Anschuetz, Ulrich - Huber, Martin
BdF OS-042 (Offene Klasse), 2007
(Martin Huber)

Die vorliegende Partie gefällt mir sehr gut, da ich hier durch eine präzise Verteidigung ein Remis erzielen konnte, obwohl ich aus der Eröffnung mit einer etwas schlechteren Stellung gegangen bin. Die Verteidigungsideen sind deswegen schön, weil hier der Verteidiger den Angreifer zur Blockade seines eigenen Angriffs zwingen kann.

1.d4 d5 2.c4 dxc4
Ich nehme das Damengambit an. Natürlich nicht, um den Bauerngewinn zu behalten, was unmöglich ist, sondern um zu einem freien Figurenspiel zu kommen. Dies ist aber riskant, da nun die schwarzen Figuren das weiße Bauernzentrum zähmen müssen.

3.e4 e5
Um schnell die Figuren entwickeln zu können.

4.Sf3
[ 4.dxe5 Dxd1+ 5.Kxd1 Sc6 6.Sf3 Lg4 7.Lf4 Lc5 8.Lxc4 Sge7 Die Variante zeigt beispielhaft, wie schnell und harmonisch sich Schwarz entwickeln kann, wenn Weiß den Bauern e5 nimmt. Schwarz wird daher bald den Bauern zurückgewinnen können. Zum Beispiel mit Se7-g6. Lc5xf2 kostet ein wenig Zeit und sollte daher nur gespielt werden, wenn man Angst hat, die letzte Möglichkeit, den Bauern zurückzugewinnen, zu verpassen.]

4...exd4 5.Lxc4 Lb4+ 6.Ld2 Lxd2+ 7.Sbxd2
Weiß hat durch das schwarze Läuferschach kein Tempo gewonnen, da der Springer auf d2 noch nicht gut steht. Momentan verhindert dieser, dass Weiß den Bauern auf d4 zurückgewinnt.

7...Sc6
Ich decke den Bauern noch einmal, um die Rückgewinnung des Bauern für Weiß zu erschweren.

8.0-0 Sf6?!
Mir gefällt der Zug jetzt nicht mehr. Schwarz provoziert den nächsten weißen Bauernzug, weil er meint, dass er dann gut im Zentrum steht. Doch der Springer wird bald ein wenig unstabil am Damenflügel stehen. [ 8...Df6 Der Bauernzug e5-e6 lässt sich nicht vermeiden 9.e5 Dg6+/= Aber Schwarz kann nun mit Sg8-e7 seinen Springer sehr sicher aufstellen und die schwarze Stellung stabilisieren helfen. Da die schwarze Dame die Grundlinie verlassen hat, ist die Verbindung der Türme nicht mehr allzu aufwendig. Schwarz steht ein wenig schlechter, kann sich aber gut halten.]

9.e5 Sd5 10.Sb3 0-0 11.Sbxd4 Sxd4
Der Abtausch ist die beste Idee. Ein Springerrückzug Sc6-e7, der den Tausch vermeidet, führt nur zu unbequemen Stellungen. Die Dame könnte sich fast nicht bewegen und Weiß hat auf d4 einen aktiven Springer, während der schwarze Kollege auf e7 kümmerlich aussieht und der Springer auf d5 wohl nicht zu halten ist, da der Druck durch den Läufer c4 zu groß ist.

12.Dxd4
Leider kommt aber die weiße Dame gut ins Spiel.

12...Sb6
Schwarz muss das Feld d5 wohl eh aufgeben, wenn Weiß seinen Druck verstärkt. Daher ziehe ich den Springer jetzt zurück, anstatt mit der aussichtslosen Deckung Zeit zu verlieren.

13.Lb3!
Der Laeufer ist auf der Diagonale a2-g8 unangenehm, da ab jetzt immer e5-e6 droht. Dieser weiße Bauernvorstoß kann der Anfang einer weißen Invasion in die schwarze Stellung sein und ist darum eine wichtige Drohung.

13...Le6
Ich war daher zu einem Zugeständnis in der Bauernstruktur bereit. [ 13...Dxd4 14.Sxd4 Dies gefällt mir weniger. Der Abtausch der Damen verringert die Gefahren für Schwarz nur scheinbar. Weiß hat jetzt einen dauerhaften Vorteil wegen des Bauern auf e5 und kann den Vorteil ohne die Damen wohl ungestörter als in der Partie ausbauen. Schwarz steht zwar nicht verloren, aber Schwarz muss sich auch hier sehr genau und über längere Zeit verteidigen.]

14.De3?!
[ 14.Lxe6 wäre wohl besser gewesen, da Weiß nun ein permanentes Angriffsziel hat. 14...fxe6 ( Natürlich nicht Damenabtausch. 14...Dxd4 15.Sxd4 fxe6 16.Sxe6 Und wegen des hängenden schwarzen Bauern auf c7 und des angegriffenen Turms auf f8 hat Weiß einen Bauern gewonnen.) 15.Dg4 De7 Schwarz kann sich vermutlich über eine längere Zeit hin verteidigen. Der Bauer e6 ist zwar eine Schwäche, aber dieser ermöglicht es nun Schwarz am Ende doch, seinen Springer auf d5 zu postieren. Aber es ist nicht zu übersehen, dass Weiß einen spürbaren Vorteil hat.]

14...Lxb3
Ich nutze die Gunst der Stunde, um den unangenehmen Läufer auf b3 abzutauschen.

15.Dxb3 De7
Es drohte der Bauernvorstoß e5-e6. Der Damenzug verhindert diesen und verbindet gleichzeitig die Türme. Schwarz muss mit seinen Zügen sehr ökonomisch sein, da noch immer Weiß die Initiative hat.

16.a4!?
Moechte die Lage des Springers destabilisieren. Dies ist für Schwarz unangenehm, da der Springer momentan nicht wegziehen kann, ohne dass der Bauer b7 verloren geht.

16...Tab8!
Ein Schlüsselzug in meinen Augen. Der seltsame Turmzug, der einzig den Zweck hat, den Bauern b7 zu decken, stabilisiert die Lage. Denn Schwarz hat eigentlich nur ein Problem, nämlich den Vorstoß e5-e6. Auf dieses Problem sollte sich Schwarz einzig und alleine konzentrieren. Weiß gelingt es nach diesem Zug nicht, eine zweite Schwäche im schwarzen Lager zu schaffen. [ 16...a5 Stoppt den weißen Aufmarsch am Damenflügel. Dieser Zug ist aber ein Fehler. Solange der Bauer b7 nicht gedeckt ist, kann sich der Springer auf b6 nicht bewegen. Der Bauer muss daher über kurz oder lang mit einem Turm gedeckt werden. Also ist der Zug a7-a5 ein Tempoverlust und hinterlässt eine Schwäche auf a5.]

17.a5
Weiß gewinnt Raum am Damenflügel. Aber der Bauer auf a5 ist auch ein späterer Angriffspunkt, der es Schwarz ermöglicht, das Remis zu erreichen.

17...Sd7
Dies droht 18... Sd7xe5, da 19.Tfe1 den Springer nur scheinbar fesselt wegen 19...Se5xf3 mit Schach!

18.Tfe1 Sc5
Dies überdeckt das Feld e6, um den weißen Bauernstoß e5-e6 zu erschweren.

19.Dc4 Tfd8
Schwarz besetzt die einzige Turmlinie. Da es nur eine offene Turmlinie gibt, ist stört es auch nicht, wenn der Turm auf b8 immer noch hinter dem Bauern b7 eingesperrt ist. Es gibt keine zweite offene Turmlinie, die er besetzen könnte.

20.Sd4
Droht wieder e6.

20...Dh4!
Wichtiger Zug. Der Springer d4 ist gefesselt und wird angegriffen. Schwarz erzwingt den Abtausch der Springer. Eine wichtige weisse Angriffsfigur wird dadurch entfernt, bevor sie gefaehrlich wird.

21.Dxc5
[ 21.Tad1 ist sogar schlecht. 21...Se6 22.g3 Um die Dame zu vertreiben. 22...Txd4! 23.Dxe6 fxe6 24.gxh4 Txh4 Schwarz hat einen Bauern gewonnen und die weißen Bauern sind auf drei "Inseln" aufgeteilt, was die Verteidigung dieser nicht leicht macht.]

21...Dxd4 22.Dxc7 Dxb2 23.Tad1
Weiss droht auf der siebten Reihe mit dem Turm einzudringen. Meine Verteidigungsaufgabe ist also klar.

23...Tdc8
Nur so! Die weiße Dame wird dazu genötigt, dem eigenen Turm den Zugang zur siebten Reihe zu versperren.

24.Dd7
[ 24.De7 Dc3 verhindert die weiße Invasion auch. Schwarz bedroht außerdem den Bauern auf a5, was den weißen Angriff ausbremst. (vgl. die Anmerkung im 17. Zug) 25.e6 Ein Angriffsversuch kann nicht schaden. 25...fxe6 26.Dxe6+ ( 26.Txe6 Dxa5 27.h3 Es droht nun Td1-d7. 27...Df5 28.Te3 Dies droht wieder Td1-d7. Dieser Zug geht nicht sofort. ( 28.Td7?? Tc1+ 29.Kh2 ( 29.Te1 Txe1+ 30.Dxe1 Dxd7-+ ) 29...Df4+ 30.g3 Dxf2# ) 28...Te8 ( 28...Tf8 Der Druck auf den Bauern f2 verhindert auch die weiße Turminvasion. Aber Schwarz muss seinen gewonnenen Bauern zurückgeben. 29.Tf3 Dg6 30.Txf8+ Txf8 31.Dxb7 Ist auch Remis.) 29.Dc7 Tec8 30.De7 Te8 Schwarz forciert das Remis, da er wegen der Schwäche auf der siebten Reihe seinen Bauernvorteil nicht ausspielen kann. 31.Dxe8+ Will Weiß hingegen dem Remis ausweichen, so spielt er diesen Zug. 31...Txe8 32.Txe8+ Kf7 Ich bin kein Fachmann für Endspiele dieser Art, aber nach meiner Meinung sind die beiden schwarzen Freibauern auf dem Damenflügel gefährlich genug, um die weißen Türme unter Kontrolle zu bekommen. Weiß sollte daher nicht mehr als ein Remis erreichen können, da ein Mattangriff der beiden weißen Türme nicht zu erkennen ist. Hier sieht man auch, dass es wichtig war, dass Schwarz den Bauern auf a5 noch genommen hat. Stünde noch ein Bauer auf a5, so wäre die Lage für Weiß vorteilhaft.) ]

24...Te8
Wichtig, da wieder e5-e6 droht. Die letzte Variante hat gezeigt, dass dieser Bauernvorstoß Schwarz nahe an den Abgrund bringen kann. Darum wollte ich ihn auch so gut wie möglich erschweren.

25.h3
Dieser Zug schafft ein Luftloch und damit ist e5-e6 mit allen Kosequenzen möglich. [ 25.e6 fxe6 26.Txe6 Txe6 27.Dxe6+ Kh8 Die schwache weiße Grundlinie verhindert die Katastrophe Td1-d7. Darum kann Schwarz das Gleichgewicht vermutlich halten. Vielleicht hätte aber Weiß trotzdem diese Stellung anpeilen sollen, da die siebte Reihe immer noch gefährlich schwach ist.]

25...Dc3
Bedroht a5. Der eigentliche Zweck enthüllt sich im 27. Zug.

26.e6
Dieser Zug war nicht mehr zu verhindern.

26...fxe6 27.Txe6 Dc8!
Schwarz ueberdeckt das Feld d7, um die Invasion Td1-d7 zu verhindern. Außerdem zwinge ich Weiß dazu entweder die Damen oder ein Turmpaar abzutauschen. Dadurch wird die Schlagkraft des weißen Angriffs verringert und Weiß kann bald nichts Gefährliches mehr auf die Beine stellen.

28.Txe8+ Dxe8 29.Dc7 Dc8
Sonst Td1-d7.

30.Dd6
Weiß muss wieder einmal die eigene Turminvasion blockieren, um einem Remis durch Zugwiederholung auszuweichen.

30...b5
Schwarz nutzt die kurze Verschnaufspause. Jetzt hat der Turm auf b8 sogar noch eine Aufgabe gefunden. Schwarz kann nun mit einem Freibauern aufwarten, der Gegendrohungen schafft.

31.axb6
Weiß bietet ein Remis an, das ich natürlich annahm. Weiß steht immer noch ein wenig aktiver, wodurch sich die weißen Steine ein wenig bequemer führen lassen. Schwarz hat aber das Schlimmste abgewehrt und wird sich halten können. [ 31.axb6 axb6 32.Tb1 b5!? 33.Dd5+ Kh8 34.Txb5 Dc1+ 35.Kh2 Df4+ Remis durch Dauerschach. Der Bauernraub bringt Weiß also nichts ein.] 1/2-1/2