehemaliger Chefarzt aus Chemnitz gehört zu den besten Fernschachspielern der Welt. Bei den Europameisterschaften hat er gerade die Bronzemedaille gewonnen.

Als Fred Kunzelmann seinen Zug auf der DIN-A4-Seite notiert, ist dies so ziemlich das einzige, was vom Fernschach, wie es vor 20 Jahren gespielt wurde, noch übrig ist. Damals schrieb er den Zug mit seinem schwarzen Bauern auf eine Post- karte und schickte ihn seinem Spielpartner irgendwo auf der Welt. Später wurden die Züge per E-Mail hin und her gesendet. Heute schiebt der Chemnitzer den Bauern mit der Maus auf das Feld g 6, bestätigt mit einem Klick seinen Zug, und in Sekundenbruchteilen ist er auf einem Server gespeichert. Ein letzter Blick, und Fred Kunzelmann schließt das Fenster. "Diese Partie ist Teil des Halbfinales zur Weltmeisterschaft im Fernschach. Heutzutage ist es nicht mehr nötig, alles mitzuschreiben, ich mache es aber immer noch - für mich selbst. So habe ich etwas in der Hand", erklärt der 72-Jährige.
Zurzeit spielt er 30 Partien gleichzeitig. Das ist selbst im Fernschach viel. Jedes Spiel kann mehrere Monate dauern. "Auch wenn es durch die Servertechnik inzwischen auch Blitzschach-Turniere gibt, hat beim herkömmlichen Fernschach jeder Spieler wie früher für die ersten zehn Züge 30 bis 50 Tage Zeit. Ein Turnier wie das Finale um die Europameisterschaft dauert dadurch zwei bis drei Jahre", sagt er. Dabei gehört Kunzelmann zu den besten Fernschachspielern weltweit: 2009 wurde er mit der deutschen Mannschaft Europameister, im Vorjahr bei den Fernschach-Weltmeisterschaften Zehnter. Und in diesem Jahr erreichte er den dritten Platz bei der Europameisterschaft. "Es lässt sich schwer sagen, was der größte Erfolg war. Ich bin zufrieden, wenn ich mithalten kann und es immer noch Steigerungen gibt", betont er.
Je nach Spielstärke muss sich ein Fernschach-Spezialist durch verschiedene Qualifikationsturniere spielen, ehe er im Halbfinale oder Finale einer WM oder EM antreten darf. "Bevor ich Großmeister wurde, konnte sich eine Europameisterschaft schon mal über zehn Jahre hinziehen. Inzwischen bin ich für die Halbfinals gesetzt, sodass ich jetzt 'nur noch' bis zu sechs Jahre eines dieser Turniere spiele", erläutert der ehemalige Chefarzt.
Da die Weltmeisterschaft durch die verschiedenen Qualifikationsstufen noch länger dauert, überschneiden sich die verschiedenen Titelkämpfe sogar. "Das hängt davon ab, wie viele sich für die einzelnen Runden melden und wie viele der Großmeister dann mitmachen", erklärt der Denksportler. Aber für Fernschachspieler gehörten solche Zeiträume einfach dazu. "Diese Art zu spielen, gibt einem auch eine gewisse Gelassenheit", stellt er mit einem Schmunzeln fest.
Als Kind brachte ihm sein Vater das Schachspielen bei. Bereits mit zehn Jahren spielte Kunzelmann in einer Männermannschaft, er wurde in der Jugend mehrmals Kreismeister und begann schließlich in der Oberschule mit dem Fernschach. "Das hat mich von Anfang an begeistert. Der Reiz liegt zum einen in der Möglichkeit, an jedem Ort und in jeder Lebenslage die verschiedenen Züge abwägen zu können - ich kann tagelang darüber nachdenken. Zum anderen hatte ich durch diesen Sport schon zu DDR-Zeiten Beziehungen in viele Länder", erinnert er sich.
In fast sechs Jahrzehnten hat sich Fred Kunzelmann in zahllosen Turnieren nach vorne gespielt und 2007 den Titel "Großmeister im Fernschach" verliehen bekommen, die höchste Einstufung. "In den ersten 30 Jahren blieb alles beim Alten. Dann kam die Computertechnik, und so gut wie alles wurde anders. Während wir damals nur auf Bücher zurückgreifen konnten, haben wir nun mehrere Schachprogramme zur Verfügung, die schon sehr ausgereift sind", verdeutlicht er die rasante Entwicklung.
Unter seinem Schreibtisch steht denn auch ein PC, in dem ein mächtiger Prozessor werkelt und dessen Temperatur ständig auf dem Bildschirm eingeblendet wird. "Bei den rechenintensiven Programmen, die manchmal einige Stunden brauchen, um eine Partie zu analysieren und die nächsten Züge vorzuschlagen, muss man schon aufpassen, dass es dem Rechner nicht zu heiß wird", bemerkt Kunzelmann. Dadurch seien die Partien häufig ausgeglichen, und mehr Spiele als früher enden remis. "Es gibt immer wieder Bestrebungen, ein Fernschach ohne Computer zu etablieren, aber ich bin da skeptisch. Wir haben nun mal die neue Technik, das lässt sich nicht mehr zurückdrehen", meint der Chemnitzer, der die Kombination aus Technik, Können und Erfahrung mag.

Fernschach ist eine Variante des Schachspiels, bei der sich die Partner nicht am Brett gegenübersitzen, sondern sich an unterschiedlichen Orten befinden und die Züge mittels eines Mediums austauschen. Offizielle Turniere werden auf einem speziellen Server, per E-Mail, Postkarte oder Fax ausgetragen. Die Bedenkzeit wird beim Fernschach in Tagen bemessen. Bei offiziellen Wettkämpfen haben die Spieler für jeden Zug zwei bis sechs Tage Bedenkzeit.
Angebote zu Spielmöglichkeiten per Post, E-Mail, Fax oder Server bieten nur die offiziellen Fernschach-Organisationen an. Nähere Informationen gibt es im Internet unter:
www.bdf-fernschachbund.de. (Von Matthias Schmid)