Goncharov,Igor Vladimirovich (2384) - Ness,Heiko (2406) [B12]
GER-RUS 2011 ICCF, 2011
[Figura,Atila Gajo]

Im Länderkampf gegen Russland weisen wir zwar aktuell einen größeren Rückstand auf, aber noch haben sie nicht gewonnen. Wir bräuchten nur noch mehr Siege der folgenden Art und Weise:

1.e4 c6 2.d4 d5 3.e5 Lf5 4.Sf3 e6 5.Le2
Weiß wählt eine sehr solide, aber giftige Waffe. Zunächst beendet er die Entwicklung danach kann er zwischen mehreren Wegen wählen.

5...Sd7
[5...c5 ist möglich, reduziert die Gewinnchancen jedoch fast auf null. Hier existieren mehrere forcierte Varianten, in denen Schwarz maximal ein Kampf ums Remis bevorsteht. Dafür muss Weiß hingegen sehr exakt spielen. Eine Ungenauigkeit und beide Seiten dürfen die Friedenspfeife rauchen. Eine Beispielpartie, der Heiko Neß sicherlich aus dem Wege gehen wollte: 6.Le3 cxd4 7.Sxd4 Se7 8.c4 Sbc6 9.Da4 a6 10.Sa3 Da5+ 11.Dxa5 Sxa5 12.0-0 dxc4 13.Sxc4 Sxc4 14.Lxc4 Le4 15.Tac1 Ld5 16.f4 (16.Le2! ) 16...Lxc4 17.Txc4 Sd5 18.Kf2 Le7 19.Td1 Kd7 20.Se2 Tac8 21.Txc8 Kxc8 mit baldigem Remis in 1/2-1/2 Goncharov,I (2384)-Rasmussen,E (2351)/ICCF 2011 (38)]

6.0-0 Se7 7.Sbd2
[Zu forcierten Geschichten kann 7.Sh4 führen. Früher war dies eine sehr beliebte Waffe und entsprechend hoch populär. Mittlerweile fand Schwarz ein entsprechendes Gegengift: 7...c5 8.c3 Le4 9.Sd2 Sc6 10.Sxe4 dxe4 11.g3 Le7 12.Sg2 Db6 13.dxc5 Sxc5!? (13...Dxc5 14.Da4 Dd5!? 15.Lf4 Sc5 16.Dc2 g5 17.Tfd1 Sd3 18.Le3 0-0-0 19.Se1 Scxe5 20.Lxa7 Dc6 21.Sxd3 exd3 22.Lxd3 Sxd3 23.Txd3 b6 24.Txd8+ Lxd8 25.a4 Db7 26.Lxb6 Lxb6 27.a5 La7-/+ 0-1 Peli,D (2376)-Dhanish,P (2530)/ICCF 2010 (64)) 14.b4 Sd3 15.Lxd3 exd3 16.Dxd3 Sxe5 17.De4 Lf6 18.Le3 Dc6 19.Dxc6+ Sxc6=/+ 1/2-1/2 Socko,B (2646)-Drozdovskij,Y (2624)/Tromsų 2010 (67)]

7...Sg6 8.Te1
Der Anziehende möchte seinen Springer über f1 nach e3 / g3 manövrieren. [Ein anderer Weg ist die Prophylaxe gegen c6-c5. 8.Sb3!? Weiß plant in den nächsten Zügen mit Lc1-e3 nebst a2-a4-a5 vorzugehen. Zumindest geht er so vor, wenn Schwarz sich normal entwickelt. Da er jedoch bereits Sg6 gespielt hat, dürfte er sicherlich einen Aufbau wie h5-h4 und danach c6-c5 intendiert haben. 8...h5 (8...f6 9.Se1 h5 10.f4 h4 11.Le3 Db6 12.a4 a5 13.Lg4! Damit entlarvt der Anziehende die weißfeldrigen Schwächen in der schwarzen Stellung. 13...Se7 14.Sd3 Lxg4 15.Dxg4 f5 16.De2 Da6 17.Tf3!? Sg6 18.Th3 Kf7 19.g4 hxg3 20.Txh8 Sxh8 21.hxg3 Le7 (21...Sg6! 22.g4 Se7! ) 22.g4 fxg4? 23.f5+- 1-0 Wang Hao (2733)-Shengelia,D (2526)/Rogaska Slatina SLO 2011 (35)) 9.Le3 Le7 10.Se1 h4 (10...c5 11.Lxh5 cxd4 12.Sxd4 Le4 13.Sd3 ) Der letzte Schrei ist laut meiner Datenbank 11.Lg4 Lxg4 12.Dxg4 h3? Hier bleibt der Bauer lediglich eine dauerhafte Schwäche. Nun bekommt Schwarz einen Sack voller Probleme. (Der Nachziehende sollte eher im Zentrum nach Gegenspiel streben, wie in der folgenden Beispielvariante: 12...c5 13.f4 cxd4 14.Sxd4 Lc5 15.Sd3 0-0 16.Sxc5 Sxc5 17.b4!? Se4 18.Sxe6 fxe6 19.Dxg6 De8 20.Dg4 Tc8 21.Lxa7 Txc2© ) 13.g3 Sb6 14.Sd3 Sc4 15.Tae1 Weiß hat jetzt alles stabilisiert und startet sogleich den Angriff am Königsflügel. 15...b6 16.f4 (16.Lc1!? ) 16...Dd7 (16...Sxe3! 17.Txe3 Dc8 18.f5 exf5 19.Txf5 Sf8! 20.Df3 Se6 21.Te1 0-0~~ ) 17.f5 exf5 18.Txf5 De6 19.Lc1 a5 20.a4 Ta7 21.c3! Lf8 22.Df3 Le7 23.Sa1! Nach den letzten Vorbereitungszügen bringt Weiß seinen Springer ebenfalls zum Angriff. 23...0-0 24.b3 Sa3 25.Lxa3 Lxa3 26.Sc2 Le7 27.Se3 Nun dauerte es nicht mehr lange, bis die schwarze Stellung in sich zusammenbrach: 27...c5 28.Th5 cxd4 29.cxd4 f6 30.Sxd5 fxe5 31.De4 Ld6 32.dxe5 Taf7 33.S5f4 Txf4 34.Sxf4 Sxf4 35.Dh7+ Kf7 36.Df5+ Dxf5 37.Txf5+ Ke6 38.Txf8 Lxf8 39.gxf4 wenig später gab Schwarz auf, 1-0 Sgherri,M (2155)-Popov,V (2276)/ICCF 2010 (46)]

8...Sf4!?
Ein konkreter, aber selten gespielter Weg gegen den weißen Plan. Mit diesem Zug zwingt er den Anziehenden das Manövrierfeld f1 zu versperren, denn den weißfeldrigen Läufer darf Weiß in dieser Struktur gewiss nicht gegen den Springer abtauschen lassen. Dann hätte er eine weißfeldrige Ruine.

9.Lf1 Le7 10.h3N
[In der Vorgängerpartie geschah 10.Sb3 Sg6 11.h3 Sh4 (11...0-0 führt zur Hauptpartie.) 12.Sxh4 Lxh4 13.a4 0-0 14.a5 Le7 15.Ld3 Lxd3 16.Dxd3 c5 und Schwarz hatte eine bequeme Stellung erreicht in 1/2-1/2 Kraft,D (2384)-Jaeckel,C (2397)/ICCF 2010 (27).]

10...0-0 11.Sb3 Sg6 12.Sh2?!
Damit droht Weiß nicht nur mit g2-g4 nebst f2-f3 den Läufer f5 zu gewinnen, er möchte nun über Umwege das Zielfeld e3 mit seinem Springer erreichen. Allerdings ist der Plan sehr zeitaufwändig und zudem gibt er die Kontrolle im Zentrum auf. Dies nutzt hingegen der Nachziehende für einen Angriff im Zentrum. [Kritischer ist 12.g4! Le4 13.Sfd2 c5! 14.Sxe4 (14.f3? trifft auf 14...Lxc2! 15.Dxc2 c4! und Schwarz ergreift sofort die Initiative.) 14...dxe4 15.c3 cxd4 16.Dxd4! Weiß darf die Struktur nicht verändern. Er hat sich bereits geschwächt. Jede weitere Änderung würde die Lage nur verschlimmern. (16.cxd4? Tc8 17.Sd2 (17.Txe4? Sdxe5! ; 17.Lg2 f5 18.gxf5 exf5=/+ ) 17...f6 18.exf6 Sxf6 19.Sxe4 Sh4-> und Schwarz bekommt einen sehr gefährlichen Angriff.) 16...Dc7 17.Dxe4 Sdxe5 18.Lg2= Das weiße Läuferpaar dürfte die Felderschwächen am Königsflügel kompensieren.]

12...Sh8!
Räumt das Feld g6 für den Läufer und plant eine sofortige Invasion im Zentrum, gefolgt mit einem Sturm am Königsflügel.

13.Sg4 f6 14.exf6 Sxf6 15.Se3?
Hier hat der Springer nichts zu suchen. Zudem stört er die weiße Koordination der Figuren. Schwarz erhält nun freie Hand, sich im Zentrum und am Königsflügel auszubreiten. [15.Ld3 bringt nichts wegen 15...Se4! Auch der Versuch, diese Idee taktisch mit 16.f3 zu rechtfertigen, fällt ins Wasser: (16.Se5 Sxf2! ) 16...Lh4! 17.fxe4 Lxg4 18.Dxg4 Lxe1 19.Dxe6+ Sf7 20.exd5 Dh4 21.De4 Lf2+ 22.Kh1 Dxe4 23.Lxe4 Tae8 24.Lf3 Te1+ 25.Kh2 Sd6! mit der Idee Sf5 nebst eines Matts auf g3. 26.dxc6 bxc6 27.Lxc6 Sf5 28.Lf4 Lg1+ 29.Kh1 Txa1 30.Sxa1 Lxd4 trotz der beiden Bauern für die Qualität darf Schwarz mit einem Sieg rechnen. Die weißen Figuren sind nach wie vor quer über das ganze Brett verteilt und der König befindet sich in einem lodernden Palast.; Der richtige Weg zum Ausgleich wäre der Kampf ums Zentrum mit 15.Se5! Nun kann Weiß nach 15...Sf7 16.Ld3 Se4 17.Sxf7 Txf7 weitere Vereinfachungen mit 18.f3! anstreben und somit eine ausgeglichene Stellung erreichen. 18...Sd6 19.Lxf5 exf5 20.Sc5 Lh4 21.Te2 Te7 22.Lf4= ]

15...Le4 16.Ld2 Dc7
Schwarz visiert bereits die Diagonale b8-h2 für einen gezielten Königsangriff an. Zudem räumt er die 8. Reihe, damit sich die Türme auf der f-Linie verdoppeln können.

17.Sg4
Weiß erkennt die Nutzlosigkeit des Springers auf e3 und tauscht ihn nun ab.

17...Sxg4
Bevor der Springer nach e5 kommt, geht Schwarz auf das Angebot ein. Dafür aktiviert er jetzt rasch seine Streitkräfte für den geplanten Angriff.

18.Dxg4 Lf5 19.De2 Sg6 20.c4?!
Weiß ignoriert das gegenerische Konzept und startet seinerseits Bewegungen am Damenflügel. Da er jedoch keine Linie öffnen kann, braucht sich der Nachziehende nicht darum zu kümmern. [Besser wäre es, eine Verteidigungsbastion mit 20.g3 zu errichten, auch wenn die schwarze Stellung nach 20...Ld6 21.Lg2 e5 22.dxe5 Lxe5 23.c3 Tae8 24.Dh5=/+ vorzuziehen ist. Denn er besitzt nicht nur die bessere Figurenkoordination, sondern auch im Zentrum einen Mehrbauern. Damit dominiert er im Zentrum und kann bei passender Gelegenheit diese Majorität zur Geltung bringen.]

20...Ld6 21.c5 Lh2+ 22.Kh1 Db8!?
Eine sehr interessante Entscheidung! Der Nachziehende dürfte während des Partienstudiums seines Gegners festgestellt haben, dass dieser sehr computertreu antwortet. Vermutlich beabsichtigte er den Anziehenden von der Möglichkeit g2-g3 abzulenken. Deswegen räumte er ein Feld für seinen Läufer frei und platzierte seinen Turm nicht in der Mitte.

23.La5?
Danach ist die weiße Stellung nicht mehr zu retten. [Die einzige Chance bestand in 23.g3 Lxg3 24.fxg3 Le4+ 25.Lg2[] (25.Kh2? Tf3! 26.Dg2 Sh4 27.Dg1 Txb3! 28.axb3 Sf3+-+ ) 25...Dxg3 26.Lxe4 Tf2 27.Dxf2 Dxf2 28.Lxg6 hxg6 29.Tg1 und Weiß besitzt berechtigte Chancen, den Laden zusammen zu halten.]

23...Lf4
Der Läufer ist gerettet, nun mobilisiert Schwarz seine Figuren.

24.a4 Tf6 25.Ld2
[25.g4 Le4+ 26.f3 Le3! 27.fxe4 Tf2-+ ]

25...Lc7 26.Le3 Df8 27.a5 a6
Klar, natürlich wird dem Anziehenden kein Gegenspiel am Damenflügel genehmigt.

28.Dd1 Sf4 29.Sd2 g5!
Der Schlüsselzug! Er ermöglicht sofortige Drohungen auf der h-Linie gegen den König.

30.Ta3?!
ist deutlich zu langsam. [Aber auch das forcierte 30.Db3 dürfte über kurz oder lang nicht ausreichend sein. Eine Beispielvariante: 30...Tb8 (30...Dh6? ist zu optimistisch 31.Dxb7 Lxh3 32.Kg1 Lxg2 33.Lxg2 Sxg2 34.Dxa8+ Tf8 35.Dxf8+ Dxf8 36.Kxg2+- ) 31.Kg1 g4 32.h4 Sh3+! 33.gxh3 gxh3 34.Kh1 Tg6 35.f3 Dg7 36.Te2 Kh8 37.h5 Tg3 38.h6 Df6 39.Dd1 Tbg8-+ und das weiße Königshaus fällt im Sturm.]

30...Dh6 31.Kg1 g4!
Damit öffnet Schwarz entscheidend die Pforten zur weißen Stellung. Weiß sollte den Bauern g4 besser nicht schlagen, da er dann nach Sf4-e2+ nebst Dh6-h2 (ggf. h2-h1) mattgesetzt wird.

32.h4 Sh3+!!
Diese Idee hatte der Anziehende wohl komplett übersehen. Jetzt wird die Stellung auseinander genommen.

33.gxh3 Dxh4 34.Kh1
Damit flüchtet der weiße König immerhin auf eine geschlossene Linie, was tendenziell die richtige Verteidigungsmethode ist, dieses Mal aber nicht mehr hilft... [Auch 34.Ld3 bringt nichts angesichts von 34...Lxd3 35.Txd3 Taf8-+ und Schwarz droht alles Mögliche am Königsflügel, wie bspw. Lh2+ Kxh2 Dxh3+ Kg1 g3 usw. (35...Dxh3 36.Lf4! ) ]

34...Kh8
Bereitet die Invasion auf der g-Linie vor. Jetzt läuft alles automatisch.

35.f4
[35.Tb3 Tg8 36.Txb7 g3 37.Txc7 Lxh3-+ ]

35...Tg8 36.De2 Tfg6 37.Taa1 gxh3 38.Dh2 Dh6!
Der stärkste Weg zum Gewinn. Damit plant Schwarz mit Tg6-g3 nebst Beseitigung des Bauern f4. [38...Tg2 dürfte auch gewinnen, dauert aber etwas länger.]

39.Te2 Dh5
Nachdem Weiß das Feld e2 mit dem Turm verstellt hat, greift Schwarz über die weißen Felder an.

40.Tf2
[40.Df2 Tg2! 41.De1 Ld3 42.Tf2 Tg1+ 43.Kh2 Dg5-+ ]

40...Tg3
Weiß gab auf [Eine Beispielvariante: 40...Tg3 41.Le2 Dg6 42.Lf3 Lxa5! 43.Sb3 Le4 44.Taf1 Le1-+ und Weiß ist nicht in der Lage, die Mattdrohungen zu verhindern.] 0-1