Vassilios Kotronias: "How to Play Equal Positions"

von Uwe Bekemann (Kommentare: 0)

Vassilios Kotronias
How to Play Equal Positions
228 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-619-7188-32-5
21,95 Euro

Mit „How to Play Equal Positions“ greift Vassilios Kotronias, griechischer Großmeister und Autor zahlreicher Schachbücher, ein in der Schachliteratur bisher eher wenig beleuchtetes Thema auf. Wie spielt man ausgeglichene Stellungen? Das Werk ist bereits Ende 2020 vom bulgarischen Chess Stars Verlag veröffentlicht worden.


Kotronias leitet seine Ausführungen mit einer Definition dessen ein, was er unter einer ausgeglichenen Stellung im Buchsinne versteht. Diese Klärung ist unverzichtbar, denn ohne sie wäre eine thematische Konzentration nicht möglich. Er definiert „equal positions“ als solche, in denen keine Seite einen strategischen oder materiellen Vorteil hat und beiden ein klarer Plan zur Verstärkung fehlt. Er stellt dabei auf die menschliche Sicht ab. Wenn eine Engine in komplizierten Stellungen mit sehr voneinander abweichenden Kräfteverhältnissen rechnerisch den Stellungsausgleich ermittelt, ist dies keine ausgeglichene Stellung im Buchsinne. Ihm geht es nicht um Stellungen mit lang angelegten und forcierten Varianten, sondern er will die Fähigkeit des Lesers verbessern, „trockene“ Stellungen mit schwer zu findenden Zielen zu behandeln.

Seine wichtigste Methode zum Spielen derartiger Stellungen scheint den Leser zu dessen Anfängen zurückzuführen. Es geht darum, die Stellung „Zug für Zug“ und ohne lang angelegte Pläne zu spielen. Dies bedeutet aber keinen Verzicht auf ein planvolles Spiel, wie es für den Neuling im Schach typisch ist. Vielmehr basiert die Methode darauf, in der Stellung zunächst die Kandidatenzüge zu ermitteln, um für diese dann eher kurzschrittige und auf die wesentlichen Möglichkeiten beschränkte plausible Entwicklungen herauszuarbeiten.

How to Play Equal Positions“ sehe ich als ein Buch zur Strategie und zur Taktik besonders im Mittelspiel an, das sich teilweise wie ein Ratgeber zur Anwendung in der Praxis liest. Zu seinen großen Stärken zählen die analytische Untersuchung von Stellungen und das gut strukturierte Vorgehen in der Anwendung.
Eröffnungsbücher von Kotronias lassen oft eine gewisse Neigung erkennen, möglichst viele Varianten anzubieten und diese dann in eine erhebliche Tiefe zu führen. Dies ist beim vorliegenden Werk nicht der Fall. Varianten spielen eine sehr untergeordnete Rolle. Hier liegt der Schwerpunkt deutlich auf Texterläuterungen. Entsprechend muss der Leser viel englischsprachigen Text verarbeiten. In Sachen Grammatik und verwendetem Vokabular stellt er den Leser allerdings vor keine hervorzuhebenden Herausforderungen. Nur ausnahmsweise war mir hin und wieder eine Bedeutung nicht geläufig.

26 ausgewählte Partien aus der aktuellen Meisterpraxis bilden die Basis aller Erörterungen. Diese sind 6 Kapiteln zugeordnete, zu denen das Inhaltsverzeichnis – sinngemäß übersetzt – die folgenden Informationen anbietet:

Kapitel 1:

  • Ausgeglichene Stellungen ohne klaren Plan behandeln. Regeln, die das Spiel bestimmen.

Kapitel 2:

  • Ausgeglichene Stellungen mit der Wahl, eine Änderung des Status Quo zu versuchen oder mit Ausdauer unbeirrt weiterzuspielen.
  • Kalkuliertes Risiko

Kapitel 3:

  • Sprichwörtliche Ratschläge. Gelten sie auch für Stellungen, in denen nicht viel los ist?
  • Umgang mit dem Spruch „Es ist besser, mit einem falschen Plan zu spielen als gar keinen Plan zu haben“.
  • Situationen mit einem Plan gegenüber solchen ohne Plan
  • Das „Angriff ist die beste Verteidigung-Syndrom“

Kapitel 4:

  • Die Angst vor dem Abtausch bekämpfen

Kapitel 5:

  • Langfristige Stellungswerte

Kapitel 6:

  • Die eigenen Möglichkeiten überziehen.

Kotronias untersucht die Stellungen regelmäßig auf ihre charakteristischen Eigenschaften. Häufig nutzt er hierfür die Form einer Aufzählung, so dass der Leser Beispiel und Anleitung erhält. Dessen auf diese Weise geschärftes Auge unterstützt ihn allgemein bei der Stellungsanalyse, natürlich nicht nur in Stellungen im Sinne des Buchthemas. Ausführlich und in gleicher Weise eingängig wird der Leser mit den Möglichkeiten vertraut gemacht, die Kotronias als Reaktion auf die Ergebnisse der Stellungsfeststellung sieht.
Gelegentlich durch zeilenlange Striche abgesetzte Passagen heben Regeln hervor, geben Hinweise verschiedener Art, enthalten Merkregeln u.ä.

How to Play Equal Positions“ ist in meinen Augen kein Buch mit „leichter Kost“. Ich sehe in ihm vielmehr ein Arbeitsbuch, das den Leser zu einer intensiven und disziplinierten Arbeit auffordert. Er wird Zeit einsetzen müssen, um die Denkweise des Autors und seine Anleitung, Ratschläge etc. zu verinnerlichen. Dafür wird er auch mit einer Methodik belohnt, die ihm universell Stellungen ohne einen strategischen oder materiellen Vorteil einer Seite und ohne klaren Plan zu spielen hilft.

Der Stoff und die Form der Darstellung können vom regelfesten Anfänger bis zum erfahrenen Spieler einen breiten Spielerkreis unterstützen.

Fazit: „How to Play Equal Positions“ ist ein Spezialwerk zum Umgang mit ausgeglichenen Stellungen, in denen beiden Seiten kein klarer Plan zur Verfügung steht. Insoweit kann es als Praxisbuch zur angewandten Strategie und Taktik verstanden werden, vor allem für das Mittelspiel. Es leitet zur Analyse der wesentlichen Elemente einer Stellung an und stellt die Methodik vor, in besonderer Weise damit umzugehen.

Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von der Firma Schach E. Niggemann zur Verfügung gestellt.

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